Tiberios ließ die Rahmenhandlung , die in Varros Werk so eine große Rolle spielte, beiseite und konzentrierte sich auf das Wesentliche, trotzdem brauchte er lange für die Zusammenfassung.
In der Stille der Bibliothek ließ sich gut arbeiten. Er genoss die Ruhe und die kultivierte Umgebung.
Dann legte er die Schriftrollen wieder auf ihren angestammten Platz zurück , erhob sich und packte seine Sachen.
Unter seiner Tunika fühlte er Eireanns Brief - und zu Eireann wollte er auch gehen, bevor es zu spät wurde.
Beiträge von Tiberios
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Tiberios hatte Eireanns Brief unter seine Tunika gesteckt , und begab sich nun von den Sklavenunterkünften in die Bibliothek der Casa Furia. Die domina der Casa, Furia Stella, hatte ihm gütigerweise erlaubt , sie zu nutzen.
Sisenna Iunius Scato, der vorhatte miles medicus zu werden, hatte über Miasmen gesprochen , und Tiberios war das contagion dazu eingefallen, wie sie es Alexandriner Ärzte bezeichneten – Dinge oder Gegenstände wie Kleidungsstücke oder Decken , die Krankheiten von Kranken zu Gesunden weiter trugen.
Aber wie haftete das Miasma an Dingen ?
Es musste einen eigenen Weg geben, wie sich Miasmen übertrugen, denn jede Wirkung hatte eine Ursache. ?
Doch es kam nicht immer zu einer Erkrankung, warum war das so ? Nur der Wille der Götter ?
Der furische Sklave fand in der wohlsortierten Bibliothek rasch ,was er suchte :
: Eine Ausgabe des römischen Gelehrten Marcus Terentius Varro „De re rustica“.
und hier die Stelle, deren genauen Wortlaut er wissen wollte:" Im Sumpf leben kleine Tierchen, die man nicht mit den Augen wahrnehmen kann - animalia quaedam minuta, quae non possunt oculis consequi - , und die durch Mund und Nase aufgenommen, schwere Krankheiten auslösen."
Ob diese Tierchen in den Miasmen lebten ?
So wie diese kleinen Fliegen in der Luft, bevor es ein Gewitter gab,? Ob sie sich auf das contagion setzten? Konnte Feuer sie töten?
Wasser? Essig?
Egal, ein zukünftiger medicus würde die richtigen Schlüsse ziehen.
Tiberios öffnete eine seiner Wachstafeln und begann Varros Werk abzuschreiben, er benutzte dazu die notae , die Kurzschrift, die man Ciceros Sklaven und späteren Freigelassenen Tiro zuschrieb.
So konnte er sich Zeit damit lassen, alles später ordentlich auf teuren Papyrus zu übertragen.
Er war so vertieft , dass die Zeit nur so verflog. -
Wenn dich Alltag interessiert, ich mochte Robert Gordian : Die Frau des Sokrates, allerdings eher ein dünnes Buch.
Sokrates ist kein Aristokrat, sondern Besitzer eines Handwerksbetriebes , und die ganze Geschichte wird auch aus der Sicht des Nachbarn, eines Schuhmachers , erzählt.Und dann besitze ich ein Sachbuch aus den 40ern , das aber wie einige ältere Geschichtsbücher wie ein Roman geschrieben ist und meiner Meinung nach die geistige Verfassung und Psychologie der Griechen gut beschreibt - von den Anfängen bis Byzanz.
nur noch antiquarisch:
Frank Thiess: Das Reich der Dämonen https://www.wissen.de/lexikon/…nk-das-reich-der-daemonen
Die Nazis hatten das Buch 1941 verbotenAber irgendwie gibt nicht sehr viele Romane, die im Alten Griechenland spielen.
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Tiberios setzte sich auf sein Bett, entrollte Eireanns Brief und las:
Ad:
Tiberios - Casa Furia
Roma | ItaliaSalve Tiberios!
Ich wusste nicht wie ich es dir mitteilen sollte. Also schreibe ich dir diesen Brief. Ich hoffe du kannst meine Worte entziffern. Meine Schrift ist nicht so elegant wie es deine Schrift als Scriba sein wird. Ich bitte dich auch meinen Brief bis zum Ende zu lesen und nicht mitten im Satz abzubrechen. Also was ich dir eigentlich sagen wollte war, ich ... ähm... ich habe.. ich genieße deine Nähe und.. und mein Herz pocht immer dann schneller wenn du in meiner Nähe bist. Ich weiß das mir solche Worte als einfache Sklavin nicht zustehen. Aber ich glaube, wenn sich so Liebe anfühlt, dann habe ich mich in dich verliebt.
