Beiträge von Tiberios

    >> Casa Furia


    Dominus Scato hatte in seinem Brief etwas von Dienstschluss geschrieben, aber Tiberios hatte keine Ahnung, wann die Urbaner Dienstschluss hatten. Daher war er ziemlich früh losgegangen und war dem beschriebenem Weg gefolgt:
    Außerhalb der Stadtmauer, gleich nördlich der Castra Praetoria in der Nähe der Porta Collina an der Via Nomentana auf dem Viminal.
    Das Haus hatte er wiedergefunden, es sah von außen genauso aus, wie es im Gedächnis hatte, ein altes Atriumhaus inmitten von Bäumen.


    Tiberios stand nun vor der Tür. Er trug eine frische Tunika, die chlamys, die den rechten Arm freiließ und ein Bündel Datteln unter dem Arm. Er besaß ein neues Stirnband und hatte sich mit Telinum , das nach Zitronengras roch, gesalbt. Das alles geschah zu Ehren des dominus Scato, der ihn eingeladen hatte.


    Tiberios betätigte den Türklopfer in Form des Löwenkopfes.

    >> Epistolae


    Es war schon Nachmittag des nächsten Tages, als ein Schreiben für Tiberios eintraf. Tiberios, der erst kürzlich seinen Brief bei der Castra abgegeben hatte, hatte nicht so schnell mit einer Antwort gerechnet.
    Doch ja, das war Sisenna Iunius Scatos Schrift.


    Tiberios wurde noch nervöser, als er schon war.
    Aber wenn dominus Scato ihn verachten und hassen würde, hätte er ihm geschrieben?


    Tiberios setzte sich auf sein Bett und las:



    Ad
    Tiberios
    Casa Furia
    Roma



    Betreff: Treffen



    Salve Tiberios,


    da du um ein Gespräch im privaten Rahmen gebeten hast, lade ich dich für heute Abend* nach Dienstschluss in die Casa Leonis ein. Sie liegt außerhalb der Stadtmauer, gleich nördlich der Castra Praetoria in der Nähe der Porta Collina an der Via Nomentana auf dem Viminal. Dort stehen viele alte Bäume und ein noch viel älteres Atriumhaus - das ist unseres.


    Von außen wirkt es unbewohnt, da ist noch viel Renovierungsbedarf, lass dich davon nicht abschrecken, darin spukt es nicht - dafür sorgen regelmäßige Opfergaben.



    Vale bene,
    Sisenna Iunius Scato


    und lächelte, als er die Beschreibung des Hauses überflog. Das war typisch dominus Scato, diese lebhafte, etwas sprunghafte Schilderung ; Tiberios sah den Römer deutlich vor seinem geistigen Auge und freute sich.


    Das Atriumhaus kannte er ja; Terpander hatte es ihm schon einmal gezeigt. Wenn Scato dabei war, würde er es wohl nicht wagen, ihn an irgendeine Wand zu knallen.


    Nun hieß es Casa Leonis. Was für ein schöner Name. Tiberios fragte sich, wie weit sie mit der Renovierung gekommen waren.
    Das würde er sehen - heute abend schon.


    Tiberios überlegte und sah seine Sachen durch. Zu einem neuen Haus sollte man vielleicht etwas schenken, doch er besaß keine Dinge, die sich als Geschenk eigneten.


    Dann fielen ihm frische Datteln ein. An Datteln mangelte es nicht einmal den Sklaven in der Casa, sie wurden vom Handelshaus Furii in Ostia bezogen. Er holte sich welche und schüttete sie in ein sauberes Leintuch, das er oben verknotete. Die furischen Datteln waren delikat, das würde gehen.


    Tiberios würde, da er in die Casa Leonis[ eingeladen war, das erste Mal nicht im Dienst als Sklave eine römische Casa betreten. Das war etwas Besonderes, und so beschloss er, sich besonders sorgfältig herzurichten.
    Er suchte also mit seinen Badeutensilien.das Balneum servorum auf,

    Dieser Brief war ein sogenanntes Dyptychon , zwei Wachstafeln , die mit einer Schnur zusammengebunden wurden, so das nur der Adressat lesbar war.



