Beiträge von Silas

    Re: Cena mit den Liberti + Der Wille ist der Schlüssel zur Tat zum 4.


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    Verdammter Mist, die Herrin war gar nicht da. Den Plan, an ihre Milde und Güte zu appellieren, konnte Silas komplett vergessen. Er ärgerte sich darüber, dass er auf seiner Strafposition so gar nichts mehr mit bekam, von dem was im Haus so lief, und er zermarterte sich den Kopf nach einer neuen guten Idee. Alles verschieben? Aber bis morgen hatte Stallmeister Damon womöglich die drei kleinen Hunde schon um die Ecke gebracht... Sowieso war Silas immer noch unschlüssig, ob er nun für sich oder für die Welpen bitten sollte. Eigentlich war er selbst sich schon deutlich wichtiger als drei so schwächliche Fellbündel. Susaria wäre aber halt untröstlich, und Linus (auf seine Weise) auch...


    So recht zum Nachdenken kam er auch nicht, denn die Speisenden wollten bedient werden, und Silas war ein bisschen aus der Übung und mußte gut aufpassen. Schon hatte er versehentlich Icarion die Seeigel-Zange an Stelle des Fischlöffels hingelegt - der sah zum Glück darüber hinweg - und als er Pelias die glasierten Fenchel auftat, hatte er zuviel Schwung und besprenkelte ihn dezent mit Sauce. Der Custos runzelte aber nur kurz die Stirn, und schwang weiter seine Reden. Wieder Glück gehabt.

    Den Wein formvollendet einzuschenken, zu mischen, zu würzen, lief glatt, das konte Silas noch immer im Schlaf.


    "Alles was der Mensch den Tieren antut, kommt auf den Menschen wieder zurück" zitierte Pelias, und Silas merkte auf.

    Das wars! Das war die Gelegenheit, um den glücklichen Moment zu ergreifen, und mutig den Herrn anzusprechen, und die Hunde zu retten!

    Silas räusperte sich, Silas holte Luft, Silas suchte den Blick des Herrn... und zauderte, als dieser so vollkommen gleichgültig durch ihn hindurchsah, als wäre Silas gar nicht vorhanden. Die Hand des Herrn, die, mit dem wuchtigen Ritterring geschmückt, lässig den Kelch hielt, den Silas eben gefüllt hatte, das war die gleiche Hand, die ihn erst so eklig angegrabscht und später dann... nach der Flucht, im Hof, trotz des edlen Angus' Verteidigung... vor allen gezüchtigt hatte. Etwas lähmendes lag in diesem Wissen, etwas erlahmendes umfing Silas' Zunge, und schon war der Augenblick vorbeigezogen, und Silas hatte nichts gesagt. Er stand nur so da, mit dem Weinkrug, und in ihm brodelte die Wut. Die auf sich selbst. Was war er für eine Memme.

    Re: Der Wille ist der Schlüssel zur Tat – 3. Wie Phönix aus der Asche


    Durch die rechteckige Dachöffnung war ein Stück dämmrigen Himmels zu sehen. Vom Impluvium kam ein leises Plätschern, die Statue des Genius des römischen Volkes reckte weit ihre Schwingen, und die Flamme der Öllampe, die vor der Büste des Kaiser brannte, spiegelte sich auf der leicht unruhigen Wasserfläche des Bassins in vielen Fragmenten… als wäre sie ebenso zersprungen, wie es die Vase in Silas‘ Armen noch vor kurzem gewesen war.
    Als Schritte sich näherten, feste Schritte, trat Silas instinktiv in den Schatten des steinernen Genius… denn eigentlich hatte er hier im herrschaftlichen Teil des Hauses ja nichts verloren.


    „…ein dringend gebotener Akt der Aufrichtigkeit!“ vernahm Silas. Die Stimme, obschon gedämpft, gehörte klar dem Libertus Pelias.
    Und die gemurmelte Erwiderung, irgendwas wie: „nicht nur meine sondern - murmel murmel – Entscheidung“ klang nach dessen Compagnon Arkadios.
    Silas verharrte in seinem Versteck, diese beiden Custodes, die ihn eingefangen und durch halb Italia nach Hause geschleift hatten, lösten noch immer eine Beklemmung in ihm aus. Auch wenn sie den Umständen entsprechend einigermaßen freundlich agiert hatten… und Arkadios, mit den krassen Muskeln, schon lange so was wie ein Idol von ihm war… so waren und blieben die beiden doch miese Sklavenhäscher, die zum Tartaros gehen konnten. Oder – Silas erinnerte sich an Mamas Sueben-Geschichten – zur HEL!!
    „…kannst aber doch nicht…“ – Wieder Pelias, in rechthaberischem Tonfall.
    „Gib endlich Ruhe. Nicht jetzt. Nicht hier.“ Schnitt ihm Arkadios das Wort ab. „Kümmer dich um deinen eigenen Dreck.“

    Wie der fauchte. Schien ja mächtig sauer zu sein. Worüber die beiden sich wohl in die Wolle geraten waren? Sonst waren sie ganz dicke. Während die beiden vorübergingen, Richtung Triclinium, schwelgte Silas kurz in der Vorstellung, wie die beiden sich gegenseitig die Köpfe einschlugen… oder noch besser, wie er selbst die beiden gegeneinander ausspielte, so dass sie sich am Ende gegenseitig die Köpfe einschlugen… dann hörte er Pelias auf einmal in ganz anderem Tonfall sagen:
    „Warte.“ Und der Custos wandte sich in Richtung der Genius-Statue. Silas stockte der Atem, er drückte sich gegen den kalten Mamorsockel… -

    Als jäh von den Fauces her sich weitere Schritte näherten, leichte und dazu hörte er Icarion gutgelaunt plaudern:
    „Ach, ihr seid ja auch schon da. Dann könnt ihr gleich schon mal probehören. Ich bin mir nicht sicher bei der dritten Strophe… hört es euch einfach mal an, schenkt mir ein Votum. Übrigens weiß ich aus sicherer Quelle, dass es Dorade gibt!“
    Die drei Freigelassenen entfernten sich Richtung Triclinium.


