Beiträge von Marcus Valerius Nasica

    Nachdem der kleine Auftrag für Phaiax Toxotios beendet war, war Nasica endlich wieder Herr seiner eigenen Zeit. Jetzt konnte es endlich hinaus auf die Ebene gehen auf dem Rücken eines strammen Mietsrosses! Beim örtlichen Stall holte er sich einen ansprechenden Araber und schwang sich in den Sattel hinauf. Ein wirklich erhebendes Gefühl, als er so schön langsam aus der Stadt hinaustrabte. Gegen den Stadtrand dann bemerkte er rechts vor sich einen kleinen Tumult. Eine Person wand sich von zwei anderen los und lief in seine Richtung entgegen. Es war die schöne Frau von vorhin vom Markt, Pseydione! Als sie den entgegenkommenden Nasica auf seinem schönen schwarzen Pferd oben bemerkte, begann sie zu rufen und zu winken. "Rette mich! Nimm mich mit!" Die Schöne war anscheinend wieder in Gefahr! Die beiden Männer hinter ihr verfolgten sie zweifelsohne, also stand er in der Pflicht ihr zu helfen. Er verschnellerte den Schritt seines Pferdes und lenkte es in Richtung Pseydiones. Bei ihr angekommen langte er nach unten und hievte sie mit einem Ruck hoch zu sich in den Sattel. Nasica schnalzte mit den Zügeln und der Araber stürzte den beiden Häschern davon. Der Valerier konnte sie nur kurz im Augenwinkel sehen, doch war ihm, als wäre ihm einer von ihnen bekannt vorgekommen. Doch der Moment war zu kurz gewesen und überdies war jetzt wichtigeres zu durchdenken, wie z.B. nicht vom dahinrasenden Pferd zu stürzen. Die junge Frau keuchte hinter Nasica erleichtert. "Danke."
    "Keine Ursache. Was wollten die von dir?"
    "Mich gegen meinen Willen verschleppen und verheiraten, nur gut, dass du vorbeigekommen bist!"
    Nasicas Stirn runzelte sich. Hatte er sie etwa gerade von ihrem versprochenen Bräutigam weggezerrt? Na hoffentlich nicht, sonst konnte das noch unschön für ihn werden. Doch besser, wenn er mehr Informationen einholte, bevor er seine nächsten Schritte plante. Ein Blick zurück sagte ihm, dass sie weit genug von Kydonia weg waren, damit sie kurz anhalten konnten. Es waren keine Verfolger in Sicht gewesen. Nasica lenkte den Araber in ein nahes Gebüsch, während die Gerettete unruhig wurde. "He! Halt! Was soll das werden! Wir müssen weiter, schnell!"
    "Nein", antwortete Nasica fest und drehte sich am Sattel dann halb zu ihr um. "Wir gehen nirgends hin, bevor ich nicht genauer weiß, was hier vor sich geht. Was war das gerade mit verheiraten? War das etwa dein versprochener Ehemann?! Falls ja, dann muss ich dich zurückbringen." Pseydione versuchte ihre Hacken in die Flanken des Pferdes zu schlagen, damit es wieder lief, doch Nasica konnte die Zügel bei sich behalten. "Nein! Keine Zeit! Wir müssen weg hier!"
    "Nichts da! Wir bewegen uns erst von der Stelle, wenn ich nähere..."
    "Ist ja gut! Ja das waren mein Vater und mein Onkel eben..sie hatten mich zu meinem Bräutigam bringen wollen."
    "Und was war so schlimm daran, dass du Hals über Kopf getürmt bist?"
    Pseydione spuckte aus. "Pah! Ich war Telemach dem Töpfer versprochen, ein wahrer Barbar! Grob und ohne Manieren, ich werde nicht seine Hure werden! Niemals!"
    Eine Braue des Valeriers schoss in die Höhe. Telemach der Töpfer? Genau bei dem war er doch gerade noch eben gewesen!
    "Gut und was hast du jetzt vor? Immerhin sind wir hier auf einer Insel, du wirst also nicht ewig davonlaufen können, ehe du auf Wasser triffst..."
    Pseydione verdrehte die Augen.
    "Ha... ha... nein, ich liebe schon jemand anderen. Spyrídon den Priester, nämlich. Ich möchte, dass du mich in unseren Unterschlupf bringst, wo er mich dann..."


    Pseydione unterbrach sich. Es waren neue Geräusche an ihre Ohren gedrungen, Pferdehufe! "Unsere Verfolger!" rief sie panisch aus und in der Tat galoppierten einige Männer von Kydonia kommend geradewegs auf sie zu. Ehe sich's Nasica versah stieß ihn die Frau vom Pferd und ergriff selbst die Zügel. Verzweifelt wagte sie einen Fluchtversuch im Alleingang. Nasica indes war zu Boden gestürzt und rappelte sich hustend wieder auf. "Dort ist er! Er hat meine Tochter entführt! Auf ihn!" drang es da an sein Ohr. Es war Phaiax Toxotios' Stimme! Eine Traube von Reitern umringte Nasica und nahm ihn gefangen, während dieser noch ganz benebelt war. Pseydione war Phaiax Toxotios' Tochter! Er hatte sich einen der mächtigsten Männer Kretas zum Feind gemacht, da alle Welt jetzt dachte er, Marcus Valerius Nasica hätte sie böswillig entführt! Ein paar der anderen Reiter waren der Entflohenen nachgeritten und hatten auch Pseydione etwas später festsetzen können, da sie nicht gerade eine gute Reiterin war. Toxotios' Tochter und Nasica wurden zurück nach Kydonia gebracht, wo der Valerier unentwegt auf seine Häscher einzureden versuchte, dass er unschuldig und das alles nur ein großes Missverständnis war. Doch es half alles nichts. Nasica wurde ins Gefängnis geworfen. Dort weinte er unentwegt, denn er befand sich auch weiterhin eingekerkert, als die Zeit kam, da die Astarte ihren Anker lichtete und Kurs auf Athen setzte, nachdem Kapitän Methusastartos Erkundigungen in der Stadt nach Nasicas Verbleib eingezogen und somit erfahren hatte, dass dieser wegen Entführung im Gefängnis saß und schon bald angeklagt werden würde. So segelte die Astarte ohne Nasica weiter auf ihrem Weg nach Rom, während der Valerier voller Zorn und Schmerz über diese Ungerechtigkeit auf Kreta zurückblieb und auf den Tag der Entscheidung wartete. All sein Hab und Gut waren noch auf dem phönizischen Handelsschiff gewesen, seine Kleidung und all die schönen Bücher, die er einst bei Ezra ben Abraham gekauft hatte, einfach alles. Nichts davon würde er je wiedersehen...


    Der Tag seiner Gerichtsverhandlung war angebrochen. Der Prozess würde nach griechischem Recht durchgeführt werden, da Kydonia ja noch seine von Kaiser Augustus verliehenen Sonderprivilegien genoss und Nasica somit kein römisches Verfahren erhielt. Es wurde ihm zwar ein Pflichtverteidiger zur Seite gestellt, doch wenn der Prozess in Kydonia stattfand und die Klagepartei Phaiax Toxotios hieß, dann war es sowieso schon von vornherein chancenlos, egal welch halbherzige Worte Nasicas' Verteidiger auch hervorbringen mochte. Erschwerend kamen noch Pseydiones Aussagen hinzu. Sie zürnte Nasica aufs bitterste, dass dieser ihr durch seine Sturheit ihren letzten Fluchtweg in die Freiheit verbaut gehabt hatte und beschuldigte ihn vor Gericht nun ebenfalls der böswilligen Entführung, obwohl das alles überhaupt erst wegen ihr seinen verhängnisvollen Lauf genommen hatte. Pseydione spie Gift und Galle und wurde nicht müde immer wieder zu betonen, dass Nasica sie gegen ihren Willen auf sein Pferd gezerrt hatte und davongeritten war. So kam es daher, dass Nasica schuldig gesprochen wurde. Als Strafe forderte Pseydione von ihrem Vater, dass Nasica des Todes sein sollte und so wurde es dann auch auf Toxotios' Betreiben hin vom Gericht beschlossen. Das Urteil wurde drei Tage später vollstreckt und Marcus Valerius Nasicas' weltliche Reise endete dort auf Kreta, während seine Seele in den Hades hinabstieg.