    Deckseite:



    Ad
    Sisenna Iunius Scato
    Miles Cohorta Urbanae
    zwölfte Kohorte, dritte Centurie
    Castra Praetoria



    Innenseite


    Tiberios an dominus Sisenna Iunius Scato,
    Salve und den Segen von Mars und Faunus zuvor,


    ich bitte dich um einen Termin für ein Gespräch
    vielleicht an einem Ort, der weniger dienstlich ist als die Porta Praetoria.


    Vale
    Tiberios
    Servus
    Casa Furia
    Roma

    >> Epistolae


    Als Tiberios wie jeden Tag die Post holte, war ein Brief dabei, der an ihn persönlich gerichtet war. Es schien kein offizielles Schreiben zu sein. Trotzdem war er sehr nervös, als er sich in die Bibliothek auf seinen Schemel setzte und ihn entrollte., denn es handelte sich um dominus Lurcos Antwort auf sein Entschuldigungsschreiben. .



    Ad
    Gens Furia
    Casa Furia
    Roma


    für Tiberios



    Salve Tiberios,


    Dein Brief mit Deiner Entschuldigung hat mich erreicht.
    Wie ich bereits einem Kollegen sagte, hattest Du den Mut mich zu beleidigen.
    Aber ebenso hast Du den Mut gefunden eben jene Worte zurück zu nehmen und
    Dich dafür zu entschuldigen.


    Eine Entschuldigung verlangt Mut, Du hast ihn bewiesen und das erkenne ich an.
    Deine Entschuldigung nehme ich ebenfalls an.


    Du hast Recht Tiberios, die Widerworte vor der Castra standen Dir nicht zu.
    Ich hatte Dich bis dato nur als kluge, umsichtige Person kennengelernt.
    Wer oder was immer Dich zu so einem Verhalten verleitet hat, meint es nicht gut mit Dir Tiberios.


    Das Du mich persönlich nicht verletzen wolltest, glaube ich Dir Tiberios. Ich hatte ebenso wenig vor Dir zu schaden. Allerdings ist es ebenso meine Aufgabe, auch meine Kollegen vor Schaden zu bewahren. Da spielt es auch keine Rolle, ob wir uns persönlich kennen. Es darf in dem Moment keine Rolle spielen, da Leib und Leben anderer davon abhängen.


    Dein Bündel, dass Du in Freundschaft dort abgeben wolltest, war mit ehrlichem Gewissen geschnürt. Aber leider haben nicht alle Personen ein derartiges Gewissen wie Du - manche besitzen überhaupt keines. Deine Güte und Gnade, hätte in Mord und Todschlag umschlagen können.


    Halte Dich an domina Furia Stella, jene Frau hat Güte im Herzen.
    Eine Frau die Versöhnung befiehlt, meint es gut mit uns beiden Tiberios.


    Betrachte die Angelegenheit als erledigt.
    Und nebenbei, Du solltest Dich auch mit Scato versöhnen.
    Ihr beide habt es nötig, glaub mir.


    Vale


    Lurco




    Tiberios las und je länger er las, desto gerührter wurde er.


    Dominus Lurcos Schreibweise war nicht wie die eines Ranghohen an jemanden niedrigsten Standes, sondern wie die eines Freundes, der es nur gut mit ihm meinte. Er sprach ihn mehrmals mit Namen an. Er erklärte ihm, warum er an der Porta Praetoria so hart zu ihm gewesen war.


    Tiberios begriff, dass er durchaus den Eindruck gemacht hatte, mit einer wegen schweren Anschuldigungen inhaftierten Verbrecherin unter einer Decke zu stecken.


    Dass er nichts davon gewußt hatte, war zweitrangig.


    Tiberios wußte auch, dass es ein großes Entgegenkommen des Römers war, ihm überhaupt etwas erklären zu wollen. Er hatte keinerlei Recht auf irgendeine Erklärung . Es war also reine Freundlichkeit, und dass nachdem er sich selbst völlig unangemessen verhalten hatte.


    Gerade die Tatsache, dass weder dominus Lurco, noch dominus Scato
    eine Bestrafung für ihn wünschten, und dass die domina Furia Stella ihn auch nicht bestraft hatte,
    beeindruckte und beschämte Tiberios sehr.
    Wurde ein Sklave für ein Fehlverhalten bestraft, konnte er sich wenigstens insgeheim über seinen dominus aufregen.
    Aber Tiberios wurde behandelt wie jemand, der grundsätzlich Vertrauen verdiente, das spornte ihn jetzt doppelt an, sein Bestes zu geben.