    Silas atmete auf. Ein Hausmädchen kam herein und begann damit, weitere Öllampen in den Nischen zu entzünden. Dann zog ein köstlicher Duft herauf, als Philodemus mit Servierplatten beladen aus Richtung Küche kam. Silas deponierte die Vase zu Füßen des Genius und trat schnellentschlossen auf ihn zu.
    „Ich soll dir helfen.“
    „Hm?“ Der Küchenjunge schielte ihn verdrossen an.
    „Beim Servieren!“
    „Hast du keinen Ofen zu kehren?“ Hohn lag in Philodemus‘ Stimme.
    „Rhea sagt, du hast so viel zu tun, ich soll hier helfen.“ Silas log ohne mit der Wimper zu zucken.
    „Viel zu tun ist gar kein Ausdruck!“ Silas‘ Mit-Sklave überließ ihm ein Tablett und ging ihm voraus. Silas folgte hinein ins hell erleuchtete Triclinium.

    Der Wille ist der Schlüssel zur Tat – 3. Wie Phönix aus der Asche


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    Um einen möglichst guten Eindruck zu machen, hatte sich Silas jedes Fitzelchen Dreck und Ruß abgeschrubbt und eine saubere Tunika angezogen. Dann schnappte er sich die Vase, an der die letzten Farbtupfer mittlerweile getrocknet waren. Im Garten rupfte er ein paar Blumen ab und stellte sie in das riesige bauchige Ding, dann trug er das Ungetüm in die herrschaftlichen Räume, auf der Suche nach einer Gelegenheit, unaufdringlich die Aufmerksamkeit der Herrin zu erhaschen. Die Sache mit den Welpen lag ihm noch ganz schön schwer auf der Seele, aber Silas sagte sich, dass er sich jetzt vor allem darauf konzentrieren musste, endlich aus den Hypokausten frei zu kommen. Und den peinlichen Fugitivus-Halsring loszuwerden!
    Die Herrschaften, fand Silas, waren nach dem Abendessen meistens am umgänglichsten. Er straffte seine Schultern und ging leise durch das Atium...

    Der Wille ist der Schlüssel zur Tat – 2. Ariovist in Gefahr


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    Silas fand (Pau-)Linus im Pferdestall, bei Stumpfnase, die vor kurzem geworfen hatte. Acht wuschelige kleine Wollknäuel scharrten sich um die riesige Molosserhündin, tapsten durch das Stroh, kugelten übereinander und balgten sich um die Zitzen.

    Auch die kleinen Mädchen waren da. Silas rollte ein bisschen mit den Augen, er hätte seinen Kumpel lieber alleine angetroffen.


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    "Sie sind sooo süüüüß!" piepste Susaria, Silas Schwesterchen, und schnappte sich einen sehr kleinen Welpen mit sandbraun geflecktem Fell. "Der ist am allersüßesten! Ich wünschte er wäre MEIN Hund." Selig kraulte sie das kleine Wesen. Auch Iphigenie knuddelte und wuschelte die Welpen. Silas kniete sich ins Stroh. Er machte sich eigentlich nichts aus Hunden. Aber die Kleinen waren schon verdammt niedlich.
    "Ich hab endlich die blöde Vase fertig." erzählte er den anderen.
    Linus gab Stumpfnase gerade zu fressen: "Da hast du, meine Große."
    Die Hündin sabberte kräftig, schlabberte ihm über die Hand und verschlang ihr Futter mit großer Gier.
    "Ich werde sie der Herrin bringen."
    "Du Silas," meinte Iphigenie, "stell doch ein paar Blumen rein, das gefällt ihr bestimmt."
    "Ich glaube ich nenne ihn Ariovist!" verkündete Susaria.
    Silas widersprach: "Du kannst nicht einen winzigen Flauschi-Hund wie einen ruhmreichen Heerkönig nennen! - Hm ja, gute Idee Iphi."
    "Pff, warum denn nicht?! Ich werde Schildmaid wenn ich groß bin, und mein Hund wird auch groß, so groß wie Reißzahn, und kämpft dann mit mir zusammen."
    "Du wirst Waschmagd, nicht Schildmaid!" Das entschlüpfte Silas, obwohl er sich echt schon oft vorgenommen hatte, lieb und nett zu seiner kleinen Schwester zu sein. Aber sie war eben so unendlich nervig...
    "Du doofes Pickelmonster!" blaffte Susaria automatisch zurück. Silas blieb locker. Die Pickel war er nämlich schon lange los.
    "Es wäre vielleicht wirklich besser, noch etwas zu warten, bevor wir ihnen Namen geben." meinte Linus verhalten zu Susaria. "Es kann ja sein, dass vielleicht nicht alle von ihnen durchkommen..."
    Susaria erschrak.
    "Der hier wird aber groß." erwiderte sie trotzig und setzte ihn vorsichtig zurück an eine von Stumpfnases Zitzen.


