Chloe freute sich, dass Valentinus das Obst mochte, das sie ihm gerichtet hatte und gleich ein Stückchen aß.
Sie verbeugte sich und errötete, dann wartete sie, ob der junge Dominus noch einen Auftrag für sie hätte.
Chloe freute sich, dass Valentinus das Obst mochte, das sie ihm gerichtet hatte und gleich ein Stückchen aß.
Sie verbeugte sich und errötete, dann wartete sie, ob der junge Dominus noch einen Auftrag für sie hätte.
Tiberios spürte, wie Terpander mit seinen Fingerkuppen die Linien seines Gesichtes nachzog; und er schloss die Augen.
Er hatte nicht gewusst, wieviel Vertrauen es kostete, sich einem anderen auf diese Weise auszuliefern und sich verwandeln zu lassen wie die Elfenbeinstatue, die Pygmalion in Galatea verwandelte. Kaum wagte Tiberios zu atmen.
Dann musste er für den Lidstrich die Augen öffnen und sah Terpanders Hand vor sich, der trotz der ungewohnten Tätigkeit keine unangemessene oder fahrige Bewegung machte, während der junge Grieche ein Zittern unterdrücken musste. Nachdem die Brauen und der Lidstrich gezogen waren, versuchte Tiberios Terpanders Blick einzufangen, doch nun trug der Mann Rot auf seine Lippen auf, und der Alexandriner hielt ganz still, die Lider gesenkt, bis Terpander ihn entließ.
Tiberios erwartete fast, dass Terpander ihn küssen würde, aber das tat er nicht; er gab ihm lediglich Rheas Schminkzeug zurück – und küsste seine Hand.
Jetzt erst schenkte er ihm einen Blick und sprach von den Gekreuzigten, einem schönen Jüngling oder eine dralle Maid, die vielleicht noch lebten – bei den Göttern, an diese Möglichkeit, an Schreien und Stöhnen der Gekreuzigten hatte Tiberios überhaupt nicht gedacht; er war davon ausgegangen, dass sie alle bereits tot waren.
Gleichzeitig ahnte Tiberios ,dass er die cthonischen Götter anziehen würde durch den mundus inversus, die verkehrte Welt, die er als Briseis verkörperte; wie die Saturnalien, die galloi, die Bacchanalien,die daimones, die alle einer Zeit entstammten, in der es weder Oben noch Unten, Vergangenheit noch Zukunft, Mann oder Frau gab, sondern nur ein gerade erwachendes Bewusstsein im Morgenlicht des Eisernen Zeitalters. Die Auflösung schien näher zu rücken, und Tiberios fasste nach Terpanders Hand, die Hand des Kriegers gab ihm Halt.
Er lehnte seinen Kopf an dessen Schulter und wartete auf den Mulsum, der hoffentlich heiß und süß sein würde, ungeduldig wartete er. Seine Hand streichelte unter dem Tisch Terpanders Oberschenkel, spürte den Muskelsträngen nach; die sich so fest und unnachgiebig anfühlten als wären sie selbst aus Eisen.
"Der Magus, wer ist er ?", fragte er:
"Und was werden wir bei ihm tun?"
„Ich glaube gar nichts.“, sagte Tiberios:
„Ich glaube nicht einmal, dass domina Furia Stella dich hasst. Sklaven hasst man nicht, sie sind zu unbedeutend. Man erwartet, dass sie gut dienen und wenn sie nicht taugen, dann versucht man sie erst zu korrigieren, und wenn das nicht geht, so entledigt man sich ihrer. Was soll domina Furia Stella mit deiner Entschuldigung? Du kannst es versuchen, aber vermutlich ändert es nichts.“
Er lächelte nun, es war ein freundliches aber neutrales Lächeln:
„Du hast gelogen, denn du hast mich dich deine Handschrift loben lassen und nicht widersprochen.
Ich glaube dir auch, dass dir alles Leid tut, und ich glaube dir sogar, dass Kyriakos dich gewaltsam festgehalten hat.
