Beiträge von Tiberios

    Tiberios wurde am heutigen Tag neunzehn oder zwanzig Jahre alt, so genau wusste er es nicht, weil man seine Jahre nach dem aegyptischen Kalender gezählt hatte, und trat damit in das letzte Jahr eines ephebos, eines Jünglings ein. So viel er wusste, war sogar einst ein Horoskop für ihn gestellt worden, aber wie alles, was seine Jugend betraf, war es in Alexandria geblieben. Fast waren zwei Jahre seit seiner Ankunft in Roma vergangen, aber erst am heutigen Tag nahm er es auf sich, Fortuna, die zweifellos seine Wege behütet hatte, ein Opfer zu bringen.


    Da Tiberios keine römische Bürgerkleidung anlegen durfte, kleidete er sich mit einem Chiton und legte seine Bronzetafel ab. Auf dem Kopf trug er nach griechischer Sitte einen Kranz aus Olivenblättern. Bei sich hatte er einen polos, einen Opferkorb, der mit einem sauberen Tuch, einem Stück Weihrauch, Trauben, einem Krug Milch und Veilchen, deren Blau der Tyche zugeordnet wurde, bestückt war.
    Tiberios wußte, dass er niemals an einem Staatsopfer teilnehmen oder ein großes Tieropfer bringen durfte, doch wie ein bescheidener Privatmann ein unblutiges Opfer zu bringen, um Tyche zu danken, darin konnte er keinen Frevel sehen.


    Der junge Alexandriner suchte den Tempel der Fortuna auf, so hieß Tyche in Roma.
    Vor dem Tempel zog er seine Sandalen aus und wusch sich die Hände, aber er trug keine Toga, mit der er sein Haupt bedecken konnte.


    Tiberios war sich nicht sicher, ob er zuerst den italischen Gott Ianus anrufen sollte, wie es die Römer taten, doch da er auf italischem Boden stand, entschied er sich dafür:
    Vor dem Bild der Fortuna Omnia streute er sein Bröckchen Weihrauch in das Kohlebecken , hob beide Arme und sprach:
    „Pater Ianus, ich flehe dich an, mir die Tür zu öffnen. Ich bin gekommen, der großen Fortuna zu opfern.“
    Er ging rechts ab und legte dann das Tuch auf den Altar, darauf die Trauben und die Veilchen, und dazu stellte er den kleinen tönernen Krug mit Milch, den er geöffnet hatte.


    Wieder hob er beide Hände und betete mit gedämpfter Stimme:
    „O größte Tyche, komm Fortuna mit starkem gnädigen Geist und reicher Fülle, zu meinem Gebet geneigt. Ich bringe dir meine bescheidenen Gaben, um dich zu ehren. Weise hast du mich in meiner neuen Heimat geleitet und mir beigestanden.
    Diejenigen, die mir Böses wollten, hast du abgewehrt. Die mir Gutes wollen, hast du meinen Weg kreuzen lassen. Bitte behüte und leite mich weiterhin. Und schenke deine besondere Gunst meinen domini und allen Angehörigen der gens Furia.“


    Und dann vertraute er Fortuna an, wohin er hoffte, dass sein Stern ihn führen würde:
    „Ich bitte dich darum, von heute ab in zehn Jahren ein libertus zu sein.“, sagte er:
    "Dann werde ich dir ein weiteres Opfer bringen und es wird deiner Hilfe angemessener sein als das was ich dir heute geben kann.“
    Tiberios nahm die Hände herunter , nahm den Korb und ging mit gesenktem Haupt rechts ab. Wie ein Schatten huschte er aus dem Tempel. Er wollte keineswegs auffallen.


    Draußen blieb er stehen, atmete tief ein und überlegte. Es war wahr, was er der großen Fortuna gesagt hatte: Roma war ihm zur neuen Heimat geworden.
    Er sehnte sich nicht mehr nach Alexandria zurück, denn dort war niemand mehr, den er liebte.

