Beiträge von Tiberios

    Tiberios winkte zurück und freute sich offensichtlich, die schlanke Gestalt des Jünglings zu erblicken.
    „Oh, ich war nicht zwischendurch zuhause.“, sagte er:
    Ich habe hier auf dich gewartet. Aber ich habe diesen ganzen Nachmittag frei, soll jedoch bei Einbruch der Dunkelheit immer in der Casa sein.“
    Er nahm Charilaus die Tür, die er aufhielt, ab, denn nun waren sie nicht mehr Kunde und Angestellter.
    Tiberios schaute sich neugierig um. Das war also die Taberna des berühmten Apicius, und Tiberios fragte sich, ob der Gründer der Taverna mit dem Apicius, der das römische Kochbuch veröffentlicht hatte, identisch war.


    Es gab in der Mitte des Raumes noch einige kleine freie Tische für zwei Personen; die Nischen boten mehreren Gästen Platz und schienen größtenteils besetzt zu sein.


    „Hier oder möchtest du warten, bis jemand aufsteht?“, fragte Tiberios:
    „Ich möchte dich gerne einladen; dein Herr hat mir nur vierzig Sesterzen abverlangt, so habe ich zehn übrig.
    Diese Taverna ist freilich sehr vornehm, ich muss sehen, wie weit ich mit zehn Sesterzen komme.
    Nicht dass wir als Schankburschen unsere Schulden abarbeiten müssen!“


    Ganz am Anfang in Roma war Tiberios so etwas passiert, daher fragte er jetzt immer vorher nach den Preisen.
    Ein kleiner netter Zweiertisch weckte seine Aufmerksamkeit, da kam schon ein Schankmädchen, säuberte ihn mit einem Lappen und machte ihnen Zeichen, dass sie dort sitzen konnten, wenn sie wollten.

    Epistolae>>>


    Tiberios rollte den Brief auf und las:




    Ad:
    Vilicus Tiberios - Casa Furia
    Roma | Italia


    Salve Tiberios!


    Erinnerst du dich noch an mich? Ich konnte mich nicht früher bei dir melden.
    Was mir unendlich Leid tut. Ich hoffe du kannst mir verzeihen.
    Mein sehnlichster Wunsch ist es dich zu sehen.
    Wenn du mich auch sehen willst, so treffe mich in zwei Tagen* in der Schmierigen Spelunke am Tiberufer.
    Ich werde dort auf dich warten. Mein Herz schlägt noch immer für dich.


    Vale bene


    Eireann
    -Serva-


    Ihm fiel gleich auf, dass das nicht Eireanns Handschrift war, zumindest nicht die, die er kannte und wegen ihrer Zierlichkeit gelobt hatte.
    Und in der Schmierigen Spelunke am Tiberufer wollte sie ihn treffen? Eine Stunde war nicht angegeben, auch das war seltsam.


    Tiberios überlegte.
    Ob der Brief eine Falle war? Wollte ihn jemand in die Subura locken?
    Mittlerweile hatte der junge Hausverwalter leider nicht nur Freunde, sondern auch Feinde in Roma.
    Zumindest Kyriakos, mit dem er im Officium des Centurios Maro Streit gehabt hatte, kannte auch die Verbindung Eireann- Tiberios.
    Vielleicht würde der Lupanarbesitzer sich auf diese Weise rächen wollen.


    Der Grieche legte den Brief auf seinen Schreibtisch in die Ablage und beschloss, keinesfalls zu dem Treffpunkt zu gehen.

    Tiberios betrachtete die so geschmackvoll ausgesuchten kleinen Phiolen und wurde rot vor Freude.


    „Sie sind so schön, ich danke dir vielmals, dominus Viridomarus, für deine Freundlichkeit!“, rief er aus, wickelte sein Schreibzeug, das er immer bei sich hatte, aus seiner Hülle, um die Flacons darin einzuschlagen, damit sie keinesfalls beschädigt werden oder zu Bruch gehen konnten, bevor er alles sorgfältig in dem Beutel, den er am Gürtel trug, verstaute.


    Der junge Sklave wusste auch, dass vierzig Sesterzen für diese kostbaren Essenzen ein niedriger Preis war, er hatte mit zwei kleinen Duftproben gerechnet, nicht mit solch einer Pracht.
    „Wenn ich einmal etwas für dich tun kann, so bitte sag es mir, dominus Viridomarus“, sagte er, während er bezahlte:
    „Ich bin ein gelernter Scriba, aber auch ein ganz guter Rezitator, Vorleser und magister.


