Beiträge von Tiberios

    Tiberios packte seine Einkäufe ein und versicherte sich, dass sein Beutel am Gürtel gut befestigt war.
    " Auch für mich war es eine Freude", sagte er und meinte es aufrichtig.


    Das war bestimmt nicht das letzte Mal, das er dieses Geschäft aufsuchte, er mochte Norius Carbos Freundlichkeit und Kompetenz, und die Tinten waren , so weit er sie ausprobiert hatte, erstklassig.


    Tiberios machte sich auf den Weg zur Casa Furia.




    Rufus


    Als Tiberios aus der Tür ging, kam ihm ein junger Römer oder Latiner entgegen.
    Tiberios wollte ihm sofort den Vortritt lassen, aber der junge Mann winkte ab und machte dem Sklaven eine Geste, er könne seinen Weg fortsetzen.


    Der junge Mann hieß Rufus Gellius Paterculus, stammte aus Latium und war 25 Jahre alt.
    Er hatte vor schon Wochen trotz fleißiger Arbeit seinen Bäckerbetrieb aufgeben müssen,
    seine Frau war mit dem Kleinen zurück zu den Eltern gezogen ,und er selbst schlief seit zwei Tagen auf der Straße, da er die Miete für sein winziges Zimmer in einer der Insulae der Subura schuldig geblieben war.


    Mit anderen Worten, es konnte nur noch aufwärts gehen.


    Noch war Rufus' dunkle Tunika einigermaßen sauber und ohne Flicken. Aber der junge Mann wußte, wie schnell man abgerissen aussah, wenn man obdachlos war. Er sah solche Menschen Tag für Tag in den Gassen der Subura.


    Rufus schaute dem furischen Sklaven nach. Sklaven haben es gar nicht so schlecht, für die wird wenigstens gesorgt, dachte er:
    Man muss ihnen kein Gehalt zahlen und die Konkurenz kann sie nicht abwerben……


    Der Latiner rief sich den Aushang das Stellenangebot ins Gedächnis, den er auf dem Mercatus gesehen hatte:




    Stellvertreter gesucht!


    Es wird ein Stellvertreter für den


    Farbenmischer Pater Danuvius


    gesucht!


    Ein potenziell angesprochener Interessent sollte dauerhaft in Rom wohnhaft sein, ein wenig von der Führung eines Unternehmens verstehen und eine schnelle Auffassungsgabe besitzen. Produktkenntnisse können vor Ort erworben werden.


    Bezahlung wird persönlich vereinbart, alle Interessenten melden sich bitte direkt im Geschäft an der Straße nördlich der Trajansmärkte in Richtung Taverna Apicia!




    Rufus Gellius Paterculus war in Rom wohnhaft und hatte drei Jahre lang seinen kleinen Betrieb geführt – wenn er sich auch im Endeffekt gegen die Großbäckereien mit ihren hunderten von Sklaven- Mitarbeitern nicht durchsetzen konnte.

    Schnell von Begriff war er auch, zumindest hatte sich noch keiner beschwert. Seine Schulbildung war ordentlich .
    Er würde lernen, was es zu lernen gab – und Farben klang schon einmal nicht schlecht. Bestimmt gab es jede Menge gehobene Kundschaft.



    Kurz und gut, er hoffte sehr, dass er dem Chef des Ladens , einem gewissen Norius Carbo sympathisch war ,und der es mit ihm versuchen würde.


    Rufus betrat den "Pater Danuvius".


    "Salve !", sagte er und schaute sich genauso neugierig um wie zuvor Tiberios, wenn auch aus anderen Gründen.

    Tiberios studierte beide Rechnungen etwas länger, denn er wollte keinesfalls etwas übersehen .
    Er war ein Sklave mit einem selbstständigen Arbeitsgebiet, was bedeutete, dass er keine offensichtlichen Fehler machen durfte, wenn er zur Strafe seine Privilegien nicht wieder verlieren wollte.


    Der Eigentümer des Handels, Norius Carbo , hatte die Rechnungen korrekt und genauso ausgestellt, wie Tiberios sie für seine domini benötigte.


    „Ich danke dir, Norius Carbo, alles ist zu meiner Zufriedenheit. Ich werde dich in Portus gerne weiter empfehlen. Möge Mercurius deine Geschäfte beschützen.“, sagte der junge Alexandriner mit einer kleinen Verbeugung:
    „ Ich würde die Tintenfläschen sofort mitnehmen.Für etwas Verpackungsmaterial wäre ich dir aber dankbar, damit nichts zu Bruch geht.“

    Er steckte seinen bronzenen calamos wieder ein und öffnete den Beutel, den er später an seinen Gürtel hängen würde.
    Die Rechnungen verwahrte er sorgfältig.

