Beiträge von Tiberios

    Kaum war Tiberios wieder hergerichtet, sprang er von der Kline auf und stürmte voller Elan in den hortus.
    Er hielt Ausschau nach den Datteln, die er mitgebracht hatte und war erleichtet, als er sah, dass das Leinensäckchen noch gut gefüllt war.


    Der Blick des jungen Griechen fiel zunächst auf Satibarzanes. Er hielt den nur ein paar Jahre älteren, etwas pummeligen jungen Mann für dominus Lurcos Sklaven. Erstens hatte das Terpander gesagt, und zweitens sah der Bursche zwar freundlich und umgänglich aus, wirkte jedoch trotz seiner neuen Tunika und seines ordentlichen Aussehens etwas befangen und viel schüchterner als ein dominus.


    „Salve!“, rief Tiberios ihm zu:
    "Könntest du bitte kurz nachschauen, ob das Säckchen mit den Datteln gut verschnürt ist? Es ist nicht so, dass der Pfau keine davon haben darf - aber ich weiß nicht wie viele Pfaue vertragen und nachher bekommt er Durchfall oder wird krank, und das würde ich mir nie verzeihen bei so einem schönen Vogel…“


    Tiberios konnte die etwas ängstliche Miene des neuen Sklaven nachfühlen. Er erinnerte sich noch an seinen ersten Tag in der Casa Furia als er selbst sehr eingeschüchtert war.


    Der junge Grieche zwinkerte dem vermeintlichen Standesgenossen zu , um ihn etwas aufzumuntern:
    „ Ich heiße übrigens Tiberios und bin Sklave der gens Furia.“, stellte er sich vor:
    " Und wie heißt du denn ? Nimm dir ruhig auch Datteln, sie sind ganz frisch!"


    Er wollte Satibarzanes gerade andeuten, dass es trotz aller Großmut der beiden Herren der Casa Leonis vielleicht besser wäre, aufzustehen , da bemerkte er dominus Manius Purgitius Lurco.


    Wie vom Donner gerührt blieb der furische Sklave stehen.


    Ihm schoss das Blut inden Kopf; er nahm Haltung an, verbeugte sich tief und hob dann die Hand zum Zeichen, dass er sprechen wollte.

    Als Tiberios merkte, dass dominus Scato unter seinen leichten Liebkosungen einschlief und seinen Arm so auf ihn bettete, dass er nicht aufstehen konnte, ohne den Römer zu wecken, lächelte er und schmiegte sich an ihn.
    Er genoss Scatos Geruch an sich selbst; er spürte noch einmal geistig dem Geschehenen nach.
    Vielleicht hätte er ihn mit weiteren Zärtlichkeiten - Tiberios hatte da noch Ideen - auf eine zweite Runde einstimmen können, aber auch der junge Sklave döste etwas ein, denn er wurde erst wieder aufmerksam,, als er dominus Scato sagen hörte:
    „ Jetzt bin ich faul. Dabei ist das nur eine Mittagspause“.


    Da kam auch schon Terpander mit einer Waschschüssel und einem Korb in das triclinum und fing an, seinem jungen Herren aufzuwarten und ihn sozusagen wieder dienstfähig zu machen.


    Tiberios räkelte sich gemütlich auf der Kline und sah mit einem Lächeln zu , als Scato das Gesicht verzog, weil das Wasser wohl kalt und das Handtuch rau war. Aber nach dem Striegeln und Ölen wirkte der Urbaner eindeutig munter und wach.


    Der junge Grieche wollte gerade fragen, ob es in der Casa Leonis ein Sklavenbad gäbe, das er benutzen könnte, da wandte sich Terpander ihm zu.


    Tiberios wollte abwehren. Weder seine Nacktheit noch das Liebesspiel mit dominus Scato waren für ihn Anlass zu Scham aber es war ihm peinlich, dass ihn ein Älterer bedienen wollte.


    Als der furische Sklave dann aber das eiskalte Wasser, das raue Handtuch und die festen Griffe Terpanders zu spüren bekam,hörte er auf, sich deshalb peinlich berührt zu fühlen. Er zuckte einige Male zusammen, während sich seine Haut rötete.
    Doch als Terpander ihn am Ende mit Zimtöl ölte – sehr exotisch und schwer, fand Tiberios, der die leichten Düfte wie Calmus und Zitronengras bevorzugte – merkte er, dass er sich angenehm frisch und ausgeruht fühlte.