    Natürlich würde der reiche Viridomarus seine eigenen Scribae und erlesenes Unterhaltungspersonal besitzen, aber Tiberios machte sich gerne nützlich, wenn man gut zu ihm war, und es war auch nicht unerlaubt, das anzubieten, handelte er doch in Interesse der Casa Furia.


    Mit Nubius tat der Thraker dem jungen Alexandriner einen weiteren Gefallen.
    „Und auch hierfür vielen Dank!“, rief Tiberios begeistert aus:
    „Ich werde mit Nubius rennen, was das Zeug hält, auf dass er in deinem Haus ankommt, noch bevor Helios sein Gesicht endgültig abwendet.
    Vale Bene, dominus Viridomarus, der Segen des Mercurius auf deinen Geschäften!“

    Der furische Sklave verbeugte sich.


    Er mochte dominus Viridomarus sehr; für die Zwillinge konnte er wohl nichts , und außerdem hatte er ja alles wieder gut gemacht.



    Dann schlenderte Tiberios langsam, er hatte noch Zeit, in Richtung der Taverna Apicia.


    >>> Taverna Apicia

    Tiberios nahm die kleine Phiole an sich und verstaute sie im Beutel; dann schwang er sich von der Liege.
    „Den Götter sei Dank, bist du verständnisvoll.“, lächelte er:
    „Bis nachher, ich freue mich schon.“


    Er mochte den anderen Jüngling, der so anmutig, pflichtbewusst und nett war, aufrichtig, und als er nun aufstand, konnte er sich vorstellen, ihn liebzugewinnen.




    Später nickte Hyazinthus bei allem, was Charilaus ihm sagte, o ja, er wollte gerne lernen und alles richtig machen, sich sauber halten, immer pünktlich sein und mit Kunden richtig sprechen. Jetzt würde er erstmal in der Therme Charilaus alles nachmachen.
    Er hatte sich zuvor gerne schon sauber gehalten, aber als Reinigungssklave war das schwierig, denn wenn die Kunden trödelten und am abend die Traiansmärkte nicht schnell genug verließen, war die Kolonne manchmal schon eingeschlossen worden, bevor er fürs Waschen Zeit gefunden hatte.


    Dafür hatten sie sich aber bis zum Einschlafen wilde Liebes- und Gespenstergeschichten und auch Geschichten aus der Mythologie erzählt. Daher hatte Hyazinthus seine Phantasien, und gerade dachte er, dass vielleicht heute abend eine neue Geschichte die Sklaven erfreuen würde „Hyazinthus der Tapfere und wie er Leonis rettet und dafür ins Elysium kommt und eine neue Tunika erhält“ oder so ähnlich. Dieser Gedanke gefiel dem verträumten jungen Mann außerordentlich.


    Er war froh, dass er die hohe Summe Sesterze Charilaus anvertrauen konnte und eilte hinter ihm her.



    Tiberios sah den Beiden nach und freute sich für Hyazinthus. Er wünschte ihm, dass er seinen dominus immer zufrieden stellen und die Peitsche wirklich niemals zu spüren bekommen würde.

    Tiberios bedankte sich artig für das Kompliment über sein Aussehen, fand im Stillen, dass Terpander mit der Abstinenz übertrieb; ein Becher Muslum würde zumindest seinen eigenen Geist nicht beeinträchtigen.


    „Wenn es dir gefällt, trage ich das Kleid gerne für dich, wenn wir uns sehen. Es hat leider schon einen Fleck, wenn auch an einer wenig sichtbaren Stelle, aber du könntest mich ja neu einkleiden.“, er legte den Kopf schief und war in diesem Moment ganz der junge Sklave, der sehen musste, wo er blieb: „Auch andere Dinge mag ich; unser Küchenmädchen hat mir nur Billigkram ausgeliehen.“
    Er legte Rheas Schminksachen auf den Tisch, Lippenrot und Tusche für die Augen, aber er hatte recht; das alles war mit der Ware beispielsweise eines Viridomarus nicht zu vergleichen.


