Beiträge von Tiberios

    Na großartig, nun geht Dominus Lurco fort und nimmt meinen Beutel mit, weiß der Kuckuck ob ich ihn nachher wieder finde und mein Schreibzeug zurück bekomme, dachte Tiberios.


    Seine jahrelange Ausbildung als Scriba half ihm, seine Haltung zurückzugewinnen. Kaum hörte er die Worte des Centurios, verbeugte er sich kurz und sprach:


    "Dominus Centurio Marcus Octavius Maro - Mein Name ist Tiberios, ich bin der Vilicus des Handelshauses Furii in Portus Ostiensis und Bibliothekar der Casa Furia.“
    Es schien ihm wichtig, herauszustellen, dass er keineswegs nur der Geliebte von irgendwem sondern ein Sklave in einer gehobenen Position war:


    „Ich war mit Eireann ganz genau an den Nonen des Aprils zwölfte bis höchstens dritte Stunde der Nacht * in den Gärten des Maecenas zusammen.“, präzisierte er.




    Sim-Off:

    5.4. 18 – 21 Uhr im Frühling

    "Deine Kunstfertigkeit testen? Ist das ein Angebot oder eine Drohung?"
    Tiberios wollte noch gerade ein seiner Ansicht nach gelungenes Wortspiel zwischen Kunstfertigkeit und künstlichen Locken nachschieben und ärgerte sich fürchterlich, dass er den Griff des anderen nicht lösen konnte, als Centurio Marcus Octavio Maro eingriff.


    Dass Kyriakos einen Schlag in sein arrogantes Gesicht bekam, fand der furische Sklave zunächst erfreulich, wenn auch nicht ganz gerecht, denn er selbst hatte den Streit ja absichtlich begonnen. Allerdings tat es ihm auch nicht sonderlich Leid.
    Aber der nächste Schlag mit dem Stock galt Tiberios.
    Der junge Grieche hielt sich sein Gesicht, wich zurück und Tränen stiegen ihm in die Augen. Er wurde sonst nie geschlagen.
    Er setzte sich ziemlich niedergeschlagen hin und hielt sich die Wange, zumal seine Aktion umsonst gewesen war: Kyriakos war bei seiner Darstellung des Sachverhaltes geblieben.


    Der Centurio schien wirklich wütend zu sein, und Tiberios wagte es nicht, dem Lupanarbesitzer einen höhnischen Abschiedsgruß nachzurufen – so gerne er das getan hätte.


    Je ruhiger Tiberios wurde, desto mehr Schmerzen hatte er. Er hätte sich gerne einen kalten Lappen gesucht, aber auch das traute er sich nicht. Der Centurio war recht eindeutig in seinen Ankündigungen gewesen. So merkte er, wie die linke Seite seines Gesichtes anschwoll.


    Der junge Alexandriner sah zu Boden und bemühte sich, seine Tränen zurück zu halten..


    Einiges hatte er doch erfahren, wenn auch nicht das, was er hören wollte. Aber in seinen Augen gab es in Kyriakos mehr als das Offensichtliche.

    „Wage es nicht, mich zu berühren!“, sagte Tiberios weiterhin auf Griechisch: und schlug Kyriakos ziemlich fest auf die Hand, während seine Stimme kalt und gelassen blieb:


    „Du weißt nicht, wen du vor dir hast, oder? Ich bin Tiberios von Alexandreia und glaube ja nicht, es gäbe keine wissenschaftlichen Methoden um fest zu stellen, wie ein Brand sich genau entwickelt hat! In meinem Beutel bringe ich die Beweise gegen dich, und dieser Soldat ...“
    Tiberios wies auf Lurco, dabei fuhr er auf Latein fort:
    ...wurde zu meinem persönlichen Schutz abgestellt! Du hast gelogen, Kyriakos von Sparta, sei froh, wenn du nur in deine polis verbannt wirst!“


    Tiberios wollte Kyriakos verunsichern, aber als er den Namen seines Gegenübers auf diese Weise aussprach, brachte das eine Saite in ihm zu klingen, als hätte er ihn kürzlich schon einmal gehört, doch im Moment hatte er keine Zeit, darüber nachzudenken.