    Die Römer erstaunten ihn immer wieder.


    Zwei Ratschläge enthielt dominus Lurcos Brief:


    Sich an seine domina Furia Stella zu halten - das fiel Tiberios leicht, denn er verehrte seine kluge und gütige domina sehr und wollte, dass alles zu ihrer Zufriedenheit geschah ( Er war froh, ihr irgendwann berichten zu können, dass seine Entschuldigung an die Urbaner akzeptiert worden war.)



    Und den Rat, sich mit dominus Scato wieder zu versöhnen.
    Das war schriftlich schwierig, weil der Sachverhalt viel komplizierter war.
    Terpander hatte ihm ja schon gesagt, dass Scato die Schriftrollen mit der Abschrift von Varro für verflucht gehalten hatte, was vermutlich bedeutete, dass er ihm kein bißchen über den Weg traute.
    Aber sein Brief an die gens Furia, den Tiberios abgefangen hatte, war im Ton freundlich und besorgt gewesen.


    Tiberios musste also versuchen, dominus Scato persönlich zu sprechen, um alles zu klären.
    Das würde nicht einfach werden.


    Er seufzte, und rollte den Brief zusammen.
    Ihn würde er aufbewahren, er war ihm kostbar.

    Kyriakos, nickte Tiberios. Kyriakos war ein griechischer Name; vermutlich war der Lupanarbesitzer ein peregrinus oder wohlhabender libertus. .


    "Ich danke dir, Ianitor Aischylos, für die Auskunft.", sagte der junge Alexandriner: "Wenn du einmal etwas von mir brauchst - immer gerne. Ich wünsche dir noch einen schönen Tag."


    Tiberios würde jetzt erst einmal in die Furische Bibliothek gehen, um seine Arbeit fortzusetzen. Das Autorenverzeichnis war nahezu beendet, und er freute sich schon darauf, das Werk der domina Furia Stella präsentieren zu können.


    Aber bald würde er sich auf den Weg in die Subura machen. Er wollte mit dem rätselhaften Kyriakos, dem Besitzer des zerstörten Lupanar Ganymed persönlich sprechen, dazu bedurfte es noch einiger Vorbereitungen.

    Tiberios runzelte die Stirn. Auch domina Furia Stella hatte etwas von einem Lupanar bezüglich Eireann erwähnt. Und dann war offensichtlich ein Mann mit einer Geldforderung erschienen ?


    Tiberios erinnerte sich an diesen Tag. Damals hatte er dominus Cerretanus gefragt, aber der dominus hatte eine unklare Auskunft gegeben. Daraufhin hatte Tiberios nicht weiter drängen wollen. Vermutlich wußten die anderen Sklaven mehr als er - aber sie wussten wiederrum nicht, dass er, Tiberios, Eireann kannte.


    Hatte Eireann Schulden gemacht ?


    Ein Lupanar, welches in der Subura in Flammen aufgegangen war, dort hatte er vor kurzem dominus Scatos Sklaven Terpander getroffen. Ganymed hieß es.


    Und dort wurde Eireann aufgefunden? Zumindest war sie wohl nicht während des Feuers verletzt worden, sonst hätte man sie nicht später in den Carcer stecken können.


    Doch warum kam das Opfer eines Brandes überhaupt ins Gefängnis?
    Die domini Scato und Lurco hatten Tiberios etwas von "Brandstifterin und Mörderin " gesagt.
    Sollte Eireann.....?


    Aber Cui Bono? Wem nützte das?
    Warum ausgerechnet ein Lupanar?


    Tiberios ' Gedanken drehten sich im Kreise. Jetzt hatte er ein Mosaiksteinchen mehr - und anstatt klarer zu werden, wurde das Mosaik noch verworrener.
    Der junge Grieche befand immer genau einen Schritt hinter den Ereignissen.


    Doch wer war der mysteriöse Mann mit der Geldforderung überhaupt ? Der Lupanarsbesitzer, sagte Aischylos.


    "Bitte, Freund Aischylos, hat der Besucher seinen Namen genannt?" , fragte Tiberios.