    „Ich danke dir vielmals, Terpander“, sagte der junge Grieche.


    Jetzt nach der Entspannung und der anregenden Massage spürte er, dass ihm etwas flau im Magen wurde, er bekam Hunger.


    Da sprach Terpander schon von Essen, und Tiberios war noch jung genug, um sich über die Aussicht auf eine Gratismahlzeit zu freuen.

    „ Ich hole dir zuerst deinen Tee, domina und dann werde ich dir berichten.“, antwortete Tiberios – und stand schon an der Tür.
    Auch bei seinem früheren kyrios , dem Palmyrener, war Tee ein übliches Getränk gewesen, und mit Minze wirkte das heiße Getränk selbst in der Wüste kühlend, obwohl das viele nicht glauben mochten.
    Von Lyda hatte Tiberios abgeschaut, welchen Tee domina Furia Stella bevorzugte.


    Der junge Grieche kam wenig später mit einem Tablett, worauf ein dampfender Becher Tee stand, zurück und stellte es mit der Bemerkung: Bitte, vorschtig ,domina, es ist noch recht heiß - auf den Beistelltisch.


    Dann richtete er sich auf und berichtete von seinem Versuch ,auf dem mercatus drei Schriftrollen – die ihm, Tiberios, gehörten - zu verkaufen und seiner Begegnung mit domina Duccia Clara und deren respekteinflößenden weiblichen custos , und dass sie es wohl amüsant fand, bei einem Buchkauf ausgerechnet an einen furischen Sklaven zu geraten und ihm schöne Grüße an seine domina auftrug. )*
    Den Namen des Romanes, Chaireas und Kallirrhoe und dass ihm domina Duccia Clara eine tabula mit ihrer Anschrift gegeben hatte, erwähnte Tiberios auch, er wollte nichts Wichtiges weglassen.


    Als er geendet hatte, blieb er abwartend stehen.




    Tiberios kam, in einer Hand die Ölkanne, um die Lichter nachzufüllen, über dem Arm eine dünne Wolldecke, in die Bibliothek zurück.
    Er war ganz kurz draußen gewesen, um Öl und Decke zu holen. Vielleicht konnte seine Herrin in der Dämmerung und in der beginnenden Abendkühle etwas Licht und Wärme gebrauchen.


    „Salve, domina, hier bin ich“, sagte er, goss etwas Öl nach und entzündete vier Öllampen, die er so platzierte, dass Furia Stella Helligkeit zum Lesen hatte:
    „Ich habe vorsichtshalber eine Wolldecke geholt, weil es abends doch noch frisch ist.
    Hast du einen Wunsch, domina?“


    Dann fiel idem furischen Sklaven ein, dass er von einer römischen Dame auf dem städtischen Markt den Auftrag bekommen hatte, seiner Herrin etwas auszurichten:


    "Ich soll dich übrigens von deiner guten Freundin, domina Duccia Clara schön grüßen.", sprach er.

    In der frühen Kaiserzeit hieß die Zugehörigkeit zum Ritterstand nichts weiter, als dass der Betreffende ein Vermögen von mindestens 400’000 Sesterzen besaß. Die Zugehörigkeit war nicht nicht erblich; der Sohn eines Ritters musste wieder das Vermögen nachweisen.


    Die Ernennung erfolgte durch den Kaiser. Er verpflichtete so eine Schicht reicher freier Bürger seinen Interessen. Auch die Prätorianerpräfekten und der Präfekt von Aegypten kamen aus dem Ritterstand, die Senatoren waren als Adel nicht so vertrauenswürdig.

    Eine gute Freundin von domina Furia Stella!
    Sie fand es wohl etwas belustigend, zufällig einem furischen Sklaven ein Buch abzukaufen und lachte auf.


    „ Deinen Gruß richte ich selbstverständlich gerne aus. Dir auch einen schönen Tag, vale bene, domina Duccia Clara!“, sagte Tiberios, der etwas verlegen wurde, weil er Duccia Clara nicht gekannt hatte.


    Er schaute der eleganten jungen Römerin nach, die davon ging, ihren weiblichen custos im Schlepptau.