Aber auch das ist nun gleich.
Chronos, die Zeit, ist unerbittlich, Eireann, und Chronos ist es, der uns getrennt hat.“
Beim letzten Satz Eireann schüttelte Tiberios unwillig den Kopf:
„Ich habe dich nicht eingetauscht. Tatsächlich hat diese Liebe von anfang an überhaupt mit dir nichts zu tun – denn du bist eine Frau, und er ist ein Mann.“
Für den jungen Griechen lagen beider Lebenswelten so weit auseinander, dass der eine dem anderen dabei nichts weg nahm. Eireanns Vorbehalte hatte er auch schon früher nicht verstehen können.
Tiberios lächelte Chloe aufmunternd zu.
Auch er freute sich über die Freundlichkeit des neuen dominus, der ihnen gegenüber umgänglich und nicht arrogant auftrat.
„Was du auch benötigst, Dominus Valentinus, lass es uns wissen.“, sprach er:
"Wenn es dir recht ist, würde ich dir später die Sklaven der furischen Familia vorstellen. Wenn du noch die weiteren Räume der Casa besichtigen möchtest, zeige ich sie dir gerne.
„Falls du diese Tage zum Mercatus möchtest, um dir noch einige persönlichen Dinge zu besorgen, so begleite ich dich selbstverständlich.“
Da Chloe wie es eine gute Sklavin tun sollte, mitdachte, holte sie nun ein Tablett mit Gebäck, Trauben, aufgeschnittenen Granatäpfeln, frisch gepresstem Orangensaft und einem Krug Wasser in das Zimmer hinein, falls der neue Furier eine Kleinigkeit essen wollte.
Sie freute sich darüber, dass dominus Valentinus, den sie bedienen sollte, so nett war.
Das war nicht bei jedem Römer selbstverständlich. Wenn der Furier so freundlich blieb, lag eine gute Zeit vor ihr.
„Salve, Dominus Valentinus. Oder wie wünschst du angesprochen werden?“, erwiderte sie den Gruß von Valentinus:
"Ich dachte, du möchtest gerne eine Kleinigkeit. Wenn du etwas anderes zu dir nehmen möchtest, geeisten Wein beispielsweise, hole ich ihn rasch aus der Küche.“,
Chloe schaute kurz zu Tiberios hin, ob sie alles gut machte.
Tiberios öffnete die Tür des Zimmers und stellte sich so hin, dass der Dominus an ihm vorbei hinein gehen konnte. Das Zimmer war hell und sonnendurchflutet. Durch das Fenster drang das fröhliche Plätschern des Brunnens und der Duft von Lavendel und Rosen aus dem Garten. Es gab das typische hohe Bett, das man mit Hilfe eines Schemels bestieg und mehere Truhen, um Dinge aufzubewahren. Die Wände waren in hellen Tönen bemalt.
"Wenn du irgendetwas an Möbeln oder anderen Dingen wünschst, lass es mich wissen, Dominus.", sagte Tiberios:
"Werden dir deine Sachen aus deinem alten Zuhause gebracht oder sollen unsere Sklaven sie abholen?"
In diesem Moment klopfte es und ein junges Mädchen steckte ihren Kopf in das Zimmer. Es war Chloe.
Tiberios hatte sie als cubicularia, Zimmermädchen, für dominus Valentinus, ausgesucht. Sie war flink, fröhlich, höflich und ein netter Anblick.
"Salve, Dominus, ich bin Chloe", stellte sie sich vor und verbeugte sich. Sie würde das Bett machen, beim Ankleiden helfen und auch Frühstück servieren.
Tiberios hörte domina Furia Stella aufmerksam zu; natürlich würden alle den Neffen der Hausherrin mit großem Respekt behandeln.
Außerdem war der junge Grieche stolz darauf, dass er das erste Mal als Maiordomus fungieren durfte. Jetzt verbeugte er sich vor dem jungen Dominus und begrüßte ihn:
„Salve Dominus Furius Valentinus, der Segen der Götter möge dich begleiten.