    „Mir geht es auch gut, danke" , erwiderte Tiberios und kam näher:
    „Da du gerade auf deinem Posten bist, sag mir ruhig, wenn ich dir etwas zu trinken aus der Küche holen soll oder etwas anderes, das macht mir nichts aus.“


    Das war nur ein wenig Kalkül, generell war es schon so, dass Tiberios gerne anderen gefällig war.


    Der junge Grieche sah Aischylos aufmerksam an, wobei er hoch sehen musste.
    „Domina Furia Stella hat mir erlaubt, dich etwas zu fragen.“, fuhr er fort, denn sonst war der Ianitor vielleicht nicht befugt, Auskunft zu geben:


    „Erinnerst du dich noch an den Tag, als ein frecher Besucher kam und irgendetwas wegen der Sklavin Eireann wollte. Ich glaube, dominus Cerretanus war auch anwesend.
    Was genau ist da passiert?“

    >> Sklavenunterkunft


    Tiberios trat zur porta, um mit Ianitor Aischylos zu sprechen. Er hatte Respekt vor dem großen, kräftigen Sklaven, der den Furiern in allem ergeben war, und außerdem war er älter und schon viel länger im Haus als er selbst.
    Daher blickte er sich um, ob er den Ianitor sah und grüßte höflich:
    "Salve, Ianitor Aischylos, ich hoffe du befindest dich wohl."

    Tiberios spürte die sanfte Berührung von domina Furia Stella, erhob sich und hörte ihr sehr aufmerksam zu.


    Sie war klug, und wenn sie etwas sagte, lohnte es sich, genau hinzuhören.
    Ianitor Aischylos also war das nächste Steinchen in dem verwirrenden Mosaik, und der junge Alexandriner beschloss, ihn so bald wie möglich zu befragen.
    „Gute Nacht“, sagte er: „ Mögen die Götter deinen Schlaf bewachen, domina."


    Als er ging, war er so froh wie schon lange nicht mehr.


    Domina Furia Stella war nicht böse,auf ihn, er würde gleich den Brief schreiben, um dominus Lurco um Verzeihung für seine unbedachten Worte und die Anrufung der Furien zu bitten und zudem mehr über das erfahren, was mit Eireann geschehen war.
    Tiberios dankte der Göttin Fortuna, die ihn immer noch beschützte.

    Der zweite Brief war in Schönschrift mit Eisengallustinte auf hochwertigen Papyrus geschrieben :



    Ad
    Manius Purgitius Lurco
    Miles Cohorta Urbanae
    zwölfte Kohorte, dritte Centurie
    Castra Praetoria
    ,


    Salve, dominus Manius Purgitius Lurco,


    Den Segen des Mars und des Faunus zuvor,


    Ich Tiberios schreibe diesen Brief auf Anweisung der domina Furia Stella.
    Ich erbitte deine Verzeihung wegen der Widerworte, die ich an der Porta gegeben habe. Das stand mir auf keinste Weise zu.
    Ich weiß, dass ich Befehlen gehorchen muss ohne sie zu hinterfragen.
    Ich bitte darum, von einer offiziellen Anzeige abzusehen.


    Bezüglich des Fluches gestatte mir eine Anmerkung: Ich habe dich niemals verflucht, dominus, ich habe die Furien gebeten, mir gegen Unrecht beizustehen.
    Ich schwöre jedoch bei Minerva und der Fortuna und allen Göttern, dass es niemals in meiner Absicht lag,
    dich, dominus miles Manius Purgitius Lurco persönlich zu verletzen oder zu verfluchen,
    und falls es ohne meine Absicht geschehen ist, nehme ich diesen Fluch zurück.


    Wenn du es wünschst, dass ich diese Entschuldigung vor dir persönlich ausspreche, stehe ich selbstverständlich zur Verfügung.


    So vertraue ich auf deine Gnade.

    Vale
    Tiberius Servus
    Gens Furia
    Casa Furia
    Roma

    >> Casa Furia


    Tiberios gibt einem Straßenjungen ein paar Asse, damit er zwei Briefe beim Posteingang abgibt. Er selbst bleibt außer Sichtweite und will keinesfalls von den Wachen gesehen werden.