    „Außerdem“, fügte er an:
    „Geht es nicht um mein Aussehen, nicht einmal um das deine, obwohl ich dazu bemerken würde, dass das keine Arroganz rechtfertigt! Deine Handhabung des Calamistrum ist allerhöchstens suboptimal! Ich kann mir offen gesagt nicht vorstellen, dass du irgendjemandem großes Vergnügen schenkst – sei es Frau oder Mann, wenn diejenige oder derjenige auch Wert auf ein Gespräch vor oder nach dem Akt legen sollte!“

    „So gibt es wirklich keltische Kriegerinnen!“, rief Tiberios erstaunt aus, denn in seiner Vorstellung gehörten kriegerische Frauen in das Reich der Mythen:
    „Tusca eine Kriegsgefangene? Ein hartes Los zu Anfang...“
    Tiberios wusste schon von Eireann, wie schwer es Menschen, die einst frei gewesen waren, fallen konnte, in Sklaverei zu geraten:
    „Sie ist jedoch...mit sich im Reinen .“


    Und er dachte: Das war etwas, was ich Eireann nie lehren konnte. Die Silurerin haderte ewig mit ihrem Schicksal.


    Über die Arena jedoch schüttelte er den Kopf. Diese Vorliebe der Römer war etwas, dass der junge Grieche nicht verstand.
    Wie konnte man so viel Freude am Unglück anderer Menschen haben? Aber er würde sch hüten, so etwas gegenüber einer römischen Domina auszusprechen. So sagte er nur:
    „Tusca hatte großes Glück, dass dein Vater sie gerettet hat, domina Clara. Man merkt, wie sehr sie in großer Treue darauf achtet, dass dir nichts geschieht. Auf dem Mercatus dachte ich, dein weiblicher custos greift mich gleich an.“
    Tiberios lächelte, als er sich daran erinnerte. Schon damals hatte ihn Tusca sehr beeindruckt..
    Wie wäre es, wenn er ihr mit ihr reden könnte? Welche Geschichte hätte sie zu erzählen?


    "Aber wie kommt es, dass du einen Dialekt sprichst, den ihr beide beherrscht, domina Clara? Hast du lange in Britannien gelebt?“, fragte er dann.


    Dass domina Clara ihn bat und es ihm nicht einfach befahl, fand der furische Sklave sehr freundlich, und er erwiderte:


    „ Mit großer Freude rezitiere ich etwas für dich, domina Clara. Euer Vergilius hat leider nicht viel mehr geschrieben als den Vers von vorhin:


    ...ducit Amazonidum lunatis agmina peltis
    Penthesilea furens mediisque in milibus ardet,
    aurea subnectens exsertae cingula mammae
    bellatrix, audetque viris concurrere virgo.
    Haec dum Dardanio Aeneae miranda videntur…


    Im Amazonengeschwader mit halbmondförmigen Schilden
    Rast kampfglühend voran in den Tausenden Penthesileia,
    Unter der nackenden Brust umschnürt vom goldenen Gürtel:
    Kriegerisch wagt sich im Streit mit den Männern zu messen die Jungfrau.
    Während der Dardaner dies, Aineias, staunend betrachtet
    ,


    Ausführlicher schildert die Aithiopis von Arktinos von Milet die Begegnung.
    Sie ist allerdings sehr lange, wünschst du, den Anfang zu hören, domina Clara?



    Dann von Thermodon, von weitläufigen Strömen,
    Kam, bekleidet mit der Schönheit der Göttinnen,
    Penthesileia - kam in der Tat durstig
    Für einen wütenden Kampf...
    So kam sie in das weithin bekannte Land Troja.
    Ja, und ihr Kriegergeist stachelte sie an...


    Und mit ihr folgten zwölf daneben, jeder von ihnen
    Eine Prinzessin, heiß auf Krieg und Kampf, grimmig,
    Jeder berühmt, doch Magd verglichen mit ihr.
    Penthesileia übertraf sie alle bei weitem.
    Wie am weiten Himmel inmitten der Sterne
    Der Mond reitet über alle herausragend,
    Wenn durch die Gewitterwolken der spaltende Himmel
    Öffnen Sie im Schlaf die wütenden Winde;
    So einzigartig war sie mitten von diesen:
    Clonie war da, Polemusa, Derinoe,
    Evandre und Antandre und Bremusa,
    Hippothoe, dunkeläugige Harmothoe,
    Alcibie, Derimacheia, Antibrote,
    Und Thermodosa glänzt mit dem Speer...