    Als Terpander ihn wegen der Geschichte mit Archias maßregelte, wurde Tiberios rot.
    Ich lasse zwischen mich und die Furier nichts und niemanden kommen.“, erklärte er und dachte an beide Briefe, die er unterschlagen hatte:
    „Ich will eines Tages mit ihrer Hilfe etwas werden hier in Roma.“, gestand er:
    „Du verstehst mich - oder auch nicht, da du ja schon der bist, der du werden kannst.“


    Tiberios nahm die letzte Aussage dadurch zurück, dass er Terpander wieder anlächelte und anfing, die kräftige Hand seines Gegenübers zu streicheln.
    „Ich möchte, dass es dir gut geht. Manchmal geht das nur über Schmerz. Aber ich hoffe, meine Worte waren nicht zu schmerzhaft für dich" , sagte der.


    Admoneri bonus gaudet, pessimus quisque rectorem aperrime patitur.“*, zitierte der junge Grieche Seneca auf Terpanders Worte.


    Beide Griechen lächelten nun, und wer sie von außen gesehen hätte, hätte ihre Zusammenkunft für harmlos gehalten.
    Terpander ist wie ein daimon, der mich wie seine einundachzig Hunde den Aktaion hetzt und vor dem ich ständig auf der Hut sein muss, dachte Tiberios.
    Terpanders Angriffe hatten die Präzision eines Automata und waren kaum zu parieren. Und dennoch wich Tiberios nicht. Er blieb, wo er war, lächelte sanft, zitierte Philosophen und war eine hingebungsvolle Briseis.


    „Und wie geht es dir, mein Lieber?“, erkundigte er sich und führte seine Fingerkuppen in kreisenden Bewegungen über die Schwielen der Kriegerhand:
    „Desweiteren alle wohlauf in der Casa Leonis?“
    In Wirklichkeit fragte er nach Sisenna Iunius Scato, doch das hätte er nicht zugegeben.




    Sim-Off:

    * Der Gute freut sich, ermahnt zu werden, gerade die Schlechtesten ertragen den, der sie belehrt, nur sehr schwer.

    Tiberios saß über den älteren Haushaltsbüchern und stellte schon einmal eine Übersicht für den laufenden Monat zusammen. Später würde er domina Furia Stella fragen, ob es noch Posten gab, die sie für die Auflistung für notwendig hielt.
    Zum Rechnen benutzte er indische oder wie sie auch hießen, persische Zahlen, die ihm sein früherer kyrios Athenodoros in Palmyra gezeigt hatte; sie erschienen dem jungen Alexandriner für das Addieren hoher Summen schlicht praktischer, obwohl er mit einem Abacus auch römische Zahlen zusammen rechnen konnte:



    Haushalt Casa Furia IUL DCCCLXX A.U.C





    Sim-Off:

    Das Zeichen für den Sesterz ist HS... verbunden mit dem entsprechenden Zahlzeichen Quelle Meyers Großes Konversations-Lexikon 1909

    "Ich danke dir vielmals, Domina Stella , für die Erlaubnis, noch einmal abends wegzugehen“, sagte der neue Maiordomus, und einen Moment lang hob er den Blick, bevor er ihn wieder senkte. Da domina Furia Stella ihm nicht erlaubt hatte, sie direkt anzusehen, tat er es aus Höflichkeit nicht.


    „Bitte setz dich, Domina. Lies wie du es gewohnt bist, und du wirst bemerken, dass du beide Hände benötigst, um eine Schriftrolle auszurollen und zu lesen. Das erschwert es, wenn man in einer anderen Schriftrolle etwas nachschlagen möchte.
    Daher habe ich als Beispiel "Ad Marciam de consolatione " hingelegt, und wenn du vielleicht wissen möchtest, ob von Marcias Vater hier Werke vorhanden sind, so kannst du das Klappbuch mit einer einzigen Hand bedienen und findest Cremutius Cordus „Geschichte Roms“ zwischen den Autoren Chariton und Didymos.


    Dieser Codex ist aus durch Messerschnitt hergestellten sehr dünnen weiß beschichten Holztafeln, den non-ceratae, als Polyptychon angefertigt und mit schwarzer Eisengallustinte beschrieben.
    Durch das feste Material ist es auch möglich, ihn aufgeklappt aufrecht hinzustellen, beispielsweise, wenn wenig Platz vorhanden ist.“

    Tiberios stellte das geöffnete Klappbuch an das Kopfende der Schriftrolle, wobei er sorgfältig aufpasste, domina Furia Stella nicht aus Versehen zu berühren.