    Der erste Brief ist eine doppelt geklappte Wachstafel mit sehr kurzem, unpersönlichemn Text, da nicht klar ist, ob sie ihre Empfängerin erreicht:


    Ad
    Eireann Serva Furia
    Carcer der CU
    Castra Praetoria


    Salve, Eireann
    ich weiß nicht, ob dich dieser Brief erreicht.
    Wie geht es dir ? Bei mir ist alles in bester Ordnung.
    Ich sende dir zwei Sprichwörter:


    Quidquid agis prudenter agas respice finem!
    Dandum semper est tempus: veritatem dies aperit!


    Vale T.





    Sim-Off:

    Was Du auch machst, tue es klug und denke daran, wohin es führt! Aesopus
    Man muss immer Zeit lassen: der Tag bringt die Wahrheit ans Licht! Seneca

    Salve, Manius Purgitius Lurco,
    gerade gemerkt.


    Es tut mir einfach in der Seele weh, wenn ich Schriftrollen entsorgen muss =)

    >>epistolae


    Tiberios holte als Sekretär von Gnaeus Furius Philus immer noch dessen Post aus dem Briefkasten und sortierte sie nach Wichtigkeit.
    Heute war ein einziger Brief gekommen, der allgemein an die gens Furia gerichtet war. Tiberios dachte, dass er eventuell für das Handelshaus Furii bestimmt war , das fiele in seinen Aufgabenbereich, nahm ihn und öffnete ihn auf der Treppe.


    Als der furische Sklave jedoch erkannte, dass er von dominus Sisenna Iunius Scato stammte, rollte er ihn wieder zusammen und nahm ihn mit zur Sklavenunterkunft, um ihn in Ruhe zu studieren.


    Er las:


    Ad
    Gens Furia
    Casa Furia
    Roma



    Betreff: Fluch



    Werte Gens Furia,


    da ich leider nicht den konkreten Ansprechpartner in dieser Sache kenne, bitte ich darum, mir nachzusehen, dass ich die allgemeine Grußformel verwende. Mein Name ist Sisenna Iunius Scato und wenngleich ich den Cohortes Urbanae angehöre, ist dies ein persönliches Schreiben.


    Gestern sprach der furische Sklave Tiberios an der Porta Praetoria vor, wo es während meiner Anwesenheit zu einer verbalen Auseinandersetzung zwischen meinem Kameraden Manius Purgitius Lurco und Tiberios kam. Im Zuge dessen rief Tiberios unter mehreren Zeugen die drei Furien auf Purgitius Lurco herab. Ein Fluch ist wie ein tätlicher Angriff zu werten.


    Da ich Tiberios privat als einen hilfsbereiten und großherzigen Menschen kennengelernt habe, gehe ich davon aus, dass dies ein Ausrutscher war und keine bösartige Gesinnung dahinter steckt. Nichtsdestoweniger ist jeder Fluch eine Bedrohung für den Verfluchten.


    So bitte ich auf diesem Wege darum, ihm nahezulegen, den Fluch zurückzunehmen und sich bei Kamerad Purgitius Lurco zu entschuldigen, damit nicht der Rechtsweg eingeschlagen werden muss.


    Mit freundlichen Grüßen


    Sisenna Iunius Scato
    Cohors XII urbana
    Castra Praetoria




    Tiberios' Herz klopfte bis zum Hals. Es war kein offizieller, sondern ein privater Brief.
    Er schluckte, und seine Zeigefinger fuhr nachdenklich, wie streichelnd, über den einen Satz:
    Da ich Tiberios privat als einen hilfsbereiten und großherzigen Menschen kennengelernt habe,


    Der junge Grieche errötete, als hätte ihm Scato leibhaftig ein Kompliment gemacht.


    Tiberios hatte vor der Porta Praetoria nicht den Eindruck gehabt, dass die domini Scato und Lurco ihn wie einen Menschen betrachteten, geschweige denn als hilfsbereit und großzügig tituliert hätten.
    Der Ton des Schreibens rührte ihn. Dieser Brief klang viel mehr wie die alten Zeiten, als der Römer mit ihm wie mit einem Freund über Persönliches gesprochen hatte.


    Aber gerade hatte Tiberios domina Furia Stella alles gebeichtet und beschlossen, sie niemals wieder mit seinen Problemen zu belästigen und sich tadellos zu benehmen, da kam dieses Schreiben und würde die Wunde wieder aufreißen.