    Tiberios lächelte wieder:: Der Händler war auch einmal Scriba gewesen, wenn auch wohl ein freier Mann, trotzdem, das machte ihn dem furischen Sklaven noch sympathischer.
    Essig kam also in die Rußtinte, aha, das verband die Partikel besser., interessant.


    Tiberios verbeugte sich kurz:
    „Ich danke dir für den Preisnachlass Norius Carbo , die drei Rußtinten wären in der Tat für das Handelshaus."


    Der junge Grieche rechnete kurz nach (und nahm seine Finger zu Hilfe):
    „Mein Budget beträgt 16 Sesterzen,
    geht die Eisengallustinte ab, dann sind das noch 10.
    Die 3 Rußtinten a 2,50, das ergibt 7, 50 ,
    mit dem Preisnachlass von 10% dann 6.75.
    Macht Summa Summarum 12, 75 , das heißt ,ich habe noch 3,25. über. "


    "Weißt du was - „ Jetzt lächelte er :
    Norius Carbo ohne dominus und ohne Meister , ich finde die Sepiatinte so schön, auch wenn sie nicht wasserfest ist. Ich bezahle die 3 Asse, die fehlen, aus eigener Tasche."


    Tiberios kramte in seinem einem eigenen Beutel:
    „“Ich wäre dir sehr verbunden, wenn du mir zwei Rechnungen ausstellst, eine für das Handelshaus Furii und die andere für die domina Furia Stella von der Casa Furia. Die Sepiatinte dann auf letzere.“

    Tiberios nickte zustimmend und sagte:
    „Das Problem mit manchen Harzen habe ich selbst schon erlebt, sie härten teilweise unregelmäßig aus. Das ergibt Klümpchen und Geschmier beim Schreiben.“
    Er grinste nun :
    „Und schon bekommt der Scriba Ärger, der für minderwertige Tinte ja wirklich nichts kann.“


    Probehalber schrieb der furische Sklave nun mit der Sepiatinte seine Sätze zu Ende : einai genésthai. beziehungsweise causa effectus. .


    Diese Tinte war weich und satter von der Farbe als die Rußtinte, wenn sie auch an die Intensität der Eisengallustinte nicht heran kam.
    Tiberios schaute etwas bekümmert drein :
    „Die ist auch gut. Wie steht es mit ihrer Wasserbeständigkeit ?

    Vier Sesterzen, dachte er: Ganz schön viel.

    Er stellte das Fässchen erstmal zurück:
    Ich werde mein Budget damit überschreiten.“, sagte er und lächelte: bedauernd:


    Da ich nicht nur für den Privathaushalt der domina Furia Stella sondern auch für das Handelshaus Furii in Portus Ostienses die Schreibmaterialien besorge, frage ich dich einfach gerade heraus, Meister Norius Carbo : Wäre es möglich, mir mit dem Preis etwas entgegen zu kommen ?“

    Tiberios betrachtete die Tinte, und zog sie ein wenig mit seinem Calamus an, um ihre Viskosität zu testen. Auch hier war er zufrieden.
    Es war schwieriger, auf Buchentafeln zu schreiben als auf Papyrus, daher kam es ihm auf ein weiches Schreibgefühl an.
    Der junge Sklave schrieb den Anfang eines Satzes von Platon „ Von dem Gewordenen aber sagen wir, daß es notwendig aus einer Ursache entstanden sei.“ zuerst auf Griechisch „Tõ, d’ au genoméno“ dann auf Latein „ Ex praemissis autem“ und schaute zu, wie die Eisengallustinte trocknete und einen schwarzen, satten Farbton annahm.
    Sie war perfekt, und Tiberios, der schöne Arbeitsmaterialien sehr schätzte, hätte am liebsten einen größeren Vorrat eingekauft.
    Er lächelte Norius Carbo an :
    „ In der Tat, sehr gut, Norius Carbo“, sagte er: „ Der Anteil von Gummi arabicum ist das Ausschlaggebende, nicht wahr? Ist es sehr schwierig gewesen, solch ein Rezept zu entwickeln ?“
    Das interessierte den jungen Alexandriner, wie ihn alles interessierte.
    Am liebsten hätte er den Ladenbesitzer gebeten, zuschauen zu dürfen. Aber solche Rezepte waren zweifellos Firmengeheimnis.
    „Von der Eisengallustinte würde ich eine Flasche nehmen.“, sagte Tiberios und griff dann zu der Rußtinte :
    „ Diese brauche ich aber auch.“
    Er schrieb seinen Satz weiter und bemerkte auch hier sehr gute Qualität:
    „Drei Fläschchen von dieser bitte. - Diese Spepiatinte , liegt sie in der Qualität zwischen den beiden ? Was kostet sie ?“
    Vielleicht konnte es hier ja einen Kompromiss zwischen Preis und Anspruch geben.