Bestimmt sitzt du in deiner Kammer, liest diese Worte und schüttelst deinen Kppf. Aber es ist wahr Tiberios. Ich habe mich in dich verliebt und wusste nur nicht wie ich es dir mitteilen sollte. Eine keltische Sklavin in der Domus Iulia hat mich dann schließlich auf die Idee gebracht, dir diese Zeilen zu schreiben.
Bitte denke jetzt nichts schlechtes über mich.
Vale bene
Deine Eireann
Während er las, streichelte er den Brief, und als er las, wie sie sich für ihre Schrift entschuldigte, hätte er ihr am liebsten gesagt, dass er jeden einzelnen Finger küssen wollte, die diesen Stift geführt hatten.
Eireann schrieb , sie liebte ihn..
Tiberios sagte es sich leise vor : Eireann hat sich in mich verliebt.Tiberios 'Mutter Caenis hatte ihn immer gewarnt : "Verliebe dich nie in eine andere Sklavin, das wird euch beiden nur Leid und Kummer bringen !", und nun war es doch geschehen:
Aber Tiberios spürte bei Ereann nichts von Leid und Kummer, er spürte nur Freude.Ich muss sie sehen, dachte er . Der Ianitor der Domus Iulia war das letzte Mal sehr freundlich zu mir ,
ob er sie mir an die Porta holen würde ?Er las Eireanns Brief wieder und wieder.
Dann steckte er ihn unter seine Tunika und begab sich zur Bibliothek. Eine selbstgewählte Aufgabe lag ihm am Herzen ,und er wollte sehen, ob er fündig werden würde.
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Tiberios nahm Eireanns Brief an sich und ließ sein eigenes Schreiben hier :
Ad
Gnaeus Furius Philus
Casa Furia
RomaSalve dominus Gnaeus Furius Philus,
Nachtrag ANTE DIEM IV NON APR DCCCLXX A.U.C zum Geschäftsbericht vom VIII KAL APR DCCCLXX A.U.C:
Auffinden von zwei Semilibra Seide ,Qualität sehr gut ,
bestellt und bezahlt jeweils ANTE DIEM III NON IUL DCCCLXIX et NON MAI DCCCLXIX A.U.C.
von Memmius Vibullius Vatinianus und Numerius Nasidius Triarianus Tranquillus
wurden jedoch bis zum heutigen Tag nicht abgeholt.Ich erbitte weitere Anweisungen
Vale Bene
TiberiosSERVUS AUTEM
GN.FURIUS C.F SUB PHILUSDann begab er sich in die Sklavenunterkunft, um in Ruhe Eireanns Brief zu lesen.
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Tiberios wurde rot vor Freude , als er das hörte.
"Danke , Lyda , du bist die Beste!", sagte er und ging zum Briefkasten der Casa Furia , um nachzusehen. -
Tiberios trat ein .
„Salve, Lyda, entschuldige bitte vielmals , wenn ich dich beim Essen gestört habe“,
sagte er – er mochte die freundliche ältere Sklavin gut leiden :
„Da ich nun in Portus Ostiensis arbeite und nur ab und zu in die Casa komme , wollte ich lieber anklopfen, um niemanden zu erschrecken.
Ich habe hier etwas für den Schreibtisch meines dominus und vielleicht weißt du, ob auch Post für mich gekommen ist ?“ -
Tiberios war aus Portus Ostiensis gekommen, und es war noch früh am Tage. Er fröstelte etwas und zog seinen Mantel fester um seine Schultern.
Der junge vilicus hatte den Nachtrag zu seinem Geschäftsbericht für seinen dominus Gnaeus Furius Philus dabei, um ihn abzugeben und klopfte nun an die Porta, um zu erfragen, ob besondere Nachrichten oder Anweisungen für ihn angekommen waren. -
In Alexandria hatten sie so etwas „Tote Ware“ genannt , Dinge, die zwar bezahlt, aber aus unerfindlichen Gründen nicht abgeholt worden waren. War der Kunde nur verstorben, gehörten die Sachen seinen Erben, doch ab und zu kam es auch vor, dass der Betreffende in Ungnade gefallen war. Da war es besser, geschäftliche Verbindungen überhaupt nicht offen zu legen. Gerade politische Delikte zogen manchmal Kreise.