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    Tiberios begab sich in die Bibliothek der Casa Furia.
    Die Räumlichkeit befand sich in dem gleichen tadellosen Zustand, in der er sie verlassen hatte.
    Dennoch öffnete Tiberios ein Fenster, um den Rosenduft aus dem Garten eindringen zu lassen, wischte etwas Staub und füllte die Tintenfäßchen und die Öllämpchen auf.
    Erst dann stellte er sich an seinen Pult um zwei Briefe zu schreiben.


    Der erste Brief war für domina Furia Stella.
    Der zweite Brief war an Sisenna Iunius Scato gerichtet.


    Erst nach einer ganzen Weile legte Tiberios seinen Calamus weg. Er hatte für beide Briefe schwarze, wasserunlösliche Tinte benutzt und sie auf Papyrus geschrieben.


    Mit den Briefen in der Hand ging er zurück in die >>> Sklavenunterkünfte.

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    Auf dem Rückweg hatte Tiberios Trauben, Veilchen und Ziegenmilch in einem verschlossenen Lederbeutel eingekauft.
    Das verwahrte er zunächst einmal unter seinem Bett. Dann überlegte er kurz, bevor er seine Chlamys nahm und mit Hilfe seiner Pinzette ein wenig des Saums auftrennte. Es war draußen bereits so warm, dass er den Mantel nicht brauchen würde.
    Er legte die Chlamys auf sein Bett und wollte gerade in die Küche gehen, da kam ihm das Küchenmädchen ,
    das ihn damals auf die Feriae Annae Perennae begleitet hatte, aus dem balneum entgegen, ein großes Laken um sich gehüllt:
    „Salve, Tiberios!“, sagte sie freundlich.
    Auch wenn sie keinen Gefallen an dem Zuhören langer Gedichte fand, sie war ein nettes, kleines, wohlerzogenes Ding. Aber auf die Frage nach einem Kleid musste sie passen. Sie besaß nur zwei Tuniken, eine zum Arbeiten und eine für Festtage.
    Schminkzeug wie Bleiweiß, Lippenrot und einen Tuschestein hatte sie, wenn auch nur von allerbilligster Qualität, unter ihrem Bett verwahrt, aber Tiberios kaufte es ihr ab.
    Dafür fiel der jungen Sklavin etwas ein, um ihm weiter zu helfen. Sie verschwand eine Weile und kam freudestrahlend mit einem langen violetten Kleid zurück, das am Kragen mit Vögeln bestickt war.
    Tiberios erschrak etwas. Hatte sie es der Domina stibitzt? Aber nein, es stellte sich heraus, dass das Kleid in Taillenhöhe einen großen Fleck hatte. Eine Sklavin hatte es sich während der Saturnalien ausgeliehen, und wohl verdorben, und es sollte zur Herstellung von Putzlappen dienen.


    Tiberios dachte, dass man den Fleck in der Nacht vermutlich nicht bemerken würde. Er nahm das Kleid dankbar an und versprach, es zurückzubringen.
    Den neugierigen Blick des Mädchens ignorierte er, obwohl er rot wurde und Terpander zum Henker wünschte.


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    Den Brief an seine domina legte er offen auf seine Sachen unter dem Bett, den Brief für Scato rollte er ein und schob ihn in den Saum der Chlamys, bis er nicht mehr zu sehen war. Dann nähte er die Öffnung wieder zu.


    Falls Tiberios von seiner Verabredung mit Terpander nicht zurückkehren würde, würde man seine Sachen durchwühlen und den Brief an Domina Furia Stella finden. Furia Stella würde die Chlamys an Scato übersenden.


    Scato wußte, dass die Chlamys nicht seine war, bestimmt würde er sie genau durchsuchen, schließlich war er ein Urbaner, und so auf den zweiten, den eingenähten Brief stoßen, der sich unter dem Stoff ertasten ließ.


    Dann lag Terpanders Schicksal offen da und in seinen Händen.


    Das war Tiberios´ Absicherung.
    Er hatte große Angst vor jener Nacht und dem, was ihm begegnen konnte.