    Tiberios hörte aufmerkam zu, die Beschreibung der Tinte hörte sich großartig an.


    Der Ladenbesitzer wollte nicht als dominus angesprochen werden, also würde Tiberios die Form wahren, in dem er ihm beim ganzen Namen nannte.
    Seltsamer Name übrigens.
    Klang römisch und dann wieder irgendwie doch nicht : Norius Carbo.


    Dem jungen Alexandriner war auch aufgefallen, dass der Ladenbesitzer bei seiner Herkunft gestockt hatte. Von Mogontiacum hatte Tiberios schon gehört, weil dorthin sein Herr versetzt werden sollte, aber andere Orte im Norden kannte er ohnehin nicht. Das war für ihn alles Barbaricum .


    Tiberios musste herausfinden, ob der hohe Preis von sechs Sesterzen für diese Eisengallustinte – die billige Tinte kostete laut Tafel 2,5 Sesterzen – gerechtfertigt war.
    Es war schließlich nicht sein Geld, sondern das der domina, das er in Begriff war, auszugeben.


    Die Zugabe von Methylblau würde die Kontrolle des Geschriebenen sehr erleichtern, Norius Carbo.“, sagte er :
    „. Wäre es möglich, diese Tinte hier und jetzt auszuprobieren? I“


    Tiberios holte seinen bronzenen Calamos aus seinem Beutel und schaute den Farbenhändler erwartungsvoll an.

    Tiberios staunte etwas, dass der Ladenbesitzer ihm die Hand geben wollte, diese Art der Begrüßung stand ihm nicht zu.
    Vielleicht hatte der Herr nicht erkannt, dass er ein Sklave war.
    Der junge Grieche gab die Hand, um nicht unhöflich zu sein, danach trat er zurück, verbeugte sich und ließ seinem Gegenüber Zeit ihn zu betrachten.


    Tiberios kleidete sich gewöhnlich in griechischem Stil mit einer Chlamys, einem Mantel, der über der Schulter mit einer Bronzespange befestigt wurde, da ihm die Kleidung eines römischen Vollbürgers verboten war.
    Aber er trug die Bronzetafel, die ihm sein dominus gegeben hatte, um den Hals und darauf war deutlich zu lesen:
    SERVUS AUTEM
    GN.FURIUS C.F SUB PHILUS


    Der Mann vor ihm schien jedoch kein Römer zu sein, denn er hatte diese bequemen germanischen Beinkleider an, an denen er sich nun die Hände abwischte.


    „Salve ,dominus Pater Danuvius und danke für dein Willkommen “, sprach Tiberios, der "Pater Danuvius" für dessen Namen hielt:


    Ich heiße Tiberios, Bibliothekar der domina Furia Stella.:
    Ich bräuchte für verschiedene Zwecke verschiedene Tinten , und ich wäre dir verbunden , wenn du mir diesbezüglich einen Rat geben könntest.
    Meine erste Arbeit soll ein Polyptychon * aus Buchenholz mit einer weißen Oberfläche sein. Dazu möchte ich eine hochwertige schwarze Tinte, die Schönschrift erlaubt und dauerhaft und sattfärbend ist.
    Es handelt sich um das Verzeichnis einer Bibliothek, und das sollte schon ein paar Jahre halten.."

    >> Sklavenmarkt


    Tiberios trat in das Farbengeschäft "Pater Danuvius" ein, dessen goldene Lettern es ihm schon lange angetan hatten. Aber nun hatte er einen guten Grund , das Geschäft einmal aufzusuchen:
    Er hatte vor, für die Bibliothek der Casa Furia einen Codex aus dünnem , glattgeschliffenen Buchenholz, mit weißer Oberfläche zu erstellen und suchte die richtige Tinte.
    Als Scriba kannte er sich etwas mit Tinten aus , dennoch würde er sich gerne beraten lassen.


    Der junge Grieche rief : "Salve !", und schaute sich neugierig um.