    Morgendämmerung, jubelnd auf ihren strahlenden Pferden
    Und erhoben über sie alle,
    Wie makellos glänzend diese auch sein mögen,
    Ihre Pracht der Schönheit leuchtet überragend;
    So unvergleichlich inmitten aller Amazonen
    In die Stadt Troia Penthesileia kam.
    Nach rechts, nach links, von allen Seiten gedrängt
    Die Trojaner wunderten sich sehr, als sie sahen
    Das Kind des unermüdlichen Kriegsgottes, das gesandte Mädchen,
    Wie zu den gesegneten Göttern; In ihrem Gesicht
    Glühende Schönheit herrlich und schrecklich.
    Ihr Lächeln war hinreißend: unter ihren Brauen
    Ihre liebeserregenden Augen leuchteten wie Sterne,
    Und mit der purpurroten Rose der Scham
    Ihre Wangen waren hell und überzogen sie
    Überirdische Anmut mit kampferprobtem Gewand...."



    Sim-Off:

    Die Geschichte Penthiselea und Achilles wird in dem Epos Aithiopis, das aber leider nicht erhalten ist, geschildert. Daher nahm ich die Posthomerica von Quintus Smyrnaeus aus dem 4. Jahrhundert =)

    Tiberios Vorladung>>>


    Tiberios stellte sich so vor den Unbekannten, der aus der Tür herauskam, so dass dieser ihn bemerken musste.
    Er gebrauchte nicht direkt grobe Worte, aber er sprach klar und mit gewisser Herablassung.
    Und er redete Koiné - er war sich sicher, dass eine Ansprache in Kyriakos' heimatlichem Griechisch
    noch unvermittelter wirken würde:


    "Du bist es doch - der pornos Kyriakos, nicht? Hybrin chre sbennynai mallon e pyrakaien! - den Übermut muss man mehr auslöschen als die Feuerbrunst! Und dumm und übermütig warst du, kyrios Cerretanus erpressen! zu wollen! Hast du denn nicht gewusst, mit welch mächtiger Familie du dich anlegst?!
    Vermutlich hast du sogar dein verkommenes porneíon selbst angezündet! Die Römer haben hübsche Kreuze für solche Idioten wie dich !"

    Tiberios lächelte, obwohl sein Herz bis zum Halse schlug.

    Tiberios nickte ernst, und wollte ansetzen, etwas zu sagen, da sah er den schwerfällig Gehenden aus dem officium des Centurios herauskommen.
    "Das ist jener Kyriakos, ich bin mir recht sicher", bezog er sich noch einmal auf den Unbekannten und ohne die Antwort des Urbaners abzuwarten:
    "So lass mich etwas ausprobieren..."
    In drei Schritten war er bei ihm.


    >>> Officium Centurio Marcus Octavio Maro

    „Gerade heute habe ich der Tyche, die ihr Römer Fortuna nennt, geopfert.“,* stimmte Tiberios zu:


    "Aus Dankbarkeit für ihre weise Führung in Roma. Ich bin gerade einmal zwanzig und schon vilicus im Handelshaus Furii, und da mein Herr nicht hier ist, hat mich domina Furia Stella zu ihrem Bibliothekar gemacht. Ich sage das nicht, um mich zu preisen, sondern um der Göttin zu danken. Ich weiß schon, dass ich an den großen Staatsopfern nicht teilnehmen darf, aber eine kleine unblutige Gabe mit Blumen und Milch konnte ich ihr bringen. Unsere griechischen Götter und die römischen sind sehr ähnlich, oft tragen sie nur verschiedene Namen. Noch mehr als Fortuna ist freilich Tyche die Göttin des unwägbaren Geschicks.
    Du hast bestimmt recht mit dem was du über die Gottheiten sagst,denn du bist ein Lupercus, ein heiliger Mann des Faunus."


    Tiberios sah Lurco scheu an, er fürchtete die Macht der Götter:

    „Ich werde die Wahrheit sagen.“, sagte er:
    „Ich werde nichts dazu erfinden oder weglassen. Aber wie gesagt, ich mag getäuscht worden sein. Ich kann also über Eireann nicht sagen, sie war eine Jungfrau , sondern nur, dass ich völlig sicher war, dass sie eine sei.“




    Tiberios sah Tusca, die sich in seinen Augen anmutig und kraftvoll bewegte, nach.