    >>> Auf dunklen Pfaden

    Tiberios stand vor der Tür und zuckte die Schultern, bevor er sich umdrehte. Dass er gehen wollte, war keine Lüge, und Terpander wollte ihn auch offensichtlich loswerden.
    „Na, dass du schlechte Laune bekommst, möchte Briseis selbstverständlich vermeiden.“, murmelte Tiberios.


    Sein ehemaliger kyrios war weder geizig noch ungefällig gegenüber Gästen gewesen, die den jungen Scriba bemerkten, und einige Male war auch ein besonderer Wunsch dabei, aber er hatte nie selbst noch etwas bezahlen müssen.
    Terpander schien jedoch ganz selbstverständlich zu erwarten, dass Tiberios das Geld für ein Kleid und Schminke von seinem peculium nahm.
    Trotzdem konnte er Terpander nicht wirklich böse sein, etwas an dem Älteren rührte und faszinierte ihn zugleich.


    Tiberios fiel ein, dass er noch einige Vorbereitungen treffen musste bis morgen, angenehme und unangenehme.
    Und das der morgige Tag sein Geburtstag war. Das wußte niemand außer ihm selbst, denn die meisten Sklaven kannten ihren Geburtstag nicht, und selbstverständlich würde er keinerlei Aufmerksamkeit erfahren. Nur seine ersten sieben Lebensjahre war das anders gewesen.
    Der Fußmarsch zur Casa Furia würde dem furischen Sklaven gut tun und seinen Kopf wieder freimachen. Dabei konnte er zwei Briefe im Kopf formulieren, von denen es einer in sich hatte.



    >> Casa Furia - Sklavenunterkunft

    Tiberios lächelte kurz und trat durch die Tür, die ihm Terpander aufhielt. Dann ging er von dem Maiordomus geleitet die Treppe hinab und dachte daran, wie beispielsweise Anippe die Treppe hinuntergegangen wäre, mit schwingenden Hüften, den schwarzen Lockenkopf stolz erhoben.


    Tiberios war ja mit drei fast gleichaltrigen Sklavenmädchen zusammen aufgewachsen: Den Griechinnen Timothea und Daphne und der Aegypterin Anippe. Sie waren fast immer heiter und vergnügt gewesen, und in den Winternächten, die in Alexandria kühl sein konnten, hatten sie aneinander geschmiegt geschlafen, wo sie Platz fanden.


    Und dennoch, gerade jetzt an Caenis oder das muntere Mädchentrio zu denken, das rief in ihm gemischte Gefühle wach.
    Er hatte so lange nicht mehr an sie gedacht – und nun dachte er, seit er sich selbst den Namen Briseis gegeben hatte, ununterbrochen an sie.



    „Bis Morgen, Terpander“, sagte Tiberios und rief noch einmal nach hinten:„Gute Nacht, dominus Sati!“


    Dann fiel ihm ein, wie er Terpanders Strenge besänftigen konnte, und er legte seine Hand leicht auf die Brust. des älteren Griechen. Die Chlamys hatte er immer noch halb über den Kopf gezogen:


    „Bitte plage dominus Sati nicht so arg, er war schon den ganzen Abend so fleißig.", bat er:
    „Gute Nacht, mein Lieber.“

    „Ich meinte eigentlich deine Hausherren.“, sagte Tiberios. Er horchte auf:
    „Oh, die domini Scato und Lurco sind schon gegangen? Ich wollte mich bei Ihnen noch für Ihre Gastfreundschaft bedanken. Ich werde Ihnen einen Dankesbrief schreiben, und bitte dich, ihnen in meinem Namen ...“ Tiberios, dachte Tiberios, bitte nicht Briseis:
    „...Schöne Grüße auszurichten. In der Tat ist es spät geworden, und ich muss nach Hause.“
    Er ließ sich von Terpander auf die Füße helfen, doch wirklich sicher war er sich nicht, was er lieber mochte, die neuerwachte Fürsorglichkeit des älteren Griechens oder sein raues Verhalten von früher.
    „In wie vielen Tagen von heute ab am Treffpunkt?