Außerdem war so ein Fund eine hübsche Versuchung für diebisches Personal.
Auch wenn es sich hier um die ganz kleinen Ballen zu einer semilibra im Wert von 20 aurei handelte, war die Seide so wertvoll, dass Tiberios nur mit der Hälfte davon beispielsweise sich selbst und Eireann dazu hätte freikaufen können - und noch genug übrig geblieben wären.Gorgonus und Himildo kamen auf solche Überlegungen nicht, doch der erfahrene Cassander hatte Tiberios angestupst und gelacht :
„Wie wäre es, wenn du dein Kürzel bei „Ware abgeholt“ hinschreibst , wir verkloppen das Zeug und machen Halbe – Halbe.“
Natürlich würde Cassander jederzeit behaupten, er habe nur einen Witz gemacht, aber Tiberios war solchen Witzen gegenüber misstrauisch :
Es konnte sein, dass Gnaeus Furius Philus seinen neuen vilicus auf die Probe stellte.
Tiberios musste sich so schnell wie möglich um dieses Problem kümmern.Er verfasste in seinem officium folgendes Schreiben:
Nachtrag ANTE DIEM IV NON APR DCCCLXX A.U.C zum Geschäftsbericht vom VIII KAL APR DCCCLXX A.U.C:
Auffinden von zwei Semilibra Seide ,Qualität sehr gut ,
bestellt und bezahlt jeweils ANTE DIEM III NON IUL DCCCLXIX et NON MAI DCCCLXIX A.U.C.
von Memmius Vibullius Vatinianus und Numerius Nasidius Triarianus Tranquillus
wurden jedoch bis zum heutigen Tag nicht abgeholt.Anrede und Grußformel ließ er weg, da es sich nur um einen Nachtrag handelte.
Und so musste der junge Sklave doch wieder nach Roma, zur Casa Furia.
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Danke ,
okay
manchmal weiß es halt jemand, weil er das früher schon gemacht hat oder so.
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Darf jeder die Bibliothek der Schola Atheniensis nutzen oder muss man sich da irgendwo anmelden?
Ich finde keinen Ansprechpartner, sind alle im Exil. -
Die nächsten Tage verflogen.
Tiberios verfolgte sein Ziel weiter, die Räumlichkeiten des Handelshauses Furii zu den am besten aufgeräumtesten, den saubersten und wohlgeordnesten von Portus Ostiensis zu machen. Und gerade hatte er den Eindruck, die drei anderen Sklaven unterstützten ihn .
So erfolgte der Frühlingsputz - und ab und zu gab es auch eine erstaunliche Entdeckung: Cassander fand zwei kleine Ballen Seide, die zwar im letzten Jahr bezahlt – Tiberios sah das in den Büchern – aber nie abgeholt worden waren, sie waren vielleicht von Kunden, die im Exil oder gar gestorben waren, bestellt worden.
Tiberios notierte sich die Namen auf, das musste er in Roma recherchieren beziehungsweise Gnaeus Furius Philus mitteilen.Auch für das Problem mit dem Essen gab es eine Lösung : Eine Ostienser Witwe mit Kindern würde für das Handelshaus kochen und das Essen im neugekauften Henkeltopf persönlich anliefern. Das schaffte ihr ein kleines, aber regelmäßiges Einkommen. Die Frau hatte einmal bessere Tage gesehen und kochte ordentlich..
Damit schlug Tiberios zwei Fliegen mit einer Klappe : Das Essen wurde besser ,und die Küchensklavin – Gorgonus „Freundin“ würde gar nicht mehr kommen.Passend zum Fest der Veneralia gab der furische vilicus das Geld für ein billiges, aber sauberes Lupanar aus, es war wichtig , dass auch Sklaven etwas für ihre Gesundheit und ihre Arbeitskraft taten.
Da sie das Handelshaus nicht alle alleine lassen konnten, blieb Tiberios .alleine zurück.