Wenn du so freundlich wärst, mir zu folgen, dann zeige ich dir die Casa und später dein Cubiculum, das Lyda gerade richtet. Außerdem möchte ich dir die Familia, alle Sklaven des Hauses, vorstellen.“
Er schaute ihm nicht direkt in die Augen; wie er sich genau zu benehmen hatte, würde ihm dominus Valentinus noch mitteilen.
Während sie gingen, erzählte er:
„Die Casa Furia war ursprünglich ein typisches italisches Atriumhaus, das durch das Peristyl und den Hortus großzügig erweitert wurde.
Von der Porta, der Haustür, aus gibt es sozusagen eine Achse Atrium - Tablinum - Peristyl - Hortus, von der links und rechts alle übrigen Räume abgehen:
Die Schlafzimmer so das Cubiculum der Domina Furia Stella, die Bibliothek,
Wirtschaftsräume, die Culina, die Küche,
einige Officia, Büros, darunter das meine,
das Triclinium, der Speiseraum, das Balneum, Bad für die Bewohner der Casa
die Sklavenunterkünfte,und ein Bad für uns Sklaven,
Ich glaube jedoch so sind sehr viele römische Häuser aufgebaut.“
Tiberios schüttelte den Kopf:
„Weglaufen um ein Geschenk zu kaufen? Du bist doch nicht erst seit gestern eine Sklavin. Kam dir nie der Gedanke, dass domina Stella an einer tüchtigen, gehorsamen Dienerin mehr Freude gehabt hätte als an dem Tand, den du mit den paar Assen, die du hast, hättest kaufen können?
Oder dachtest du, dir in dem Lupanar von Kyriakos Geld für ein großes Geschenk zu verdienen?
Ich kann so viel Dummheit nicht glauben. Du hast nicht nur den Furiern, du hast der familia, uns Sklaven ebenso Schande gemacht mit deinem Verhalten.
Und wo stehen wir nun, Eireann?
Ich werde, wenn ich mich bewähre, der Maiordomus der Casa Furia sein und du hast absolutes Hausverbot, die Domina hat es uns allen gesagt.“
Als Eireann Tiberios Beine umklammerte, nahm er ihre Hände in die seine und tat sie beiseite. Er stieß oder schubste sie nicht; es war ein einfaches Wegtun, als wäre ihr Griff nur lästig.
Das Gesicht des Jünglings wurde hart:
„Lass das!“,befahl er:
„Anfangs habe ich auch jeden Tag an dich gedacht. Dann immer weniger.
Und nun, Eireann, fühle ich, wenn ich an dich denke, nichts mehr.
Keinen Zorn, keinen Eifer; einfach nichts.
Es ist mir auch gleich, ob Kyriakos dir Lust bereiten konnte. Es wäre nur gut gewesen, du hättest das jetzt zugegeben, aber vermutlich lügst du wie du auch über deine Handschrift gelogen hast.
Entweder der erste oder der der zweite Brief stammt nicht aus deiner Hand.
Siehst du, ich werde dich nicht belügen:
Ich habe mich in dieser Zeit ein oder zweimal in jemanden anderen verlieben können. Und einmal habe ich sogar wirklich geliebt.“
Er richtete seine grauen Augen auf die Frau in dem hellorangenen Schleier:
„Auch wenn ich nie Glück in der Liebe hatte. Doch vermutlich hat mir Tyche einen anderen Weg bestimmt.“
„Warum dürfen sich Sklavinnen nicht verschleiern? Ich nehme an, damit sie nicht auf verbotene Wege wandeln können.“, erwiderte Tiberios:
„Ein älteres Weiblein – nein, du irrst dich gewiss. Ich bin mir sicher, dass dort eine junge Frau stand. Etwas an ihr fiel mir sofort auf, gewiss war sie schön, doch das war es nicht nur; mir war es, als würde sie direkt zu mir sprechen, auch als sie noch nichts sagte – sie hat mich graeculus genannt...“, Tiberios lachte kurz auf.
