Beiträge von Manius Purgitius Lurco

    Lurco drehte sich zu dem Sterbenden um.


    "Corvus? Sagte das möderische Schwein CORVUS? Corvus.... Rabe", sinnierte Lurco und schaute auf die zwei Vogelschädel in seiner Hand und nickte langsam und bedächtig.


    "Die zwei Vogelschädel sind Rabenschädel Cerretanus. Zudem erinnere ich mich daran, dass ich im brennenden Lupanar von Kyriakos ebenfalls dieses Zeichen an der Wand gesehen habe. Das heißt wir haben zwei Tatorte in der Subura die von Corvus überfallen und vernichtet wurden.


    Da das Lupanar und der Laden hier von einer Gruppe angegriffen wurden, müssen wir davon ausgehen dass Corvus eine kriminelle Gruppierung ist. Oder das von einer solchen Gruppierung der Redelsführer Corvus genannt wird", sagte Lurco, warf die Schädel kurz in die Luft und fing sie wieder auf.


    "Niemand außer uns darf Waffen tragen, die Täter können noch nicht so weit gekommen sein. Wir sollten alle zur Verfügung stehenden Kräfte mobilisieren und die Subura sofort durchkämmen. Jeder der eine Stichwaffe bei sich trägt, muss verhaftet und unter schräfsten Bedingungen verhört werden.


    Die Frage ist, wer hat ein Interesse daran, dass das Lupanar abfackelte?
    Oder dieser Laden?
    Wer steht in direkter Konkurrenz?


    Die Mörder haben den Ladenbesitzer erstochen und auch einen Mann draußen vor der Tür. Also wer einen Dolch mit sich führt, ist schon Tatverdächtig. Was sagst Du Optio?", fragte Lurco und schaute Scato an.


    "Also meine Eierbehandlung hatte er ganz gut überstanden, gut das Du ihm geholfen hast", grinste Lurco, blinzelte aber dabei, dass es nur ein Scherz war.

    Hatte man Töne, Rammy der Mann von Mut und Ehre betrog! Na das konnte er auch, da stand er seinem bulligen Kumpel in Nichts nach. Lurco griff sich zwei weitere Würste und presste die drei zu einer dicken zusammen und mampfte so, was das Zeug hielt. Zwar verbrannten sie sich die Pfoten, Zungen und Münder, aber hier ging es um die Ehre! Da musste man Opfer bringen.


    Herausfordernd starrte Lurco Rammy über sein Wurst-Triangel an, während ihm das Fett die Mundwinkel herablief. Er hätte gerne etwas Herausforderndes gesagt, aber dafür hatte er keine Zeit, er musste beißen, kauen und schlucken. Für Worte blieb da keine Zeit.

    "Draußen unter freiem Himmel? Das ist eine geniale Idee Scato", freute sich Lurco.


    Lurco nahm seinen Pferd den Sattel und das Geschirr ab und ließ lediglich das Halter um dessen Kopf. Den Anbindestrick, den Lurco vorsichtig um den Hals seines Pferdes befestigt hatte, nahm er ab und band es an. Sanft streichelte er den Braunen, das Pferd hätte er am liebsten für immer behalten.


    Danach nahm sich Lurco Scatos Weißem an, kümmerte sich ebenso um dessen Pferd und stellte beide Sättel und ihre Ausrüstung unter einen Baum, so dass alles seine Ordnung hatte.


    "Ich komme ja schon", rief Lurco gut gelaunt zurück.


    Lurco schaute noch einmal rückversichernd über die Landschaft. Zuerst im weiten Bereich, dann den mittleren und dann ganz nah in ihrer Umgebung, so dass die Augen stets an die korrekte Distanz gewöhnt waren. Nichts. Niemand. Zudem verließ er sich auf die guten Sinne der beiden Pferdekollegen. Sie würden rechtzeitig Alarm schlagen und nur am Halfter befestigt konnten sie sich auch nicht bei Erschrecken verletzen.


    Lurco genoss noch einen Moment den Ausblick auf die Landschaft und den schwimmenden Scato, ehe er sich selbst komplett auszog und Scato ins Wasser folgte. Er tauchte selbst einen Augenblick unter und gesellte sich dann zu seinem Freund. Lurco umarmte Scato um den Hals und küsste ihn fest auf den Mund.