    Es war spät geworden, zu spät für einen Gang in die Subura, die spätestens mit dem Dunkelwerden ein noch unsicheres Viertel als tagsüber war.
    Daher beschloss Tiberios, in die Casa Furia zurückzukehren.
    Doch nun hatte er genügend Geld, und so bald wie möglich würde er diesen Kyriakos aufsuchen.

    „Ich danke dir, domina, sagte Tiberios, als er die 20 Sesterzen nahm und in den Geldbeutel legte, den er am Gürtel trug.


    Mehr Bücher würde der furische Sklave allerdings nicht zu verkaufen haben, auch wenn die Römerin nun sagte, er könne in dem Fall bei ihrer casa vorbei kommen und würde dort Abnahme finden.


    Sie reichte ihm sogar eine tabula mit ihrer Adresse. Tiberios warf einen Blick darauf, aber weder der Name Duccia Clara noch die Casa Sergia waren ihm bekannt; er war freilich auch noch nicht sehr lange in Furia Stellas Diensten. Nur den Quirinal kannte er natürlich, denn dort stand auch die Casa Furia.


    „Nochmals danke, domina Duccia Clara“, sagte Tiberios, fasste das Wachstäfelchen und verstaute es sorgfältig bei den Sesterzen. Die nun leere Schriftenrollenhülle hängte er über die Schulter:


    „Ich heiße Tiberios, Sklave des Gnaeus Furius Philus. Die Schriftrollen sind aus meinem Besitz.“


    Letzteres fügte der junge Grieche an, damit die Römerin nicht etwa annehmen würde, er würde heimlich Besitztümer seines dominus verkaufen. Zwar konnten Sklaven theoretisch kein Eigentum haben, aber im praktischen Leben verfügten sie manchmal über Gelder wie das peculium.. Auch Tiberios hatte seine kleinen Einnahmen, mit denen er sich ab und an solche Dinge wie Bücher leisten konnte.

    Die junge elegante Römerin schien wirklich am Kauf der Schriftrollen interessiert zu sein, denn sie lächelte, betrachtete die Schriftrollen von allen Seiten und fragte nach dem Preis.


    Tiberios hatte sich zuvor schon eine Summe in der passenden Höhe überlegt, so dass er zumindest die Gesprächszeit dieses ominösen Kyriakos bezahlen und ein wenig über hatte, um den Roman vielleicht einmal später wieder nachkaufen zu können.
    Es war etwas weniger, als er selbst bezahlt hatte; aber wenn er den gewöhnlichen Preis nehmen würde, konnten die Leute auch gleich in eine der renommierten Buchhandlungen gehen.



    Ich müsste zwanzig Sesterzen dafür bekommen, domina.“, sagte er schließlich und verbeugte sich wieder.

    Scato lag hinter Tiberios, der junge Grieche bemerkte, dass warmes Öl seinen Rücken benetzte und dann begann ihn der Römer zu massieren. Sein Griff war nicht zaghaft, sondern fest und männlich.
    Die Stärke des Urbaners flößte dem Jüngling Vertrauen und Geborgenheit ein, und er überließ sich seufzend seinen Händen und seinen Küssen. Ab und zu griff er nach Scatos Hand und streichelte sie mit seinen Lippen.
    Als Scato ihn nahm, warf er den Kopf zurück, und als dessen Bewegungen schneller und ehrlicher wurden, entfuhr dem furischen Sklaven tatsächlich Scatos Namen.


    Der Römer umhüllte ihn mit seiner Wärme, und Tiberios dachte einen Moment lang, dass er ihm vielleicht nie wieder so nahe sein würde, Sisenna Iunius Scato gehörte ja Roma und seinen Kameraden.
    Aber dieser Augenblick gehörte allein Aphrodite, und der junge Alexandriner weinte ein wenig, ohne zu wissen, weshalb.


    Dann sagte er leichthin : „Ich merke schon, du hast mir wirklich verziehen, dominus Scato“, lächelte, drehte sich um und griff nach dem Öl, rieb sich mit ein paar Tropfen die Hände ein und legte sie in das Kreuz des Römers, bevor er über dessen Flanken glitt und ihn mit seinen schlanken, weißen Fingern weiter liebkoste.


    Er bedachte Scato mit wie zufällig wirkenden, spielerischen Zärtlichkeiten und freute sich an ihm.