    Linus sagte nichts weiter dazu. Doch er sah bedrückt aus, und später als die Mädchen weitergezogen waren, und nur noch Silas und er im Stroh bei den Hunden saßen, gestand er Silas warum:
    "Damon war vorhin hier und hat... die Schwachen aussortiert. Den und den und den." Er deutete auf einen Welpen, der eine krumme Pfote hatte, auf einen, der wirklich matt erschien, und auf einen, der sehr klein geraten war, sandfarben und gefleckt... Susarias Liebling.
    "Er sagt, sie trinken nur den anderen die Milch weg. Er wollte sie gleich in einen Sack packen und ertränken, aber ich hab gesagt, ich mach es selbst..." Tiefe Traurigkeit stand in seinen Augen. "...so dass sie nicht so leiden müssen. Ertrinken ist doch besonders schlimm..."
    Silas wusste nicht was er sagen sollte. Stallmeister Damon hatte recht, es kamen nun mal nie alle durch, das war normal. Es tat ihm aber in der Seele weh, Linus so traurig zu sehen. Und Susaria würde eine Woche lang heulen. Und die Welpen taten ihm schon auch leid.
    "Willst du... soll ich an deiner Stelle..." setzte er zögernd, widerwillig an.
    "Nein... nein... Ich zermarter mir den Kopf ob es nicht anders geht. Sie wollen doch auch leben. Und Gott hat sie geschaffen, genauso wie uns."
    "Mensch Linus..."
    Silas wusste, dass sein Kumpel dem dubiosen Christianerglauben anhing. Linus hatte es ihm unter dem Siegel der Verschwiegenheit erzählt. Wenn dem das bloß nicht mal doll auf die Füße fiel!


    Sie erörterten Wege, die drei todgeweihten Welpen zu retten ... sie auszusetzen, aber nein, dann würden sie nur verhungern... sie zu verstecken und Milch auf dem Markt zu kaufen... aber Damon war nicht blöd und würde das merken... die Herrin um Hilfe zu bitten... aber sie war jetzt die Domina des Hauses und viel, viel strenger als früher. Was für ein Jammer, dass der tierliebe Dominus Casca nach Griechenland umgezogen war!

    Guter Rat war teuer.


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    Der Wille ist der Schlüssel zur Tat – 1. Die Augen des Octopus



    Holz spalten, Scheite schleppen, die Hypokausten befeuern, Asche fegen... daraus bestand der Winter für Silas. Abends waren seine Arme schwer wie Blei, die Kehle kratzig vom Rauch, der Kopf stumpf, und Silas von oben bis unten so eingesaut, dass es sich – nach seiner Meinung – kaum mehr lohnte, sich mühsam zu waschen und zu schrubben... er wurde ja tags darauf wieder genauso dreckig...
    Silas hatte die Schnauze gestrichen voll und fand, dass er jetzt echt bestraft genug war für den dummen Fluchtversuch! Aber anscheinend hatten ihn die Herrschaften vergessen und er würde sein Lebtag ein trauriges Dasein als Handlanger des Grobknechtes führen...
    ...wenn er sein Schicksal nicht selbst in die Hand nahm!


    Der Wille ist der Schlüssel zur Tat, das hatte der weise alte Mann am Tiberufer verkündet, und diese großen Worte hallten in Silas nach. Die Sache war nur leider ziemlich verzwickt, denn Silas wusste gar nicht so recht was genau er wollte. Dass Schluß sein sollte mit der Schufterei, klar... dass die Herrschaften ihn bemerken und ihm bessere Aufgaben geben sollten, klar... allerdings wurde es da schon wieder kompliziert, denn allzusehr wollte Silas nun wiederum auch nicht bemerkt werden, von Dominus Serapio, und mit dessen Aufmerksamkeit bedacht. (Silas versuchte stets, nicht an den Strand von Ostia zu denken, aber wenn ihn doch etwas daran erinnerte, wurde ihm ganz eng im Hals.)

    Der Plan war also: die Aufmerksamkeit der Herrin auf sich zu ziehen.


    Schritt eins: die verdammte Octopus-Vase reparieren. Ein mega-anstrengendes Projekt, denn das blöde Ding war in unzählige Stücke zerbrochen. Zum Glück half Silas' treuer Freund Linus ihm oft dabei (Pau-linus nannte sich seit neuestem lässig nur noch Linus). Manchmal halfen auch Susaria und Iphigenie... Viele Abende lang puzzelten sie an den Scherben und klebten sie mit einem Kleister aus Mastixharz zusammen. Dann schwenkten sie das dickbauchige Gefäß mit flüssigem Bienenwachs aus. Einen Rest Wandfarben bekam Silas von seinem Vater, der gerade im Peristyl die Hauswände aufgefrischt hatte. Damit übermalte Silas so gut wie möglich das Zickzackgewirr der Sprünge.


    Eines Abends war es soweit. Fertig! Endlich! Silas ließ den Pinsel sinken und betrachtete skeptisch das Werk. Toll sah die Vase nicht gerade aus. Die Sprünge die, notdürftig kaschiert, das Gesicht des Octopus durchzogen, gaben dessen Glubschaugen einen besonders bösartigen Ausdruck. Aber Silas war so, als hätte das Ding auch vor dem Unglück nicht gerade einen Schönheitspreis gewonnen. Er stellte die Vase zum Trocknen auf die Kiste neben seiner Schlafstatt und ging in den Stall, um mit Linus abzuhängen...

    Folgsam prägte Silas sich die Weisheit des Paedagogus ein, auch wenn sie ihm nicht gefiel: Beischlaf bringt Vorteile, Liebe bringt Nachteile.
    Dass Liebe wirr machte, hatte er selbst bereits erlebt! Er war wie betrunken gewesen, als die schöne Camilla ihm ihre Gunst geschenkt hatte – als sie ihn aber nach seiner Flucht gar nicht mehr kennen wollte, und nur mehr Augen für diesen bescheuerten Schermesserschwinger hatte, da war es ihm so schlecht gegangen, kein Kater hätte schrecklicher sein können. (Silas hatte daraufhin sowieso beschlossen, sich nie wieder zu verlieben – es war den ganzen Ärger nicht wert.)