    Tiberios trat ins Freie.
    Er fühlte sich leicht und beschwingt, als hätte etwas die Dunkelheit der letzten Tage von ihm genommen. Seine Dankbarkeit gegenüber Terpander war groß.
    Dessen sehr handfest gegebene Lektion, nicht jedem zu trauen - nicht einmal anderen Hellenen - nahm der junge Alexandriner sich zu Herzen, obwohl er gerne offen und freundlich gegenüber anderen Menschen war.
    Vielleicht sollte ihm Terpanders Rat nochmal sehr nützen.

    Tiberios erhob sich ebenfalls . Er nahm Haltung an, verbeugte sich sogar kurz, denn er war erzogen worden, sich sofort und unmittelbar zurückzunehmen, wenn es gewünscht wurde.


    „Ich muss tatsächlich noch Schulden eintreiben.“, sagte er : „Der Kerl hat sich von seinem Ianitor verleugnen lassen , aber ich weiß, dass er zuhause ist. Und ich muss heute noch zurück nach Portus.“


    Da der Strom der Wagen Richtung Ostia erst weit nach Mitternacht zu fließen begann, und er sich so lange in der Suburra rumtreiben würde, bis er seine Mitfahrgelegenheit hatte, sagte er nicht dazu, das ging Terpander nichts an.:


    „Danke für die Nüsse, sie sind wirklich lecker. Wenn ich etwas über die Pflege von Nussbäumen lesen sollte, bekommst du es von mir."


    Etwas lag ihm aber noch auf dem Herzen:
    „ Gib bitte deinem dominus den Varro. Und – könntest du bitte die Porta wieder aufschließen, du hattest sie zugesperrt, nicht wahr ?“
    Er lächelte:
    „Vale bene, Terpander, wie sie hier sagen."

    Als Terpander so liebevoll über Philippos sprach, leuchteten Tiberios‘Augen auf :
    „Zunächst einmal forderte mich mein dominus zurück, denn meine geliehene Zeit bei Philippos war um.
    Ich würde gerne sagen, ich wäre in diesem Moment tapfer gewesen, aber so war es nicht – ich heulte wie ein kleiner Junge.
    Philippos schüttelte nur leicht den Kopf und stellte mir dann die traditionelle Frage : „Warst du zufrieden mit deinem Erastes?“
    Ich nickte und er sagte : „Und du hast mich stolz gemacht, Eromenos.“
    Ich habe danach ein Jahr lang den Rest der Aeneis in meiner besten Handschrift ins Griechische übertragen und an der Pforte seines Hauses abgegeben.


    Aber ich wagte es nicht , anzuklopfen oder nach ihm zu fragen. Bestimmt hätte er versucht, mir zu helfen, als ich nach Roma verkauft wurde, doch er wird nie davon erfahren haben.“


    Tiberios verweilte mit den Gedanken in der Vergangenheit , aber es waren positive Gedanken, und er lächelte strahllend und sagte:

    „Ich denke, ich werde Philippos wirklich schreiben.
    Es ist schön, mit dir hier zu sitzen, Terpander. Du bist klug und gut, und es ist so leicht, mit dir über alles zu sprechen. Ich merke schon , wer den dominus Scato erzogen hat. Wenn ich auch etwas für dich tun kann – ich würde mich freuen .“

    Tiberios schaute erst auf, als ein Schatten auf ihn fiel.


    [Blockierte Grafik: https://s12.directupload.net/images/200418/temp/5xmflwf9.png]



    Vor ihm stand ein alter ausgemergelter Bettler, von denen es auf Romas Straßen nur so wimmelte.
    Arme Männer und Frauen, die nachts in den Gassen schliefen; unglückliche Freigelassene, deren ehemalige domini sie sträflich vernachlässigten, mittellose italische Bauern oder Peregrini, die der Verlockung der urbs aeterna gefolgt und gescheitert waren.


    Tiberios, der ordentlich gekleidet war und sein ganzes Leben lang zu essen gehabt hatte, legte ein paar Asse in die ausgestreckte Hand, da sprach ihn der Mann auf Latein an.


    "Ich habe vorhin gehört, was du den Sklavenhändler gefragt hast.", nuschelte er : "Ich glaube, ich habe das Mädchen gesehen. "


    Tiberios runzelte die Stirn. Der Bettler sah nicht so aus, als hätte er ein gutes Gedächtnis. Vermutlich wollte er einfach nur noch mehr Geld.


    "Was für ein Mädchen ?", fragte er.