Gerade war er dankbar für die Arbeit der Vigiles, die für Sicherheit vor Räuberbanden sorgten – es wäre wohl sonst nicht möglich gewesen, ein Handelshaus mit kostbaren Waren auch nur kurzzeitig von einem einzelnen unbewaffneten Mann bewachen zu lassen.Trotzdem fühlte er sich in dem großen Gebäude seltsam. Er streifte durch die Stockwerke- sehr gut, alles war an seinem Platz und der Boden roch nach Essigwasser. Essig scheint Miasmen zu vertreiben, dachte Tiberios, und dann fielen ihm die Seiten des Werkes von Terrentius Varro „De re rustica“ ein, die er in einer der großen Bibliotheken Romas kopieren wollte – leider kannte er niemanden, der er ihm die Schriftrollen ausleihen konnte.
Vermutlich hatten sie in der Casa Furia aber eine Ausgabe.Roma ! Das war gerade weit weg.
Tiberios lehnte die Stirn an die Wand.Er sehnte sich danach , jemanden in den Arm zu nehmen und nach Liebe und nach der einzigen Frau, die er lieb haben wollte: Eireann stand vor seinem inneren Auge :, anmutig und so schön, das er den Atem anhielt , wenn er an sie dachte.
Außerdem : Sie konnten sich gegenseitig alles sagen. Sie beide waren Sklaven, es gab keine Kluft zwischen ihnen. Höchstens dass sie einst frei gewesen war und er noch nie.
Er sehnte Eireann herbei.
In Gedanken fing er an, einen lieben Brief an sie zu schreiben:
„Chaire, meine Schönste ,
ich hoffe, du berfindest dich wohl ,
ich hoffe, du hast mich nicht vergessen.
Ich denke jeden Tag an dich ….“
Tiberios lächelte:
„Mein kleiner Feuerkopf, mein Mädchen, das immer mit dem Kopf durch die Wand möchte, und dass ich gar nicht anders haben will. Teuerste, Treuste und Liebste Eireann.
Ich weiß nicht, wann ich wieder nach Roma komme, an einem Feiertag oder wenn meine Dienste benötigt werden – es ist immerhin fast eine Tagesreise. „Sein letzter Satz holte Tiberios in seine einsame Realität zurück: Er hatte keine Möglichkeit, Eireann zu erreichen. Und was nützte die Liebe in Gedanken?
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Wenige Stunden später wachte Tiberios auf. Er hatte geschlafen, und er fühlte sich nicht mehr ganz so elend. Er erfrischte sich mit kaltem Wasser, spülte den Mund aus und kämmte sich, dann schob er den Vorhang bei Seite.
Seine drei Mitsklaven saßen um den Henkeltopf , jeder eine Schale in der Hand. Einziges Licht spendete ein funzeliges Öllämpchen.
Tiberios setzte sich dazu und zeigte ihnen den neugekauften, sauberen Topf.
Hunger hatte er keinen, eher das Gefühl, er könne nie wieder im Leben etwas essen."Was ist los, vilicus ?", fragte Cassander, der ältere Sklave: "Du siehst aus, als wärst du den lemures begegnet."
"Mir geht es gut ", sagte Tiberios, und wandte sich direkt an Gorgonus:
ZitatOriginal von Sisenna Iunius Scato
"Der erste Weg wäre natürlich, mit Gorgonus zu reden. Eine Einladung zum Essen, bei der du dich allen Sklaven in ungezwungener Atmosphäre vorstellst, am besten mit viel Alkohol, wäre für den ersten Tag gut gewesen, um sich zu beschnuppern. So bist du da einfach reingeplatzt und hast die in Abwesenheit des Herrn ausgekasperte Rangordnung über den Haufen geworfen. Obendrein wird ihm nun der Sack drücken, nachdem du sein Liebchen verjagt hast. Das macht die Meisten nicht freundlicher. Du bist jünger, du bist kleiner und du bist dort allein. So lange Gorgonus dich nur ignoriert , aber deinen Anweisungen nachkommt, ist es in Ordnung und die Sache ist noch zu retten. Bleibe ruhig, körperlich sitzt er am längeren Hebel."Tiberios benutzte Scatos lockere Ausdrucksweise:
„Hat dich der Sack gedrückt, Gorgonus? „
, fragte er : „Ich hoffe, ihr ward nicht in meinem officium. . Sonst muss ich wieder stundenlang sauber machen …..“
Gorgonus schwieg.Aber Cassander lachte : „Weshalb glaubst du, dass bei Gorgonus soviel daneben geht, vilicus ?“, fragte er: „Nein, sie waren natürlich in deinem cubiculum, .....das war gerade ein Scherz.“
Gorgonus schaute düster.„Nenn mich Tiberios“, sagte Tiberios zu dem älteren Sklaven .