    Aber um was ihn Terpander dann bat, erschien ihm bedrohlicher als wenn er sich im Schutz der Casa Leonis weiblich gekleidet hätte: Nachts in der Via Appia vor den Toren der Stadt, wo es Gekreuzigte, Banditen und bestimmt noch furchtbarere Wesen gab, in einem Frauengewand als zartes Mädchen zu erscheinen.


    Tiberios dachte resigniert, dass er damit richtig gelegen hatte, Terpander bei den Ruinen des Ganymeds als nekydaimon zu bezeichnen: Der Spartiate war eindeutig aus der Unterwelt gekommen, um ihn heimzusuchen.

    Tiberios ließ sich von Terpander festhalten und auf den Kopf küssen, dann nickte er, nachdem er einen Moment gezögert hatte.
    Das Zögern entsprang nicht Terpanders Bitte, er war ihm gerne gefällig. Auf gewisse Weise fand er Terpanders Begehren anregend und amüsant.


    Aber er wußte genau ,wie er als Mädchen aussehen würde: grauäugig, mit lockigem Haar, zierlich und hellhäutig. Man hatte ihm immer gesagt, er sei das Ebenbild seiner Mutter Caenis, und eine junge Caenis würde ihm aus dem Spiegel entgegenblicken.
    Tiberios wußte nicht genau, ob er eine Caenis sehen wollte.


    "Briseis finde ich auch sehr schön. Viridomarus darf mich gerne wie ein Mädchen zurecht machen. Die domini werden wohl nichts dagegen haben.“, sagte er leise.

    Tiberios errötete wirklich wie ein Mädchen, als Terpanders Blick auf ihm ruhte.
    Sanft lächelnd sagte er:
    Nenn mich, wie es dir angenehm klingt, lieber Terpander. Vielleicht Briseis, wie die Geliebte des Achilles oder Eudokia, die Wohlgefällige.“, und er schlang seine Chlamys kokett um seine Locken, als wäre sie eine Stola und legte den Kopf schief.


    Er hatte in seinem Leben genügend Frauen und Mädchen beobachten können, um ihre Gesten zu kennen, und ebenso wenig wie Terpander ein Problem damit, von Eros zu Thanatos und wieder zurück zu springen.


    „Die Mutter von Achilléas wollte demnach nicht, dass ihr Sohn alleine im Hades ist, er war doch noch so klein“, sprach er weiter:
    „Da ich das nun weiß, werde ich für beide opfern, für dein Kind und deine Frau.
    Dein Erastes dagegen wird, da er als Held fiel, in Elysion weilen. Ich möchte dein Herz erleichtern, denn ich glaube, dass dir deine Toten, da ihr irdischer Schmerz nur noch wie ein Echo für ihre Schatten ist, wenn du sie darum bittest, vergeben werden."

    Wer hat die Aufzeichnungen des Peloponnesischen Krieges zuvor datiert?



    Es gab nicht nur Vasen, sondern auch Tierknochen.


    Zitat

    Die aktuelle Studie profitiert nun von einer ganz ungewöhnlichen Situation, gewissermaßen einem doppelten Glückstreffer: Zum einen bietet die C14-Kalibrationskurve bei der Auswertung der C14-Daten von Sindos von vornherein eine ungewöhnlich hohe chronologische Genauigkeit, die zweitens durch die zielgerichtete Entnahme von gut datierbaren Tierknochenproben aus einem ungewöhnlich langen Profil mit Siedlungsschichten der frühen Eisenzeit noch verstärkt werden konnte. „So ergänzen sich die Vorteile der Methode in diesem Fall zugunsten einer für diese Periode bislang unerreichten Datierungspräzision“


    .
    https://www.oeaw.ac.at/oeai/ko…ischen-antike-in-frage-1/


    Also ganz so abwerten a la Aluhut würde ich es nicht, das ÖAI ist genauso glaubwürdig wie das DAI.