    "Salve", grinste er breit, ehe er ihn untertauchte.

    Lurco genoss den Ritt, ebenso wie ihre Unterhaltungen und das stille Beisammensein. Der Urlaub hätte nicht schöner beginnen können. Sie waren den ganzen Tag unterwegs und das sogar bis in den Abend hinein. Sie erreichten die Ausläufer der Stadt und Scato verließ den Hauptweg. Hinein ging es in die bergische Landschaft, die bewaldet war. Der Schritt der Pferde wurde federnder, da der Untergrund weicher wurde. Angenehm für Mensch und Tier, fand Lurco.


    Die Abendsonne senkte sich herab und färbte die Landschaft und die Stadt in glutrotes Licht, ganz so als wollten ihnen die Penaten aus ihrem Barackenofen zuwinken. Der Anblick war atemberaubend schön. Lurco zügelte sein Pferd und ließ den Blick über die Landschaft streifen.


    Sie ritten weiter und die ersten Häuser Tiburs kamen in Sicht. Scato schenkte ihm ein glückliches Lächeln und Lurco erwiderte es genauso herzlich.


    "Wo werden wir übernachten Scato?", fragte Lurco gut gelaunt und streichelte seinem Pferd den Hals.

    Lurco blieb ebenfalls im Sand stehen, verschränkte die Arme demonstrativ vor der Brust und schaute sich verächtlich um.


    "Wie alt bist Du Rammy? Ich dachte Du hättest eine Herausforderung ausgesprochen, stattdessen willst Du im Sand spielen? Wenn schon eine Herausforderung dann richtig auf hartem Stein und heißem Pflaster und nicht auf Sand wie Memmen. Mir nach, wenn Du Eier in der Hose hast", verlangte Lurco, stieß Ramnus an und gab nun seinerseits den Weg vor.


    "Im Sand kabbeln, ich fasse es nicht", hörte Rammy Lurco vor sich murmeln.


    Lurco führte seinen Kontrahenten schnurstracks zum Tor, sogar weiter noch vom gesamten Gelände der Castra. Ramnus musste sich schon fragen, wohin Lurco ihn überhaupt führte, als ein verführerischer Duft in seine Nase stieg. Vor dem Bratwurststand machte Lurco halt und starrte Ramnus hart in die Auge. Dabei gab er die Bestellung auf, ohne Rammy aus den Augen zu lassen.


    "Für jeden fünf Bratwürste zeitgleich! Wer zuerst alle aufgefressen hat, hat das Duell gewonnen. Wer nicht aufschafft hat verloren. Der Verlierer zahlt die Würste!", bestimmte Lurco die Duellregeln.


    Der Mann am Stand briet Bratwürste was das Zeug hielt und legte ihnen dann jeder fünf der Würste in Reih und Glied auf den Tisch.


    "Möge der bessere Mann gewinnen. Los!", befahl Lurco und schlang die erste heiße Wurst in sich hinein.

    "Abgemacht, lass uns tauschen. Komm her, dann kannst Du ihm fachmännisch die Eier abklemmen und ich werde draußen Wache stehen. Du hast was bei mir gut Scato", freute sich Lurco, dankbar für die Ablöse.

    Lurco stand auf, kämmte sich kurz die Haare mit den Fingern durch und zog in aller Ruhe seine Tunika und Sandalen an.


    "Wir beide gehen jetzt vor das Tor, dass bleibt so nicht stehen. Nur Du und ich Rammy, die Sache klären wir Auge in Auge", forderte Lurco ihn auf und deutete auf die Barackentür.


    "Los, Abmarsch", forderte Lurco ernst.

    "Wir waren auf dem Weg zum blinden Esel Optio, als sich eine Gruppe wie aus dem Nichts zusammenrottete. Sie waren mit Knüppeln bewaffnet und waren in die gleiche Richtung unterwegs wie wir. Nur war ihr Ziel der Laden neben dem Esel. Es ging alles blitzschnell, der Besitzer wurde ermordet, der Laden verwüstet und die Kunden flohen in heilloser Panik.


    Der Schrei war nicht von Belang Optio.
    Wie gesagt, es war weder Deine noch Maros Stimme, folglich keiner der Befehlsgewalt über uns hat.