Cassander nickte : „Das wollte ich doch schon länger fragen. „, sagte er : „Warum hast du einen römischen Namen ? Du bist doch kein Römer ,oder.? Oder hat dich der dominus so genannt ?“
Tiberios schüttelte den Kopf :
„Ich heiße nach Tiberios Claudius Balbillus, der früher einmal Praefectus Aegypti, war. Sein Vater war noch ein Freigelassener gewesen, das behauptete meine Mutter wenigstens, doch das war Unsinn, und sie meinte, sein Name würde mir Glück bringen. Außerdem behauptete sie, er wäre ihr Großvater.“„Ich weiß nicht, wer mein Großvater ist „, sagte Himildo und Cassander ergänzte: „Du weißt nicht einmal, wer dein Vater ist !“
Himildo, weit entfernt davon beleidigt zu sein, fing an zu lachen, und Gorgonus stieß ihn grinsend an .„Wir sitzen gerade auf dem Trockenen.“, sagte Tiberios : „Wie wäre es mit etwas Wein für die Gemütlichkeit ?“
„Gorgonus, geh du !“, sagte Himildo : „ So wie du aussiehst, haut dich keiner übers Ohr !“,
Tiberios schaute den großen Sklaven über dem Schein der Öllampe an und fragte::
„Würdest du uns den Gefallen tun, Gorgonus?“Er erhob die Stimme nicht. . Er wollte auch als vilicus so sein, wie er nun mal war und keine schlechte Imitation eines dominus.
Zu seiner Überraschung nickte Gorgonus, ohne ihn anzusehen und erhob sich .
Tiberios holte das Geld ,das er vom Topfkauf übrig hatte, aus dem Beutel und gab es ihm .Wenig später kam der Mann mit einer Amphore zurück, und der Wein war zwar kein Falerner, aber nicht schlecht .Tiberios trank ziemlich viel und war schweigsam. Die Unterhaltung plätscherte hin -und her.
Der Wein erzeugte einen angenehmen Nebel im Kopf, in den er eintauchen konnte .Es war kein guter Abend, aber auch kein ganz schlechter.
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Tiberios kehrte vom Forum der Minerva in das Handelshaus Furii zurück - diesmal war er von einer Kutsche mitgenommen worden. Er hatte die Erfahrung gemacht, dass wenn man einigermaßen reinlich aussah und freundlich fragte, sich immer etwas ergab. Die Kutsche war von einer Familie aus der Provinz gemietet , und Tiberios hatte, nach dem sie herausbekommen hatten, dass er Grieche war, dem filius griechische Vokabeln abfragen dürfen: ho philos, tou philou, to philo und so weiter und das die halbe Strecke- bis der Junge eingeschlafen war.
Der furische Sklave kam in Portus Ostiensis an. Ein kalter Wind wehte, und die Luft roch nach Schnee, obwohl der Frühling so warm angefangen hatte., Tiberios zitterte und klapperte mit den Zähnen. Er klopfte an das Tor des Handelshauses : „Salvete !“, und Himildo öffnete ihm . Drinnen war es nur unwesentlich wärmer als draußen, dafür war es windgeschützt.
„Salve, vilicus – du siehst nicht gut aus. Bist du krank ? Sollen wir einen medicus besorgen?“, sagte der Sklave.
Tiberios schüttelte den Kopf : „Ich hoffe nicht“, sagte er: „Ich muss erstmal etwas ausschlafen, ich bin seit gestern durchgehend wach. !“
Er war weiß wie eine Kalkwand.
Himildo nickte:
„ Ich konnte es nicht verhindern, dass das Mädchen wieder hier war.“, flüsterte er und hob bedauernd die Arme.
„Danke, dass du mir Bescheid sagst“, sagte Tiberios : „Ich kümmere mich später darum. „
Himildo schaute ihm etwas irritiert hinterher. Tiberios ging in sein cubiculum – das erste Mal in seinem Leben besaß er ein eigenes Schlafzimmer, selbst wenn seine Decke klamm und das Ganze nur mit einem Vorhang vom Hauptraum abgetrennt war.Er legte sich hin und fühlte sich noch immer elend.