    "Ja, sie bemerken mich immer nur ganz genau dann, wenn gerade was schiefgeht." klagte er, "Nie wenn was gut läuft. Früher war das anders."
    Als er noch klein gewesen war, wenn er da mit der Weinkanne herumgewuselt war, da hatten ihn die Herrinnen alle 'ach, so niedlich!' gefunden und ihn verhätschelt. Aber niedlich war gestern!


    "Das ist eine megagute Idee! Ich bin der totale Versager in Griechisch..." (Laut dem Pauker Orosius waren das allerdings alle seine Schüler.) Silas müsste nur erstmal bewirken, überhaupt wieder Unterricht statt Frondienst zu bekommen. Aber er hatte schon eine Idee...
    "Das ist unheimlich nett von dir!" Silas strahlte den Helfer in der Not beglückt an. Der war ein Mann von Welt, dem würde bestimmt etwas gutes einfallen. Er wünschte sich, sein Vater würde sich auch so für ihn interessieren und sich so richtig, so tief mit ihm unterhalten, aber seine Eltern nahmen ihn ja beide nicht ernst, sie sahen nur den kleinen Bub, der er vor Jahren gewesen war. Der Paedagogus hingegen machte sich echt Gedanken, um ihm zu helfen, bot sogar einen Besuch vor Ort an, dabei hatte er sicher selbst genug zu tun... - Warum eigentlich?
    Silas zögerte. Er hatte durchaus schon erfahren, dass außerhalb der Hausgemeinschaft der Casa Decima kaum jemand etwas zu verschenken hatte. Nicht, dass er am Ende wieder an so einen ollen Grabscher geriet... man hörte ja so einiges von den Griechen.
    "Aber was möchtest du als Gegenleistung?"

    "Oh." Silas verband das Wort "Paedagogus" eng mit "Rohrstock", darum verblüffte es ihn zu hören dass dieser nette Grieche einer war. Und Maiordomus obendrein! Und da unterhielt er sich ganz ohne Dünkel mit jemand so unwichtigem wie Silas es war. Von Ehrfurcht erfüllt, fiel es Silas schwer, dessen weisen Worten zu widersprechen, obgleich sie ihm einen Widerwillen einflößten.
    "...Ich finde es aber eben... ekelhaft. Ich will nicht, dass... meine Schwester... das machen muß. Es wäre ja alles viel einfacher, wenn das anders wäre..... - " sagte er leise, blass und verbissen, und um so beschämter als er wusste, dass er im Unrecht war und sein Widerstreben keine Berechtigung haben konnte. Jeder vernünftige Sklave wusste ja, dass es keine Schande war zu tun was auch immer der Herr befahl.
    "Aber wenn du so sehr die Vorteile siehst, wieso findest du das schlimm wenn sich die Herren verlieben? Das gäbe dann doch erst recht Vorteile..."


    Grübelnd blickte er auf, als Graubart ihn so aufmunternd anstupste.
    Der Wille ist der Schlüssel zur Tat.
    Das klang gut, groß und erhaben.
    "Ich komme mir verarscht vor, weil ich früher immer geglaubt habe, wir würden den besten aller möglichen Herrschaften dienen. Dass treue Dienste belohnt würden, und dass... naja, allgemein! Dass die Dinge, so wie sie sind, einfach die natürliche Ordnung wären."

    Silas schnaubte abfällig, ja wie klein und naiv war er früher gewesen!
    "Aber da mach ich einmal was falsch, und schon klebt mir das wie Pech an den Hacken. Du hast absolut recht, ich brauche einen Plan, sonst komm ich nie weiter. Ich bräuchte einfach mal eine Gelegenheit, um meinem Herrn zu beweisen, dass mehr in mir steckt! Wenn ich zum Beispiel... einer Intrige gegen ihn auf die Spur käme! Oder ein Attentat auf ihn vereiteln könnte! Oder noch besser, ein Attentat auf die Herrin! Oder sie vor einem flammenden Inferno retten könnte! - Aber sowas... passiert natürlich nur in Geschichten, nie in echt. Und ich kann ja schlecht das Haus anzünden, nur um eine Gelegenheit zu haben, mich hervorzutun!!" Frustriert hatte Silas sich in Rage geredet, jetzt verstummte er, erschrocken über das was ihm da gerade entschlüpft war. Brandstiftung war schließlich schlimmer als Mord.

    "Ja, er war'n Hundsfott." Die Idee, Rache zu nehmen, war befremdlich für Silas. Auf so was konnte wohl nur ein Freigeborener kommen. Silas kam ja gerade mal von der Casa bis zum Tiber, und selbst das gab wahrscheinlich nachher wieder Stunk wegen Trödelns. Heimkehren? Silas' Zuhause war doch hier hier in Rom. "Bestimmt ist er eh schon tot."
    Es war bitter, was der alte Grieche sagte, aber er hatte ja recht. Geknickt sah Silas zu Boden.
    "Genau das versteht sonst immer keiner. Dass ich was machen will mit Bedeutung. Ich will nicht mein Leben lang Wein einschenken. Ja klar, es ist auch ne Kunst, man muss sich gut auskennen, und es ist besser als Holzhacken, aber mal ehrlich, es ist total belanglos und echt öde auf die Dauer. Ich will was machen was zählt, Menschen helfen... und was aus mir machen, eben. Geldverdienen natürlich auch. Ich hab' ne kleine Schwester, die mal megahübsch wird, das kann man jetzt schon sehen... und ich möchte sie echt gern freikaufen... bevor irgend so ein ekliger Molch von den Herrschaften sie in sein Bett zerrt. - Aber du hast schon recht, auf normalem Weg hab ich keine Chance."
    Ebenso schonungslos wie er zu Silas sprach, urteilte der Mann über sich selbst.
    "So bequem klingt das aber nicht was du dir gerade überlegst." stellte Silas fest. Sich freikaufen zu lassen von alten Freunden wäre ja wohl bequemer als um der Ehre wegen eine Flucht zu riskieren. "Bist du eigentlich ein Custos?"