    - ENDE -

    Bevor Nasica die Kichernde Olive verlassen hatte, hatte er sich vom kleinen kugeligen Wirt vorher extra nochmal den Weg zu Phaiax Toxotios beschreiben lassen. Er plante um die 20 Amphoren beim Weinhändler zu kaufen und auf die Astarte liefern zu lassen, damit er auch später noch etwas von jenem köstlichen Kydonischen Wein haben würde, den er heute beim Olivenwirt entdeckt hatte. Je schneller das erledigt war, desto besser, denn schon war die achte Stunde* des Tages angebrochen und er wollte ja auch noch einen Ausritt auf die Akrotiri-Halbinsel machen. Phaiax Toxotios hatte seine Weinfelder südwestlich der Stadt, sein Geschäft jedoch, wo er seine Ware zum Verkauf anbot, lag mitten in der Stadt in bester Lage auf der Agora von Kydonia. Dafür, dass der Besitzer ein so reicher und mächtiger Mann war und feinste Weine anbot, machte das Äußere seines Ladens einen direkt nüchternen Eindruck. Eine weiß verputzte Fassade bot sich dem geneigten Betrachter zur Schau, verziert mit einem zwei Schritt hohen roten Farbstreifen auf Bodenniveau. Ein einfaches Holzschild über dem offenen, doppelflügeligen Eingang verhieß:


    - Phaiax Toxotios -
    ---------------------------


    Weine aus Kydonia


    Weine aus aller Welt


    Im Inneren kam auch gleich der Besitzer auf Nasica zu.



    Phaiax Toxotios


    "Chaire, Willkommen bei Phaiax Toxotios' Weinen! Ich bin Phaiax Toxotios, wie kann ich dir helfen?" Phaiaxs Stimme** hatte absolut freundlich geklungen, doch sein Blick war neutral geblieben. Auch sonst sah er eher ernst drein. Er strahlte mehr die Würde eines römischen Consuls, als die eines griechischen Weinhändlers aus, wie Nasica fand. Auch der samtene Unterton war ihm aufgefallen. Bislang hatte der Grieche nichts weiter getan, als eine 0815-Frage an seinen hereingekommenen Kunden zu stellen, doch die Artikulation seiner Stimme, wie überhaupt seine gesamte Ausstrahlung verdeutlichten einem trotzdem sehr eindrücklich, dass man diesen Mann lieber nicht zum Feind haben wollte. Glücklicherweise war Nasica nur hier um Wein zu kaufen. "Chaire! Ich war vorher in der Kichernden Olive essen und habe dort einen äußerst exquisiten Wein vorgesetzt bekommen, den der Wirt "Kydonischer Wein" genannt hat. Es hieß man kann diesen Wein hier erwerben, ich würde gerne 20 Amphoren kaufen." Phaiax Toxotios neigte leicht sein Haupt. "Gerne doch. In der Tat verkaufe ich Kydonischen Wein, er stammt aus eigenem Anbau von meinen eigenen Weingütern nahe der Stadt. Wenn du mir bitte folgen willst." Er führte Nasica in den hinteren Teil des Ladens zwischen hohe Weinregale in denen aberhunderte von Weinamphoren liegend und übereinander gestapelt waren. An jedem Amphorenverschluss klebte ein kleiner Zettel der Aufschluss darüber gab welche Weinsorte sich im Inneren befand. Nasica staunte nicht schlecht. Noch nie zuvor hatte er so viele Weine aus aller Welt an einem Ort versammelt gesehen. Von Hispanien bis Ägypten war wirklich fast jede Region vertreten. Sogar solch Weinexoten wie Noricum, oder Germania Superior, also Gegenden, wo es der Valerier niemals für möglich gehalten hätte, dass dort Wein gedeihen konnte. Fast war er auch schon versucht von diesen beiden jeweils eine Amphore mitzunehmen. Doch lange konnte er nicht darüber nachdenken, da in diesem Moment ein ohrenbetäubender Krach aus einiger Entfernung im Haus zu ihrer rechten Seite ertönte. Sofort hatte Phaiax Toxotios den Kopf in Richtung des Lärms gewandt und war losgelaufen, dicht gefolgt von Nasica, der natürlich wissen wollte was da los war. An der Ostseite des Verkaufsraums schloss direkt ein weiteres größeres Gebäude an, das durch eine offene Doppeltür im Inneren mit Phaiax Toxotios' Weingeschäft verbunden war. Das hier war das eigentliche Weinlager seines Unternehmens von dem aus eine "kleine" Auswahl regelmäßig hinüber in den Verkaufsraum gebracht wurde, um von den Kunden begutachtet zu werden.


    Nicht weit von der Verbindungstür zwischen Weinladen und Lager entfernt lag in letzterem ein junger Mann auf dem Boden inmitten der Scherben von gut 50 zerbrochenen Amphoren. Überall klebte rote Flüssigkeit um den Jungen herum, wobei man nicht immer sagen konnte, ob es Wein, oder Blut war, verursacht durch die Schnittwunden an den scharfen Tonscherben der kaputten Gefäße. Es war als ob Nasica wachen Auges eine Art Rückblende vor sich sah, die sich über die Realität schob. Er sah Gisco am Lagerraumboden der Astarte vor sich liegen, inmitten der Scherben des verlorenen Garums, das er unabsichtlich vor der Insel Cauda zerdeppert hatte. Doch das hier war nicht Gisco und auch kein Garum war zu Bruch gekommen, sondern... "Onos! Was hast du nur mit meinem Wein gemacht!" Ganz zerknirscht versuchte Onos, der tollpatschige Gehilfe, auf die Beine zu kommen. Anscheinend hatte er versucht mittels eines kleinen Wägelchens all diese Amphoren auf einmal in den Verkaufsraum zu schaffen. Ein Wunder überhaupt, dass er es so weit von den übrigen Regalen weggeschafft hatte bei dieser riesen Ladung! "Tut mir leid!", rief er ganz kleinlaut, "Das kommt nicht wieder vor!" Phaiax Toxotios blickte langsam von den Scherben zu Onos hoch, sein Gesichtsausdruck war undefinierbar. "Das stimmt..." hob er gefährlich ruhig an, "... denn du bist damit ab sofort entlassen. Marsch! Raus hier! Nähere dich nie wieder meinem Geschäft!" Onos zuckte wie vom Blitz getroffen und beeilte sich dem gebellten Befehl seines ehemaligen Arbeitgebers nachzukommen. Er lief mit Tränen in den Augen an Nasica vorbei, vermutlich nicht nur wegen der verlorenen Arbeitsstelle, sondern auch, weil er ein kleines Rinnsal von Blut hinter sich herzog. Knurrend blickte Phaiax Toxotios auf den angerichteten Scherbenhaufen. "Einfach kein gutes Personal mehr heutzutage. Jetzt muss ich extra nach Ladenschluss nochmal zum Töpfer neue Amphoren bestellen und eine neue Arbeitskraft brauche ich auch, ist das zu glauben?" Phaiax Toxotios blickte dabei Nasica in einer Weise an, als ob er von ihm eine Antwort darauf erwartete. Doch noch bevor dieser den Mund aufbekommen hatte, zuckte der Weinhändler mit den Schultern und sagte: "Wie auch immer. Das sind meine Sorgen und jetzt zurück zu dir. Entschuldige dieses kleine Zwischenspiel. Du wolltest also Kydonischen Wein kaufen, ja? 20 Amphoren? Liege ich dann richtig, dass du sie irgendwohin liefern lassen willst?" Einem Chameläon gleich hatte der Grieche die Stimmung gewechselt. In einem Augenblick noch hatte er auf die Mitarbeiter geschimpft und im nächsten bediente er seine Kunden schon wieder ganz so als ob nichts vorgefallen wäre. Gut, also ging es jetzt wieder um das Geschäft. "Ja bitte und zwar heute noch auf die Astarte. Das ist ein phönizisches Handelsschiff, das im Augenblick unten im Hafen vor Anker liegt."
    Phaiax Toxotios nickte. "Verstehe. Ist dieser Kauf privater oder offizieller Natur?" Nasica verstand nicht, woraufhin der Grieche die Lippen schürzte. "Kaufst du die Weine für den Eigenbedarf, oder um sie weiterzuverkaufen, da du ein Handelsschiff erwähntest?", "Eigenbedarf" antwortete Nasica. "Was macht das denn für einen Unterschied?", "Ganz einfach, weil bei gewerblichen Käufen im Sinne des Weiterverkaufs eine Lizenz auf den Handel mit Kydonischen Wein erworben werden müsste." Nasica staunte nicht schlecht. Eine Lizenz auf den Handel mit Kydonischen Wein? Was es nicht alles gab. Doch besser er vertiefte dieses Thema nicht weiter. Stattdessen wollte der Valerier als nächstes den Preis wissen. Phaiax Toxotios nannte ihn, woraufhin Nasica große Augen machte. War das sein Ernst?! Doch in seinem Hirn hatte er schnell geschaltet und unter Einbezug der jüngsten Entwicklungen im Unternehmen "Phaiax Toxotios - Weine aus Kydonia - Weine aus aller Welt" gleich eine (hoffentlich) preisreduzierende Alternative parat.
    "Wie wäre folgendes, ich laufe jetzt gleich für dich los, um beim Töpfer die benötigten Amphoren zu bestellen und dafür bekomme ich einen Preisnachlass von.. sagen wir 20%, abgemacht?"
    "10%" lautete da des Weinhändlers Antwort.
    "Machen wir 15 daraus"
    "Einverstanden"