    Einen Moment lang dachte Tiberios, den Brief zu vernichten, Die alten Zeiten waren wohl endgültig vorrüber und würden ihn nur quälen.
    dann besann er sich und legte ihn zu seinen Sachen. Er wollte ihn nicht zerstören, er wollte ihn behalten..


    Tiberios überlegte kurz. Das was in dem Brief verlangt wird, hatte ihm die domina ohnehin aufgetragen, das war er im Begriff zu tun. Dominus Scatos Schreiben ließ ja offen, ob die Entschuldigung persönlich oder schriftlich erfolgen sollte.


    Es würde kein Schaden entstehen, wenn keiner außer ihm diesen Brief las.
    Es würde Schaden vermeiden, wenn nur er diesen Brief las.


    Und dann begab sich Tiberios zur porta, um mit dem Ianitor zu sprechen, wie ihm seine domina angedeutet hatte.

    Tiberios hatte sich selten wie ein Dummkopf gefühlt, aber vor seiner domina mit ihrem klaren, analytischen Verstand tat er es gerade.


    In Wahrheit hatte er nicht nur einen, sondern gleich zwei Fehler begangen. Der erste Fehler bestand darin, nicht wiederholt zu haben, dass er das officium des dominus Optio Cerretanus suchte.
    Der zweite Fehler , den Tiberios gegenüber der domina Furia Stella nicht erwähnt hatte, war, zu denken, dass die domini milites Scato und Lurco ihn freundlicher behandeln würden als einen xbeliebigen Sklaven, weil sie sich von früher her kannten,


    Beide Fehler - einen Auftrag nicht genau auszuführen und seinen Platz nicht zu kennen - waren beschämend, und Tiberios errötete bis unter die Haarwurzeln.


    Dann erwähnte domina Furia Stella, dass man Eireann während des Brandes in einem Lupanar gefunden hatte, und das war zudem noch verwirrend.
    War Eireann dort als Lupa gewesen?
    Brauchte sie Geld?
    War sie gezwungen worden?
    Als Kundin kam ihm nicht in den Sinn, denn obwohl männliche Sklaven regelmäßig ein paar Asse für einen Lupanarbesuch erhielten, das war eine gesundheitsförderliche Maßnahme, galt das für Sklavinnen nicht.


    Dass domina Furia Stella Eireann ebenso wenig für eine Brandstifterin und Mörderin hielt wie er selbst, beruhigte ihn. Ja, die Wahrheit musste ans Licht kommen. Die Urbaner waren erfahrene Fahnder.


    - Aber weshalb gab es dann überhaupt diesen fürchterlichen Verdacht? Hatte es jemanden gegeben, der gegen Eireann ausgesagt hatte – natürlich falsch? Aber warum ? Sie war genauso unwichtig wie er selbst. Oder gerade darum? Eine unwichtige Person bezichtigen um von jemandem abzulenken, der wichtiger war….


    Bei der Frage der Selbstbeherrschung zeigte die domina Furia Stella Verständnis. Doch Tiberios machte sich nichts vor.: Gerade weil seine Herrin ihn diesmal nicht bestrafte, wußte er, dass er sein Verhalten wieder gut machen musste – durch doppelten Einsatz und tadelloses Betragen.


    Beim Auftrag, sich schriftlich zu entschuldigen, nickte der junge Sklave: „Ja, domina, das werde ich tun.“. Er kannte die Namen der Adressaten, das musste er nicht einmal recherchieren.


    Dann schien für domina Furia Stella das Gespräch beendet, denn sie bot ihm etwas Wasser an . Außerdem fächelte sie sich Luft zu.
    Tiberios hatte die Herrin nicht aufregen wollen, er hatte immer gelernt, dass ein guter Diener die Lösung eines Problems und keinesfalls die Ursache sein sollte, es tat ihm Leid.


    "Trink auch etwas Wasser, Tiberios und sag mir, was hast du noch am Herzen…", sagte Furia Stella .


    Jetzt war Tiberios erstmal erleichtert, und nahm gerne einen Schluck Wasser aus dem Becher. Den Becher nahm er an sich , um ihn später in die Küche zu tragen.