"Minerva , bitte hilf mir ", sagte er laut .Er würde jeden Abend zu Minerva beten, Scato zu beschützen. Vielleicht auch zu Mars, da er doch ein miles war , und auch zu Fortuna, damit sie ihm gewogen war. Und zu Faunus sowieso – der dominus Scato gehörte ja seiner Bruderschaft an.
Vielleicht würden die Götter das Opfer , das er gebracht hatte, akzeptieren.
Und Tiberios fiel noch etwas ein, was er für Scato tun konnte:
Er würde ihm das Werk eines Schriftstellers kopieren, der ihm nützlich für sein Studium sein würde. Tiberios konnte nur in seiner freien Zeit daran arbeiten und Papyrus war nicht billig , so würde die Arbeit eine Weile dauern ,und das war ihm gerade Recht. -
Tiberios fühlte sich sterbenselend . Das Geld fiel in seine Hand , als würde es brennen, er konnte vor Entsetzen kaum atmen. Die Worte Scatos trafen ihn bis ins Mark.
Seine Grausamkeit wurde mit Grausamkeit erwidert – und Scato war ein Meister .
Obwohl Tiberios überzeugt war, das Richtige zu tun, obwohl er die Situation provoziert hatte, schmerzte die kalte Verachtung von Scato sehr. Es wäre leichter gewesen, der Mann hätte ihn geschlagen. Mechanisch sammelte der junge Sklave das Geld auf , nahm Scatos Geschirr und das seine , um es in die Garküche zurück zu bringen.Tiberios erinnerte sich an Scatos Berührung heute, daran, wie er ihm damals in der Therme die Hand gereicht hatte ,und er konnte jetzt seine Tränen nicht mehr zurück halten.
Aber es war vorbei., der Römer war gegangen.
Er würde ihn wohl nie wieder sehen und wenn ja, würde der dominus Scato ihn so ignorieren, wie es einem undankbaren Diener zukam.Sisenna Iunius Scato würde eines Tages miles Medicus werden und später optio valetudinanii . Er würde mit Hilfe seines hellen Verstandes und seine Hände Kameraden retten , er würde Verbesserungen der Hygiene einführen, er würde den glorreichen Weg gehen, den ihm Faunus und Mars bestimmt hatten. Er hatte die Kameradschaft der Urbanici, die Brudrschaft der Luperci, die Freundschaft von Manius Purgitius Lurco und den Ruhm der Roma Aeterna.
In dieser Welt hatte Tiberios keinen Platz, und er selbst hatte es klar gestellt.
Trotzdem – es tat verdammt weh.
Es war so ähnlich wie damals, als man in aus Alexandria wegverkauft hatte, aber damals hatte er ein Fieber bekommen. Jetzt funktionierte sein Körper, er glaubte nicht, dass er krank wurde. Der Schmerz war anderer Natur.
Plötzlich war er froh, dass er Roma verlassen und nach portus Ostiensis zurück kehren konnte. Dort wartete seine Arbeit. Dort konnte er sich verkriechen . Und wenn Gorgonus ihn übers Geländer werfen wollte – um so besser. Verdient hätte er es.
Tiberios machte sich auf zum Handelshaus Furii.
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Tiberios schloss einen Moment die Augen, als Scato ihn berührte , ihm wurde schwindlig , so tief war die Zuneigung, die er fühlte.
Er besaß genug Geistesgegenwart , mit seinen Händen über die Tunika des Römers zu streichen, als würde er sie richten , als wäre er ein Sklave, der die Kleidung seinen dominus in Ordnung hält . Er wollte nicht, dass dieser stolze Römer wegen ihm ins Gerede geriet oder gar verachtet wurde, , das war er selbst nicht wert.
Sklaven wie ihn konnte ein freier Mann in einem Lupanar benutzen oder wenn er sie selbst besaß, mit ihnen machen, was er wollte, aber Gefühle gegenüber einem fremden Sklaven – das war völlig unmöglich, das würde zur gesellschaftlichen Ächtung führen. Da konnte man nur noch in die Barbarenländer jenseits der bewohnten Welt auswandern.Sisenna Iunius Scato aber war ein Urbaner und Lupercus, stand durch seine Fähigkeiten vermutlich am Anfang einer großen Karriere – und er , Tiberios , war der Letzte, der ihm das zerstören würde. Denn er fürchtete, dass Scato ihn eines Tages dafür hassen würde.