Sein Blick fiel auf den Sklavenkragen, der um Eireanns Hals lag. Es war vollkommen unüblich, dass eine Haussklavin in der urbs aeterna so etwas trug – es sei denn, sie neigte zum Weglaufen. Eireann war vor aller Welt als fugitive, unzuverlässige Dienerin gekennzeichnet.
Der junge Alexandriner zuckte die Schultern:
„Ich habe dich nie gehasst, Eireann.
Als dominus Caesoninus dich verkauft hat, hatte ich zunächst Angst um dich und war traurig.
Danach war ich wütend, weil du mir unser gemeinsames Leben, das wir hätten haben können, vor die Füße geworfen hast.
Ich hatte Glück, dass domina Furia Stella mir glaubte, dass ich mit deinem Römerhass nichts zu tun habe und dass ich der gens Furia treu ergeben bin."
Er erinnerte sich an die vergangene Zeit; wie er nach Eireann gesucht, wie er sie hatte im Carcer besuchen wollen und wie er die Furien um Gerechtigkeit angerufen hatte* – nur der Güte der Domina und dass die Urbaner Lurco und Scato seine schriftliche Entschuldigung angenommen hatten, hatte er zu verdanken, dass die Angelegenheit für ihn nicht schlimmer ausgegangen war.
Dann erinnerte sich an Kyriakos Hohn und sagte grimmig :
„Ich hörte, man hat dich in einem Lupanar aufgegriffen. Vielleicht ist es ja wahr, dass Kyriakos dir auf dem Lager gegeben hat, was ich dir nicht geben konnte. Zumindest hat er das behauptet..“**
Tiberios holte zwei Becher Posca, stand in der Schlange stand, bezahlte und kam dann wieder zu Eireann
zurück.
Er setzte sich auf die Stufen, gab Eireann ihren Becher und sah sie nachdenklich an:
„Ich hielt dich für eine freie orientalische Dame, weil nur sie sich verschleiern dürfen. Sklavinnen dagegen ist es verboten. Daher habe ich dich mit Domina angesprochen.“, sagte er.:
„Aber vielleicht halten das magoi anders ….Magus sagtest du doch , dann ist dein neuer dominus ein Perser oder vielleicht ein Parther?“
Tiberios, der in Alexandria einem Palmyrener gehört hatte, dessen familiäre Beziehungen sich bis ins Partherreich erstreckten, kannte sich damit ein wenig aus:
„Verschenkt in die Subura.“, sagte er kopfschüttelnd:
„Ich hätte dich offen gesagt nicht erkannt. Doch jene dryadengleiche junge Frau dort am Marktstand mit dem ockerfarbenen Gewand und den Eulenaugen hat mich sozusagen zu dir gelenkt...“
Er deutete in die Richtung, wo Eireann mit der Greisin gesprochen hatte:
„Sie ist nicht mehr da. Schade.“
Tiberios signalisierte Lyda mit den Augen, dass er gerade auch nichts dazu sagen konnte, aber mit dem schweren Tablett wollte er ihr helfen.
Da domina Furia Stella das Klappbuch zur Seite gelegt hatte, legte er es zu den anderen auf das Beistelltischchen, so dass der große Tisch nun frei war.
Dann nahm er der älteren Sklavin das Tablett ab, verbeugte sich tief der Herrin gegenüber, stellte es auf dem großen Tisch ab, trat drei Schritte zurück und blieb wieder unbeweglich stehen.
Mit gesenkten Lidern betrachtete er dabei Decimus Furius Valentinus. Wenn es stimmte, was er sagte, war er ein Bruder seines eigenen dominus Gnaeus Furius Philus, dem Subpraefectus Alae der Ala II Numidia. Er sah ihm nicht ähnlich, was daran liegen konnte, dass sie zwei verschiedene Mütter hatten.
Auch er war gespannt, was der junge Mann sagen würde. Gefährlich erschien ihm die Situation nicht, da der wehrhafte Aischylos die domina keinen Augenblick aus den Augen ließ, er ja auch noch da war und jederzeit auch Krates, Timon, Gadir und Andreas zur Hilfe rufen konnte.