    Dann zögerte er einen Moment:


    „Da ich nicht wusste, ob dir diese Art Verzeichnis gefallen wird, Domina, habe ich die Platten selbst anfertigen lassen. Ich ändere es sofort um, wenn du es wünschst.“, sagte er etwas scheu.
    Der Alexandriner wusste schon, dass er nicht hier war, um sich Sachen auszudenken.

    „Sechzehnte Stunde, das wären fast noch zwei Stunden bis zur prima vigilia, der ersten Nachtwache, bis dahin darf ich der Casa Furia fern bleiben.“, sagte Tiberios:
    “Ich vertraue Nubius; er hat mich heute schon einmal gerettet. Nachher erzähle ich dir die ganze Geschichte.“


    Als Charilaus ihm durch die Haare fuhr, lächelte er erfreut und streichelte Charilaus‘ Unterarm, um zu sehen, ob der das mochte:
    „Und ich würde gerne erfahren, wo du schon überall gewesen bist mit deinem dominus. Treffen wir uns nacher also vor der Taverna Apicia, dann verfehlen wir uns nicht.“


    Jetzt grinste der Alexandriner:
    „Ich habe allerdings körperlich auf deine göttliche Massage reagiert, ich fürchte, ich muss noch etwas liegen bleiben.“
    Er schüttelte über sich selbst den Kopf. Aber die Aufregung der letzten Stunden und dann die Muskelentspannung durch die Charilaus‘ kundigen Hände und der reizende Charilaus selbst hatten zweifelsohne zu dieser Reaktion beigetragen.




    Hyazinthus stand inzwischen, beide Hände mit den Sesterzen darin an die Brust gepresst, vor den Kabinen und staunte den Laden an.
    So etwas Schönes wie die Geschäftsräume des Duften Viri hatte er noch nie gesehen. Es gab Glasphiolen zart wie Erotenflügel, Vitrinen mit Schmuck und kostbaren Stoffen, Farbpulver und geheimnisvolle Gerätschaften, die der junge Sklave noch nie zuvor gesehen hatte.
    Überall roch es nach orientalischen Essenzen und frischen Blüten.
    Und die Sklaven des Viridomarus schienen Hyazinthus und seine Geschichte bereits zu kennen, denn anstatt den jungen Mann, der nur mit einem subligaculum bekleidet war, zu verscheuchen, lächelten sie ihm freundlich zu.
    Ein Mädchen, Göttin an Schönheit, sagte sogar: „Chari kommt gleich.“


    „Oh bist du eine der Unsterblichen, sprich“, sagte Hyazinthus:
    „Denn das ist das Elysium, oder ?Oder zumindest ein Ort, der ihm sehr ähnlich sieht.“


    Dann erblickte Hyazinthus Tiberios, der bester Laune und mit frisch geflickten Gewändern, den Vorhang beiseite schob.


    „Leonis!“, rief der ehemalige Sklave der Reinigungskolonne, denn immer noch dachte er, dass der Name der Casa Leonis der Name des furischen Sklaven sei.
    „Hyazinthus!“, freute sich Tiberios:
    „Ich will mich bei dir noch bedanken.“ Er fasste zu seinem Geldbeutel, aber da schüttelte Hyazinthus den Kopf:
    „Kommt nicht in Frage!“, sagte er entschieden:
    „Du hast mir Glück gebracht, Leonis. Ich hoffe, ich bringe dir auch Glück.“


    Tiberios warf einen liebevollen Blick in Charilaus' Richrung: „Ich denke, du hast mir schon Glück gebracht.“, sagte er.


    Hyazinthus lächelte nun treuherzig Charilaus, der sich um ihn kümmern sollte, an:
    „Salve!“, sagte er:
    „Bitte nimmst du mir das Geld ab. Ich traue mich kaum zu atmen, wenn ich so viel in der Hand halte, so dass ich noch ersticke wie Odysseus im Bauch des Trojanischen Pferdes.“*




    Tiberios jedoch begab sich zu dem Eigentümer der Taberna "Zum duften Viri".
    „Salve dominus Viridomarus“, grüßte er und verbeugte sich:
    „Ich danke dir für die vielen Wohltaten, die du mir erwiesen hast. Ich möchte fragen, ob die Düfte für die Casa Furia schon fertig gemischt wurden und was ich dir dafür schuldig bin.“

    Der junge Grieche hoffte auf einen besonderen Preis, wie ihm der Thraker das in der Casa Leonis versprochen hatte:


    „Des weiteren möchte ich fragen, ob es möglich und kein Umstand ist, dass Nubius mich in der hora duodecima, der Stunde vor Sonnenuntergang, von der Taberna Apicia abholen und mich nach Hause bringen kann. Ich wollte Charilaus noch so gerne auf eine Posca einladen."