    In seiner Hand hielt er seinen Wasserbecher.
    "Sie ist sehr freundlich.", sagte er:
    "Aber auch ein wenig wie eine amazón aus den alten Geschichten:


    Penthesilea furens mediisque in milibus ardet....
    bellatrix, audetque viris concurrere virgo...

    Penthesileia rast kampfglühend voran in den Tausenden...
    Kriegerisch wagt sich im Streit mit den Männern zu messen die Jungfrau...
    "
    ,


    erinnerte er sich an die Beschreibung* der Amazonenkönigin Penthesileia im ersten Buch von Vergilius:


    "Ist Tusca denn so etwas wie eine Amazone, Domina Clara?", fragte der junge Grieche.


    Sim-Off:

    * Vergilius: Aeneas I, 490- 493

    „Erinnerst du dich noch an die Lupercalia, und wie ich euch eingeladen habe, dominus Lurco?“, fragte Tiberios:
    „Es war mir eine Ehre ,und das ist sie immer noch. Als ihr ins Magnum Momentum aufgebrochen seid, wollte ich Eireann nach Hause bringen und nachkommen. Doch daraus wurde nichts, weil ich zwei Sesterzen zu wenig hatte. Der Wirt Archias hatte mich in der Hand – und nun ja, er drohte, meinem dominus Bescheid zu sagen, er hatte große Freude, mich zu quälen. Er wußte vermutlich nicht, dass ich neu in Roma war und große Angst hatte, mein Herr würde mich gleich wieder weiterverkaufen.
    So zwang mich Archias, die zwei Sesterzen abzuarbeiten, und Eireann, die sich erbarmte, weil ich solch eine Arbeit noch nie getan hatte, blieb bei mir und half.
    Wir arbeiteten die halbe Nacht, und ich kam davon, aber Eireann wurde erwischt, als sie nach Hause kam. Und da erwachte der Zorn des Dominus Iulius Caesoninus
    . )*


    Wie oft ich schon wegen meines Verhaltens zum Verkauf gestanden habe? Kein einziges Mal. Und wie oft hätte ich es schon müssen? Viele Male vielleicht. Ich bin vielleicht nur schlauer als die Keltin.
    Zwei Sesterzen nur, und sie standen am Anfang allen Verhängnis.“


    Tiberios senkte den Kopf.:
    „Ich habe bereits gesehen, wie Sklavenfänger arbeiten – und auch Sklavenhändler.“, fügte er leise an.


    Langsam wurde er unsicher. Wenn Eireann das alles getan hatte, was man ihr vorwarf, war sie wie ein kakodaimon, ein böser Geist, gekommen, die Lebenden zu quälen. Konnte das möglich sein?


    Aber warum sollte dominus Lurco ihn belügen wollen? Der Urbaner hatte nichts davon, Tiberios gehörte ihm nicht einmal.


    Tiberios war ziemlich verwirrt.





    Tiberios verstand kein Wort, aber den Blick der piktischen Sklavin. Hilfsbereit räumte er die Schriftrollen zusammen und lächelte Tusca zu.
    "Deine Sprache klingt so schön und melodisch.", sagte er:
    "Wenn ich nur wissen würde, was du gesagt hast."
    Hilfesuchend sah er domina Duccia Clara an.
    Da sagte die Domina schon, dass sie den Preis für die Bücher angemessen fand. Tiberios freute sich.
    Es machte Spaß, besondere literarische Werke auf dem Mercatus zu suchen und sie mit Gewinn zu verkaufen, besonders wenn man das in einer Casa mit interessanten Menschen tun konnte.


    Tiberios deutete auf das Wasser:
    "Ich danke dir, Tusca, falls das auch für mich sein soll", sprach er.