"Nein, ich weiß nicht, was ein erastes ist ... ich dachte bisher immer, das sei ein Name."Und soll das heißen, du hast dich freiwillig als Sklave gemeldet? Du hast dich aus freien Stücken für dieses Leben entschieden?", fragte Scato in diesem Moment .
„Erastes, der Liebhaber und Eromenos der Geliebte, so war der griechische Brauch, immer ein älterer Mann und ein jüngerer. Der Ältere gibt dem Jüngeren alles ,was er an Erfahrung und Weisheit hat, der Jüngere tut alles dafür, den Älteren stolz zu machen. Alexander der Große meinte, ein Heer aus Geliebten wäre unbesiegbar, weil jeder für den anderen freudig sterben würde. Diese Verbindung gibt es jedoch nur für Aristokraten, natürlich nicht für Sklaven. Philippos war ein Freund meines Herren ,und er bat ihn , mich für drei Monate auszuleihen, um ihm verschiedene Texte aus dem Lateinischen zu übersetzen.
Das hätte schlecht für mich enden können, wenn Philippos ein schlechter Mensch gewesen wäre, doch das war er nicht. Er hat mich als erastes umworben, bis ich sein eromenos wurde.
Ich wollte sagen, dass ich unfrei geboren bin und diese Entscheidung der Götter angenommen habe. Aber denken kann ich , was ich möchte.“Und nun machte sich Tiberios daran, Sisenna Iunius Scato zu schützen, obwohl es ihn innerlich fast zerriss, in dem er sich selbst demontierte.
„Damals war ich noch jünger, dominus Sisenna Iunius Scato, inzwischen bin ich älter.“, sagte er in diesem kalten schneidenden Ton, der vermutlich schon Gorgonus auf die Palme gebracht hatte:
„Ein Sklave muss sehen , wo er bleibt. Wenn du mit mir schlafen willst, gib mir ein paar Sesterzen und dann bekomme ich das hin. Da ist nichts, was dir eine Last sein sollte, und ich bin daran gewöhnt. Also sag mir, wo und wann.“Und Tiberios hielt die Hand auf.
„
-
Tiberios war bewegt.
Der Römer war wie ein dunkler See, tief und undurchschaubar, doch wenn er etwas von seinen Gefühlen zeigte, war es, als würde sich die Sonne auf der Wasseroberfläche spiegeln.„Ob mein Herr deiner Meinung sein kann, und ich nicht versage , dominus Scato, das muss ich erst noch beweisen.“, sagte Tiberios leise:
„In Alexandria hatte ich einen erastes – ich weiß nicht, wie weit du mit den griechischen Bräuchen vertraut bist, denn eigentlich ist diese Institution nur etwas für freie junge Männer, aber ich hatte das Glück von einem guten Menschen als Geliebter ausgesucht zu werden. Philippos - so hieß er - empfahl mir,: „ Nimm deinen Stand an .Du kannst selbst keine Macht haben, denn deine Aufgabe wird sein, einem Mächtigen das Leben zu erleichtern. Strebe nach der apatheia, der absoluten Gemütsruhe der Philosophen , und du wirst innerlich frei sein .“Jetzt lächelte der junge Alexandriner:
„ Ich bin schlecht in apatheia, denn mein Gemüt ist ganz und gar nicht
gelassen.„, sagte er:
„Den Teil von mir, der nur aus freien Stücken gegeben werden kann , den besitzt du bereits, dominus Sisenna Iunius Scato !"Er errötete und sah zu Boden. Von Gemütsruhe war er gerade wirklich weit entfernt.
Der standesbewußte Tiberios hoffte , Sisenna Iunius Scato würde ihn nun einfach auslachen – was solle er mit den Gefühlen eines Sklaven, der ihm nicht einmal gehörte?
Und er hoffte gleichzeitig, Scato würde das nicht tun. -
Tiberios hörte Scato aufmerksam zu. Er hatte schon so viele Dinge gesagt, die richtig waren, bestimmt lag er auch hier richtig.
Es nochmal mit Gorgonus versuchen, notierte er sich in Gedanken : Auch wenn wir in diesem Leben keine Freunde werden, vielleicht reicht es für ein vernünftiges Nebeneinander.Manche reagieren auf Angst mit Zorn , hatte der dominus Scato gemeint.