    Und so war es beschlossen. Phaiax Toxotios würde Valerius Nasica einen fünfzehnprozentigen Preisnachlass gewähren und die bestellten zwanzig Amphoren Kydonischen Weins (zum Eigengebrauch) auf die Astarte liefern lassen im Austausch für das noch schuldige Geld und einem kleinen Botengang zum Töpfer. Bei der Präzisierung des Bestellauftrags nannte der Weinhändler gleich eine wesentlich höhere zu bestellende Stückzahl an Weinamphoren, da demnächst auf seinen Weingütern wieder neuer Rebensaft abgefüllt werden müsste. So lief also Nasica los, um Amphoren zu bestellen. Unterwegs fragte er sich, ob Phaiax Toxotios nicht sowieso immer ein paar zusätzliche leere Amphoren auf Lager haben müsste, wo er ja auch Weinproduzent war, doch ohne jede Möglichkeit Einblick in die tieferen Geschäftsbeziehungen des Griechen zu bekommen würde das wohl ein ewiges Rätsel bleiben. Nasica hatte sich den Weg zu seinem Ziel genau beschreiben lassen und verbunden mit seinem morgendlichen Spaziergang fand er ziehmlich problemlos die Werkstatt des kydonischen Töpfers Telemach.
    Das Innere der Werkstatt wirkte ziehmlich grob und hätte wohl unverändert auch genauso gut ins Delta-Viertel in Alexandria gepasst. Die Werkstatt war aus Lehmziegeln errichtet worden und die Wände waren nur höchst halbherzig verputzt, weshalb man überall noch die Form der einzelnen Ziegel erspähen konnte. Es gab keine Tür, stattdessen trennte ein Vorhang das Innere der Wekstatt von der Außenwelt ab. Überall standen massenhaft Keramiken, von kleinen und großen Vasen, über tönerne Gegenstände für den Tempelgebrauch bis hin zu Amphoren in allen denkbaren Größen und Formen. Ein weiterer Vorhang in der rückwärtigen Wand ließ vermuten, dass es bei dieser Werkstatt wohl noch wesentlich mehr Räume als bloß diesen gab. Zur linken Hand war ein Korridor zwischen den Keramiken frei, der geradewegs zum Meister führte. Telemach der Töpfer war nur einige Jahre älter als Nasica, jedoch dafür doppelt so breit. Wie es wohl ein so einfacher Handwerker schaffte so dick zu werden? Telemach saß an einer extra für ihn verstärkten Töpferscheibe und war gerade dabei einen Klumpen feuchten Lehms in ein weiteres Kunstwerk seiner Zunft zu verwandeln. Mit beiden Händen formte er die schon zu erahnende Vase, die sich in einem fort um die eigene Achse auf der Töpferscheibe drehte, angetrieben durch Telemachs Füße. Nasica räusperte sich und grüßte: "Chaire." Der Töpfer sah nur kurz auf. "Was gibts?" fragte er kurz angebunden. Nasica teilte ihm mit, dass der Weinhändler Phaiax Toxotios ihn geschickt hätte und gab anschließend dessen Bestellung wieder. "Alles klar. Man sieht sich." Und damit war das Geschäft abgeschlossen. Nasica konnte nur den Kopf schütteln beim Verlassen der Werkstatt. Telemach schien nicht gerade ein Ausbund von Freundlichkeit und Kreativität zu sein. Sein Handwerk beherrschte er aber, das musste man zugeben.


    Sim-Off:

    * = 13:00 Uhr
    ** = Ich stelle mir Phaiax Toxotios' Stimme genauso wie die deutsche Synchronstimme von Professor Snape aus den Harry Potter-Filmen vor.

    Nasica nutzte den übrigen Vormittag, um jeden Winkel der Stadt zu erkunden. An den Priester Spyrídon dachte er schon gar nicht mehr. Als die Sonne dann im Zenit stand und auch schon sein Magen zu rumoren begann, suchte er sich eine gemütliche Taverne und ging hinein. Gelandet war Nasica in einer ulkigen Gaststube, dessen Türschild draußen jedem Passanten mitteilte, dass das hier die "Taverne zur kichernden Olive" wäre. Der Wirt passte jedenfalls zu diesem Namen. Klein und kugelig war er und besaß einen gewaltigen Rauschebart. "Grüß dich, grüß dich, liebenswerter Reisender! Willkommen in der Kichernden Olive! Was darf ich dir bringen? Ich empfehle unseren Kydonischen Wein, ein fabelhafter Jahrgang heuer! Was darf es dazu sein? Ein Schweinsbraten vielleicht? Oder besser gebratener Fisch? Du musst unbedingt unseren Fisch kosten! Eine ausgezeichnete Fangsaison dieses Jahr!" Jetzt musste Nasica doch wieder an den Apollonpriester von vorhin denken, denn der Olivenwirt schien ein ähnlich aufgewecktes Temperament wie Spyrídon zu haben! Da der Wirt ja schon quasi Nasicas Menü vollkommen zusammengestellt hatte, noch bevor dieser den Mund aufbekommen hatte, nickte er nur. "Ja bitte", "Einmal Gebratener Fisch mit Kydonischem Wein, kommt sofort!" Und schon war der Wirt wieder hin und weg. Nasica nutzte die Wartezeit, um ein wenig die Leute um sich herum zu beobachten. Da sah er unter anderem zwei bärtige Männer die in eine intensive Diskussion vertieft waren, ein Spieler der gerade vier Matrosen beim Würfeln ausnahm, ein Mann, der mutterseelen allein bei seinem Wein saß und ins Leere starrte und einen wohlhabend wirkenden Mann der einer Bedienung erklärte er wolle die Essensreste für seine Frau zuhause mitnehmen. Die Griechen schienen wohl insgesamt ein ziehmlich aufgewecktes Völkchen zu sein nach all den bunten Gestalten die ihm bislang so untergekommen waren. Endlich kam der Wirt zurück und brachte Nasica gleich beides mit, sowohl Trinken, als auch Essen. "So, hier bitteschön! Nur das Beste!"