    Domina Furia Stella enthob ihn nicht seines Amtes als Bibliothekar und degradierte ihn . Das war mehr, als Tiberios zu hoffen gewagt hatte. Er durfte dort bleiben, wo er glücklich war.
    Das war so viel Großzügigkeit, niemals hätte der furische Sklave nochmal das Thema Eireann angeschnitten. Da gab es ein Rätsel – und eine Menge Probleme, über die er später nachdenken musste.


    Dann fiel er auf die Knie : „Optima domina, nein nichts mehr. Ich danke dir so sehr für alles!“ , sagte er leise und ihm stiegen Tränen in die Augen:
    „Darf ich noch etwas für dich tun, domina? Wenn nicht, wünsche ich dir eine gute Nacht. „


    Der junge Alexandriner war dazu bereit, sofort aufzuspringen und zu holen oder zu tun, was domina Furia Stella wünschte. Da war er ein wenig überschwenglich.

    Tiberios sammelte sich einen Moment , bevor er berichtete:


    " Nur so viel. Der Besuch fand nicht statt.
    Es ist Sklaven verboten, die Castra zu betreten.
    Ich hatte für Eireann ein Bündel mit nützlichen Dingen gepackt und eine Liste darüber erstellt, aber auch das durfte ich nicht abgeben.
    Dann bat ich darum , Eireann einen Brief hinterlassen zu dürfen, aber auch das wurde mir verwehrt.
    Stattdessen nannten die beiden Urbaner, die mit mir sprachen, Eireann eine Brandstifterin und Mörderin und verdächtigte auch den Packer des Bündels – also mich – romfeindlicher Gesinnung; der Ton wurde schärfer und man hieß mich, zu verschwinden.
    Ich schwöre bei den Göttern, dass ich bis zu diesem Moment ehrerbietig und höflich war.
    Aber dann verlor ich meine Zurückhaltung, ich sprach voller Ironie und Spott, und als mich einer der Soldaten ergriff, um mich auf die andere Straßenseite zu bringen, habe ich die Furien, die Rachegöttinnen, um Gerechtigkeit beschworen."


    Tiberios sah schuldbewusst zu Boden:
    " Ich habe die Kontrolle verloren. Es tut mir so leid, domina, ich habe der furischen familia keine Ehre gemacht. ", sprach er leise.




    "Salve, domina, verzeih die Störung zu solch später Stunde.", erwiderte Tiberios und verbeugte sich tief:
    " Darf ich frei mit dir sprechen ? Es geht um meinen geplanten Besuch bei der Sklavin Eireann im Carcer. Leider kam es zu einem unerfreulichen Ereignis."

    Er brach ab und wartete, was domina Furia Stella entgegnen würde.

    Nachdem Tiberios über alles nachgedacht hatte, beschloss er domina Furia Stella, die so freundlich zu ihm gewesen war, zu informieren, was an der Porta Praetoria vorgefallen war. Er hielt es auch für besser, ihr alles zu sagen, bevor es vielleicht andere taten.
    Sehr vorsichtig klopfte er an der Tür des Cubiculums von Furia Stella.

    >> Castra


    Tiberios war zurückgekehrt und räumte automatisch und sehr ordentlich seine Sachen wieder unter sein Bett.
    Die bronzene Spange steckte er an seinen Mantel zurück.
    Es war ihm weder gelungen, Eireann zu sehen noch etwas für sie abzugeben. Und nach dominus Cerretanus hatte er gar nicht mehr fragen können, nachdem die ganze Angelegenheit an der Porta Praetoria zumindest für seine Begriffe eskaliert war.


    Tiberios legte sich auf sein Bett und verschränkte die Arme hinter dem Kopf.
    Immer wieder musste er an das Geschehene denken.
    Und daran, dass die Begegnungen mit den jungen Römern, die er eigentlich verehrte, die letzten Male regelmäßig in handfesten Konflikte ausgeufert waren - einer schlimmer als der andere.


    Diesmal war Tiberios, gegenüber den Urbaniciani erst ironisch geworden, dann hatte er die Furien um Gerechtigkeit angerufen.