Auch Tiberios grüßte den Wirt:
„Salve, dominus Helvetius Archias“, sagte er und lächelte ihn an. Der Eigentümer des Blinden Esels schien sich über Tiberios‘ Kleidung nicht zu wundern, aber das hier war die Subura, und bestimmt war so ein Tavernenwirt gewohnt, über alles Mögliche bei seinen Gästen hinwegzusehen.
Der furische Sklave merkte, dass Terpander Archias beobachtete.
Er würde ihm keinesfalls erzählen, dass er Archias noch einen Gefallen schuldete. Den Hohn und den Spott, der sich über ihn ergießen würde, konnte er sich lebhaft vorstellen. Es war nicht angenehm, ein Dummkopf genannt zu werden, schon gar nicht für Tiberios, der seit Alexandria nur noch seinen Verstand besaß, auf den er sich verlassen konnte.
(Und wenn er analysierte, in welcher Situation er sich gerade befand, dann nicht einmal mehr auf den)
Als Terpander von der Casa Leonis und dem Pfau erzählte, lächelte Tiberios einen Moment lang verträumt, bevor er sich zusammen nahm. Es war schön gewesen wie ein von gütigen oneiroi gesendeter Traum und würde sich keinesfalls wiederholen.
Dennoch konnte er nicht verhindern, dass er errötete.
„Ich bevorzuge den stilus vor dem Knüppel das sieht eleganter aus und entstellt auch den Gegner nicht so sehr.“, antwortete er in leichtem Plauderton:
„Ich bin auch ohne Macht weit gekommen, Terpander für mein Alter. Ich wurde zum Maiordomus ernannt. Zehn Sklaven unterstehen meiner Aufsicht. Wie viele waren das nochmal in der Casa Leonis?“, der junge Alexandriner lächelte lieb:
„Nur dominus Sati, nicht wahr? Aber er untersteht dir nicht, er ist ein freier Mann.“,
War der Hochmut in den Worten des jungen Griechen nun noch stilus oder schon Knüppel?; Tiberios jedenfalls zuckte bedauernd die bloßen Schultern.
Auf Terpanders Frage mit der Schminke schob er Rheas Beutelchen zu Terpander hinüber:
„Ich hatte Angst, schön zurecht gemacht alleine durch die Subura zu gehen.“, gestand er:
„Der Dienst an Aphrodite findet durchaus mein Gefallen, aber ich bevorzuge dabei Freiwilligkeit .“
Als er Terpanders raue Fingerkuppen zwischen seinen Fingern fühlte, übergoss ihn diese Berührung mit noch mehr Röte, so dass er aussah, als hätte er Fieber. Er atmete einen Moment schneller, auch wenn er wusste, dass er, Terpander, niemals ihn, Tiberios, meinte, sondern immer nur Briseis.
„Du darfst mich schminken, wenn du möchtest.“, sagte er leise und senkte die Lider:
„Ich habe gehört, du verstehst dich darauf. Schon domina Seia bist du behilflich gewesen.“
Jeglicher Hochmut war aus seiner Stimme verschwunden. Vielleicht war der auch nur dagewesen, um einem alten Wolf zu demonstrieren, dass er, Tiberios, lohnende Beute war.
Tiberios erhob sich und nahm nun neben Terpander auf der Bank Platz.
Die Wärme des älteren Spartiaten drang an seine kühle, blasse Haut, als er sich so setzte, dass er Schulter an Schulter den Anderen berührte. Die Wärme des immer noch ansehnlichen Körpers des Kriegers war das einzige, das er – vielleicht - jemals bekommen konnte; der junge Grieche wusste das genau, und es war ihm gleich.
Tiberios erkannte Eireann auch.
Und einen Moment lang stiegen all die Gefühle in ihm auf, die er einst für die junge Frau empfunden hatte: Freundschaft, Liebe, Wut und Zorn und dann eine große Gleichgültigkeit:
Er hatte die Silurerin aus seinem Leben gestrichen wie er mit umgekehrtem Stilus eine Wachstafel glättete: tabula rasa.