    "Eine Dunkelhaarige mit blauen Augen. Was für ein Schandmaul.", der alte Bettler kicherte kurz.


    Tiberios nahm weitere der kleinen Münzen in die Hand :
    "Hast du auch gesehen oder gehört, wer sie gekauft hat?", fragte er.


    "Aber sie wurde gar nicht verkauft.", sagte der Bettler : " Ein paar Jungs von den Cohortes Urbanae
    haben sie mitgenommen."


    Tiberios ließ die Münzen in die Hand des Bettlers fallen. Er konnte kaum glauben, was er gerade hörte.


    War Eireann verhaftet worden ?
    Hatte der keltische Feuerkopf den Mund nicht halten können und vom Verkaufspodest herunter die Römer , die römischen Götter oder sonst wen geschmäht - oh, er Tiberios konnte sich das genau vorstellen, wie es ablief, wenn seine Freundin in Wut geriet.


    Falls Eireann wirklich im Kerker der Castra einsitzen sollte, war alles verloren.
    Im Gegensatz zu einem Lupanar oder einer üblen Spelunke konnte Tiberios sie da nicht auslösen , nicht einmal wenn er wirklich auf Abwege geriet.


    Was würden sie dort mit ihr machen ?
    Der alte Mann nickte Tiberios zu :
    "Vermutlich hat sie es schon überstanden. ", sagte er noch : "Vale !"


    Das sollte wohl ein Trost sein. Aber die Auskunft des Bettlers, wenn sie denn richtig war, hatte Tiberios schlimmste Vorstellung übertroffen.


    Da Tiberios eigentlich einen Botengang unternommen hatte, um Eisengallustinte zu kaufen, suchte er nach seinem Besuch auf dem Sklavenmarkt den Farbenmischer Pater Danuvius auf.


    Hairan zog Tiberios an sich heran und flüsterte ihm ins Ohr:


    "Schau mal , die Fische fressen den Köder. Der Ältere säuft einen Krug und der Große zwei Krüge , damit sind die platt. Und mit dem Jüngeren alleine dürtest du doch fertig werden."


    Der furische Sklave schüttelte entschieden den Kopf.
    Körperliche Gewalt kam für ihn nicht in Frage, da würde er den Kürzeren ziehen. Normalerweise rettete er sich durch Schnelligkeit oder durch sein Mundwerk.


    Hairan lachte : "Hau ihm doch einen Krug über den Schädel, das versucht meine kleine Schwester auch immer.", sagte er.


    Titus warf sich die verzweifelte Sulamith über die Schulter, dass es krachte und wollte offensichtlich ins Hinterzimmer.
    Diese cubiculae waren klein und stickig und hatten fast nie Fenster.


    Ein Krug über den Kopf ....nein. Kein Krug, etwas anderes, Tiberios brauchte etwas anderes.


    Er stieß Hairan zurück und winkte dem Schankmädchen :
    " Hast du irgendein Räucherwerk ?", fragte er sie.


    Zumindest in griechischen Haushalten war das ein ganz gewöhnlicher Bestandteil der Haushaltsführung.
    Räucherwerk gab nicht nur einen Wohlgeruch, es bekämpfte auch schlechte Gerüche, die Miasmen, die ja bekanntlich allerlei Krankheiten übertrugen. Bei den Römern war das ähnlich.
    Nur ob sie in dieser Spelunke so etwas hatten ?


    Das schwarzhaarige Schankmädchen nickte jedoch :
    "Wir haben Mastix , aber wir dürfen nicht....."


    "Egal, bring es rasch her.", sagte Tiberios entschlossen : "Die domina von Sula wird es deiner domina ersetzen, was sie auch verlangen mag, da bin ich sicher. "


    Mastix mit seinem zitronigen Duft war zwar nicht ganz das, was er sich gewünscht hätte, Tiberios hätte etwas Schwereres vorgezogen, aber das musste auch gehen.


    Das Schankmädchen verschwand und kam mit einer Kupferschale wieder und drückte sie Tiberios in die Hand. Tiberios schaute in die Schale, die Menge an gelblichweißem Mastix bedeckte den Boden.
    Die Flamme züngelte gerade hervor, und der junge Sklave pustete sie leicht an, um sie anzufachen.


    Als die erste gelbweiße Schwade emphorstieg, ging Tiberios, die Schale in einer Hand, Titus hinterher.
    Ratten muss man ausräuchern, dachte er.