    Tiberios mochte es, dass Terpander den Arm um ihn legte und schmiegte sich an ihn, dann sagte er:


    „Ach, dominus Satibarzanes- ja, ich denke, dominus Lurco hat in seiner Weisheit beschlossen, dass ich die unwürdige und langweilige Aufgabe der Alphabetisierung übernehmen soll, während du,Terpander, die Aufgabe der weiterführenden Bildung zugesprochen bekommst. Er hält dich ja für einen Athener und solch Kinderkram für einen Lehrer, der die Ehre hatte, einen dominus Scato zu unterrichten, bestimmt unter deiner Würde. Mir macht das nichts – ich besitze nicht sonderlich viel davon, Würde meine ich.“


    Er lächelte nun und berührte mit seinem Zeigefinger leicht streichelnd Terpanders Lippen:
    „Da ich körperlich vermutlich keinesfalls dein Ideal bin, schließe die Augen und stell dir vor, ich sei ein jungfräuliches Mädchen. Auch das würde mich nicht stören. Deine Stärke ist die des Schwertes, lieber Terpander, meine Stärke ist die des Wassers. Du kannst mit dem Schwert Wasser zerteilen, aber danach fließt es zusammen, als sei nichts gewesen. panta rhei, sagt Heraklit, alles fließt.
    Sklaven, die sind wie du, enden am Kreuz oder verrotten im Kerker. Das habe ich keineswegs vor, hier darf ich einmal als der Erfahrenere sprechen, denn du bist seit sieben Jahren unfrei, ich jedoch seit neunzehn:
    Nicht dominus Satis Schwäche wird belohnt, sondern dass er sich wie Wasser verhält. Ein peregriner Lupo und ein Sklave haben da einiges gemeinsam. Doch stimme ich dir zu: Satizarbanes muss lernen, als freier Mann unter freien Männern zu leben. An dem Tag, an dem er mir einen unfreundlichen Befehl erteilt, habe ich mein Ziel erreicht, und ihn sozusagen emanzipiert, ohne dass er es je wissen wird.“


    Tiberios nahm seinen Finger weg und sah Terpander an:
    „Aber Achilléas ist nicht dein einziger Toter, nicht wahr?“, fragte er unvermittelt.

    „IUS SUMMUM SAEPE SUMMA EST MALITIA - Das höchste Recht ist oft die höchste Bosheit, von Terentius , hätte ich in Koiné an die Wand des Gebäudes geschrieben, in dem die gerousía tagt.“, antwortete Tiberios erbost über das grausame Geschick des Älteren:
    "Wenn ein Gesetz Böses gebiert, muss man nicht fragen, ob das Gesetz selbst nicht böse ist? Somit bist du nicht schuldig und doch voller Schuld. Ich ehre deinen Sohn Achilléas, Terpander, mit einen Opfer werde ich ihn ehren.“
    Tiberios senkte seinen Kopf, und seine Augen füllten sich mit Tränen.
    Er hätte so gerne die Macht besessen, Terpander zu trösten.. Doch er kannte keine anderen Tröstungen als Worte oder die Nähe seines Körpers.


    Terpander hatte seinem Sohn einen Namen gegeben und ihn somit als Kind anerkannt und dennoch war er gezwungen gewesen, ihn zu töten. Der Schmerz musste ihn buchstäblich zerrissen haben.

    Tiberios freute sich, den Geschmack von domina Duccia Clara getroffen zu haben und strahlte.
    "Über die Ozeane" nahm er wieder zurück, vielleicht würde er es selbst behalten und für den Unterricht von dominus Sati benutzen.


    Aber beim Preis zögerte er:
    „Zwanzig Sesterzen pro Buch, domina Clara, wenn es recht ist“, nannte der furische Sklave die für ihn sehr hohe Summe. Vierzig Sesterzen für sich selbst zu haben, das kam in seinem Leben selten vor.


    Dann sagte er:
    „Tusca ist sehr freundlich. Sie hat mir sogar zugelächelt."
    Der junge Alexandriner überlegte:
    „ Und Tusca versteht Latein. Aber vorher schon hast du, domina, eine fremde Sprache mit ihr gesprochen.
    Du hast gerade deine Bibliothek in Londinium erwähnt. War das also Britannisch …. falls es solch eine Sprache überhaupt gibt?“


    Tiberios war neugierig, wie immer, wenn er etwas dazu lernen konnte. Außerdem fand er Tusca interessant und geheimnisvoll. Zu gerne hätte er mehr über die Piktin erfahren.
    Allerdings wußte er auch, dass es sich ganz und gar nicht gehörte, eine Römerin auszufragen.