    Dominus Scato führte Tiberios in das Triclinum und dort zu einer der Klinen mit einer strohgefüllten Matratze. Er setzte sich hin und zog den jungen Griechen an sich.


    Tiberios schob beide Hände unter die Tunika des Römers. Seine Fingerspitzen fuhren über gebräunte Haut, ertasteten jede Narbe, jede Vertiefung. Das hatte er schon so lange tun wollen.
    Er spürte auch das Amulett des Faunus – Bringer des Lebens, und er hielt einen Moment inne, um dem Gott für diesen Mann zu danken, der sein Lager mit ihm teilen wollte.


    Dann schmiegte er sich an Scato, schob den Stoff der Tunika beiseite und drückte seine Lippen auf die Stellen, die seine Hände ertasteten. Mit beiden Händen fuhr er Scatos Rücken hinab, und spürte gleichzeitig die Hand des Römers auf seiner Flanke.,


    Tiberios sagte kein Wort, er atmete nur sehr schnell und Röte überfutete sein Gesicht und seinen Hals.
    Auf Scatos Bitte nach dem Geschenk nickte er und streifte seine Tunika ganz selbstverständlich ab.
    Dann drehte er sich halb auf die Seite und stützte sich auf seinen Ellenbogen.
    Er nickte:
    "dominus Sisenna Iunius Scato.“, sagte er beinahe feierlich.

    Tiberios sah verblüfft die bemalte Frau an, die eine drohende Haltung annahm .
    Wer war das – ein weiblicher custos corporis? Groß und kräftig genug dafür sah die Frau aus, und sie wollte offensichtlich die römische Dame beschützen.


    Interessant waren auch ihre Bemalungen oder war das tätowiert?, so etwas hatte der furische Sklave noch nie gesehen.


    Tiberios freute sich, als er bemerkte, dass sich die Römerin vor dem Berühren der Bücher die Hände säuberte, das ließ darauf schließen, dass sie Literatur liebte. Wenn die Schriftrollen in gute Hände kämen, würde ihm der Abschied von ihnen nicht so schwer fallen.


    Er holte auch die anderen beiden Schriftrollen aus dem Behälter.
    Hier, domina, der Roman Chaireas und Kallirrhoe von Chariton von Aphrodisias in drei Teilen.“, sagte er

    Zitat

    Original von Sisenna Iunius Scato
    Scatos Augen wurden schmal. Misstrauen kroch wie Gift durch seine Gedanken, als Tiberios erst für die unsägliche Gefangene sprach und ihm dann ein eindeutiges Angebot unterbreitete. So, so. 'Du verschlagener kleiner Mistkerl', ging es Scato durch den Kopf. Wie langfristig und subtil Tiberios plante, sich bei ihm einzuschmeicheln, um ihn sich nutzbar zu machen. Ein Urbaner als Werkzeug war natürlich ungeheuer praktisch, wenn man einer Schwerkriminellen verfallen war. Tiberios musste ihn ja für ungeheuer einfältig halten, das nicht zu durchschauen.


    Aber Scato lehnte das Angebot nun nicht wutschnaubend ab. Nein, die Sache gehörte ein für alle Mal geklärt und wenn dies über den gesunden Menschenverstand nicht möglich war, dann eben über die selben primitiven Gelüste, mit denen auch Eireann sich den jungen Griechen gefügig gemacht hatte. Feuer bekämpfte man mit Gegenfeuer, wenn ein Löschen nicht möglich war. Scato war nicht bereit, Tiberios aufzugeben und beschloss, ihm Eireann auszutreiben. Er würde ihre Leiber miteinander vereinigen, bis Tiberios vor Lust Scatos Namen hinauf zu den Göttern schrie. In wenigen Stunden würde Tiberios die bösartige Furie vergessen haben.


    Das Misstrauen wich aus seinem Blick, als ihre Augen sich trafen. Scato hielt den Blick, indem er die Lider leicht senkte und den Kopf kaum merklich schräg legte. "Die Mauern sind sicher", bestätigte er. Er erhob sich und bot Tiberios die Hand an, wie damals in den Thermen, um ihn an einen ungestörten Platz zu führen. Oben aus dem Fenster hatte er nämlich Satibarzanes glotzen gesehen.