    Die letzte Frage stellte Tiberios sehr scheu, denn eigentlich hatte ein Sklave fremde domini um nichts zu bitten, das wußte er selbstverständlich.



    Sim-Off:

    * Hyazinthus meint Antiklos

    Das Lob von domina Furia Stella freute Tiberios zutiefst, er strahlte, während er sich verbeugte.
    Er hätte der Domina gerne sofort die Handhabung der Codices demonstriert, doch wenn sie „später“ sagte, war es so; vor Übereifer musste man sich genauso hüten wie vor fehlendem Eifer.


    „Diese Arbeit war mir auch eine große Freude, Domina!“, sagte er nur.


    Dann griff er zu einer mit hellem Wachs beschichteten tabula und benutzte Ciceronische Notae, die von Ciceros Sekretär Tiro erfundene Kurzschrift. (Traditionell schlug man Erfindungen von Sklaven ihren domini zu.)
    So konnte er schnell notieren, was domina Furia Stella vorlas; nachher würde er die Hausregeln ins Reine schreiben:



    „Fünfundzwanzig Sesterzen, o danke Domina Stella für deine Güte.“, sagte Tiberios überwältigt. So ein hohes peculium war ihm noch nie gewährt worden.


    Als ihm die Domina jedoch in die Augen schaute und ihm sagte, dass die Ausgangsregeln für alle Sklaven gelten würde, senkte er verlegen den Blick.
    Der junge Grieche wusste, dass er ein Talent dafür hatte, ab und zu in Schwierigkeiten zu geraten und sehr spät nach Hause zu kommen. Jetzt aber würde er eine hohe Stellung riskieren, und das durfte einfach nicht mehr geschehen.


    Daher sagte er:
    Keine Fragen, jedoch eine Bitte hätte ich:
    Ich bräuchte an einem der folgenden Abende bis in die Nacht Ausgang. Ich habe einem Freund versprochen, ihn zu begleiten, und ich möchte mein Versprechen ungern brechen.
    Es bliebe eine Ausnahme und soll ansonsten nicht mehr vorkommen. Selbstverständlich werde ich den Morgen danach in aller Frühe meinen Dienst beginnen."

    >>> Auf dunklen Pfaden


    Terpander und Tiberios traten in die Taberna ein. Der Spartiate hatte ihm den Arm geboten; Tiberios zeigte keinerlei Verlegenheit, er trug den Kopf hoch und raffte den Rock mit einer Hand.


    Terpander war es auch, der den Weg durch den vollen „Blinden Esel“ bahnte und einen Platz in einer Nische fand, die drei Urbaner gerade verließen, um sich auf den Weg zur Castra machen.


    Tiberios lächelte Terpander an, fast strahlte er:
    „Möchtest du warmen mulsum? Hier ist er hervorragend.“


    Und um seinen Begleiter zu unterhalten, plauderte er davon, wie der Wirt Archias ihn einmal als Schankjungen verpflichtet hatte, um seine Schulden abzubezahlen, aber er erzählte nichts von seiner Angst und dem Brief an seinen dominus,
    er erzählte das Ganze so leichthin, als wäre es ein großer Spaß gewesen. *


    Als Terpander seinen Arm um Tiberios legte und ihn küsste, fühlte Tiberios ein Gefühl der Wärme in sich aufsteigen, welches er lange nicht gespürt hatte; Geborgenheit, die ihn umgab wie ein schützendes Tuch.
    Er öffnete sanft seine Lippen,um den kurzen Kuss zu erwidern, schmiegte sich an den älteren Griechen; dann brachte er es fertig, dem Betrunkenen bedauernd zuzulächeln und die Schultern zu zucken, ich bin vergeben.


    In diesem Moment war Tiberios glücklich, weil er glücklich sein wollte.
    Oh, er kannte Tyche, seine wankelmütige Schicksalsgöttin; das Glück gab sie nur kleinlich abgezählt an die Sterblichen.
    Immerzu flüsterte sie: „Du hast nur diesen Moment, diese Stunde, diesen Tag....“
    ...carpe diem quam minimum credula postero*, sagten ja auch die Dichter. Diese Nacht war kein erfreulicher Anlass, aber gerade jetzt erschien sie Tiberios erfreulich.