    "Auch bei uns sind die Ältesten die maßgebende Instanz gewesen, bis junge Männer wie der große Alexander alles über den Haufen geworfen haben.“, erwiderte Tiberios:
    Die neuen treibenden Kräfte waren jung: Alexandros, Antigonos, Seleukos, der Sohn des Ptolemaios, sogar unsere letzte Königin Kleopatra Philopator. Mittlerweile ist selbst das viele Generationen her, und die Betreffenden sind schon längst selbst Götter.


    Doch in Sparta hat die geroisía diese ganze Zeit über die alten Traditionen fortgeführt und wich keinen Fußbreit davon ab? Das meinte ich vorhin mit altertümlich.
    Der Historiker Polybios schrieb in seiner anakyklosis, dass jede Aristokratie, also Herrschaft der Besten durch Habsucht, Überheblichkeit, Ungerechtigkeit und Herrschsucht zu einer Oligarchie, also Herrschaft von Eigennützigen, degeneriert.


    Man muss die alten Männer nicht von der Klippe stürzen, aber nach einer Weile muss man sozusagen an ihnen vorbei stürmen."

    Tiberios lächelte nun etwas traurig und erwiderte:
    „ Was ich getan hätte? Du fragst einen Heloten...“, und er schüttelte den Kopf:
    „Ich hätte wohl nicht mehr getan als einen Brief oder wenn ich all meinen Mut zusammen nehme, einen bösen Spruch mit roter Farbe an irgendeine bedeutsame Mauer geschrieben.
    Doch sag mir, was hast du letztendlich getan?“



    Sim-Off:

    Die Niedertracht hat viele Gesichter und die meisten sind faltig. - den Spruch merke ich mir.

    Tiberios hatte weder Mitleid mit der ancilla und Straßenkindern wie Nymphis gehabt, noch jetzt mit den kleinen spartiatischen Neugeborenen, denen ein grausames Gesetz das Leben verbot, bevor sie gelebt hatten.
    Menschen waren winzige, kurzlebige Flammen in der Dunkelheit, und wenn die Dunkelheit sie überwältigte, erloschen sie wieder, es war müßig, irgendetwas zu bedauern.


    Nur wenn Tiberios jemanden mochte, kümmerte er sich um dessen Geschick.
    Und Terpander hatte er gerne. Er wollte, dass es ihm gut ging:


    „Ich halte dich nie und nimmer für einen Feigling!“, rief der junge Alexandriner aus, und dann fragte er:
    "Hättest du dein Kind töten sollen, wurde das von der geroisía geboten? Und du hast es getan ...oder..."
    Er senkte die Stimme:
    "...hast du nicht getan, was das Gesetz von dir verlangte?"

    „Es ist bestimmt weniger grausam, ein Kind sofort zu töten als es verhungern oder durch wilde Tiere umkommen zu lassen.“, stimmte der furische Sklave zu:
    „Dass freilich ein Senat über Leben und Tod eines Neugeborenen entscheidet, selbst gegen den Willen des Vaters, das klingt sehr altertümlich.“


    Natürlich setzte man Säuglinge aus, wenn sie unehelich waren oder die Eltern sie nicht ernähren konnten oder wenn sie, das kam aber selten vor, so schwere Deformationen aufwiesen, dass die Götter selbst sie verflucht hatten, aber man warf sie nicht in irgendeine Schlucht, sondern ließ sie an einem Platz zurück, an dem jemand anderes sie finden und aufziehen konnte. In Roma war einer dieser Plätze die Columna Lactaria, und wie im Fall der kleinen Ancilla wurden diese Kinder meistens Sklaven .
    In den wohlhabenden Familien jedoch behielt man seit langem auch die schwächlichen Kinder, sonst wäre ein Claudius niemals Caesar Augustus geworden.