    Tiberios hörte genau zu. In vielem hatte dominus Lurco Recht. Das Argument, Kyriakos hätte Eireann , nach dem die sich widerspenstig zeigte, auch einfach umbringen und im Tiber entsorgen können, war nicht von der Hand zu weisen, sogar domina Furia Stella hatte gesagt, dass so ein entflohenes Mädchen in der Subura nicht lange überleben würde.
    Außerdem war der junge Grieche selbst über so einiges erbittert.
    „Als dominus Cerretanus Eireann gekauft hat, hat er sie in die Casa Furia gebracht. Eireann wußte, dass ich Eigentum der Furier bin. Domina Stella kann mich gut leiden; wenn ich sie gebeten hätte, hätte sie mir vielleicht sogar erlaubt, dass Eireann und ich als Paar leben dürfen. Und die Keltin beteuerte mir, sie würde mich lieben. Eine Frau, die die Gelegenheit hätte, mit ihrem Geliebten zusammen zu leben wäre doch dankbar, oder? Dass sie weggelaufen ist und Schande über ihren Herren bringt, verstehe ich wirklich nicht.
    Tatsächlich bin ich wütend auf Eireann, denn sie hat mich schon mehrere Male in Probleme gebracht. Du hast Recht: Die Probleme fingen an, weil sie sich an an einem Platz aufhielt, an dem sie nichts zu suchen hatte. Dennoch, ich selbst habe die Furien um Gerechtigkeit angerufen. Iusticia ist kalt und weise, dominus Lurco, sie kümmert sich nicht um unsere Gefühle.“


    Tiberios sah Dominus Lurco ganz kurz an, bevor er wieder wegsah:
    „Ein wenig bin ich beleidigt, dominus Lurco, dass du Eireann hässlich nennst. Ich würde mit keiner hässlichen Frau das Lager teilen.
    Ich tat es aus Zuneigung und besonders weil ich wollte, dass für sie ihr erstes Mal ein schönes, liebevolles Erlebnis wird, denn sie kam weinend zu mir, weil dominus Iulius Caesoninus sie verkaufen wollte. Man weiß doch nie, wo eine Sklavin auf dem Sklavenmarkt landet, das kann auch eine Spelunke oder ein Lupanar sein.
    Am Zorn des dominus Iulius Caesoninus ihr gegenüber bin jedoch ich selbst zum großen Teil schuld. Er hätte mich bestrafen müssen, nicht sie.“


    Tiberios seufzte. Da war eine Sache, die er weder dominus Lurco noch dominus Scato erzählt hatte. Kein Verbrechen, eher eine Peinlichkeit. Aber ein Rattenschwanz von Verwicklungen war aus dieser Kleinigkeit entstanden.

    Die Anschuldigungen gegen Eireann waren wirklich schwerwiegend, und Tiberios hörte schweigend zu. Einiges kannte er schon, anderes war ihm neu, und das neue klang wirklich unschön.


    „ Wenn es zwei Erklärungen für einen Sachverhalt gibt, eine einfache und eine höchst komplizierte, wie wahrscheinlich ist dann, dass nicht die einfache sondern die komplizierte Erklärung richtig ist.“, sagte er vorsichtig:
    „ Kyriakos wurde nicht angezeigt, aber er hat in der Tat versucht, dominus Cerretanus zu erpressen. Diese Tatsache macht mich voreingenommen, das gebe ich zu, denn ich gehöre zur Furischen familia.
    Er ist daher für mich kein einwandfreier Zeuge.
    Eireann ist unbeherrscht, impulsiv, denkt nicht nach und ja, manchmal könnte man ihr Verhalten schlicht dumm nennen. Doch bisher ist sie nie durch Gewalttätigkeit aufgefallen. Dass sie die Römer… kritisch sieht, ist freilich richtig.
    Sollte Eireann von niedriger Intelligenz sein oder hat sie den Verstand verloren, sind das Gründe, sie in Obhut zu nehmen.
    Aber strafbar ist das nicht.“,
    sagte Tiberios und schüttelte den Kopf:
    „ Auch Egoismus ist kein Delikt, soviel ich weiß.
    Ist Eireann eine Christin? Ich glaube, ich weiß mehr über das Christentum als sie, denn ich habe mir einige ihrer Predigten angehört. Eireann hat zu mir immer nur über ihre keltischen Götter gesprochen.


    Diese besonderen Pflanzenmittel, um die Jungfräulichkeit wieder herzustellen – die kosten doch Geld, nicht? Eireann hatte nie welches, ihr Dominus hat ihr nicht einmal ein Peculium gegeben. Wer sollte das bezahlt haben?
    Dies ist so ein Fall, wo die einfache Lösung „Eireann war Jungfrau“ mir logischer erscheint als die schwierige „ Eireann hat sich der Hilfe der Medizin bedient, um mir etwas vorzumachen.“
    Ich halte mich nicht für so wichtig, dominus Lurco. Für was sollte jemand so viel Aufwand betreiben, um einen Sklaven zu beeindrucken.