Tiberios hörte in sich hinein, wie er selbst reagierte, wenn er Angst hatte. Er versteckte seine Angst nicht hinter Zorn, sondern hinter seiner anerzogenen Haltung – kalte Korrektheit und fast schon beleidigende Höflichkeit.
Auf diese Weise war er Gorgus gegenübergetreten. Vielleicht sollte er damit anfangen, ihn wie alle anderen Gorgonus und nicht bei seinem korrekten Namen Gorgus zu nennen.
Tiberios nickte :
„Ich werde deinen Ratschlägen folgen und etwas Neues ausprobieren“, sagte er schon wesentlich zuversichtlicher als am Anfang ihres Gespräches:Als der dominus Scato von seinem Stand als Tiro sprach , wurde der junge Sklave sehr nachdenklich.
Dass diese stolzen Römer sich auf diese Weise ihrer Pflicht unterwarfen, hatte er sich nicht so
vorgestellt . Aber er hatte sich auch das Befehlegeben anders vorgestellt.„ Demut ohne Widerspruch und Respekt – Roma ist wahrhaftig eine strenge domina, dominus Sisenna Iunius Scato.“, sagte er beeindruckt und dann sehr besorgt:
„ Dürftest du als Tiro denn einen Sklaven besitzen ? Wäre ich in deinem Dienst, würde ich dir all die ungeliebten Arbeiten wie Wäsche waschen abnehmen, und du bräuchtest niemals um etwas zu bitten.“ -
Tiberios aß erstmal – solch ein Essen sollte man genießen und es war zu gut.
Seltsamerweise fühlte er sich getröstet – der dominus Scato hatte schon wieder Recht : Gorgonus wäre zu dumm, einen " Unfall " anzukündigen und dann durchzuführen – und dumm war er nicht , eher nur roh und vermutlich einfach wütend, dass man ihm einen neunzehnjährigen Griechen vor die Nase gesetzt, der noch nie in seinem Leben körperliche Arbeit geleistet hatte.
Tiberios war wie immer sehr vorsichtig mit dem, was er offenbarte.
Sisenna Iunius Scato war dermaßen höher im Rang, dass es ein Wunder war, dass er sich mit ihm abgab, daher wollte er ihm keinesfalls lästig fallen.
Trotz der Haltung des immer dienstbereiten, pflichtbewußten Scriba, zu der er erzogen worden war , konnte er nicht gut verbergen, wie sehr er den Römer mittlerweile mochte.Tiberios wußte nicht in wie fern Sisenna Iunius Scato Untergebene hatte, doch er fragte sich, ob der Urbaner von seiner Gabe wußte, Loyalität und Zuneigung in Menschen zu wecken. Er selbst wäre für ihn jetzt schon durchs Feuer gegangen.
" Ich glaube nicht, dass Gorgonus jemals etwas Böses getan hat , aber er ist die Nachtwache und dazu gehört, dass er mit einem Knüppel umherläuft und furchterregend wirkt .“, sagte Tiberios:“ Das ist wohl genau der Zweck, warum er gekauft wurde. - Mit den Verwandten meines Herren sprechen – ich kenne sie nicht gut genug und will den Furiern gegenüber keinesfalls jetzt schon den Eindruck erwecken, ich sei meinem neuen Amt nicht gewachsen .“
Er dachte weiter über Scatos Worte nach : „ Meinst du , eine Runde Wein und vielleicht ein Besuch im Lupanar könnte was ändern ? Auch jetzt noch ? …. und bitte dominus Scato, bereue es nicht, dass du mir Erlaubnis gegeben hast, zu sprechen. Ich schäme mich sehr , dass ich deine Güte und Großzügigkeit ausnutze.“
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Tiberios legte den von ihm verfassten Bericht über die Geschäftsvorgänge, Ein- und Ausnahmen des Handelshauses Furii auf den Schreibtisch für Gnaeus Furius Philus. Er hatte angefügt, dass er für die drei Sklaven und sich einen neuen Henkeltopf anschaffen würde.
Er hätte sich bei Lyda noch gerne bedankt, da es aber schon spät geworden war , und er noch heute nach Ostia- Hafen zurück musste, brach er zum Forum um den Minerva Tempel auf.