    Nasica bedankte sich und begann von dem Gebotenem zu probieren. Es schmeckte wirklich vorzüglich! "So einen guten Wein habe ich ja wirklich noch nicht getrunken! Woher ist der?" Der Wirt strahlte ob dieses Lobes und setzte sich an Nasicas Tisch. "Das ist wie gesagt Kydonischer Wein und stammt von einem Mann namens Phaiax Toxotios. Er ist einer der größten und wichtigsten Weinproduzenten und Weinhändler in der Gegend und eine bedeutende Persönlichkeit in unserer kleinen Polis.", "Wirklich? Na dann muss ich mir später auf jeden Fall noch ein paar Amphoren von ihm mitnehmen, er schmeckt ausgezeichnet. Verkauft er auch nach Alexandria? Ich habe nämlich noch nie zuvor von der Qualität Kydonischen Weins gehört, doch bei diesem Geschmack sollte das Gebräu eigentlich bekannter sein wie mir scheint." Der Wirt tippte sich an die Nase. "So nehme ich an du stammst aus dieser Ecke des Erdkreises, wenn du schon fragst, hä? Dachte ich mir schon", meinte er, als Nasica zur Bestätigung nickte. "Ja, ich bin Alexandriner und gerade auf dem Weg nach Rom, um meine Verwandten zu besuchen. Ich möchte nämlich als Schüler am Museion aufgenommen werden und schreibe dafür gerade an einer Abhandlung über die valerische Familiengeschichte, ich bin übrigens Valerier, Marcus Valerius Nasica." stellte er sich kauend vor. Er hatte nämlich neben dem Erzählen mit Essen angefangen, auch der Fisch brauchte sich seines Geschmacks wegen keinesfalls zu verstecken! "Sehr lobenswert, muss ich schon sagen. Fährst also um die halbe Welt, wegen... ?"
    "Wegen unseres Familienarchivs in Rom. In Alexandria haben wir sowas leider nicht, aber vielleicht lege ich eines einmal an."
    "Ahaaa, so ist das. Na dann wirst du ja schon einiges erlebt haben, oder? Früher als junger Mann bin ich auch gerne zur See gefahren. Ich war Matrose auf den Schiffen eines betuchten spartanischen Olivenölhändlers, bevor ich mich mit dieser kleinen Gaststätte hier zur Ruhe gesetzt habe, weißt du?" Der Wirt wirkte sympathisch auf ihn und auch was er zu erzählen hatte war überaus interessant. Denn während der Valerier weiteraß, erzählte ihm der Wirt ein paar seiner abenteuerlichsten Erlebnisse, die er in seiner jahrzehntelangen Dienstzeit so miterlebt hatte. Im Gegenzug gab ihm dann dafür Nasica seine eigenen Abenteuer zum Besten. Insgesamt verstanden sie sich ganz gut. Der Wirt saß die ganze Zeit über seelenruhig an seinem Tisch, ganz so, als ob er gar nicht für die übrigen Gäste zuständig, sondern seinerseits bloß Gast in der Kichernden Olive wäre. Dafür mussten seine beiden Hilfskellner doppelte Arbeit leisten, um des Kundenansturms Herr zu werden. Als nach einer Stunde dann der Teller leer und jeweils sechs Becher des guten Kydonischen Weins die Kehlen hinabgeflossen war, wollte Nasica aufbrechen, um sich mit einem kleinen Weinvorrat bei diesem Phaiax Toxotios einzudecken. Auf die Frage hin was seine Konsumation kosten sollte, machte der Wirt eine abwehrende Handbewegung. "Ach, lass gut sein! Du hast mich wunderbar mit deinen Geschichten bezahlt, schon lange habe ich nicht mehr so gut mit jemanden reden können! Betrachte dich als eingeladen."
    "Vielen Dank!" freute sich Nasica überrascht. Das hatte er wirklich nicht kommen sehen, doch auch er hatte sich gut unterhalten während dieses Mittagsmahls. So verabschiedete er sich von dem Olivenwirt in angemessener Weise und verließ die Taverne zur kichernden Olive.

    Nasicas Blick folgte langsam der Silhouette des Körpers vor ihm entlang, angefangen bei den sandalenbewährten Zehen, über die Füße, die kräftigen Waden, die schlanken Oberschenkel, den in weiß gewandeten Oberkörper, den Hals und hoch bis zum Gesicht. Vor ihm stand ein junger Mann von gut und gerne 19 oder 20 Jahren, also Nasicas Alter in etwa. Der Fremde lächelte ihn an und grüßte ihn:



    Spyrídon


    "Chaire, Reisender, wie ist das werte Befinden?" Warum sprach ihn dieser Unbekannte an? Aus reiner Vorsicht sah sich Nasica einmal um sich herum, ob noch andere Personen in der Nähe waren, doch das war nicht der Fall, sie waren allein. Hätte ja sein können, dass jemand die bekannte Masche mit ihm abziehen wollte, dernach einer das Opfer ablenkte und in ein Gespräch verwickelte, während sein Komplize ihn heimlich beklaute. Doch als er sah, dass alles sicher war, antwortete Nasica dem Mann: "Chaire, Fremder, mir geht es gut, danke. Was kann ich für dich tun?" Der Gefragte lächelte nur weiterhin. "Nichts besonderes, ich wollte dich einfach nur ansprechen. Weil eigentlich hatte ich geplant in den Artemistempel zu gehen, um selbst ein kleines Opfer durchzuführen, ..." (er hielt bei diesen Worten kurz zwei Votivfiguren hoch die er in der rechten Hand hielt) "... hatte aber dann gesehen, dass schon jemand drinnen war, du eben. Ich wollte schon wieder gehen und es später versuchen, bis ich deine Eröffnung gehört habe. Du hattest dein Opfer mit der Anrufung des römischen Gottes Ianus begonnen! Auch sonst gab es viele weitere Dinge die nicht so recht zusammenpassten und das weckte eben meine Neugier. Du bist gekleidet wie ein Grieche, hast einen östlich-orientalischen Akzent in deiner Sprache und vollziehst das Opfer nach griechischem Ritus mit einem Lorbeerkranz und mit Griechisch als Gebetssprache. Doch du hast dein Opfer mit der Beschwörung eines römischen Gottes eingeleitet und auch in weiterer Folge hattest du einen römischen Namen für dich und deinen Vater gebraucht. Jedoch habe ich noch nie einen Römer ohne Toga gesehen, der auch kein Latein gebraucht, wenn er denkt er sei allein, also, was stimmt jetzt? Wer bist du?" Nasica staunte nicht schlecht auf diese Springflut von Worten hin. War der Kerl wirklich die ganze Zeit über heimlich beim Tempeltor gewesen und hatte ihn bei seinem Opfer beobachtet? Und wo war er dann abgeblieben, als Nasica den Tempel wieder verlassen hatte? Oder hatte er ihn schlicht übersehen, ehe er auf ihn zugetreten war während des Sandalenschnürens? Trotzdem wusste er noch nicht so genau wie er das finden sollte, dass der Typ ihn heimlich beschattet hatte. "Wer will das wissen?" fragte er deshalb kühl zurück. Der junge Mann gluckste, als ob Nasica einen Witz gemacht hätte und strubbelte sich durch die Haare. "Ja klar, verstehe schon. Da kommt einfach irgendjemand zu dir den du nicht kennst und will von dir wissen wer du bist. Mein Fehler, bitte verzeih mir. Also, ich bin Spyrídon, hiereús des hiesigen kleinen Apollonheiligtums." Nasica reagierte überrascht. "Was, du bist ein Priester?"