    Tiberios ahnte nichts von Scatos Gedanken.
    Er nahm Scatos Hand. Diese Bewegung war gemessen wie er es gelernt hatte, um Eleganz und Harmonie zu verbreiten.
    .Er fühlte die Wärme und den Druck, und war froh, dass der Römer ihn festhielt, so sehr schwindelte es ihn.
    Sich all die Zeit zu nehmen als wäre es ein Heiliges Ritual.
    Der Urbaner war stark und schön, und Tiberios begehrte ihn.
    Das war Aphrodites Reich, hier war Begehren kein Unrecht sondern ein Tribut an die Göttin.
    In Tiberios stieg eine Mischung aus Selbstvertrauen und Glück auf, und er wollte wissen, wohin Scato ihn führen würde.

    Tiberios wartete schon eine ganze Weile auf Kunden. Er merkte, dass es gar nicht so einfach war, etwas zu verkaufen. Andere Händler waren frech bis zur Aufdringlichkeit, fassten mögliche Käufer am Arm oder machten ziemlich anzügliche Bemerkungen :
    „Dieser Duft, schöne Frau, wird deinen Ehemann nicht mehr aus deinem Bett rauslassen“
    oder : „ Wenn du diese Pornographie kaufst, edler Herr…...“


    Tiberios machte zwar auch gerne Witze, aber das war mit seinesgleichen.
    Fremden Römern gegenüber fand er es unangemessen. Allerdings schienen nicht alle Römer und Römerinnen Anzüglichkeiten unpassend zu finden, manche lachten und kauften tatsächlich. Andere winkten ihren custos corporis herbei, um den frechen Kerlen Einhalt zu gebieten.


    Tiberios hatte einige Male Blickkontakt und grüßte „Salve“, doch niemand war zum Kauf wirklich entschlossen.


    Dann bemerkte der furische Sklave, dass ihn eine dunkelhaarige, elegant gekleidete Römerin, die auf einer Bank saß und irgendeine Speise aß, zu sich her winkte.
    Tiberios sah genauer hin. Doch - sie meinte wohl ihn.


    Er hob die Schriftrolle hoch und überqerte den Platz. In angemessener Entfernung blieb er stehen, lächelte und verbeugte sich kurz:


    „ Salve, domina, du hast Interesse?“, fragte er und streckte ihr die Schriftrolle mit dem Titel des Werkes so hin, dass er keinesfalls die Hand der Römerin berührte, wenn sie danach greifen würde.

    >>Sklavenunterkunft


    Tiberios würde, da er in die Casa Leonis eingeladen war, das erste Mal nicht im Dienst als Sklave eine römische Casa betreten. Das war etwas Besonderes, und so beschloss er, sich besonders sorgfältig herzurichten.


    Es war ein Luxus und eine Annehmlichkeit der Casa Furia, dass selbst die Sklaven ein eigenes Bad hatten. Ärmere Römer mussten zum Baden immer bis zu den Thermen marschieren.


    Tiberios suchte also mit seinen Badeutensilien das balneum servorum auf, das gemütliche Sklavenbad mit dem schönen blauen Fußbodenmosaik.
    Da das Bad fensterlos war, um die Wärme besser speichern zu können, zündete Tiberios einige Öllichter an und stellte sie so auf, dass er etwas sehen konnte.
    Der Raum war geheizt und das Wasser angenehm lauwarm.


    Der junge Grieche zog seine Haussandalen aus und stellte sie nebeneinander auf den Boden, dann streifte er seine einfache Tunika ab, faltete sie sorgfältig und legte sie auf den steinernen Mauervorsprung, der dafür gedacht war


    Zunächst wusch sich er sich einer Schüssel die Füße und ließ sich dann ins Becken gleiten. Er genoss das erfrischende Wasser, schloss die Augen und döste ein bißchen vor sich hin.


    Danach setzte er sich auf den Beckenrand und begann sich mit einer pinza, einer groben Pinzette, die wenigen Körperhaare auszuzupfen, die ihm überhaupt noch wuchsen, denn wie jeder zivilisierte Mensch entfernte er seit seiner Jugendzeit Haare regelmäßig.


    Da der junge Sklave wohlriechende Düfte zu schätzen wußte, hatte er eine unguenta, eine fettreiche Salbe mitgebracht, die mit Kalmuswurzel, Gamander, Majoranblättern und Zitronengrasoel versetzt war und Telinum genannt wurde.