    Der Betrunkene musterte beide Griechen noch einmal, besonders Terpander, der ihm allzu wehrhaft erschien, um sich mit ihm anzulegen, er trollte sich.



    >>> Zum Blinden Esel




    Sim-Off:

    * Nutze den Tag und vertraue möglichst wenig auf den folgenden

    „Eigentlich geht es mir um den Überraschungseffekt – damit ich wegrennen kann.“, erwiderte Tiberios, und spürte die Hände des älteren Griechen tastend auf seinem Gewand; es schien Terpander zuzusagen, denn der lobte sein Aussehen und half ihm, den Mantel abzulegen.


    Tiberios, der dazu erzogen worden war, zu gefallen, nahm den Mantel unter den Arm und zupfte mit der anderen Hand die Tunika so weit aus dem Gürtel, das sie länger wurde, aber nicht so lang, dass sie auf dem Boden schleifte oder er aus Versehen drauftrat; dann fuhr er sich ordnend durch seine Haare, die durch den Mantel in Unordnung gebracht worden waren.


    Dabei war der junge Alexandriner etwas geistesabwesend, denn immer noch beschäftigte ihn die mangelnde Straßenbeleuchtung.
    Nur - wie sollte das gehen? Fackeln? Öllampen?
    Man würde Unmengen städtischer Sklaven benötigen, und außerdem verbot der Kaiser alles, was feuergefährlich sein konnte. Eine Straßenbeleuchtung würde die Brandgefahr vervielfältigen...also kein offenes Feuer…


    Aber dann sprach Terpander darüber, dass man vor einer Gefahrensituation nichts essen sollte; und die Worte „Gefahrensituation“ und später „Totenbeschwörung“ jagten Tiberios Schauer über die bloßen Arme; er fröstelte.


    „Ich brauche nichts zu essen, wir könnten vielleicht etwas Heißes trinken?“, schlug er vor: „Du weißt doch, dass Mädchen ausgeführt werden wollen.“ Diese kleine Spitze musste sein. Aber wichtiger war ihm, dass Terpander nicht von seiner Seite wich. Das Gewand war auffällig; bestimmt würde er angesprochen werden, und er wusste, dass Männer bösartig werden konnten, wenn man Nein sagte:


    „Wie gesagt, diese eine Nacht werde ich dir in allem gefällig sein, entscheide daher du! Der Magus also! Wo wohnt er? Müssen wir zuvor noch etwas besorgen?
    Die Laterne werde ich nicht nur auslassen, ich werde sie später irgendwo verstecken. Sie ist nur eine Last."

    Tiberios war es als Scriba durchaus gewohnt, körperliche Bedürfnisse zurück zu stellen.


    Betrachte den heutigen Ausflug als eine Lektion, wandle mit mir auf den Pfaden der Dunkelheit, wiederholte Tiberios Terpanders Worte still für sich.
    Wie immer tauchten leise Zweifel an der geistigen Gesundheit des Spartiaten auf, gepaart mit dem drängenden Wunsch, den so selbstsicheren Krieger endlich einmal beeindrucken zu können.
    Das erste Mal in ihrer Begegnung war Tiberios dazu in der Lage gewesen*, aber seitdem nie wieder. Das blieb für ihn ein Stachel, gekränkte Eitelkeit oder etwas ganz anderes, das wußte er nicht so recht.


    Ein Gast taumelte aus dem Blinden Esel und stierte Tiberios an. Der junge Grieche stellte sich hinter Terpander. Der Gast sah nun Terpander fragend an und machte die Geste des Geldzählens.
    Tiberios griff erschrocken nach Terpanders Arm.



    „Nubius sollte mich heute sicher heimgeleiten, daher werde ich deinen dominus nachher, wenn ich die Düfte begleiche, fragen, ob eine Stunde Verzögerung überhaupt für ihn in Frage kommt. Wenn dominus Viridomarus die Dienste seines custos gleich benötigt, gehen wir ein anderes Mal“, erwiderte Tiberios, der keinesfalls auf Nubius‘ Begleitschutz verzichten wollte. Er war sich fast sicher, dass die Zwillinge nachtragend waren. Vielleicht lauerten sie ihn schon vor den Traiansmärkten auf?