    Spyrídon nickte, als wäre er ziehmlich stolz darauf. "So ist es, Priester des Apollon und das schon seit einem ganzen Monat. Lass dich von meinem Äußeren nicht täuschen, die Haare wachsen noch und weil ich privat unterwegs bin, habe ich auch auf meine übliche Ausstaffierung wie die kostbaren Kleider und den Stab verzichtet." Nasica wusste natürlich worauf sein Gegenüber anspielte. Griechische Priester pflegten nämlich normalerweise ihre Haare lang zu tragen und sie mittels eines stróphion, eines speziellen Haarbandes, zu bändigen. Auch sonst waren sie normal schon von weitem als Priester erkennbar durch ihre kostbaren weißen, oder purpurfarbenen Gewänder, einem besonderen Gürtel und des Stabes, der sie als Priester auswies. Spyrídon jedoch war gekleidet wie ein normaler griechischer Jugendlicher. "Jetzt weißt du wer ich bin, wie steht es mit dir? Du willst also nach Rom, wie ich gehört habe?" Spyrídon setzte sich neben Nasica auf die steinerne Bank, direkt neben dem Becken des Tempelbrunnens für die rituelle Reinigung hin und erwartete gespannt seine Antwort. "Ja... so ist es. Ich bin wie gesagt Marcus Valerius Nasica und reise tatsächlich nach Rom."
    "Wahnsinn, echt? Ich war noch nie dort. Wäre natürlich toll mal zu erfahren wie das dort so ist, versteh mich nicht falsch! Aber mein Gefühl sagt mir, dass ich nicht so schnell einen Fuß raus aus Griechenland setzen werde." Spyrídon kicherte über seinen eigenen Witz, während Nasica neben ihm saß und darauf wartete, dass er endlich erkannte wohin dieses Gespräch führen sollte. Er wusste nicht genau, ob er den jungen Priester mochte. "Jedenfalls, wie kommt es, dass du wie ein Grieche verkleidet bist? Seid ihr Römer nicht alle unverbesserliche Togaträger, oder bist du gar kein Römer, sondern willst mich nur anschwindeln mit deinem pseudo-römischen Namen? Ich hab dich auch noch gar nicht Latein sprechen hören. Kannst du das überhaupt? Sag mal was auf Lateinisch!" Ein wenig aufdringlich dieser Spyrídon, doch das strahlende Gesicht das er die ganze Zeit über dabei machte, ließ bestimmt so manches Frauenherz dahinschmelzen, so unschuldig wie er aussah. Nasica jedoch war keine Frau und daher hatte das nur mäßigen Einfluss auf ihn. "Nein danke. Mir gefällt mein Griechisch gerade viel zu gut, als dass ich jetzt die Sprache wechseln wollte." Spyrídon lachte, als ob Nasica ernsthaft einen Witz gemacht hätte. "Gute Antwort! Du gefällst mir, Marcus Valerius Nasica, oder wie auch immer du sonst heißt! Weißt du was? Bestimmt sehen wir uns irgendwann wieder und dann werde ich bestimmt herausfinden was du jetzt genau bist! Also dann, auf bald!" Und mit einem letzten Gruß mit der linken Hand stand er auf und trat in den Tempel, immerhin war ja Spyrídon ursprünglich deswegen hergekommen. Auch Nasica stand jetzt auf und dachte nach. Sollte er auch vielleicht ans Tor und den Priester belauschen, so wie dieser es bei ihm getan hatte? Doch am Ende entschied er sich dagegen. Er war besser erzogen! So drehte er sich um und lief langsam die Tempelstufen hinunter, zurück ins Gewühle der Straßen Kydonias.

    Kydonia war zwar nicht gerade groß, doch es besaß Charackter. Die Häuser waren fast alle weiß gekalkt und mit den verschiedensten Farben und Mustern verziert, hauptsächlich Streifen in kühlen Farben, meistens blau. Nasica kam in den Sinn, dass diese Häuser hier sich nicht viel von denen unterschieden die er schon aus Paraetonium kannte, doch schienen sie etwas höher und auch robuster gebaut. Vermutlich war das dem Umstand geschuldet, dass die Menschen auf Kreta reicher waren und außerdem so viel Holz als zusätzliches Baumaterial zur Verfügung hatten, wie sie sich nur wünschen konnten. Insgesamt sah Kydonia einfach schöner aus, auch in Verbund mit der Landschaft in die es eingebettet war. Ob die beiden anderen größeren Städte Kretas, Knossos und Gortyna, ähnlich aussahen? Nasica bereitete es jedenfalls viel Freude die Leute um sich herum zu beobachten. Im großen und ganzen unterschieden sie sich eigentlich nicht viel von den Griechen aus Alexandria, nur, dass sie blasser waren. Außerdem fehlten ihm die Ägypter in den Straßenszenen.


    Es dauerte nicht lange, bis sein Weg ihn auch am Hauptheiligtum Kydonias vorbeiführte, dem Tempel der Artemis Diktynna. Es war ein solider Tempel von klassischer Bauart, dessen Giebelfriese bunt bemalt waren. Sie zeigten die Göttin Artemis mit Pfeil und Bogen, begleitet von einigen Nymphen und einer Hirschkuh. Griechische Tempel von dieser reinen Prägung gab es in Alexandria nicht, wo dort ja die hellenische und die ägyptische Bauweise zu etwas neuem, der alexandrinischen Art verschmolzen waren, weshalb er guten Gewissens sagen konnte, dass das sein erster griechischer Tempel sein würde, den er betrat, denn genau das hatte er vor. Nasica hatte schon den Fuß auf die erste Stufe gestellt, als ihm einfiel, dass er ja gar keine Opfergaben bei sich trug. Was war der jungfräulichen Göttin eigentlich heilig, abgesehen von Tieren? Er musste eine Weile überlegen, doch dann fiel ihm der Unterricht ein, den er einmal als Kind bei einem griechischen Tempelverwalter in der Heimat erhalten hatte. Damals hatte er von den zwölf Hauptgöttern des Olymps alle ihnen heiligen Dinge lernen müssen. Jetzt wo er sich wieder das Antlitz und die Stimme seines alten Lehrmeisters in Erinnerung gerufen hatte, fiel es ihm auch wieder ein. Artemis waren Pinien, Quitten, Granat- und Eichenbäume heilig! Also würde er wohl nicht allzu viel falsch machen, wenn er losging, um am Markt einige Quitten und Granatäpfel für ein kleines Opfer zu besorgen. Natürlich nicht von dem unflätigen Obsthändler vor dem er gerade eben die junge Frau gerettet hatte! Am anderen Ende des Platzes jedoch wurde er bei einem verhuzelten alten Mütterchen, fündig, das schon halb blind zu sein schien. Es saß auf dem Boden neben ihrer Ware und krächzte:


    [Blockierte Grafik: http://fs5.directupload.net/images/user/180226/tgxmumav.jpg]
    Marktfrau


    "Birnen, frische Birnen. Kommt und kauft meine Birnen. Birnen, Quitten, Äpfel, süß und saftig. Quitten frische Quitten, direkt aus der Umgebung."