    Wirklich offen und ein Rätsel bleibt Eireanns Auftauchen im Ganymed. Auch hier wieder einfache oder komplizierte Erklärung.
    Ich vermute, die fugitive Eireann ist in der Subura einem schlechten Menschen in die Hände gefallen. Eine herrenlose Sklavin kam ihm recht, er wollte sie ins Bordell pressen. Da Eireann sich wehrte, kam es zum Kampf. Vielleicht wurde dabei eine Öllampe heruntergestoßen und so ist der Brand passiert.
    Auch eine Sklave darf sich gegen einen sexuellen Übergriff durch Fremde, die keine Erlaubnis zum Gebrauch der Sache durch den Dominus des Sklaven haben, verteidigen. So wird es geschehen sein, und Kyriakos schuldet dominus Cerretanus Schadensersatz.


    Meine Erklärung ist ebenso plausibel wie deine, dominus Lurco.


    Jetzt kommt mein Verstand allerdings an seine Grenzen: Wenn Eireann wirklich die Brandopfer ausgelacht und einen Medicus gebissen hat, ist das nicht die Eireann, die ich kenne. So verhält sich nur ein Monster, und tatsächlich kann ich mir dieses Verhalten nicht erklären. Früher hatte Eireann Mitleid mit jedem verlausten Straßenkind.
    Aber es MUSS eine logische Erklärung geben: Vielleicht hat dieser Kyriakos sie unter Drogen gesetzt.? Ich weiß aus Alexandria , dass es Mittel gibt, die abstumpfen und gefühllos machen.“

    Tiberios deutete auf seinen Beutel:
    „Leider habe ich hier keine Beweise, sondern nur mein Schreibzeug und einige Tabulae.“


    Zitat

    Original von Kyriakos


    Kyriakos erhob sich und schenkte dem Optio ein Lächeln, bis dieser brummelnd vorbei war und Kyriakos die Treppen hinaufstieg.
    Er stapfte mit der ihm eigenen plumpen Gangart zurück ins Officium, wo er auf dem Stuhl platznahm, der sich noch warm anfühlte.


    Tiberios' Augen folgten einem Mann, der in Begleitung von dominus Optio Cerretanus im officium verschwand. Ein weiterer Zeuge der Ganymed- Sache? Auf jeden Fall ein Zivilist, schlank, aber nicht zierlich, eine seltsame Art zu laufen, als würde es ihm schwer fallen.
    Der Optio und sein Begleiter hatten ihn übersehen, was der Scriba gewohnt war; viele Leute übersahen ihn. Er jedoch beobachtete sie.


    „War das eben gerade jener Kyriakos?“, fragte Tiberios schnell . Das „Dominus“ ließ er weg, das hielt er bei jemandem, der die Furier beleidigt hatte, zu viel der Ehre.

    Porta Praetoria >>


    Tiberios lehnte sich an die Wand vor dem Officium und verschränkte die Arme.
    Etwas verwirrt war er. Im Gegensatz zum letzten Mal, als man ihn wie einen Eindringling behandelt hatte, war es diesmal als Zeuge in Lurcos Begleitung sehr einfach gewesen, in die Castra zu kommen. Weder war er durchsucht noch überhaupt gefragt worden, was er in seinem Beutel trug. Jetzt stand er vor dem officium des Centurios Maro und hätte theoretisch ein ganzes Arsenal an Waffen einschleppen können.
    Also hatte domina Furia Stella Recht gehabt, er hätte den Namen Eireann nicht erwähnen sondern gleich nach Optio Cerretanus fragen sollen.
    Vielleicht wäre dann alles genauso einfach gewesen. Tiberios ärgerte sich über seine eigene Dummheit.


    Der junge Sklave warf dominus Lurco einen kurzen prüfenden Blick unter halb gesenkten Lidern zu. Der Fortuna sei Dank konnte dieser keine Gedanken lesen und ein noch glücklicherer Umstand war es zweifellos, dass er, Tiberios, eben kein Bösewicht war.


    Wenn Lurco mit ihm warten musste, war es vielleicht an der Zeit, den Urbaner zu fragen, wie er überhaupt die Sache sah. Allerdings musste er vorsichtig vorgehen:


    "Darf ich dich etwas fragen, dominus Lurco?", begann er:
    " Welche Proben außer der reinen Ausage dieses dubiosen Kyriakos gibt es überhaupt von Eireanns Schuld ?Und der hat die Furii versucht, zu erpressen, was nicht gerade für ihn spricht."