    Tiberios trocknete sich ab, ölte seine Brust mit dem Telinum ein und nahm auch etwas zwischen beide Hände, um es in seine Locken einzuarbeiten.


    Nun sah er aus und fühlte sich wieder wie ein gepflegter junger Mann.


    Der furische Sklave schlüpfte in Tunika und Sandalen, räumte auf und warf nocheinmal einen Blick ins Balneum,um alles tadellos zu hinterlassen, bevor er zurück in die Sklavenunterkunft,
    ging, um sich für die Einladung umzuziehen.

    >> Casa Furia


    Seit domina Furia Stella es angedeutet , und der Ianitor Aischylos Tiberios gesagt hatte, dass eines Tages ein Lupanarbesitzer namens Kyriakos in der Casa Furia aufgetaucht war, der wegen Eireann Geldforderungen an Appius Furius Cerretanus gestellt hatte, dachte der furische Sklave an diese rätselhafte Angelegenheit.


    Aischylos hatte den Fremden „Kyriakos“ genannt , und er war offensichtlich der Besitzer des nun nicht mehr existierenden Lupanars „Ganymed“.

    Eireann war irgendwie in diesen Brand verwickelt und saß deshalb nun im carcer der Cohortes Urbanae.


    Den domini wollte Tiberios nicht mehr damit kommen. Ein Sklave, der seine Herren ständig mit privaten Angelegenheiten belästigte, fiel irgendwann lästig ,und seinem Gefühl nach hatte er sich schon weit genug aus dem Fenster gelehnt.


    Tiberios nahm sich vor, diesen Kyriakos aufzusuchen und nachzufragen. Irgendwo musste der Mann nach dem Brand untergekommen sein, das war herauszufinden.
    Der Lupanarbesitzer war ein weiteres fehlende Mosaiksteinchen oder zumindest der Weg dorthin.


    Tiberios machte sich wenig Illusionen, da er keinerlei offizielle Funktion besaß, musste er den Lupanarbesitzer, der vermutlich wie ein Lupo dachte, für seine Zeit bezahlen, auch wenn er einfach nur mit ihm reden wollte.


    Er brauchte also zumindest für den Anfang etwas Geld.


    Das einzige von etwas Wert, das Tiberios im Moment besaß, waren die drei Schriftrollen des griechischen Romans Chaireas und Kallirrhoe von Chariton von Aphrodisias. Ursprünglich hatte er sie an Eireann verschenken wollen, die sich im carcer bestimmt langweilte, doch dort durfte man für Gefangene nichts Privates abgeben.
    Tiberios wußte nicht einmal, ob seine tabula bei Eireann angekommen war.


    Mit Geschenken für Freunde war Tiberios gerne großzügig, aber seine Bücher zu verkaufen, um Geld dafür zu bekommen, das tat ihm leid.( Zumal er gehofft hatte, irgendwann einmal seiner domina damit eine Freude zu machen, wenn ihr der Sinn nach einem Liebes- und Abenteuerroman stände.)


    In der hora quinta auf dem Mercatus angekommen, verbarg Tiberios die Bronzetafel, die ihn als Besitz des Gnaeus Furius Philus auswies, unter seiner Tunika. Keinesfalls wollte er Anlass zu Gerede über die Furier geben oder den fälschlichen Verdacht erwecken, jemand sei in Geldnöten.

    Der junge Grieche nahm die Schriftrollen und suchte sich einen Platz gegenüberden Trajansmärkten, was nicht so einfach war, da es schon sehr viele ambulante Händler gab. Außerdem drängten Kunden aller Stände, von Damen mit ihrem ganzen Gefolge an Sklaven und Sklavinnen bis hin zu halbnackten Barbaren. durcheinander. Leider war der Ort auch für Taschendiebe berüchtigt, weshalb Tiberios froh war, ab und an einen Urbaner in Uniform zu sehen.


    Tiberios klemmte sich zwei der Rollen in einer metallenen Rollenhülle unter den Arm und nahm die dritte so in der Hand, das der Titel lesebar war.


    Chaireas und Kallirrhoe



    Langes Stehen an einer Stelle war er als Scriba gewöhnt, das konnte er, wenn es sein musste, stundenlang durchhalten.