Er sah Eireann genauer an.
Sie war bleich und schmal, nur noch ein Schatten des fröhlichen Mädchens.
Sie sah aus wie ein Mensch, der viel gelitten hatte.
„Eireann!“, sagte er, blieb aber stehen, wo er war; weder Berührung noch Kuss gab er ihr:
„Wie geht es dir? Und wer ist jetzt dein Dominus? Und weshalb kleidest du dich wie eine Perserin? Komm, da drüben ist ein Stand mit Posca, ich kaufe uns welche und wir setzen uns auf die Stufen zum Traiansforum, um zu reden.“,
Tiberios‘ Stimme klang äußerst liebenswürdig.
Die Frau, die hinter einem Stand wartete, war jung und außergewöhnlich hochgewachsen; bestimmt größer als Tiberios; sie trug kastanienbraune Flechten nachlässig aufgesteckt und musterte mit ihren großen braunen Augen in ihrem ovalen Gesicht mit der feinen, geraden Nase, die Vorbeigehenden.
Ihr Gewand war ockergelb, ihre Haut so milchig, dass sich kleine Sommersprossen darauf abzeichneten.
Jetzt noch ein Ährenkranz auf dem Kopf und man könnte Demeter unter ihr Bild schreiben, dachte Tiberios verblüfft. So viel menschliche Schönheit hätte er bei einer einfachen Marktfrau oder Bäuerin nicht erwartet.
Er war in Buchgeschäften gewesen, um sich die verschiedenen Arten von Codices genau anzusehen. Noch immer beschäftigte ihn das Problem, Buchseiten herzustellen, die leicht und doch fest waren.
Er blieb stehen, um das Marktweib zu bewundern. Die junge Frau erwiderte seinen Blick, ohne ein Lächeln, dann sprach sie:
„Ach, duu bist das!“, ihre Stimme war älter, als er es bei ihrer Jugend erwartet hatte, rau und dunkel.
„Salve, domina“, sagte Tiberios:
„Wer bin ich?“
Die junge Frau lachte nun auf, und auch ihr Lachen klang anders, als es der furische Sklave erwartet hätte, tief, und einen Moment glaubte er, es käme aus der Erde selbst.
„Eine gute Frage“, sagte sie spottend: „ Beantworte sie, graeculus.“
Tiberios mochte es nicht , wenn man ihn als kleinen Griechen bezeichnete. Gut, er war ein Sklave, und sie eine freie Frau, aber er war der Maiordomus einer der ältesten gentes von Roma.
Er zeigte sich so, dass ihr seine feine Tunika, seine neue Chlamys und die bronzene Kette auffallen musste, die er trug. Aber die Marktfrau wandte den Blick ab und schien etwas anderes zu fixieren.
Tiberios folgte dem Blick und sah eine orangerot verschleierte Frau am Brunnen des Mercatus stehen, eine Orientalin, vermutete er. Sie beugte sich über den Brunnenrand, als ob ihr etwas fehlte. Sollte er sie ansprechen?
Die Marktfrau richtete nun wieder ihre braunen Augen auf ihn. Wenn Tiberios genau hinsah, erkannte er goldene Sprengel darin, gefleckt waren sie wie die eines Nachtvogels. Fast unmerklich nickte sie.
Der junge Alexandriner war hilfsbereit. Er fragte die Verschleierte:
„Salve, domina, kann ich dir irgendwie behilflich sein?“
*
Da der Sommer nun mit all seiner Hitze über Roma lastete, war der Hortus, der säulengeschmückte Innengarten der Casa Furia ein Ort der Entspannung.
Etwas versteckt stand der kleine hölzerne Pavillon und glänzte wie feucht, denn Rhea und Chloe hatten das Holz poliert.