    Auf die Bemerkungen der domini Scato und Lurco über Mord und Brandstiftung in Verbindung mit Eireann konnte er sich gar keinen Reim machen.
    Wäre sie nicht davon gelaufen, könnten wir gemütlich im hortus der Casa sitzen und es gut haben, fuhr Tiberios durch den Kopf.
    Er verstand einfach nicht, warum Eireann diese rosigen Zukunftsaussichten zerstört hatte.
    Warum war sie aus der Casa Furia abgehauen?
    Sie hatte nicht nur sich, sondern auch Tiberios gegenüber seiner domina beschämt.


    Tiberios unterbrach diesen Gedankengang. Er wollte sich nicht über die Silurerin ärgern, sondern über sich selbst.
    Gleichzeitig spürte er Angst. Der junge Grieche wollte weder seine Vertrauensstellung noch die gute Beziehung mit seiner domina verlieren. Er wußte genau, dass Roma ihn privilegiert hatte.
    Was wenn die domini Scato und Lurco ihn wirklich anzeigten?
    Er konnte nicht abschätzen wie er mit ihnen dran war. Sie hatten ihn kalt und wie ein Nichts behandelt, als hätten sie ihn noch nie in ihrem Leben gesehen.


    Aber vermutlich hatten sich beide Männer dienstlich korrekt verhalten. Tiberios war ja ein Nichts, wenn er es genau nahm. Er musste die Römer um Verzeihung bitten, so schnell wie möglich. Oder nicht um Verzeihung,
    viel mehr um Gnade.
    Tiberios dachte nach. Vielleicht konnte Terpander vermitteln, wenn es notwendig war?


    Doch er würde erstmal abwarten. Zu rasches Reden und Handeln hatte Tiberios nämlich genau in die Situation gebracht, in der er jetzt war.

    Tiberios hatte das erste Mal in seinem Leben völlig die Fassung verloren.
    Er hatte sich benommen, wie es ihm nicht zustand,, wie ein freier verletzter, wütender junger Mann


    Hätte er die domini Scato und Lurco nicht gerade im Dienst getroffen, vielleicht hätten sie anders mit ihm gesprochen. Und warum erwartete er überhaupt, dass sie anders mit ihm sprachen?
    Tiberios erkannte, dass er anmaßend gewesen war. Er hatte seinen Platz vergessen.


    Sie sollten mich gleich zu Eireann sperren, dachte er traurig. Nichts mit apatheia - er hatte Scato allerdings immer gesagt, er sei schlecht in Gemütsruhe.


    Es war gut möglich, dass die Urbaner den Furiern Bescheid sagten, wie er sich aufgeführt hatte. Dann würden sie ihn vermutlich verkaufen.
    Die Furier duldeten keine aufsässigen Sklaven in ihrem Haus.


    Die Wut des jungen Griechen war nun völlig verschwunden, aber er war auch nicht verzweifelt - er fühlte eine große Leere. Das erste Mal in seinem Leben dachte er daran, dass es ihm egal war, zu leben oder zu sterben.
    Nur der ironische Gedanke, dass er nicht einmal sich zu töten das Recht hatte, weil er sich nicht selbst gehörte, , hielt ihn von weiteren Überlegungen zurück.


    Dann kam ihm der Gedanke, doch noch mit dominus Furius Cerretanus sprechen zu müssen. Vielleicht konnte der ihn über "Brandstifterin " und "Mörderin" aufklären.
    Vielleicht war alles ein großes Missverständnis.


    Tiberios ging weiter.


    .Er selbst hatte die Furien angerufen. Sie hatten ihn gehört - und sie würden kommen, um zu richten.

    Tiberios wehrte sich nicht, sah ihn nun an und hatte jetzt Tränen in den Augen:


    "Und ein Imperium, das auf Unrecht beruht, wird genauso wenig dauern wie ein Sklave, der keine Befehle befolgt!",rief er mit klarer, Stimme:
    Du tust bitteres Unrecht, dominus Lurco, Unrecht an dieser jungen Frau !Ich rufe die Furien, die Rächerinnen an, mir beizustehen!
    Alekto! Magaira! Teisiphone!"

    Es klang wie ein Fluch ,und er streckte die Hand in Richtung der Castra aus.



    Das Einzige, was ein Sklave in höchster Not tun konnte, war es, die Götter selbst anzurufen. Tiberios wußte das, aber er tat nichts, was als körperlicher Angriff gewertet werden konnte, dazu war er zu schlau.