    Die Gegenfrage erstaunte Silas. "Kann ich nicht sagen, ich war ja noch nie frei. Ich war doch auch auf dem Schiff immer nur ein Fugitivus."
    Aber was in seinem Inneren war, da musste er nicht lange überlegen:
    "Ich komme mir total verarscht vor!"

    Was der Mann wohl angestellt hatte, dass er glaubte, die Sklaverei verdient zu haben? Silas traute sich nicht nachzufragen, es klang nach einem richtigen Verbrechen. In einem anderen Punkt aber schon:
    "Ja, aber, also was ich meine, als du versklavt wurdest, hat sich da etwas innen drin" – Silas legte sich die Finger auf die Brust und blickte sein Gegenüber mit großen grauen, unschuldig und drängend fragenden Augen an – "verändert. Oder nur außen? Sind wir innen drin anders als Freie, oder nur außen, das möchte ich gerne mal wissen... Und bei mir, da glaube ich eigentlich nicht so richtig, dass die Götter das wollen dass ich Sklave bin, weil schuld ist mein Opa, der hat es ganz arg" – Silas senkte die Stimme, als er von dessen schändlichem Vergehen sprach – "mit dem Glücksspiel übertrieben. Vorher war die Familie von meiner Mutter nämlich frei und hatte sogar einen Hof mit zwei Kühen und acht Schweinen. Aber ich kenn' den gar nicht. Also, weder meinen Opa noch den Hof... noch Germanien. Ich kann doch nichts dafür, dass der so Mist gemacht hat. Andererseits gäbe es mich andernfalls gar nicht..."


    Feiglinge? Wieder umgekehrt? Im ersten Moment guckte Silas nur erstaunt, dann ballte er zornig die Fäuste.
    "Ich bin kein Feigling!! Ich bin auch nicht wieder umgekehrt!" Heimlich zurückgewünscht aber schon, darum fühlte er sich ertappt und durchschaut von Graubarts lebenserfahrenem Blick. "Es ist ja wohl nichts schlechtes daran, sich die Freilassung zu verdienen!" widersprach er hitzig dessen Urteil. So ein mega-überheblicher Typ, echt mal! Aber mit allem Wassern gewaschen... eine Flucht hätte bestimmt mehr Aussicht auf Erfolg, mit so einem alten Wolf, der die Schliche genau kannte... nur rein theoretisch gedacht natürlich!
    "Durch treue Dienste! Schließlich schulden wir das unseren Herrn... Treue. Es ist allemal besser als sich heimlich wie ein Dieb davonzustehlen..." Hier lag allerdings hörbar die Zerrissenheit in Silas' Worten. Denn treue Dienste führten eben doch nur sehr selten in die Freiheit... gerecht ging es nicht zu dabei, im Gegenteil... Silas musste an den Strand von Ostia denken. Ein übles Gefühl entstand in seiner Kehle. Er schluckte es runter und verschränkte die Arme. Sein Weg? Wohin spürte er ganz klar, aber wie bloß kam er dahin...
    "Ich will Vigil werden, ganz klar. - Und du, was machst du, wenn du dein altes Leben wieder findest?"

    Freigeborene hatten oft spannende Geschichten zu erzählen! Graubart erinnerte Silas ein bisschen an den stoischen Wüstenkrieger Armastan, so von der Art her. Der war allerdings in Rekordschnelle freigelassen worden. Die Götter lassen nicht mit sich scherzen.
    "Glaubst du, es ist echt Götterwille, dass wir Sklaven sind? Nicht einfach nur Pech oder so...?" fragte Silas zweifelnd. Zu Hause konnte er über so was ja nicht sprechen, gleich sahen ihn alle strafend an, oder nervten ihn mit albernen Kinderfabeln, wie der vom Esel, der sich als Löwe verkleidete... und prompt aufgefressen wurde. Klar war es bequem, aber das war doch nicht alles.
    "Wir sind ja auch nicht... aus anderem Stoff gemacht als die Freien. Oder, wenn ein Freier zum Sklaven wird, so wie du, dann verändert man sich doch nicht schlagartig, so innendrin, also das Wesen oder die Essenz, es verändert sich nur was man für Rechte hat. Also, eben keine mehr. Fast keine." Silas zögerte. Ihn beschäftigte diese Frage schon lange.
    "Oder? Oder ist das doch anders? - Ich kann das nicht wissen, ich bin hausgeboren. Mein Vater auch. Aber meine Mutter ist freigeboren. Sie ist Suebin und..." - Silas blickte auf Graubarts Füße, brrrr"hält auch ganz viel vom Abhärten, wo sie herkommt, da wird’s im Winter megakalt, da schlagen sie dann immer ein Loch ins Eis und tunken die Babys rein, damit aus ihnen mal was wird."
    (Jedenfalls erzählte Mama das häufig. Trotzdem hatte sie Silas ja den Schal, den er gerade trug, geschenkt. Eltern waren undurchschaubar.)
    Silas glaubte nicht, dass ein Prätor sich dafür interessieren würde, einem Sklaven Gerechtigkeit zu verschaffen, und ob ein so betagter Mann, auch wenn er total abgehärtet war, noch fit genug war für eine Flucht? Griechenland war ja auch nicht gerade um die Ecke und schlimmstenfalls endete man am Kreuz...
    "Hast du denn keine Chance auf eine Freilassung? Oder wenn du deiner Familie schreibst und deinen Freunden, ob sie dich auslösen?"