    Na wenn das mal nichts versprach! Beim näherkommen besah sich Nasica die Ware genauer. "Chaire, Mütterchen, was sollen denn deine Quitten kosten? Hast du auch Granatäpfel?" Die Alte versuchte zuerst Nasica in ihr Gesichtsfeld zu bekommen, um zu sehen wer sie da angesprochen hatte, erst dann griff sie hinter sich und hob ein Deckchen von einem Korb. Darin lagen massig Granatäpfel. "Granatäpfel, Quitten alles da. Quitten kosten zwei Drachmen das cheonix*, Granatäpfel ebenfalls." Das waren doch ganz vernünftige Preise! In Alexandria war das gleiche Obst doppelt so teuer. "Ich nehme drei Granatäpfel und vier Quitten, bitte. Und sag mir noch Mütterchen, wo kann ich hier Weihrauch kaufen?" Die Marktfrau nahm Nasicas Geld (er bezahlte wieder mit Sesterzen) entgegen und lächelte dann ein ziehmlich zahnloses Lächeln. "Wohl ein frommer Mann, der der großen Artemis huldigen will?" Natürlich war die Alte nicht blöd und konnte Zwei und Zwei zusammenzählen, wo Nasica ja nicht der Erste war, der Weihrauch und der Artemis heilige Früchte kaufen wollte in einer Stadt mit einem riesen Artemistempel direkt in der Nähe. "Dort drüben bei Períandros, doch pass auf, er legt seine Kunden gern aufs Kreuz." Nasica dankte und nahm seine Ware entgegen. Bei besagtem Händler (augenscheinlich ein Phönizier, gefangen im Körper eines Griechen) besorgte sich Nasica Weihrauch und musste allerhand Zusatzangebote ausschlagen, die Períandros ihm noch "exklusiv" anbot, außerdem wäre um ein Haar ein kleiner Junge nah genug an seinen Geldbeutel gekommen, um ihn zu stehlen, hätte er es nicht rechtzeitig bemerkt. Beim weggehen wurde er das Gefühl (oder eher die Ahnung) nicht los, dass das Langfingerkind unter einer Decke mit dem Händler gesteckt hatte. Jedenfalls seiner mangelnden Reaktion nach zu schließen. Doch jetzt hatte er alles und konnte sich endlich an sein Opfer machen. Einer spontanen Anwandlung folgend kaufte sich Nasica kurz vorm Tempel auch noch einen Lorbeerkranz, um das Opfer nach griechischem Ritus zu vollziehen. Außerdem hatte er sowieso keine Toga bei sich, deren Zipfel er für die Kulthandlung über den Kopf hätte ziehen können so wie es der römische Ritus verlangte.


    Derart wohlgerüstet betrat Nasica ein zweites Mal die Tempelstufen. Er kam zum Brunnen für die rituelle Waschung und reinigte sich dort nach Vorschrift. Außerdem zog er seine Sandalen aus und setzte sich seinen Kranz aufs Haupt. Nachdem das alles geschehen war schritt er ins Innere des Tempels.
    Das Kultbild der Artemis Diktynna war viel kleiner als erwartet, doch zum Glück stand auch davor ein foculus und ein Weihrauchbecken auf dem er seinen Weihrauch entzünden konnte. Nasica wollte auf Griechisch beten, doch als Römer trotzdem vorher Ianus anrufen und auch die restliche Opferung nach römischem Gebrauch durchführen.
    Schnell war der Weihrauch entzunden und verteilte überall im Raum seinen wohlriechenden Duft. Nasica ließ sich Zeit und schnupperte im Halbdunkel des Tempels zuerst einmal eine Weile lang diesen Geruch, ehe er beide Hände zum Gebet anhob um weiterzumachen. "Pater Ianus, du der mit den zwei Gesichtern, ich rufe dich an um die Tore zur Götterwelt aufzustoßen, damit Artemis mich hört und sieht bei meinem Opfer." Mit einer Wendung nach rechts schloß Nasica das Gebet ab. Jetzt folgte das Hauptgebet. Er legte seine Quitten und Granatäpfel auf den Foculus und hob wieder seine Handflächen. "Artemis, größte Jägerin und jungfräuliche Göttin! Höre mich, ich, Marcus Valerius Nasica, Sohn von Titus Valerius Alienus, stehe heute hier vor dir und erflehe deine Gunst für meine weitere Reise. Sende einen Pfeilschuss geradewegs nach Roma ab, dem ich getreulich folgen und nimmer fehlgehen kann. Darum bitte ich dich große Göttin und will dir auch weiterhin dafür opfern." Mit einer Wendung nach rechts schloß er das Gebet ab.
    Damit war es getan. Nasica sah noch einen Moment zum Kultbild der Göttin hoch und sog den Weihrauchgeruch in seine Lungen, ehe er sich umdrehte und den Tempel verließ. Draußen setzte er seinen Kranz ab und schnürte sich seine Sandalen.
    Als Nasica sich wieder aufrichtete um zu gehen, merkte er, dass jemand direkt vor ihm stand und ihn anblickte.


    Sim-Off:

    * cheonix = Antikes Volumenmaß, ursprünglich für Weizen. Entspricht 1,09 l, also ungefähr einem Kilo.

    Nasica blieb stehen, um sich die junge Frau genauer anzusehen. Sie war ein Bild von einer Griechin. Groß, schlank und langes lockiges schwarzes Haar, das in einer klassischen Lampadion-Frisur angeordnet war. Das Mädchen hatte einen klugen Blick, alles in allem hätte sie wohl genauso gut nach Alexandria gepasst, wie vermutlich auch nach Athen. Kydonia war natürlich mehr als bloß ein Dorf, doch eine Metropole war es trotzdem längst nicht. Dafür umso erstaunlicher für Nasica eine solche Frau hier zu erblicken, die von ihrer Aufmachung her eher in eine Großstadt gepasst hätte, als in einem mittelgroßen Hafen. Als Nasica ihr so zusah wie sie vor einem Obststand mit Äpfeln stand und gerade damit begann von ihrem Aussehen auf ihren Charackter zu schließen, tat die junge Frau etwas unerwartetes. Sie griff sich einen Apfel vom Stand, biss hinein und wollte gehen. Doch zu ihrem Unglück kam in diesem Augenblick der Standbesitzer zurück und hatte gerade noch mitbekommen was sie getan hatte. "He da! Stehenbleiben!" Das Mädchen zeigte eine erschreckte Miene und wollte sich schon zur Flucht wenden, doch der Obsthändler war schneller und packte sie am Handgelenk. "Hiergeblieben!"