    Wir sind losgerannt, weil wir gesehen haben was geschah. Wir konnten den Überfall nicht einfach geschehen lassen und die Lage sondieren.


    Es war unsere Pflicht einzuschreiten und von unseren Waffen Gebrauch zu machen. Wir waren sofort unterwegs und dennoch kam für den Ladenbesitzer leider jede Hilfe zu spät. Zwei konnte ich aufhalten. Einer liegt tot in der Tür und der andere hier, naja der hat sich die Eier an meinem Dolch gekürzt.


    Ich habe zwei Vogelschädel in dem ganzen Chaos gefunden. Weder abgefressen, also kein Snack des Ladenbesitzers, noch Verkaufsware.


    Wer dort geschrien hat, kann ich Dir nicht sagen, da es keiner von unseren Leuten war. Wir kennen die Stimmen unserer direkten Kameraden und Vorgesetzen und von den bekannten Kollegen ebenso. Wer immer dort gerufen hat, war entweder ein besorgter Bürger, oder jemand mit weit weniger ehrbahren Absichten.


    Wie mein Vater immer sagte, halte den fest der am lautesten schreit "haltet den Dieb". Der Trick ist so alt wie Rom selbst", antwortete Lurco freundlich.


    "Wir sollten versuchen einige Kunden aufzuspüren, die bei dem Überfall im Laden anwesend gewesen sind. Sie könnten uns eventuell Täterhinweise geben. Die meisten müssten sich noch ganz in der Nähe befinden, aus Angst. Ferner sollten wir die Schaulustigen nicht vergessen, die sehen oft mehr als man vermutet. Vor allem die alten Tratschweiber, die wissen meinst besser über andere Bescheid als die über sich selbst", schlug Lurco vor und musterte den bleichen Kerl.


    "Also ich glaube der sagt nichts. Wir sollten uns lieber der Zeugenbefragung widmen und mir schläft so langsam die Hand ein. Ungewohnter Griff", erklärte Lurco entschuldigend.

    "Verstanden Optio, wir streiten nicht", bestätigte Lurco.
    Zank nützte eh nichts, höchstens dem Feind.


    Lurco schaute zu dem ermordeten Ladenbesitzer herüber. Die meisten schienen dem Gewimmer des Drecksacks Gehör zu schenken. Lurco hoffte nur das der bald sprach und so seinen Frieden mit den Göttern machte. Jemandem die Hand halten ging ja noch aber die Eier? Lurco hielt den Kerl nur für die Aussage fest, danach durfte der Mörder gepflegt den Arsch zu machen.


    Anders sah dies beim Ladenbesitzer aus. Wer wusste was der Mann am Morgen noch gedacht hatte? Wie jeder von ihnen ging er seinem Tagewerk nach und hatte den Feierabend verplant. Selbst wenn der Mann heute nur zeitiger ins Bett gehen wollte. Es war sein kleines beschauliches Leben gewesen und gleich wie aufregend oder langweilig es war, keiner hatte das Recht es zu beenden.


    Die Götter spielten manchmal seltsame Spiele mit den Menschen.

    Lurco musterte kurz Scato.
    "Ich werde weder noch Scato", gab Lurco ruhig zurück.


    Den Rest dachte er sich. Wer keine Hitze vertragen konnte, sollte nicht vor dem Herd stehen und wer kein Blut sehen konnte, nun der sollte weder Medicus, Urbaner noch Schlachter werden. Lurco zuckte die Schultern. Hier lagen wohl einige Nerven blank. Sein Mitleid galt dem ermordetem Ladenbesitzer und nicht dem verblutendem Drecksack. Er hatte auf dass Leben anderer gespuckt, dafür hauchte er seines aus. Fairer Tausch in Lurcos Augen.


    Da waren andere Verbrecher weit unangenehmer im Kolosseum gestorben. Allerdings auch verdient. Sowas durfte man nicht an sich heran lassen, sonst zögerte man noch im entscheidenden Moment. Nun er war nicht der Vorbeter der Truppe, jeder musste auf seine Art damit klar kommen, wenn sich das Schwert in Fleisch frass.

    Lurco war froh als Cerretanus vor Ort erschien.