    Nein, Silas schüttelte den Kopf, natürlich hatte er nicht nach Sardinien gewollt.
    "Nee. Ich wollte..." Normalerweise sagte er auf die Frage hin immer was von 'mein Glück auf den Weltmeeren machen', aber heute, vor dem weisen Alten, mit Blick auf den schlammigen Fluß, da sackten seine Schultern ein Stück herunter und er sah mit einem Mal recht verloren aus. "...eigentlich bloß weg."
    Trübe kickte er einen Eisbrocken ins Wasser. "Drum hab ich das nicht... nicht gerade gewieft angestellt. Das Schiff fuhr seine übliche Route, und im Misenum am Hafen, als wir da eingelaufen sind, da haben die Custodes von meinem Dominus praktisch schon auf mich gewartet. Das war's dann."

    "Dann Entschuldigung." murmelte Silas, betreten dass er gleich so aufgebraust war. Der Graubart wirkte sehr weise und freundlich, schien viel vom Leben zu verstehen. Silas verschränkte die Arme vor der Brust. In der Casa konnte er mit keinem so richtig sprechen, keiner verstand ihn, nicht mal Linus.
    "Nee.... freiwillig nicht. Sie haben mich geschnappt, aber da war ich schon bis Misenum gekommen." Zögernd, den Kopf ein bisschen schief, lugte er zu dem Fremden wie der das aufnahm, ob der das wirklich so gelassen sah. Mit der Formulierung vom ersten Mal, deutete der zudem an, es gäbe auch ein zweites.
    "Es war natürlich total bescheuert von mir. Vorher.... vorher hatte ich echt gute Chancen was aus mir zu machen, und jetzt muss ich büßen und darf nur noch Drecksarbeit machen. - Dabei..." Silas grinste ein klein wenig, ganz verstohlen, schalkhaft. "...hab ich nur getan was mein Dominus befohlen hat. Ich hatte ihn übel verärgert an dem Tag, er war so megasauer, schimpfte rum... Also er so:" Silas warf sich in die Brust, guckte wie der zürnende Iuppiter und äffte pompös den Herr nach: "Oh du Kürbiskopf, geh mir aus den Augen, verschwinde, nie wieder will ich dich sehen!"
    Und wieder als er selbst, ganz lässig: "Und ich denk mir so: Na gut, verschwinde ich halt. Ich hab dann in Ostia auf einem Schiff angeheuert! Wir sind nach Sardinien gefahren. Es war... naja, ich war total seekrank, aber davon abgesehen war es der Wahnsinn! Ich habe einen Fisch gesehen, der wie ein Vogel geflogen ist, und das Wasser war nicht wie hier..." Silas blickte auf den schlammigen Tiber. "... sondern grün, so grün wie wenn man durch einen Flußspatkelch in die Sonne guckt. Es gab Höhlen, in die sind wir mit dem Boot reingerudert – der Kapitän hatte da wohl so ein paar Nebengeschäfte – und in Carales, die Hafenmädchen, die waren wie Blumen so schön, aber kess und gar nicht teuer...."
    Bei aller Misere, die daraus entstanden war.... so richtig bereuen konnte Silas sein Vergehen nicht. Seine Augen leuchteten als er davon sprach.
    "Du bist bestimmt auch schon mal abgehauen, so wie du fragst, oder? Erzähl!"

    Gewonnen!
    "Ja, schon, wieso?"

    Silas konnte immer essen. Aber bei der Geste zum Hals verzog er genervt das Gesicht. Das fehlte noch, dass der Typ jetzt auf die Idee käme, ihn nach Hause zurückzuschleifen, im Glauben eine Belohnung zu kassieren.
    "Bist du Sklavenjäger? An mir ist kein As zu verdienen." erklärte er verdrossen. "Ich bin nicht abgehauen, ich mach bloß gerade ne kleine Pause."
    Silas griff zu seinem Halstuch, dass er locker umgeschlungen getragen hatte. Es war naalgebunden und satt zwiebelgelb gefärbt (Mama hatte es ihm zu den Saturnalien geschenkt). Ärgerlich wickelte sich Silas das Tuch fest um den Hals und verknotete es, so dass der megapeinliche Halsring nicht mehr zu sehen war.

    Der Tiber mündete in Ostia ins Meer.... Jede lumpige Eisscholle, die gerade an Silas vorübertrieb, würde Ostia erreichen, und wenn sie schmolz, würde sich ihr Wasser mit dem des Meeres mischen... während Silas hier festsaß, und schon gleich wieder brav den Müllkarren nach Hause schieben musste, um nicht noch mehr Stress zu bekommen als er sowieso schon hatte. Mürrisch klaubte er mehr Kiesel auf, auch wenn es eine lächerlich winzige Rebellion war hier Zeit zu vertrödeln, so war es doch zumindest mal ein Moment wo er seine Ruhe hatte und keiner ihn rumkommandierte.