    Er lächelte zufrieden, während er Charilaus‘ kräftige Finger an seinemn Kopf fühlte, er war nun durch all die Massagen glücklich und in solch gelöster Stimmung, dass er mit seiner Hand nach oben fasste und Charilaus‘ Hand vorsichtig mit einem Finger streichelte.


    Es war ein sanftes Begehren, mehr nicht. Es enthielt keinerlei Druck, und Tiberios würde nicht im mindestens beleidigt sein, wenn Charilaus ablehnte, und ihn weiterhin gerne einfach zu einer Posca einladen.
    „Wir haben ja jetzt Sommer; eine Stunde ist von längerer Dauer* und das bedeutet, wir können mehr zusammen trinken.“, sagte er:
    „Die Idee, die Haare zurück zu binden, gefällt mir. Besser als die Haare kurz schneiden. Ich möchte meine Locken behalten, das ist das einzige, was mir meine Mutter vererbt hat.“, er lachte:
    „Wenn dein dominus dich auf Reisen mitnimmt, hast du großes Glück. Ich bin bisher nicht aus Roma rausgekommen, Italia kenne ich nicht und werde es vermutlich nicht kennen lernen, außer Portus Ostienses, aber da fahre ich zum Arbeiten hin.
    „Wie findest du die Taverna Apicia für nachher?"


    Tiberios lächelte kurz, als Terpander ihn als Briseis ansprach.


    „Ich dachte, dass ein Metallteil gegen deinen Schädel effektiver als ein Schlag durch meine Hand wäre.“, gestand er, und schaute auf sein schmales Handgelenk, das von Terpanders warmen Finger gehalten wurde.
    Es war ihm nicht unangenehm, und er spürte, wie seine Zuneigung zu dem älteren Griechen wieder aufkeimte:


    „Das nächste Mal beherzige ich deinen Rat. Du darfst mich wieder loslassen.“


    Das Talglicht in der Laterna hatte die rasche Bewegung nicht überlebt und gab seinen Geist aus.
    „Ich verstehe nicht, warum noch niemand bessere Leuchten erfunden hat“, murmelte Tiberios:
    „In der Nacht unterwegs zu sein ist abscheulich.“


    Er stellte sich in das Licht, das vom Blinden Esel ausging.
    „Ich hoffe, mein Gewand trifft deinen Geschmack?“, er öffnete den Mantel:
    Die lila, mit Vögeln bestickte Tunika ließ die Schultern frei und wurde links und rechts von Fibeln gehalten:


    „Was tun wir als erstes? Wenn ich etwas vorschlagen darf, gehen wir hier etwas essen. Der Puls ist köstlich.
    Wenn du es aber anders geplant hast, ist mir auch das recht.“

    Tiberios verbeugte sich tief vor dominus Faustus Decimus Serapio, weil er ein eques Romanus war, vor domina Iulia Graecina, (der gegenüber er mit keinem Wimpernzucken verriet, dass er sie kannte), weil sie eine edle römische Dame war, und vor Icarion libertus mit einem leichten Kopfnicken.

    Als dominus Serapio jedoch „keinen Tropfen“ sagte, schaute der junge Alexandriner einen Moment lang etwas besorgt und scheu zu der jungen Sklavin Sulamith hinüber.
    Er hielt sie für jemanden, der besonderes Zartgefühl verdiente, und ganz im Gegensatz zu den Gepflogenheiten auf der Bühne, wurde Medeas Kindermord bei der Darstellung von Senecas Werk ausführlich mit rezitiert.
    Er tröstete sich damit, dass domina Iulia Graecina schon wissen würde, was sie ihrer vertrauten Sklavin zumuten konnte.


    Tiberios lächelte den anmutigen Ikarion an: „Ich freue mich sehr darauf, vale Ikarion“, sagte er sanft, hob leicht die Hand - und schlug dann absichtlich eine andere Richtung ein, um die Herrschaften alleine zu lassen.


    Sein Geldbeutel war nun sehr prall gefüllt, was es dem furischen Sklaven auch nicht ratsam scheinen ließ, allzu spät und schon gar nicht im Dunkeln nach Hause zu gehen.Da die Werkschau noch einige Zeit geöffnet bleiben würde, dachte er aber daran, an einem anderen Tag wiederzukommen.


    Auf jeden Fall wollte er auch noch domina Duccia Clara, die immer so freundlich zu ihm war, und Tusca Aufwiedersehen sagen, vielleicht befanden sie noch im hortus.