    "Eine Gruppe von circa zwanzig Mann stürmte den Laden. Der Ladenbesitzer wurde dabei ermordet. Niedergestochen. Einrichtung demoliert. Zwei gestellt, einer niedergestreckt, einer schwerverletzt. Tatortsicherung bis jetzt eine Spur, zwei Vogelschädel. Keine Essensreste, keine übliche Einrichtung. Möglicherweise Warnung wie eine tote Ratte", erstattete Lurco seinem Optio Bericht und zeigte ihm die Vogelschädel.


    "Eine unbekannte Stimme befahl allen Urbanern wider der Tatortsicherung die Verfolgung der Subjekte aufzunehmen. Kein Cerretanus, kein Maro heißt keine Befehlsgewalt über uns. Zudem dienstuntypisches Vorgehen. Möglicherweise Schrei vom Bürger, oder Falle für die Kollegen", schob Lurco nach und schaute auf den Verblutenden.


    So konnte es kommen, das Schicksal in Form der Urbaner hatte einen Mörder an den Eiern gepackt.

    Charilaus nickte dankbar als Tiberios die Tür aufhielt und betrat mit ihm gemeinsam die Taverna. Die Nischen waren besetzt, aber das machte nichts. Einige andere Tische waren noch frei.


    "Lass uns zuerst an einem freien Tisch Platz nehmen, sobald jemand aus der Nische aufsteht, ziehen wir mit unseren Getränken um. Keine Sorge ich habe auch noch Geld dabei. Es müssten fast fünf Sesterzen sein", flüsterte Chari vertraulich, nicht dass sie nachher von einem Langfinger ausgeraubt wurden.


    Charislaus nahm an einem der Tische Platz und machte es sich gemütlich. Die Taverna machte einen gepflegten und sauberen Eindruck. Tiberios hatte einen guten Treffpunkt gewählt. Er wartete bis auch Tiberios saß.
    "Mein Herr ist stets anständig was den Verkauf angeht. Er sagt, betrügen kann man einen Kunden einmal. Und das ist auch so. So etwas spricht sich herum. Ein glücklicher Kunde kommt wieder und bringt weitere ins Haus. Du hast sicher gemerkt, dass sein Beruf seine Leidenschaft ist. Er würde niemanden einen Duft aufschwatzen, der nicht zu ihm passt. Und Du hast erstmal einen kleinen Flacon bestellt. Von daher hat er Dir auch nur diesen Preis berechnet. Natürlich ist das immer noch sehr viel Geld, aber für die Ware ist der Preis wirklich gerecht Tiberios.


    So was bestellen wir beiden uns denn? Je eine Posca und ein gefülltes Brot für uns beide? Das könnten wir uns doch teilen, was meinst Du?", schlug Chari vor.


    "Oh da fällt mir ein, dann hast Du das Parfüm und Öl ja noch dabei. Sei bitte vorsichtig. Und Du hast noch die Probe dabei die ich Dir geschenkt habe oder?", grinste Charislaus.

    Lurco hatte ganz schön mit Stilo zu kämpfen, nicht weil dieser sich wehrte, sondern weil er sich anfühlte wie ein nasser Sack, den er über den Übungsplatz hieven musste. Die Antwort von Scato hatte ihre Berechtigung, sie waren alle freiwillig hier, nur an der Tages- beziehungsweise Nachtzeit hätte er etwas gefeilt. Trotzdem hatte Ceretanus Recht, genauso wie Scato. Sie mussten Tag und Nacht fit sein.


    Hinter sich hörte Lurco Rammy anwalzen und Stilo bekam auf einmal Beine. Direkt vor dem Tunnel ging er zu Boden und flog regelrecht durch das Hindernis. Lurco drehte sich breit grinsend zu Rammy um und klopfte ihm auf die Schulter.


    "Mach Dir keine Sorgen Rammy, ich kann Dein Ungehagen verstehen. Bei Deiner Statur kannst Du ganz leicht im Tunnel festklemmen, da nützen Dir dann Deine Bärenkräfte auch nichts. Stilo kann das nicht nachvollziehen, an ihm ist ja kaum was dran", versuchte Lurco seinen Kumpel die Angst vor dem Tunnel zu nehmen.