    Ein grauhaariger Typ stand in der Nähe, nahm ein Fußbad – alles klar – und ließ ebenfalls einen Stein hüpfen, echt gut. Das weckte Silas' Ehrgeiz, und mit einem wettkampflustigen Funkeln in den Augen sah er zu dem Mann auf - Herausforderung angenommen! - bevor er den nächsten Stein fliegen ließ... aber der kam schlecht auf, und versank rasch. Silas zog einen Flunsch.
    Doch dann, dann fand er den perfekten Kiesel! Der war grau gesprenkelt, fast rund, ganz flach und von einem helleren Streifen durchzogen, lag kühl und glatt und vielversprechend in der Hand. Silas konzentrierte sich ganz auf diesen Punkt, so wie wenn er aus einer schweren Karaffe etwas in ein Gefäß mit kleiner Öffnung umgoß... dann warf er, aus dem Handgelenk locker die Drehung hinzufügend, und der Stein flog, und sprang, und sprang, und sprang immer weiter. Triumphierend sprang auch Silas aus der Hocke auf, zählte gebannt die Hüpfer, grinste breit und jubelte:
    "Acht Mal!!"
    Das war ja wohl kaum zu toppen!

    Nach den großen Hochzeitsfeierlichkeiten, bei denen Silas kurz seinen alten Mundschenkpflichten hatte nachkommen dürfen, ging seine Bestrafung weiter. Holz sägen und hacken, Hypokausten befeuern, Drecksarbeit, endlose Plackerei ohne Aussicht auf ein Ende...
    An den kalten Wintertagen waren die Hypokausten ständig mit Holz zu versorgen. Silas hatte verteufelt Muskelkater in den Armen, kleine Versengungen von den Funken an den Händen, und selbst nachts träumte er davon, ein Sklave der gefräßigen Öfen zu sein, deren glutroter Bauch unersättlich nach neuen Scheiten verlangte, damit die Herrschaften auch immer schön wohlig warme Füße hatten.
    Aus dem Haus durfte er nur bei Aufträgen, keine Circusbesuche gab es mehr, kein Herumstreifen in der Stadt mit Paulinus, keine Kneipenbesuche. Nachbars Camilla hatte sich längst anderweitig getröstet, sie ging jetzt mit einem prolligen Barbier-Gehilfen und würdigte Silas keines Blickes mehr.


    Fast freute Silas sich, als er heute mal nicht zum Heizen sondern zum Müll-wegbringen abkommandiert wurde... so weit war es schon gekommen mit ihm! Mit dem Handkarren brachte er einen Haufen kaputter Amphoren zur städtischen Müllkippe, die sich wie ein Berg hinter den Horreae Galbae am Tiber erstreckte. Die dürren, zerlumpten Gestalten, die sich dort herumdrückten, den ganzen Tag am Suchen nach irgendwas brauchbarem, essbarem oder weiterverkaufbarem in den Müllbergen, waren ein trister Anblick. Unweigerlich erinnerten sie Silas daran, wie mega-hart es war, in der Welt zu bestehen, ohne Dominus und ohne Dach über dem Kopf...
    Aber das machte seinen Frust auch nicht besser. Ein Tag war öder und anstrengender als der nächste, immer noch musste er den peinlichen Fugitivus-Halsring tragen und sein Traum, eines Tages Vigil zu werden, war komplett ins Unmögliche gerückt.
    Es sei denn...
    ...Nein.


    Nachdem er den Müll losgeworden war, kletterte Silas die Tiberböschung herunter und schlurfte über das kiesige Schwemmland zum Fluss. Einige außergewöhnlich kalte Tage lagen hinter Rom, und in einer Windung des Tibers war das Wasser am Ufersaum gefroren, nun aber schon wieder am auftauen. Kleine Schollen und Bruchstücke wurden in der schnellströmenden Flussmitte mitgetrieben, wenn sie gegen das noch feste Eis stießen gab es einen hellen Klang, ein fortwährendes Klimpern lag in der Luft, fast wie von einem Glockenspiel.
    Silas testete das Eis mit dem Fuß und schlitterte ein wenig am Ufer entlang, doch es war schon zu sehr angetaut und er bekam nasse Füße. Missmutig trat er gegen einen Stein, der übers Eis rutschte, dann versank. Manchmal fand man interessante Sachen hier am Ufer... er hob einen Wurzelstrunk auf, überlegte ob er was daraus schnitzen sollte... ein Krakenmonster vielleicht... hatte aber dann doch keine rechte Lust darauf und warf das Ding wieder weg.
    Zuletzt sammelte er ein paar besonders gute Kieselsteine, schön rund und flach, und schleuderte sie, einen nach dem anderen, aus der Hocke heraus mit dem richtigen Dreh, so dass sie jenseits des Eissaumes aufs Wasser prallten und platschend über die Tiberfluten weiterhüpften...

    "Roter Pfeffer, Myrthenbeeren",riet ich lächelnd: "Aber was war die letzte Zutat, ministrator vini? Dieser Gewürzwein trifft genau meinen Geschmack."


    Silas freute sich über das Lob, ein Strahlen ging über sein Gesicht.
    "Galatische Berberitze, Dominus!"
    Endlich mal was richtig gemacht. Aber natürlich guckte in dem Moment mal wieder keiner von den Decimern, oder die Vilica, die bemerkten ja grundsätzlich immer nur wenn was schieflief.


    Aufmerksam ging Silas weiter seinen Pflichten nach, und sorgte mit seinen Mitsklaven dafür, dass während des Banketts kein Becher leer und keine Kehle je trocken wurde. Leider konnte er deswegen immer nur ganz kurz den Kunststücken der Äffchen zuschauen, und den mega-heißen Tänzerinnen, dann hieß es schon wieder hin und her wetzen zwischen den Klinen (und den vereinzelten Korbstühlen, wo ein paar besonders altmodische Damen Platz genommen hatten), der Küche und dem Weinkeller.