Aischylos pflegte weiterhin die Pflanzen, die nun sehr viel Wasser brauchten. Die lilablütige Clematis blühte noch immer und rankte sich an den Pfosten des Pavillons empor, in Hängeampeln, die vom Dach hingen, wuchsen Efeu und jetzt duftender Lavendel, da die Blühzeit der Vinca minor vorüber war und aus den Blumentöpfen, die auf Säulen standen, quoll grüner Farn in schmalen langen Blättern.
Es roch nach feuchter Erde, Lavendel und Rosen.
Ein runder Tisch, ein Beistelltisch, einige Stühle und ein bequemer kleiner Sessel mit Sitzfläche und Lehne aus geflochtenem Leder boten Sitzgelegenheiten.
Tiberios trat hinter Domina Furia Stella in den Garten, legte die Codices auf das Beistelltischchen und freute sich einen Moment über die Schönheit, die ihn umgab.
Furia Stella nahm in dem kleinen Sessel Platz.
Tiberios blieb stehen, er war entspannt aber konzentriert, so dass er sofort reagieren konnte, falls domina Furia Stella einen Wunsch hatte.
Tiberios packte etwas verlegen die Codices zusammen ,um sie domina Furia Stella nachzutragen:
"Ich komme, Domina Stella"
Der Hinweis der domina war wichtig: Ein leichteres Material musste es sein.
Er war froh, dass er auch die Schriftrollenverzeichnisse auf herkömmliche Art gemacht hatte. Um weiter über dieses Problem nachzudenken hatte er seine Freistunden.
Er eilte voran und hielt der Herrin die Tür auf, dann blieb er zurück und folgte ihr in den Garten.
Salve, Spielleitung
Leider habe ich dieses RPG erst vor einem halben Jahr entdeckt, und ich bin die ganze Zeit schon beeindruckt von dieser schönen Spielwelt mit so vielen Details unjd liebevoll ausgearbeiteten Settings, das ich auch nach 6 Monaten immer noch etwas Neues entdecke.
Umso mehr getroffen hat mich die Nachricht eures vollständigen Rückzugs.
Ich hoffe sehr, dass es (irgendwie?) weiter geht.
ZitatDie Leute an den Unis haben heute oft nicht die Lust, sich schriftlich noch mehr zu betätigen. Da stehen Videospiele viel höher im Kurs.
Die Leute an der Uni, die ich kenne, spielen durchaus auch Textrollenspiele, aber auf anderen Plattformen wie whatsapp, es gibt auch gerade ein Revival von P&P, was durch Corona jetzt wieder etwas zerschossen wurde;
ich schaue gerade, es gibt allein heute mehr als 20 aktive Themen. Das ist bestimmt nicht viel, wenn man es mit früher vergleicht, aber es ist doch auch nicht - nichts.
Chloe, das "Mädchen für alles" der Casa Furia tat Tiberios einen Gefallen, für ihn einen Brief zur Domus Iulia zu bringen.
Ad Sulamith Serva
Iulia Graecina
Domus Iulia
Mons Esquilinus
Chaire Sulamith,
viel Zeit ist vergangen, und ich, der immer geschickt mit Worten bin, blieb dir gegenüber ohne Worte.
Sei gewiss, Sulamith, das sich an meinem Respekt und meiner Anteilnahme dir gegenüber nie etwas geändert hat, und mögen auch Phobos und Daimos* dein Gemüt eingeschlossen haben, wie es der Dichter Aischylos beschreibt, so hoffe ich, dass eines Tages die Dunkelheit weicht, wie die Nacht der Eos weichen muss.
Als ich dich kürzlich wieder sah, du weißt schon wo, da tat ich, als würde ich dich nicht kennen, denn ich wiederum kannte nicht diejenigen, die bei dir waren.
Doch du sahst ruhig und genesen aus.
Wie ist es der Ancilla ergangen? Ist sie gesund geworden und erfreut sich nun der Güte deiner kyria?
chairete
Tiberios
Maiordomus Casa Furia
*personifiziert: Furcht und Schrecken
„Ich habe die Parfümflacons in die Hülle für meine Schreibsachen eingeschlagen und die Probe ist auch sicher verwahrt.“, antwortete Tiberios.