    Lurco wartete ab, bis Ramnus den Tunnel passierte hatte, um ihn in der Enge nicht zu bedrängen. Nicht das der Hüne noch Panik bekam. Als Rammy den Tunnel passiert hatte, robbte Lurco direkt hinterher.


    "Gut gemacht Ihr beiden", feuerte er Stilo und Ramnus an.

    "Verstanden", sagte Lurco und nickte knapp. Er beugte sich zu dem Schwerverletzten, griff mit der Hand dessen zerfetztes Gehänge und presste es so fest zusammen wie er konnte. Das Gesicht des Burschen bestand für Sekunden nur noch aus Glotzaugen. Die Stielaugen hätte man dem Kerl glatt mit einem Kantholz abschlagen können.



    "DIE TÄTER - WER?", blaffte Lurco in einem Ton der keinen Widerspruch duldete. Er fasste sich so kurz wie möglich, da ihm die Zeit zwischen den Fingern zerrann und zwar im wahrsten Sinne des Wortes. Er griff fester zu, natürlich um ihn vor dem Verbluten zu bewahren.

    Eine Menschenansammlung mit Knüppel bewaffnet machte sich auf den Weg zur Taverne dem Blinden Esel. Schneller als man sehen konnte, waren die Kriminellen im Laden nebenan. Scheiben gingen zu Bruch, die Subjekte drangen in den Laden ein und schienen den Geräuschen nach das Innere zu verwüsten. Die Kunden flohen in panischer Angst zu Hauf aus dem Geschäft, knäulten sich im Ein- und Ausgang und trampelten übereinander. Lurco zog umgehend seinen Pugio für den Häuserkampf als der Esel angegriffen wurde.


    "Scato, zu mir!", brüllte Lurco.


    Der Urbaner war nicht langsamer als das allgemeine, kriminelle Pack. Sie waren hochtrainierte und bestens ausgebildete Soldaten die für Rom kämpften. Lurco war mit einem Satz und gezücktem Dolch im Laden.


    Schlitternd auf den Knien kam er auf, als einer der Kriminellen über ihn hinwegsprang. Lurco riss im gleichen Moment seinen Pugio nach oben und durch den Schritt des Drecksacks. Kreischend stürzte der Mann zusammen und hielt sich seinen blutenden Schritt.


    Lurco sprang auf die Beine und riss das Gladius heraus. Der Besitzer war bereits niedergestochen worden, die Einrichtung zertrümmert, die Kriminellen wandten sich zur Flucht. All das erfasste er in einem winzigen Augenblick.


    Lurcos Welt verschwamm zur Einsatzsicht. Ein weiterer der flüchtenden Kriminellen schaffte es fast aus der Tür, als sich die Klinge von Lurcos Schwert durch dessen Rückgrat fraß und an der Brust wieder austrat. Ein brachialer Tritt ins Kreuz und Lurcos Klinge war wieder frei.


    Draußen wurde ein unschuldiger Mann von dem Gesindel niedergestreckt!
    Eine Tat binnen kürzester Zeit, als der Ruf erklang die Verfolgung aufzunehmen.


    Das war nicht die Stimme von Cerretanus, wenn sie eine Stimme kannten dann diese! Zeugen konnten lügen, Kriminelle konnten heucheln, aber die Umstände logen nie.


    "Scato keine Verfolgung, Tatortsicherung! Lass keinen in den Laden, wir müssen die Spuren sichern!", rief Lurco seinem Kameraden zu.


    Langsam drehte er sich einmal um sich selbst, das Gladius zum sofortigen Zustoßen bereit. Denn auch das galt, Eigensicherung vor Tatortsicherung. Schritt für Schritt ging er bewusst mit der Waffe in der Hand langsam den Laden ab.


    Zerstörte Einrichtung, ein Mordopfer, umgestoßene Ware als die Gäste geflohen waren. Aber was war das? Winzige Schädel? Lurco trat an den Fund heran, ging blitzartig in die Hocke und griff blind nach den Schädeln. Sein Blick blieb sichernd im Ladeninneren. Er hob die Gegenstände vor die Augen. Vogelschädel. Sie sahen nicht aus, als wären sie hier abgeknabbert worden. Also was war das? Nun dass konnte er den wimmernden Kastraten fragen, der langsam zum Ausgang robbte und sich seine zerfetzten Genitalien hielt.