    Tiberios hoffte jedoch, dass bald ein potentieller Käufer vorbeikommen und ihm 20 Sesterzen für den Roman bezahlen würden. Er wollte nicht den ganzen Tag hier verbringen, sondern so bald wie möglich in die Subura
    aufbrechen..

    Tiberios hörte aufmerksam zu, als Scato von den Urbanern sprach, nur einmal warf er ihm einen forschenden Blick zu, um die Lider dann wieder zu senken.


    Was Scato ihm erklärte, war nicht mehr oder weniger als die Größe Romas, mitleidlos wie die Gezeiten und präzise wie ein mechanischer apparatus.
    Unter dem Tritt der milites beugte sich die bekannte bewohnte Welt , waren Reiche und Völker gefallen und nichts schien es zu geben, was sie auf dem Zenit ihrer Macht bezwingen konnte.
    Hoch über ihnen jedoch stand iusticia mit der Waage, aber die Gerechtigkeit war unerbittlich, despotisch und und kalt wie Marmor.


    Tiberios, der einer lichteren, leichtfertigeren Welt entstammte, fror plötzlich.


    Aber dann spürte er Scatos warme Hand auf der seinen und wußte, dass es auch gut war.
    Tiberios dachte an die domini Scato und Lurco und ihren Dienst.


    " Der Schutz Romas erlaubt das Wachstum aller, und wenn Roma erst erobert hat, wird es zu einem gelehrigen Schüler. Es lernt von anderen Völkern, was es zu lernen gibt und trägt die Fackel der Erkenntnis weiter durch die Nacht. Ohne Roma würden den Kräften des Chaos und der Unterwelt die Tore geöffnet werden, und ich selbst kann mir eine Welt ohne die Römer nicht vorstellen. Du, dominus Scato und deine Kameraden hütet das Herz der Macht, Recht und Ordnung. ", sprach der junge Grieche:


    Ich glaube, ich kann verstehen was du mir über die Urbaniciani erklärt hast.
    Und ich habe die Ruinen des Ganymeds gesehen, aber nicht die Verletzten, denn ich war etwas später zufällig dort.“


    Der junge Grieche griff sich unwillkürlich in den Nacken, dort juckte ihn immer noch die Narbe, die die Scherbe, die Terpander so gekonnt geführt hatte, hinterlassen hatte, und er fügte an:


    „ Da du mir sagst, dass persönliche Sympathien und Antipathien enden, wenn du den gladius trägst, bitte ich dich auch um jene Gerechtigkeit, wenn es um die Sklavin Eireann geht. Glaube mir, ich weiß um alle ihre Fehler. Mehr möchte ich nicht dazu sagen ,und es steht mir auch nicht zu. “


    Als Scato Tiberios‘Hand an sein Gesicht führte und seine Wange darin bettete, schloss der junge Grieche einen Moment lang die Augen. Verlangen stieg in ihm auf, und das Blut schoss ihm in die Wangen.


    Dann lächelte er sehr liebevoll:


    „Dominus Sisenna Iunius Scato,", sagte er:
    „ Danke, dass du mir verzeihst. Ich wollte dich vor der Öffentlichkeit beschützen, und ich bin das Eigentuim von anderen, das ist richtig. Obwohl mir die Furier in meine Freizeit nicht reinreden und ich kommen und gehen kann, wie ich möchte, solange meine Arbeit getan wird.
    Ich weiß, dass sich Fama, das Gerücht auf Schwingen bewegt und danach trachtet, die Besten zu verderben.
    Doch die Mauern der Casa Leonis sind hoch und was innerhalb dieser Mauern geschieht, würde auch hier bleiben, oder?


    Tiberos hob nun den Kopf. Er suchte Scatos Blick, obwohl ihm das nicht zustand, und er zitterte vor Nervosität, die Regel zu brechen, einem dominus ohne explizite Erlaubnis in die Augen zu sehen.


    Doch er wich nicht. Schließlich sah er dem Urbaner in die Augen, konzentriert und forschend.


    Es würde ganz allein Scatos Entscheidung sein, ob auch er sich über Regeln hinwegsetzen würde.