    Pseydione


    "Lass mich los!" Vergeblich versuchte die Schöne sich von ihrem Häscher zu befreien, doch leider war dieser zu stark. "So siehst du mir aus! Das wird mächtig Ärger geben, junge Dame! Los jetzt! Sag mir zu wem du gehörst! Vater oder oder Ehemann? Das wird auf jeden Fall ein gewaltiges..." Nasica konnte diese Szenerie nicht länger mitansehen. Er trat zu den beiden heran und fragte in festem Ton: "Was ist hier los?" Der Händler wandte seinen Blick auf den Valerier. "Wer will das wissen...?" Auch die Frau sah ihn mit abschätzendem Blick an, vermutlich konnte sie in diesem Moment überhaupt nicht einordnen, ob dieser Fremde sich zu ihrer Gunst, oder Ungunst hier einmischte. Nach einem kurzen Blick zu der Schönen konzentrierte sich Nasica wieder auf den Mann vor ihm. "Das hier ist meine Ehefrau die du hier am Arm gepackt hast. Was fällt dir ein so grob mit ihr umzuspringen!" Sehr hoch gegriffen, zugegeben, aber mal sehen, ob er dieses Spiel gewinnen konnte. Der Händler plusterte sich auf. "Dann bist du also der Verantwortliche! Dein Weib hat mich bestohlen! Sieh her, diesen Apfel in ihrer Hand hat sie mitgehen lassen! Ohne zu bezahlen!" Stolz im Stillen auf sich und seine Schauspielfertigkeiten behielt Nasica eine grimmige Miene bei und antwortete: "Bestohlen? Dich? Mitnichten! Es kann kein Diebstahl sein, wo ich doch gerade zu dir kommen und den Einkauf meiner Frau bezahlen wollte." Nasica öffnete seinen Geldbeutel und warf dem verdutzten Händler drei Sesterze vor die Füße. "Da hast du! Sogar weit mehr, als du verdient hast! Behandelst du alle deine Kunden derart flegelhaft? Anklagen sollte ich dich!" Nasica hatte Griechisch mit dem Mann gesprochen (wie er das überhaupt so handhaben wollte, solange er in Griechenland verweilen würde), ihn aber mit römischem Geld bezahlt. Das hieß für den Händler entweder, dass er einen Römer vor sich hatte, oder einen hochgestellten Hellenen von außerhalb. Doch halt, er konnte keine Toga an dem Mann entdecken, seine Frau sah ganz klar griechisch aus und der sprachliche Akzent des Mannes war keinesfalls der eines lateinischen Muttersprachlers, viel mehr der eines Orientalen aus dem Osten. Anatolien, Iudaea, oder Ägypten vielleicht. Doch egal ob jetzt Römer, oder orientalischer Grieche, beides waren sehr einflussreiche Gesellschaftsschichten und der Obsthändler wollte es sich mit beiden nicht verscherzen. Ab dem Augenblick wo er die Münzen auf dem Boden herumkullern sah änderte sich sein Auftreten schlagartig. Er beeilte sich die Sesterze aufzuheben und einzustecken, dann hob er bittend die Arme in Richtung Nasica. "Tut mir unendlich Leid für diese Verwechslung, kyrios! Es war mein Fehler, verzeih, es wird nicht wieder vorkommen! Bitteschön, hier noch ein Apfel als Geschenk für deine reizende Gattin, bitte entschuldige noch vielmals!" Er drückte der Frau noch einen Apfel in die Hand und zog sich dann zurück. Dieser wiederum blickte immer noch überrascht ihren Beschützer an. "Ich danke dir. Doch, warum hast du das getan?" Während sie ein Stück zusammen gingen zuckte er mit den Schultern und lächelte sie freundlich an. "Ich glaube es war das richtige, deshalb." Jetzt lächelte auch die junge Frau, ja sogar mehr noch. Sie blieb stehen und schenkte Nasica einen Kuss auf die Wange. "Vielen Dank, mein Retter." Dann bog sie nach rechts in eine Seitengasse ab und verschwand mit den beiden Äpfeln aus Nasicas Blickfeld. Dieser sah ihr milde grinsend hinterher. Jemand der so aussah wie diese junge Frau konnte kein schlechter Mensch sein, da war er sich sicher. Penelope wäre bestimmt stolz auf ihn, wenn seine Liebste wüsste, dass er sich so sehr für das schwächere Geschlecht einsetzte. Mit neuer positiver Energie geladen setzte Nasica seinen Morgenspaziergang durch Kydonia fort.


    Sim-Off:

    Pseydiones Vornamen gibt es so nicht in Echt, jedoch verrät er etwas über ihren Charackter

    Nasica erwachte, aufgeweckt vom Gesang der Vögel, aus einem traumlosen Schlaf. Er rollte sich zur Seite und blicke in den Raum hinein. Es war früher Morgen. Er befand sich in einem der Gästezimmer direkt über dem Schankraum in dem er letzte Nacht zusammen mit einigen Matrosen von der Astarte eine Partie Canis gespielt hatte. Heute fühlte er sich emotional schon wieder wesentlich besser, heute würde er sich von nichts die Stimmung vermiesen lassen! Noch einmal ein tiefes Gähnen, dann stand er auf. Während er sich wusch überlegte sich der Valerier was er heute alles unternehmen wollen würde. Kapitän Methusastartos hatte ihm gestern gesagt sie würden heute den ganzen Tag über hier bleiben und auch nochmal hier schlafen, ehe es morgen weiter nach Athen gehen würde. Zeit genug also, um Kydonia gründlich zu erkunden. Jetzt am Vormittag wollte er zuerst einmal einen großen Spaziergang quer durch die Stadt machen, um die Ortschaft kennenzulernen und am Nachmittag würde er sich gerne irgendwo ein Pferd mieten, um dann die ländliche Gegend und die Hügel rund um Kydonia näher zu erkunden und vielleicht war sogar noch ein kleiner Ausritt auf die nordöstlich gelegene Akrotiri-Halbinsel drinn. Nachdem Nasica zur vollen Zufriedenheit seine Morgentoilette absolviert hatte, fiel sein Blick auf die Toga, die zu einem Haufen zusammengeknüllt in einer Ecke des Zimmers auf einem Stuhl lag. Bei den letzten zwei Landgängen in Paraetonium und auf Cauda hatte es sich als lebensrettend (bei ersterem vermutlich mehr, als bei letzterem) erwiesen, dass er bloß in einer Tunika gekleidet herumgewandert war, denn mit ihr hätte er unmöglich so schnell rennen können. Außerdem gefiel ihm die Vorstellung ohne dieses herausstechende Alleinstellungsmerkmal eines Römers quasi in der Menge unterzutauchen und vollkommen eins mit der eingeborenen Bevölkerung zu werden. Ob sein Griechisch sich sehr von dem der Leute hier unterscheiden würde? Zeit das herauszufinden!


    Nur mit Sandalen und Tunika bekleidet (natürlich auch mit Gürtel an dem allerhand hing, was man so tagsüber brauchte wie der Geldbeutel) trat Nasica auf den Flur und schloss hinter sich die Tür. Unten im Schankraum angekommen warf er dem Wirt ein paar Münzen auf die Theke ("Mein Zimmer bitte für noch eine Nacht besetzt halten.") und verließ die Hafenkneipe, nachdem der Wirt das Geld eingestrichen und genickt hatte. Draußen auf den Straßen war schon viel Volk unterwegs. Müde Nachtwächter, die der heimischen Bettstatt zuschlurften, Marktfrauen, die ihre Stände am aufbauen waren und die ersten Bauern aus der Umgebung, die mit ihren geernteten und hergestellten Landwirtschaftsprodukten nach Kydonia gekommen waren, um sie ier zu verkaufen. Das Hafenviertel schien in der Tat das Herz der Stadt zu sein. Nicht weit von seinem jetzigen Standpunkt aus thronte die Astarte an ihrem Pier. Er kam etwas näher. Die phönizischen Matrosen waren schon rege bei der Arbeit. Wie Ameisenkolonnen pendelten sie zwischen dem Schiff und den Lagerhäusern hin und her. Als Nasica diese Kolonnen kreuzte, ging Hanno direkt an ihm vorbei, beladen mit einer riesigen Amphore. Der Schiffsjunge warf ihm einen kurzen emotionslosen Blick zu und behandelte Nasica weiters wie Luft. Ein schlechtes Gewissen machte sich in seiner Brust bemerkbar. Er musste unbedingt versuchen sein Verhältnis zu Hanno wieder zu kitten, so wollte er nicht den Rest der Reise verbringen. Irgendwie musste sich diese Angelegenheit zur Zufriedenheit aller lösen lassen. Während Nasica so in Gedanken weiterschlenderte, kam er nach kurzer Zeit auf eine Art Marktplatz, wo das nächste was er wahrnahm eine wunderschöne junge Frau war.