    Lurco hielt ihn auf, indem er ihn seine Nagelbewährte Sandale in den Nacken knallte.


    "Salve, wir haben zu reden", knurrte er bedrohlich. Das Schwert zum Zustoßen bereit.


    "Scato?", rief er nach seinem Freund und Kameraden.

    Lurco ließ Stilo nicht los und trieb ihn weiter.


    "Um uns zur Einsatzfähigkeit zu drillen Optio. Wir waren zu festgefahren in unserem Alltag, aber wir müssen jederzeit einsatzbereit sein. Wir sind bequem geworden. Heute hat es mitten im Ausnüchtern Stilo erwischt. An jedem anderen Tag hätte es jeder andere von uns sein können, aber nicht dürfen", antwortete Lurco über sich selbst zerknirscht.


    Den Arschtritt heraus aus ihrer Bequemlichkeit hatten sie sich redlich von Cerretanus verdient.

    Lurco ließ sich von der Mauer rutschen, griff Stilo hinten in den Kragen und zerrte ihn auf die Beine, ehe er ihn unterhakte und mit ihm zurück zum Anfang lief.


    "Reiß Dich jetzt zusammen, ehe wir hier den Rest der Nacht und den ganzen Tag auf dem Platz verbringen können. Konntest Du Dich nicht wenigstens vernünftig ausnüchtern? Scheiße Stilo echt, wenn Rammy den Parkour noch dreimal laufen musst, weiß Du wo Du landest. Frag mal Tarpa, der bekommt Dich auch ohne Garum runter. Los jetzt", raunte Lurco ihm zu und schliff den Kameraden mehr mit, als dieser selbst lief.


    Gemeinsam mit Stilo ging Lurco zurück zur Anfangsposition.


    "Bereit oder nicht, los gehts. Es geht hier um die Ärsche von uns allen. Also mach Deinem Namen mal alle Ehre", verlangte Lurco und rannte mit Stilo los, der torkelnd Schritt halten musste, im eisernen Griff von Lurco.

    "Es schadet niemanden zur Vorbereitung auf ein höheres Amt mit Führungsposition genau das vorher bei den Legionen zu lernen - Personen zu führen und das auch in Extremsituationen. So weiß man wovon man spricht. Realität und eigene Vorstellungen gehen da oft weit auseinander. Es sei denn man hat Verwandte, die genau die Karriere eingeschlagen haben. Du weißt von Deinem Vater was Urbaner leisten, wenn Du von ihnen sprichst. Andere reden zwar mit, wissen aber nicht wovon sie da wirklich sprechen. Von daher kann ich den Umstand auch nicht nachvollziehen weshalb Patrizier von dieser Regellung ausgenommen sind. Möglicherweise um ihren besonderen Stand hervorzuheben? Aber ob man ihnen damit einen Gefallen erweist? Ich kann es Dir nicht sagen.
    Durch den Dreck getrieben zu werden ist gar nicht so schlimm, wie die meisten annehmen, eine gute, ehrliche Ausbildung. Jeder muss durch die Schule des Drecks als Urbaner. Anders lernt man es nicht und wir haben es auf diese Weise gut gelernt, auch wenn wir in dem Moment so manches Mal geflucht haben.


    Was Maro betrifft, da glaube ich sehen wir beide den Centurio genauso oft. Er hat viel zu tun. Und sind wir ehrlich, solange man nicht vor seinen Centurio zitiert wird, ist die Welt in Ordnung. Falls er einen rufen lässt, hat man was ausgefressen. Wer ihn zuerst sieht, grüßt ihn einfach vom anderen. Er hat uns übrigens ausgebildet", erklärte Lurco und dachte an die Zeit der Ausbildung zurück und was sich bis jetzt ergeben hatte.


    Er hatte Kameraden und ein neues Zuhause gefunden. Sie lebten so eng wie die Fische im Garumbecken schwammen und trotzdem fühlten sie sich wohl. Vermutlich weil ihre Truppe stimmte. Ansonsten bestand der Dienst der Urbaner mehr aus Warten als aus Taten, aber das war der Lauf der Welt. Denn im Umkehrschluss hieße es, wenn sie extrem viel zu tun hätten, dass sie unfähig waren und sich das Verbrechen verbreitete wie Stechmücken im Sommer.