    Casa Furia >>



    Die Castra war auf alle Fälle einschüchternd, zumindest für jemanden, der sie noch nie betreten hatte


    Tiberios war froh, an Lurcos Seite zu sein und fasste seinen Beutel fester.
    Da fiel ihm ein, dass er seinen Stilus dabei hatte, einfach weil er ihn immer dabei hatte, das gehörte zu seiner Ausrüstung als Scriba. Das letzte Mal, als er hatte Eireann besuchen wollen, hatte es deswegen ziemlichen Ärger gegeben.


    Über ihm verdunkelten die Mauern der Castra den Himmel. Wie mochte man sich hier als Gefangener fühlen?
    Besser nicht daran denken.


    Sollte er dominus Lurco sagen, dass er seinen Schreibgriffel im Beutel trug? Er wußte nicht recht wie. Daher presste er die Lippen zusammen und versuchte schweigend mit dem größeren und besser trainierten Urbaner Schritt zu halten.


    >>>Vor dem Officium - Centurio Marcus Octavius Maro

    Tiberios nickte:
    "Ich danke dir, dominus Lurco.", sagte er, und folgte ihm.
    Dass dominus Furius Cerretanus anwesend sein würde, war beruhigend. Er würde ihn bei domina Furia Stella entschuldigen können, falls es wirklich spät werden würde.
    Tiberios merkte, dass Lurco sehr freundlich war und versuchte, ihm sein ungutes Gefühl zu nehmen.
    Er selbst hätte sich gerne unterhalten und nach den domini Scato und Sati und nach Terpander gefragt, aber er wußte nicht, ob das auf einem dienstlichen Gang angemessen war.


    Der furische Sklave war sich keiner Schuld bewußt, doch fand er es für gewöhnlich ratsam, den Kontakt mit der Obrigkeit zu vermeiden. Man konnte nie wissen, schon gar nicht wenn man von niedrigem Stand war.
    Auch dieses Problem nun hing mit Eireann und ihrem kopflosen Verhalten zusammen.
    Tiberios ärgerte sich ein wenig.
    Wäre dem nicht so, könnte er jetzt ruhig in seiner geliebten Bibliothek sitzen und müsste nicht in die Castra.


    >> Castra

    Tiberios, der Lurcos Gedanken nicht kannte, ging in die Casa, ließ den Opferkorb in einer Ecke stehen und kam wenig später mit dem Bronzetäfelchen mit der Aufschrift
    SERVUS AUTEM
    GN.FURIUS C.F SUB PHILUS
    zurück, das er an einem Lederband um seinen Hals befestigt hatte.
    Ansonsten trug er eine gegürtete knielange Tunika, ein Stirnband und einen Beutel am Gürtel:
    "Ich bin fertig, wir können gehen, dominus Lurco.", sagte er:
    "Weißt du denn, wie lange ich von der Casa wegbleiben werde?"

    Es war dominus Lurco, und der Sklave freute sich zunächst sehr, ihn zu sehen, aber dann wurde er etwas nervös. Er wußte, dass Lurco ihm seinen unpassenden Auftritt an der Porta Praetoria verziehen hatte, aber es waren noch andere Urbaner und vielleicht auch Praetorianer zugegen gewesen. Ob einer von denen ihn gemeldet hatte?


    Aber dann erklärte ihm der Urbaner, dass er nur als Zeuge in der Ganymed- Sache vernommen werden sollte, und da war er wieder erleichtert:
    „Salve, dominus Lurco!“, sprach er:
    „Darf ich noch einmal in die Casa hinein und den Opferkorb abstellen?Außerdem liegt meine Bronzetafel, die meine Identität klärt, auch noch drinnen, ich würde sie lieber holen. Oder sollte ich unverzüglich mit kommen?“

    Tiberios war gerade vom Tempel der Fortuna gekommen, in dem er der Tyche Danke für all das Gute gesagt hatte, was ihm Roma geschenkt hatte, und er trug den nun leeren Opferkorb noch bei sich. Als er die Gestalt eines Urbaners mit dem Rücken zu ihm vor der Porta sah, erkannte er Lurco nicht gleich.


    „Salve, dominus miles, kann ich dir weiter helfen?“, fragte er höflich.