    Seit Tiberios von dem freundlichen Ianitor der domus Iulia erfahren hatte, dass Eireann von ihrem Herren Gaius Iulius Caesoninus tatsächlich verkauft worden war, machte er sich Sorgen;
    Eireann hatte ihm bisher keinerlei Nachricht zukommen lassen.


    Ob eingetreten war , was er befürchtet hatte ...schlechte Umstände für sie ? Domini, die sie einsperrten oder sogar Arbeit in einem Lupanar ?


    Tiberios beschloss beim Sklavenmarkt vorbeizugehen., um irgendetwas in Erfahrung zu bringen.


    Es war noch früh am Tage, zwischen der dritten und vierten Stunde.
    Der renommierte Händler Titus Tranquilus hatte wohl noch nicht geöffnet, und Nicoforos, der Händler aus Ostia, der damals Tiberios verkauft hatte, war nicht am Platz
    Ein Stand war schon offen, und zwei Sklaven reinigten gerade unter Anweisung ihres dominus mit einigen Eimern Wasser die Verkaufsplattform.
    Tiberios sprang zur Seite, sonst wäre er nass geworden.


    "Salve , dominus !", grüßte er.



    Der Sklavenhändler kam näher und musterte Tiberios genau.
    Ein Kunde ? Ach nein, nur ein Sklave.
    Aber eindeutig ein gehobenerer Haussklave, das sah man an seiner Kleidung. Vielleicht sollte der Bursche für seinen dominus die Ware schon mal vorsondieren ?
    Also würde Tuff Tuff ihn einigermaßen zuvorkommend behandeln, wenn auch nicht zu sehr. Von Sklaven, die ihren Platz nicht kannten, hatte er gerade mal genug.:


    "Kann ich dir behilflich sein , junger Freund ?", fragte er : "Suchst du etwas Nettes für deinen Herren?
    Ich habe eine reizende Tänzerin aus Gades rein bekommen, ein Quell der Freude und des Vergnügens...."


    "Du könntest mir in der Tat behilflich sein, dominus.", sagte Tiberios :
    " Ich möchte eine Auskunft über eine Sklavin , die kürzlich hier verkauft worden ist: Eine Keltin, dunkelhaarig und blauäugig, sehr hübsch. Ihr dominus hieß Gaius Iulius Casoninus. Weißt du vielleicht, wer sie gekauft hat?"


    Tuff Tuff erinnerte sich sofort an die Frau.
    Eine unmögliche Sklavin , aufsässig und widerspenstig , nicht einmal Stockschläge hatten ihre Frechheit zügeln können. Obwohl sie tatsächlich sehr hübsch war, hatte er mit dem Preis immer weiter herunter gehen müssen , und zum Gespött seiner Kollegen war er auch geworden.
    Nein, er hatte keine Lust, sich über diesen Fehlgriff zu unterhalten.


    "Weißt du was, junger Mann, ich bin kein Auskunftsbüro." sagte er entschieden unfreundlicher:
    "Und selbst wenn ich sie gesehen hätte, würde ich es dir nicht auf die Nase binden. Tuff Tuff ist ein Meister der Diskretion. "


    " Du hast sie gesehen ?", fragte Tiberios hoffnungsvoll.


    "Du hörst aber auch nicht wirklich zu. Ich bin verschwiegen, was meine Kunden betrifft.", brummte der Sklavenhändler :
    " Hau bloß ab !"
    Er drehte dem jungen Sklaven den Rücken zu , zum Zeichen , dass das Gespräch beendet war.


    Tiberios seufzte. Die junge Silurerin schien wie vom Erdboden verschluckt. Niemand hatte sie gesehen,
    niemand wusste etwas von ihr.


    Tiberios entfernte sich von dem Stand, ging etwas weiter weg und setzte sich auf einen Stein.
    Ob er warten sollte, bis die anderen Händler erschienen ? Aber die würden ihm vermutlich auch nichts verraten.


    Tiberios musste wohl oder übel warten, bis sich Eireann wieder bei ihm melden würde.
    Aber da blieb die Frage : Was war, wenn sie das gar nicht KONNTE ?




    Sim-Off:

    Sklavenhändler-NSC mit freundlicher Genehmigung: link


    "
    Philippos war der zwanzigjährige Sohn reicher Leute aus dem Königsviertel in Alexandria , sein Vater war ein Gastfreund meines ehemaligen Herren. Er selbst war ein anmutiger junger Mann mit dunklen Locken und fast schwarzen Augen.