    Lurco hörte sich an, was Caesoninus über die Barbaren zu sagen hatte. Die verschiedenen Sichtweisen waren interessant, aber er konnte den Barbaren nichts abgewinnen. Auf der anderen Seite hatte er bis jetzt nicht viel mit Barbaren zu tun gehabt und die Begegnungen die er ertragen musste, waren allesamt schlecht gewesen.


    "Die Barbaren sind starke und stolze Völker die ein hohes Gut auf ihre Kriegerkultur geben. Eher würden sie sich töten lassen, als dass sie vor uns Römern klein beigeben. Wahre Worte", wiederholte Lurco den Satz seines Glaubensbruders und dachte genau über jene und die folgenden Worte zur Erklärung der Barbaren nach.


    "Aber darin liegt auch der Knackpunkt, meiner Meinung nach. Ist es logisch mit Stolz zu sterben, anstatt den Stolz herunter zu schlucken und vielleicht zu überleben? Logisch wäre es, die gesamten Informationen zusammen zu tragen und daraus sein Handeln abzuleiten. Tun sie das? Nicht dass ich wüsste.


    Rom hält das Schlechte von sich fern und verleibt sich gute Eigenschaften ein. Das ist es, was uns ausmacht. Wir sind anpassungsfähig. Wir stagnieren nicht auf einem bestimmten Wissenstand oder in einer starren Haltung. Wir sind beweglich, nicht nur was unsere Legionen angeht, sondern auch was unser Denken betrifft.


    Du führst richtig an, dass die Galier vereint hätten siegen können. Aber die Barbaren sind sich nicht einig, wir Römer nach außen hin schon.


    Wie ich die piktischen Völker dazu bringen würde sich uns anzuschließen? Scheinbar haben sie den Zusammenhalt, der den Galiern gefehlt hat. Kann man einen Feind nicht von außen besiegen, dann muss man es von innen versuchen. Ich würde versuchen Misstrauen und Zwietracht in ihre Reihen einzuschleusen.


    Einzelne Männer zu finden, die sich nicht mit ihrem Volk identifizieren. Männer die möglicherweise eine Rechnung offen haben. Jene die in ihrem System hinten über gekippt sind. Zeig ihnen das Du sie für wertvoll erachtest, das Du sie brauchst, dass sie sehr wohl einen Wert haben und dann lass die piktischen Völker von innen verfaulen. Im Grunde musst Du Dich und Deine Idee wie Ware auf dem Markt einfach nur gut verkaufen. Du musst sie von Deiner Idee überzeugen können.


    Das wäre meine Vorgehensweise, ob sie tatsächlich funktionieren würde kann ich Dir nicht sagen", erklärte Lurco freundlich.


    Als Caesoninus davon sprach, welchen Werdegang er schon für sein politisches Amt hinter sich gebracht hatte, staunte Lurco nicht schlecht. Caesoninus erzählte dies sehr detaliert und dennoch so leicht, aber alles was jemand leicht erklären konnte zeugte von tiefem Wissen. Der Mann war bestimmt nicht viel älter als er, falls er überhaupt älter war. Lurco fragte sich, ob er seine Zeit vertrödelt hatte und ob er überhaupt die richtige Wahl getroffen hatte. Rein nach dem Empfinden her schon, aber von dem was er bisher geleistet hatte brauchte er nicht über Leistungen sprechen.


    "Was Deine berufliche Karriere anbelangt, bist Du schon einen sehr weiten Weg gegangen, meinen Respekt Caesoninus. Wir haben ungefähr das gleiche Alter schätze ich, aber wenn ich höre was Du geleistet hast, komme ich mir so vor als wäre ich gerade aus unserem Haus gestolpert und hätte angefangen die Welt zu entdecken. Du hingegen hast die Welt schon erobert. Du kennst sogar jemanden aus meiner Gens. Und wir verdanken Dir die neue Urbanerstation, schau an", sagte Lurco erfreut.


