Tiberios hörte aufmerksam zu.
Satis Beschreibung von Kyriakos klang anders, als er sich den Mann vorgestellt hatte. Nach der Beschreibung von Ianitor Aischylos war der einfach ein frecher Erpresser. Und dann noch Lupo – ergo ein Mann, der für Geld alles tat. Daher hatte auch Tiberios angenommen, dass er sich jede Minute, falls er mit ihm sprechen wollte, bezahlen lassen müsste – aber das war nun gleich, denn Tiberios hatte seiner domina versprochen, den Lupanarbesitzer nicht aufzusuchen.
Domina Furia Stella hielt ihn sogar für gefährlich, zumindest hatte sie das angedeutet.
Aber die Welt zu einem besseren Ort machen, das war ein großes Wort. Gut, Kyriakos hatte Straßenjungen aufgenommen. Doch sie hatten auch für ihn anschaffen müssen. Tiberios fragte sich, ob die Geschäfte Kyriakos‘in letzter Zeit gut gelaufen waren. Denn wenn nicht, wäre die Geschichte mit Eireann aus purer Not geboren.
Kyriakos Vorgehen zeigte überhaupt, dass er die römischen Sitten wenig zu kennen schien. Er hätte mehr Geld dafür bekommen, die entflohene Sklavin einfach zu den Furiern zurücktzbringen – Sklavenjäger wurden entlohnt.
Tiberios schob seine Gedanken über diese krude Mischung aus Naivität, Gewalttätigkeit und ab und zu aufblitzende Güte beiseite, darüber musste er in Ruhe nachdenken; jetzt galt seine Aufmerksamkeit seinem zukünftigen Schüler.
„Du warst also schon immer ein Straßenkind und hast ein hartes Leben geführt..“, sagte der junge Alexandriner nachdenklich:
„ Doch deine schlechten Erfahrungen sind nicht in Hass gegen alle umgeschlagen, was für mich bedeutet, dass du von Natur aus einen guten Charakter hast, dominus Sati.
In der jetzigen Situation nach dem Brand ist es vielleicht gut, dass dein ehemaliger Chef nicht für dich sorgen muss, sondern dass du ein eigenes Auskommen findest. Vielleicht kannst du deinen früheren Kameraden sogar jetzt besser helfen als früher.“
Tiberios lächelte etwas grimmig, aber sein Blick wurde düster:
„ Wie du Kyriakos beschreibst, dass klingt fast nach Terpander. Nein, erschrick nicht, ich glaube mit Terpander ist alles komplizierter als es im Moment erscheinen mag.
Als wir uns das erste Mal getroffen haben, hat er zwar auch versucht, mich auf seine Weise zu bilden – du weißt schon, durch einen Schrecken.
Doch ansonsten war er sehr lieb zu mir, er hat mich sogar in den Arm genommen, um mich zu trösten, )*
Sein verändertes Verhalten gilt nicht nur dir persönlich dominus Sati. Terpander scheint niemanden mehr zu mögen bis auf die domini Sato und Lurco. Mir hat er gesagt, die Erynnien verfolgen ihn. Das verändert einen Mann, ganz sicher. Ich hoffe sehr, dominus Lurco bekommt heraus, wie er ihm helfen kann“
Tiberios seufzte:
„Ich weiß , dass das für dich schwierig ist, weil ihr im gleichen Haushalt lebt, doch lass dich bitte nicht allzu sehr von Terpander einschüchtern. Er ist gerade nicht er selbst. Sein Gerede, dass man nur aus Angst lernt – er war dominus Scatos Lehrer, meinst du denn, aus dominus Scato wäre so ein guter, großherziger Herr geworden, wenn man ihn als Kind nur gequält hätte?“
Tiberios Stimme klang weich, wie immer wenn er Scato erwähnte, dann schüttelte er den Kopf, um trübe Gedanken zu verscheuchen:
„Wenn wir später noch Zeit haben, denn ich glaube , die domini haben nur Mittagspause, zeige ich dir, wie man mit einem Teller Mehl Buchstaben lernen kann.
Ich bin mir übrigens sicher, du hast ein ausgezeichnetes Gedächtnis; viele Menschen, die nicht lesen und schreiben können, haben das.
Ich hoffe, du wirst Spaß haben – es ist eine ziemliche Schweinerei.“,
er lachte und legte Sati ganz leicht die Hand auf die Schulter.