    Er sah mich das erste Mal, als ich als junger Scriba hinter der Kline meines Herren stand , und er fragte mich nach meinem Namen:
    Seine zweite Bemerkung an mich war missbilligend : „Tiberios ? Das ist ein merkwürdiger Name für einen Griechen .Weshalb hat man dich so genannt?“
    „ Ich heiße nach dem ehemaligen Praefectus Aegypti, kyrios ", gab ich Auskunft.
    Das meine Mutter behauptete, dieser Mann sei ihr Großvater gewesen, sagte ich allerdings nicht dazu :
    „So ein bedeutender Name soll mir Glück bringen“


    Nach Tiberios Claudius Balbillus benannt ? Nun gut, das war wenigstens einer von uns.“ , sagte Philippos:
    Hör zu, Tiberios, Athenodoros meint, dass dein Latein passabel ist. Ich besitze Auszüge aus der Aeneis, die du mir abschreiben und übersetzen sollst. Mein Vater hat daher deinen dominus gebeten, dich mir für drei Monate auslzuleihen, und dieser hat zugestimmt: Pack also deine Sachen und begleite mich.“
    Obwohl es Hochsommer war, brachte mich Philippos in die Winterresidenz seiner Familie. Dort könnten wir ungestört arbeiten, sagte er.
    Als wir ankamen, zeigte Philippos mir die Räumlichkeiten:
    “Du darfst dich überall frei bewegen, nur solltest du das Haus nicht verlassen.“, ordnete er an :
    Wenn du Hunger hast, geh in die Küche und greif nach Herzenslust zu.. Wenn du etwas benötigst, werden meine beiden Sklaven es dir bringen. Du brauchst nicht in das Sklavenbad benutzen , es gibt eine schöne Therme hier, die hat Platz für uns beide.““


    Außerdem wies Philippos mir ein eigenes domation zu , was für einen Jüngling, der bisher meist auf der Fußschwelle seiner Herrschaft geschlafen hatte, ein großer Luxus war, aber ich schlief nicht oft dort.


    Anfangs war es so, dass ich von einer Sprache, die ich sehr gut konnte in meine Muttersprache übersetzte und schrieb, das war ein reines Vergnügen.
    Philippos kam sehr oft und legte mir den Arm um die Schultern, um zu sehen, was ich trieb. Und immer hatte er etwas zu loben, meine elegante Schrift oder meine gelungene Ausdrucksweise. Oder er kam mit einem gekühlten Getränk und machte sich einen Spaß daraus, mich zu bedienen.


    Als eine Woche vergangen war und wir wieder einmal in der Therme badeten, wollte ich mich gerade aus dem Becken schwingen, da riss mich Philippos zurück, drängte mich gegen die Wand und presste mir seine Lippen auf den Mund. Ich erschrak und dachte, dass er mit mir machen würde, was er wollte, aber er sagte flehend :
    „Habe keine Angst, mein Tiberios, niemand wird dir hier unter meinem Dach etwas Schlechtes antun und ich am allerwenigsten. Ich habe mich in dich verliebt und was ich von dir möchte, erreicht man nicht mit Zwang .
    Du sollst mein Eromenos sein , und ich bin dein Erastes. Ich werde alles für dich tun, was ein guter Erastes für seinen Eromenos tut, und es soll dauern, solange es dauert.


    Ich sagte :
    „Kyrios, diese Dinge sind nur für freigeborene Jünglinge“,
    und Philippos lachte und meinte :
    „Glaubst du, dass wüsste ich nicht ? Hör auf mich kyrios zu nennen, du sollst Philippos sagen. Geh davon aus, dass in diesen Räumen bleibt , was hier in diesen Räumen geschieht.“


    Philippos zog mich an sich, dann nahm er einen Schluck Weinin seinen Mund , küsste mich und ließ das Getränk sehr langsam in meinen Mund träufeln. Er streichelte mein Haar, mein Gesicht und
    flüsterte mir dann zu :
    „Traditionell müsste ich dir jetzt einen Hasen schenken, aber ich glaube , an einer anderen Gabe hast du mehr Freude….“


    Und er schenkte mir ein Kästchen aus Elfenbein mit versilberten Schreibgriffeln und Gänsefedern – all das befindet sich noch in Alexandria, denn als man mich verkauft hat, durfte ich nichts Persönliches mitnehmen .