Er mochte es, wie Charilaus sich um die Dinge sorgte, denn auch er war ordentlich und hatte gerne alle Sachen in tadellosem Zustand an ihrem Platz:
„Zwei Posca und ein gefülltes Fladenbrot halte ich für eine gute Idee.“
Aufmerksam hörte er zu, wie Charilaus von den Düften erzählte.
„Ich weiß, dass es ein guter Preis ist.“, nickte er:
„Dein dominus ist außergewöhnlich freundlich zu mir gewesen. Nun ja...“
Kurz erzählte er das Erlebnis mit den Zwillingen auf die Weise, wie er Erlebnisse meistens erzählte: Er strich das Negative und versuchte den Zuhörer mit den komischen Aspekten zu unterhalten.
„Ich halbnackt in Unterwäsche und in Begriff vor Panik vm Dach zu springen...“, sagte er:
„Und dann kam Hyazinthus und warf die griechische Mythologie durcheinander. Ich weiß nicht, vor was ich mehr Angst hatte, vor den Zwillingen oder vor seinen Worten.“ Er grinste:
„Hyazinthus ist ein guter Junge und wetzte zu Dominus Viridomarus, so schnell er konnte.“, sagte er:
„Als ich dann das schwarze Gesicht eures Nubius erblickte, hätte ich ihn am liebsten abgeküsst.“
Das Schankmädchen kam nun und nahm die Bestellung auf.
„Das gefüllte Fladenbrot mit Fleisch, Käse, Oliven oder Fisch, Käse, Oliven?“, fragte es.
Tiberios lächelte Charilaus an:
„Entscheide du, mir ist mittlerweile so schlecht vor Hunger, dass ich selbst die Furien willkommen heißen würde, wenn sie mir ein Abendessen servieren.“, sprach er.
Dann lehnte er sich zurück:
„Wie alt bist du eigentlich, Charis… darf ich dich so nennen? Charis heißt in meiner Muttersprache eine Göttin, eine der Chariten. Es bedeutet auch Lieblichkeit und Geschenk, Anmut und Gefälligkeit. Lauter schöne Begriffe.“
Er legte seine Hand sachte auf die des jungen Mannes:
„Erzähl mir von deinem Leben und über deine Arbeit. Wie wurdest du ausgebildet?“, bat er.
Und diese Bitte stellte Tiberios nicht nur, weil er es mochte, wie Charilaus redete, sondern weil er sich wie immer für alles interessierte.
„Ja, das habe ich mir selbst ausgedacht.“, sagte Tiberios und sah dann, dass domina Furia Stella Schwierigkeiten hatte, das Klappbuch zu bedienen; es fiel zu Boden.
Der junge Grieche erschrak und hoffte, dass die Domina nicht böse werden würde, sie blieb jedoch liebenswürdig und äußerte nur, dass das Buch zu schwer war.
Sofort griff Tiberios diesen Einwand auf:
„Dem Codex ist nichts geschehen, das Material ist unverwüstlich.“, sprach er:
„Doch, Optima Domina, deine Beschwerde trifft es genau: Das Buch ist ZU schwer.
Du bist eine Dame und solltest es mit einer Hand öffnen können.
Das Buchenholz selbst wiegt wohl zuviel, obwohl der Tischler versucht hat , den feinsten Messerschnitt anzuwenden, den er handwerklich beherrschte. So ist Holz nicht der richtige Werkstoff, und ich muss mir etwas anderes überlegen.
Tiberios räumte die Codices und die Schriftrolle weg. Mit einer Verbeugung legte er den Fächer, den Furia Stella immer in der Bibliothek liegen hatte, vor sie auf den Tisch.
„Ich habe natürlich auch eine gewöhnliche Schriftrollenkopie der Verzeichnisse angefertigt.“, sagte er:
„Bitte verzeih mir, dass ich deine Zeit mit einer unvollkommenen Arbeit vergeudet habe.“
Tiberios hoffte, dass sich die domina nicht allzu sehr über ihn ärgerte.