    "Wollen wir hier vor Ort bleiben, oder wollen wir uns irgendwo einen Flecken suchen wo wir einen Happen essen können?", schlug er vor.

    Lurco saß gut gelaunt im Sattel und hörte Scato zu. Sie ritten also nach Tibur und dort hatte jeder Schnösel eine Villa laut Scatos Ausage. Warum wusste Lurco leider nicht, Scato hingegen schon. So konnte er sich keinen Reim darauf machen, was es geheimnisvolles in Tibur gab. Er konnte entweder Scato löchern, oder sie brav gedulden. Letzteres war angebracht, denn Scato hatte sich mit dem Ausflug sehr viel Mühe gegeben. Er hatte sich sogar gemerkt, dass Lurco Pferde liebte.


    "Also auf in die Stadt Tibur, deren Geheimnis ich vor Ort ergründen werde. Also jeder Reiche hat eine Villa in Tibur, da ich die Stadt leider nicht kenne kann ich nur Vermutungen anstellen oder raten. Löchern werde ich Dich nicht Scato, dafür hast Du Dir zuviel Mühe gegeben und das erkenne ich dankend an. Danke für die Überraschung, mit den Pferden hast Du mir schon eine große Freude bereitet. Allein dafür lohnt sich schon der Urlaub. Vielleicht finden wir unterwegs ja einen Flecken wo wir ausnüchtern können", freute sich Lurco und ritt gemütlich neben Scato her.


    Sie waren erst losgeritten, aber Lurco bedauerte jetzt schon die Zeit wo sie die Pferde wieder abgeben mussten. Mit einem Lächeln schob Lurco die Gedanken beiseite, er wollte die Zeit genießen und keine trüben Gedanken aufkommen lassen.


    Tibur, was hatte er über Tibur gehört? Lurco gab das Raten auf und freute sich auf die Überraschung.

    "Wir haben gepflegt den Start verpasst", stöhnte Lurco, stieß Scato an damit ihm sein Kumpel folgte und rannte los.


    Hindernis eins war eine übermannshohe Mauer, den Göttern sei Dank hatten ihre Sandalen Nägel unter den Sohlen. Je höher das Hindernis war, dass man überwinden wollte, je schneller musste man Anlauf nehmen ohne vor dem Hindernis abzubremsen. Und genau das tat Lurco. Er rannte so schnell er konnte auf die Mauer zu. Er stieg mit seinem Sprungbein auf Kniehöhe gegen die Wand, drückte sich mit seiner ganzen Kraft nach oben, umfasste den Mauerrand und zog sich nach oben in die Stützposition. Lurco überwand die Mauer und lief weiter.


    Das nächste Hindernis musste nicht in der Höhe, sondern auf dem Boden überwunden werden. Lurco ließ sich fallen, und fing sich mit den Armen und den Füßen ab. Er presste sich so flach er konnte an den Boden, aber nicht zu flach um noch schnell vorran zu kommen. Dabei hielt der den Kopf und den Hintern weit unten und kroch unter dem Hindernis hindurch.


    Die dritte Etappe bestand aus einem Balken, der ihr Gleichgewicht testete. Lurco näherte sich dem Hindernis langsam, sprang auf den Balken und setzte bewusste einen Fuß vor den anderen. Hier war das Motto, wer schnell sein wollte - musste langsam laufen. Im Gänseschritt und mit ausgestreckten Armen absolvierte er auch dieses Hindernis.


    Das letzte Hindernis hatte es in sich. Eine erneute Mauer aber noch höher als die erste. Lurco blieb stehen, schätzte die Höhe ab und rannte los was seine Beine hergaben. Ohne abzubremsen sprang er mit dem Sprungbein die Mauer an, drückte sich schnell mit dem Sprungbein nach oben und schleuderte das andere Bein nach hinten um einen weiteren Schritt nachsetzen zu können. Gleichzeitig griff er nach der Mauerkante. Vergebens, die Mauer war zu hoch.


    Also nochmal das Ganze von vorne. Lurco benötige vier Anläufe, dann bekam er endlich die Mauerkante zu fassen. Er zerrte sich mit seinen verbliebenen Kräften und grimmigen Gesichtsausdruck nach oben. Dort wartete er auf Scato, oder einen anderen Kameraden um ihn über die Mauer zu helfen.