    Philippos hielt mit allem Wort: Wir kamen nicht mehr zum Aeneis . Stattdessen verbrachte er jede Stunde mit mir und lehrte mich alles , was er selbst wußte. Er empfahl mir, nie die schlechten Eigenschaften anzunehmen , die man Sklaven oft nachsagt : Kriecherei, Verschlagenheit und Geldgier:


    „ Für einen Philosophen ziemt es sich, seinen Stand zu akzeptieren und nicht mit einem unabwendbaren Schicksal zu hadern. Also sei es dein Ziel nach der apatheia zu streben. Wenn du sie erreichst, wirst du innerlich immer frei sein."
    Ich hatte noch nie in meinem Leben erlebt, dass mir jemand eine solch ausschließliche Aufmerksamkeit widmete.
    Alles was er von mir wollte, war einfach nur gut und richtig.
    Ich lag nachts in Philippos‘ Armen und weinte vor Glück , und er hielt mich fest und trocknete meine Tränen.
    Philippos war der Geliebte, der für mich eine Kerze zwischen zwei Spiegel stellte und ich habe gesehen, dass sich die Kerzenflamme immer wieder spiegelte bis zur Unendlichkeit. .
    Damit hat er mir das Geschenk der Lust erklärt.: „Die Spiegel sind du und ich, Tiberios und Philippos. Die Flamme ist die Freude - Schau, wie sie tausendfach und zwischen beiden Spiegeln reflektiert wird.“


    Mein Philippos war ein durch und durch kultivierter und zartfühlender Mann, und ein guter Mensch. Ich bin von Herzen froh, dass ich ihn gekannt habe. „


    Aber dir ist schon klar, wie es geendet hat , nicht wahr ? "

    Tiberios nickte ernst , als Terpander sagte:
    Ein Teil von mir sehnt sich nach einer Freundschaft mit Lurco. Ein anderer Teil warnt mich vor solchen Gefühlen und dieser ist den Göttern sei Dank die Stimme meiner Vernunft."
    Er kannte dieses Gefühl genau.
    „Du hast Recht.“, sagte er : „Ich strebe immer noch nach der apatheia, und immer noch bin ich fürchterlich schlecht darin.
    Mein erastes war ein junger reicher Alexandriner, ich werde dir von ihm erzählen. Dann verstehst du, wie er das Dilemma gelöst hat. "
    Tiberios nahm sich noch ein paar Nüsse, kaute und schluckte, dann zog er seine Beine an und lehnte sich wieder gegen Terpanders Schulter..

    „Keinen Brief und kein Gespräch.“, sagte Tiberios bestimmt :
    „Dann geht die Geschichte von vorne los, sie muss aber aufhören. Ich sehe auch keinen gangbaren Weg, außer dein dominus tut , was viele tun und gibt sich mit heimlichen, schnellen Treffen wie in einem Lupanar zufrieden.


    Ich bezweifle jedoch, dass es das ist, was dein dominus möchte. Sonst hätte er nicht meine Freundschaft gesucht.


    Auch der edle Manius Purgitius Lurco, sein Kamerad von den Urbanici , hat immer mit mir gesprochen, als hielte er mich für ein menschliches Wesen.


    Dass wir Sklaven Sachen sind , ist eine kluge juristische Fiktion der Römer und passt zu diesem Volk, dass alles immer genau definieren muss. Andere Völker machen sich über so etwas gar keine Gedanken, obwohl sie selbstverständlich auch Sklaven halten.
    Es gibt genügend domini, die glauben, dass diese Fiktion die Wirklichkeit ist, aber Sisenna Iunius Scato hat nie dazu gehört.


    Was meinst du mit „Was erhälst du zurück „? Ich verstehe die Frage nicht wirklich .


    Die Furier - mein Herr weilt nicht in Roma - behandeln mich gut. Ich merke schon , dass sie mit meiner Arbeit zufrieden sind, wenn ich einen neuen interessanten Aufgabenbereich dazu bekomme,“

    Terpander schnippste eine Nuss in Richtung Tiberios‘ Mund, aber der Scriba wehrte sie mit der Hand ab und fing sie beinahe, jedoch nur beinahe:


    Diesen Trick, sie mit dem Mund zu fangen, musst du mir beibringen. Und auch, wie ich mich hätte befreien können, als du mich festgehalten hast. Vielleicht ist beides noch einmal nützlich in meinem Leben.“, sagte er :


    „ Ich bin froh, Tepander, dass ich offen mit dir über alles sprechen kann und dass du mich nicht verurteilst. Weißt du, auch ich hatte in Alexandria so etwas wie einen Erastes,den ich um Rat bitten konnte.
    Es war nur für sehr kurze Zeit. Aber manchmal ist es wichtiger, dass überhaupt etwas da war und nicht so wichtig, wie lange es gedauert hat.“