    Er ging rasch an den Heliaden und auch an dem sich unter den Lefzen seiner eigenen Hunden in Todesqualen windenden Aktaion vorbei; aber vor Philemon und Baucis blieb er doch stehen, sah in ihre sich zugewandten steinernen Gesichter und wie sie in alle Ewigkeit ihre Zweige ineinander verflochten.


    Und weil wir so lange in Eintracht miteinander gelebt haben, o so lasset uns beide in einer Stunde dahinsterben; dann schau ich niemals das Grab des lieben Weibes, noch muß mich jene bestatten, dachte Tiberios an die bittenden Worte, die das alte Ehepaar an die Gottheiten gerichtet hatte und dachte dann weiter: Wie müsste es sein, so zu lieben und so geliebt zu werden?

    Schmerzlich, dachte er dann, als er die anderen Metamorphosen ansah, bei denen es so oft um gescheiterte oder missverstandene Liebe ging, und ganz gewiss hatte auch eine Medea geglaubt, dass Iason mit ihr alt werden würde?


    Tiberios schloss kurz die Augen. Es war vielleicht besser ledig zu bleiben, und der apatheia, der Leidenschaftslosigkeit der stoischen Philosophie, nachzustreben.
    Ab und zu die Gunst der Aphrodite sollte genügen. So bliebe er ein geistig freier Mann, wie das Sprichwort von Menander choris gynaikos andri kakon ou gignetai beziehungsweise non ullum sine muliere fit malum viro nahelegte.


    Im Hortus fand Tiberios zwar die Pieriden, die unglücklichen Musen der Konkurenz, die sich in Elstern verwandelten, vor, aber domina Duccia Clara und ihren weiblichen Custos Tusca sah er nicht.
    Also würde er den Heimweg antreten.


    Sim-Off:

    *„Nichts Schlechtes widerfährt dem Mann, der ledig bleibt.“

    „ Kopfmassage wäre wundervoll, doch nur wenn du keine anderen Kunden hast, die warten.“, sagte Tiberios:
    „Ich will keinesfalls der Grund dafür sein, dass du mit deinem Dominus Ärger bekommst.“
    Auch er war ja mit dem hohen Anspruch an seine Dienstbereitschaft aufgewachsen:


    „Lange Haare...hmmm. Meinst du nicht, ich würde dann zu sehr wie ein Mädchen aussehen?“, Tiberios zog seine Locken etwas über sein Kinn.


    „Charilaus war ein berühmter spartanischer König.“, fuhr er fort, und er nickte bei Charilaus‘ Worten über seinen Herren.
    Er hatte einen ähnlichen Eindruck von dominus Viridomarus gewonnen: leutselig, sogar großmütig, aber bestimmt konnte er hart sein, was Geschäfte anging. Sonst wäre er in der urbs aeterna nicht zu solchem Reichtum gekommen.


    Dann fragte Charilaus, wie es in Alexandria so wäre, und gerne sprach Tiberios über seine Heimatstadt:


    Alexandria ist die Residenzstadt des römischen Präfekten der Provinz Aegyptus,es liegt an der Küste und hat sogar zwei Häfen, den Portus Magnus und den Portus Eustonus.
    Nach Roma ist Alexandria die zweitgrößte Stadt des Imperiums und das Zentrum von Wissenschaft und Gelehrsamkeit für die ganze Welt.
    Alexander der Große hat die es gegründet.
    Menschen von überall her ist Alexandria zur Heimat geworden, besonders Griechen und Makedonen, Juden und Aegyptern, aber auch Syrer und andere Ausländer leben in ihren verschiedenen Vierteln.
    Das Haus meines früheren Herren stand in Delta, das ist eigentlich das jüdische Viertel.
    Oh, es gäbe so viel zu erzählen über das Museion, die große Bibliothek, den Pharos, der Leuchtturm, der einer der sieben Weltwunder ist, die Märkte, die Straßen und die Menschen .“
    , sagte der furische Sklave voller Begeisterung:


    „Aber ich würde solange reden...“, er lachte:
    „...dass meine Haare Zeit hätten, zu wachsen, und du hättest dann zwischenzeitlich den Bart!“
    Tiberios lächelte sehr freundlich; der tüchtige, angenehme Charilaus gefiel ihm ausnehmend:
    „Wenn dein Dominus dir einmal frei gibt, würde ich dich gerne hier in den Traiansmärkten zu einer Posca einladen.“, sagte er:
    „Natürlich nur, wenn du auch Lust hättest."