    Dominus Sisenna Iunius Scato,die Datteln sind aus dem Handelshaus Furii ,und ich freue mich, dass du sie magst.“, sagte der furische Sklave lächelnd und aß seine auf:
    „Und ich hoffe, dass dir die Schriftrollen nützlich sein werden, wenn du einst ein miles medicus bist.“


    Tiberios zeigte serine Zuneigung gewöhnlich dadurch, dass er sich auf alle erdenklichen Weisen nützlich machte, und er freute sich, dass das gewürdigt wurde.


    Aber nun kam der Moment, in dem er über den Grund seines Kommens sprechen musste - und möglichst auch noch, solange sie unter vier Augen reden konnten.


    Leider sind die Datteln nicht der einzige Grund meines Kommens, so lieb mir das wäre.", sprach der junge Alexandriner:
    " Ich bin hergekommen, um dich um Verzeihung zu bitten.
    Ich wollte immer nur Freude für dich sein, niemals Schande.
    Deshalb habe ich auf dem Mercatus gehandelt, wie ich handelte. Und doch – obwohl es richtiig war, war es nicht gut.
    Ich habe dir nie gegrollt – bis auf das eine Mal, als du mich vor der Porta Praetoria wie einen völlig Fremden behandelt hast.
    Aber du kannst mich behandeln, wie du es willst – es war anmaßend von mir, anderes zu erwarten.",


    Als Scato jedoch davon sprach, wie er bei einem Großbrand gesehen hatte, wie Menschen starben - der kluge, gütige Scato, der alle immer retten wollte – traten Tiberios vor Mitgefühl Tränen in die Augen.


    Immer noch ohne ihn anzusehen, beugte sich der junge Sklave vor und legte seine helle, schmale Hand auf Scatos Unterarm. Ohne Druck, nur ganz leicht, sofort bereit, sie wieder wegzuziehen, wenn der Andere es wünschte.:

    Als Tiberios Scato sah, leuchteten seine grauen Augen vor Freude auf. Am liebsten wäre er aufgestanden und hätte sich verbeugt, aber da saß dominus Scato ihm schon gegenüber und fragte im Plauderton, was er trinken und ob er etwas zu essen wollte.


    "Salve, dominus Sisenna Iunius Scato", sagte er leise, aber sehr akzentuiert. Er war sehr verlegen, und als Scato Terpander zum Einkaufen schickte, hätte er am liebsten gebeten, dass er bliebe.:
    "Ich hoffe, es geht dir gut."
    Er schaute Scato nicht an; seine Augen folgten dem Pfau, der nun einen gellenden Schrei ausstieß.


    Der Römer war verbindlich und freundlich.


    Tiberios besann sich auf das, was sich gehörte, und es war auch aufrichtig gemeint:


    "Du hast ein wunderschönes Haus, dominus Scato. Voller Schönheit und Harmonie.", sprach er: " Solch großzügigen Häuser werden in Roma gar nicht mehr gebaut. Auch die Mosaike und die Wandgemälde sind sehr erlesen. Ich habe dir zum Einzug ein kleines Gastgeschenk mitgebracht."


    Tiberios knotete den Knoten des Leintuchs auf und stellte die Datteln auf den Tisch. Seine Finger zupften an dem Stoff, sein Herz schlug bis zum Hals.

    "Das ist wirklich schön hier.", sagte Tiberios und schaute sich um : "Du hast ganze Arbeit geleistet, Terpander.. Und es riecht hier so gut.
    - Ich habe als Gastgeschenk Datteln mitgebracht. Kann ich sie irgendwo lassen?"


    Als Tiberios gebeten wurde, Platz zu nehmen, errötete er und setzte sich nur auf die äußerste Kante. Er war nicht gewöhnt, bedient zu werden.
    Aber auch er hörte, dass schon jemand an der Tür war.

    Salve Ianitor“, sagte Tiberios und reichte Terpander das Schreiben von dominus Scato, als wäre es ein Einladungsschreiben:
    Meldest du mich deinem dominus.“


    Er sprach genau wie ein blasierter Stadtrömer , dann lachte er: und zwinkerte Terpander zu: :
    Das war ein Witz. Ich freue mich, dich zu sehen., In Wirklichkeit bin ich furchtbar aufgeregt. Ich war noch nie in einem römischen Haus eingeladen. Dein dominus hat gesagt, ich darf kommen.“