    "Bring mir auch einen Mulsum und den schön pikant." Die Röte des Pfeffers würde die Röte meiner Dummheit übertünchen, hoffte ich.

    Für mich auch, bitte, aber schön mild.


    "Sehr wohl, Dominus, Domina." bestätigte Silas beflissen. Er stellte sein Tablett auf einer Steinbank ab, um die Hände frei zu haben, und bereitete flink die Zutaten, um dem Mulsum, den Wünschen gemäß, einen individuellen Schliff zu verleihen.

    Für den Herrn, der gerade so rot geworden war (er mochte wohl die kleine Dame mit den dunklen Haaren gern), mörserte Silas eine kräftige Prise roten Pfeffer, fügte eine Extraportion Myrthenbeeren hinzu, und entschied sich zudem – der Herr sah aus, als würde er ungewöhnliches schätzen – für eine Abrundung mit zerriebenen Berberitzen.
    Den Becher der gütigen Dame hingegen versah Silas mit einem Schwung eingekochten Dattelsuds und einer ganz klassischen Prise Safran und Zimt. Jede Handbewegung ging fließend in die nächste über, zuletzt ergriff Silas die Weinkanne, welche über glimmenden Kohlen warmgehalten wurde, und füllte die Becher in fein gewölbtem Strahl mit dem dampfenden Mulsum auf. Einmal umgerührt, dann mit leichter Kopfneigung überreicht.

    Ein scrupulum Pfeffer, frisch gemörsert, eine Messerspitze Wermutkraut und einige Nelken fügte Silas dem dampfenden Mulsum hinzu, bevor er den Becher anmutig dem Gast überreichte.
    Vom Rande des Peristyliums aus sah er dem Opfer zu. Der Schrecken von eben steckte ihm noch in den Knochen, und auch die Nachricht, dass er nun doch nicht bestraft werden solle, ließ diesen nur so halb verfliegen. Wie blöd, dass er vor Domina Valentina einen so schlechten Eindruck gemacht hatte – noch dazu ohne Schuld daran zu haben! Dabei hatte Silas echt darauf gehofft, dass sich mit der milden neuen Hausherrin sein Schicksal wieder zum Besseren wenden würde. Aber man merkte gleich, dass sie schon viel strenger geworden war als früher...
    Die anderen Sklaven klatschten und tratschten viel darüber, dass Domina Valentina immer noch großen Liebeskummer haben müsse, wegen Dominus Casca. "Es ist so tragisch!" hatte Silas' große Schwester Sophia gestern beim Rühren des Kuchenteiges geseufzt - "Domina Valentina ist genau wie eine verfluchte Prinzessin in einer Tragödie! Ob sie jemals ihr wahres Glück finden wird?"


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    Susaria

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    und Iphigenie


    Silas' nervige kleine Schwester Susaria hingegen hibbelte gerade aufgeregt umher, während sie zusammen mit ihrer (ebenso nervigen) Freundin Iphigenie auf ihren Einsatz wartete. Die kleinen Mädchen trugen Blumenkränze im Haar und Körbchen mit Blütenblättern.
    "Jetzt?!" flüsterte Susaria schon bei der Litatio und zupfte Silas drängend an der Tunika.
    "Nein, wartet noch." flüsterte er zurück.
    Als Dominus und Domina ihre Ehe erklärt hatten, gab die Vilica ein Zeichen.
    "Jetzt dürft ihr."
    "Feliciter!" krähten die Mädchen hell in die allgemein ausbrechenden Glückwunschrufe und huschten nach vorne, "Feliciter!", und bewarfen das Brautpaar so eifrig mit Händen voll Blütenblättern, dass es einen Augenblick lang schien, als wäre ein bunter Schneesturm ins Peristyl herein gebraust.

    Wenn das überhaupt möglich war, dann war der fremde Sklave, der an dem ganzen Unglück schuld war, noch weitaus erschrockener als Silas selbst. Der fing sogar an, rumzuheulen, dabei war er ganz klar ein paar Jahre älter als Silas. Und er behauptete, man könne das alles kleben... na klar. Schon war Domina Valentina zur Stelle, und drohte Silas mit Strafe, ohne überhaupt mal nur hören zu wollen was eigentlich passiert war. Silas wusste, dass er jetzt besser den Mund hielt, und das tat er, auch wenn die Ungerechtigkeit heiß in ihm wütete.
    Feindselig, stumm, und ganz und gar vorwurfsvoll blickte Silas zu dem Depp, der an allem schuld war. Domina Valentina scheuchte den jetzt vor sich her, um dessen Dominus zu finden.
    Resigniert begann Silas die Scherben einzusammeln. Dominus Clemens sah sich die Bescherung auch noch kurz an, bevor er wieder davonschlingerte...


    Silas legte die Scherben in das Serviertuch, das er als Mundschenk über dem Arm getragen hatte, und schlug das Bündel zusammen. Das die Herrschaften das Unglück nicht an die große Glocke hängen wollten war klar, darum verbarg er das Bündel in einem Geschenkkorb mit apulischen Spezialitäten tief unter den Hartwürsten. Dann atmete er ganz tief durch, zog seine Tunika zurecht, und kehrte zurück zu seinem Weintablett. Ein bisschen blass war Silas immer noch, und seine Hände etwas fahrig, aber er konzentrierte sich wieder so gut wie möglich auf seine Aufgabe.

    Dominus Sagitta schien noch ohne Wein, darum trat Silas auf ihn zu und neigte den Kopf.
    "Darf ich dir einen Becher Massiker einschenken, Dominus Sagitta, oder hast du einen anderen Wunsch?"