    Es war nun sehr still im Haus, vermutlich waren seine Herren aus der Mittagspause zum Dienst aufgebrochen und dominus Sati beschäftigte sich andersweitig.
    Nur einmal gab es ein knarzendes Geräusch, dann aber erklang das Flattern von Flügel. Eine Taube schien sich vor das Fenster verirrt zu haben und flog kurz darauf davon.


    Tiberios spürte Terpanders ruhige Hand über der seinen, die Berührung nahm ihm etwas seiner Nervosität.
    Er war sich sicher, dass Terpander nicht über alte spartiatische Bräuche aufklären wollte, sondern dass seine Worte hier und jetzt ihre Gegenwart betrafen, und so sah er den älteren Griechen konzentriert an.

    Zitat

    Original von Angus


    Angus schien Tiberios erkannt zu haben und lächelte gequält auf sein Zwinkern. Der junge Grieche nickte ihm zu, er verstand die Situation schon richtig. Manchmal musste ein Sklave eben Dinge tun, die ihm nicht ganz in den Kram passten.
    Ihn selbst hätte ein Blumenstrauß in Händen nicht gestört. Zu gern hätte er die Rosen und Orchideen in der Casa Furia auf den Tisch gestellt, um seine domina zu erfreuen.


    Zitat

    Original von Faustus Decimus Serapio
    Wieder ertönten wohlklingende Verse, wieder aus dem Munde des lockenköpfigen Wortgewandten. Ich applaudierte ein wenig, als er geendet hatte.
    “Trefflich vorgetragen.“
    Auf einen minimalen Wink von mir zückte Icarion die Börse und gab dem Jüngling einen Sesterz als Trinkgeld. Das animierte wohl die Umstehenden dazu, es ihm gleichzutun, denn nun bekam der Redner von allen Seiten Münzen gereicht


    Als als nun der elegante Begleiter des Römers die Börse zückte und Tiberios einen Sesterz reichte, folgten mehrere Leute dem Beispiel,
    Der junge Alexandriner hatte jedoch mit Aufmerksamkeit von Fremden geschweige denn Bezahlung nicht gerechnet. Er deklamierte einfach aus Spaß an der Kunst.
    Tiberios errötete vor Verlegenheit über das Lob und Freude über den Geldsegen, trat vor Faustus Decimus Serapio und Ikarion hin und verbeugte sich:
    „Ich danke dir, dominus für das Lob und für deine Großzügigkeit !“, sagte er strahlend, während er die Sesterzen in seinem Beutel verwahrte.


    Zitat

    Original von Titus Valerius Messalla


    Tiberios' Blick streifte einen gutaussehenden römischen Jüngling, der auf ihn eher müde oder vielleicht auch gelangweilt wirkte. Aber das tat seiner Freude keinen Abbruch.

    „Salve domina Duccia Clara“, sagte Tiberios und verbeugte sich, dann setzte er sich, da es ihm die Römerin gestattete, in den Korbsessel:
    „ Ich bin gerade erst einen Moment hier im Garten, Tusca hat mir freundlicherweise den Weg gezeigt."
    Er wurde etwas verlegen, weil ihn die keltische Kriegerin wie einen kleinen Jungen an der Hand genommen hatte:
    „Drei Bücher, die vielleicht dein Interesse wecken, habe ich dir heute mitgebracht:...“


    Tiberios wies auf die Schriftrollen und benannte sie von links nach rechts:


    - Pytheas von Massalia: Peri tou Okeanu – über die Ozeane. Da es auch einen Reisebericht über Britannien enthält, hat es auch meiner Domina gefallen.


    - Hier einen Teil des ersten Bandes der ersten Pentade Titi Livi Ab urbe condita libri , Titus Livius: Von der Gründung der Stadt, mit den Geschichten Romulus und Remus und Der Raub der Sabinerinnen


    - und die Eidylla von Theokritos, die Hirtendichtung von Jünglingen und zarten Mädchen, deren Tätigkeit eher ein romantisches Spiel als harte Arbeit zu sein scheint."