    Nasica setzte sich zusammen mit Abdemon, Mago, Himilkon und zwei weiteren Matrosen an einen Tisch. Noch hatte er sich immer nicht an den Seetanggeruch gewöhnt. Am liebsten hätte er sich die Nase zugehalten, doch vor den Seemännern wollte er keine Schwäche zeigen. Er war auch schon ein Mann, genauso wie sie!
    Eine der beiden mitgekommenen Matrosen lachte und klopfte Nasica auf den Rücken. "Jetzt bekommst du von uns eine richtige Medizin und nicht das wirkungslose Zeug von Mago!" Dann drehte er sich zum Wirt um und rief: "Sechs Weine! Unverdünnt!"
    Ein wenig rümpfte Nasica schon die Nase über diese Bestellung. Dafür war er bei all seiner hellenisch-alexandriner Eigenart immer noch Römer genug, um das Trinken von unverdünnten Wein für barbarisch zu halten. Andererseits saß er mit fünf Phöniziern am Tisch, also was wollte man sich da noch groß beschweren. Nasica würde trotzdem mit ihnen mittrinken. So würde er im Ansehen der anderen aufsteigen und wer weiß, vielleicht hatte der Matrose ja recht mit seiner Behauptung, dass Alkohol gut für sein verletztes Ohr war? Mago hatte ihm ja bislang erfolgreich Heilpasten und dergleichen verweigert gehabt.
    Himilkon packte drei Würfel aus und legte sie auf den Tisch. "So Mädels, was wollen wir heute spielen, Unus Lumen vielleicht?"
    "Aach, das haben wir gestern auf Cauda schon gespielt, wie wärs mit Venus?" maulte einer der beiden Matrosen.
    "Venus ist was für Amateure, ich sage euch spielen wir eine Partie Canis!" ließ Abdemon von sich hören.
    "Oh ja, Canis ist gut! Ich freu mich schon euch um euer Geld zu erleichtern!" pflichtete ihm Mago bei. Himilkon nickte. "Gut, dann also Canis. Meine Herren, eure Einsätze bitte!"
    Danach legte der Haizahn gleich einen Dupondius vor sich hin. Mago tat es ihm gleich, Die beiden Matrosen und Abdemon platzierten jeweils zwei Asse vor sich. Nasica blickte sie etwas unsichter an. Was sollte er jetzt tun? Alle Blicke waren auf ihn gerichtet in der Erwartung, dass er etwas machen würde. "Wirds bald?" drängte ihn einer der Matrosen. "Ich, ähm.."
    "Weißt du eigentlich wie Canis gespielt wird?"
    Nasica schüttelte den Kopf. Himilkon seufzte kurz auf, dann erklärte er: "Jeder von uns setzt einen halben Sesterz als Einsatz. Man kann auch nur einen As setzen, aber wir spielen immer mit einem halben Sesterz, so bekommt man schneller nennenswerte Beträge zusammen."
    "Jau! Hört hört!"
    "Klappe, Abdemon! Also, jeder macht seinen Einsatz. Dann würfelt jeder reihum je 3x mit drei Würfel gleichzeitig, ehe der nächste drankommt. Würfelt wer drei Einser scheidet er aus und sein Einsatz wird in die Tischmitte gelegt."
    "Du meinst in den Pott eingezahlt.!"
    "Ich sagte Klappe! Also, hast du einen Hundewurf, bzw. drei Einser, scheidest du aus und verlierst deinen Einsatz. Sieger ist, wer als letzter noch keinen Hundewurf hatte, der erhält dann den ganzen Pott."
    "Klingt einfach, na dann los!"
    Himilkon begann. Er machte seine ersten drei Würfe. Zuerst 5,2,5, dann 1,6,1 und zum Schluss 2,3,5.
    "Au, knapp! Ein Würfel lag falsch im zweiten Wurf, einer nur und schon hätte dein Geld mir gehört!"
    Himilkon schnaubte und reichte die Würfel weiter an den Matrosen, der gerade gesprochen hatte. "Mal sehen was du zusammenbringst!"
    Der Matrose würfelte und hatte zuerst 3,1,3, dann 5,4,2 und als letztes 6,6,3.
    "So geht das! Jeder Wurf meilenweit weg von einem Canis!"
    Zufrieden mit sich reichte er die Würfel weiter an Mago. Der alte Navigator schüttelte die Würfel ein paar Mal in seiner Faust und warf. Er hatte 1,5,6, dann 6,4,2 und 1,2,4.
    "Hm, auch nicht schlecht", kommentierte der Matrose von vorhin.
    "Du bist dran Junge, zeig was du kannst!" Nasica nahm von Mago die drei Würfel entgegen. Hoffentlich war ihm Fortuna hold. Es wäre peinlich sollte er der erste aus der Runde sein, der einen Hundewurf hätte. Nasica atmete noch einmal tief durch und ließ dann die Würfel rollen. Er hatte 1,2,2, dann 2,4,4 und als letztes 1,4,6. Erleichtert gab er die Würfel an Abdemon weiter.
    "Nicht schlecht für den Anfang", meinte Mago aufmunternd. Der Hüne nahm die Würfel entgegen und blies auf sie, um Fortuna ein wenig mehr Glück für sich herauszukitzeln. "Seid ihr bereit zu sehen wie man das wirklich spielt?" fragte er schelmisch in die Runde und machte seinen ersten Wurf.
    Es waren 5,6,2 ("Gut, sehr gut, weiter so..."), 6,6,2 ("Wow! Fast ein Venuswurf!") und zum Schluss 6,4,1 ("Solider Start, ich bin zufrieden!"). Der letzte aus ihrer Runde nahm die Würfel entgegen, doch bevor er seinen Zug machen konnte, kamen die bestellten Getränke. Die Seemänner stießen ihre Becher zusammen ("Prost! Zum Wohle Gapris!*") und leerten gleich die erste Runde. Nasica hatte seinen Becher noch gar nicht richtig an die Lippen geführt, als da Mago, Abdemon und Himilkon ihre schon wieder leer auf den Tisch absetzten und sich die Münder abwischten. "Ah, das hat gut getan! Bestellt doch gleich die nächste Runde!" Gesagt getan. Während Mago aufstand, um ihre Bestellung für weitere sechs Becher unverdünnden Weins aufzugeben, trank Nasica erst mal seinen ersten aus, während der zweite Matrose als letzter von ihrem ersten Durchgang seinen Wurf machte. 1,1,2 ("Knapp! Sehr knapp!"), 2,3,4 und 1,4,5. Die erste Runde war beendet. Jeder hatte überlebt. Am ehesten waren noch Himilkon und der zweite Matrose an der Klippe gestanden mit je zwei Einser. Himilkon war wieder an der Reihe und würfelte, während Abdemon den ersten Matrosen fragte: "Was hast du eigentlich gestern mit der einen Porne** gemacht, die sich dir so aufgedrängt hatte? Hast du sie wirklich genommen?"
    "Jau! Zwei Mal!" Die am Tisch versammelte Seemannsrunde stöhnte kollektiv auf.
    "Das war doch diese Billige, die so komisch gerochen hat, oder?"
    "Jau, genau die!"
    Himilkon schnaubte. "Eher würde ich zulassen, dass mir der Schwanz abfällt, bevor ich die rangelassen hätte."
    Nasica konnte nur aus dem Kontext schließen über was sich seine Würfelkumpane da gerade unterhielten, immerhin hatte er gestern auf Cauda den Abend alleine verbracht durch einen kleinen Spaziergang und dann, weil er in einem anderen Gasthof übernachtet hatte als die Matrosen (wenn sie nicht überhaupt an Bord genächtigt hatten). Doch so wie es sich anhörte war da eine hygienisch eher vernachlässigte Prostituierte auf Kundenfang zu ihrem Tisch gekommen und der eine Matrose hatte sich ihrer erbarmt. So unterhaltsam er das Würfeln zusammen mit den Phöniziern auch fand (jetzt gerade war er wieder an der Reihe), so ganz war das Seemannsleben wohl doch nichts für ihn. Obwohl er es gerne mit den valerischen Sklavinnen zuhause gemacht hatte, eine Lupa war ja doch etwas anderes, damit konnte er weniger anfangen.
    "Tja, ich habe den Tag noch nicht erlebt, wo du nicht einmal eine ausgelassen hättest" pflichtete der zweite Matrose bei. Dann drehte er sich zu Nasica zu und nickte mit dem Kopf in seine Richtung. "Was ist mit dir? Jungfau?"
    Empört sah Nasica zurück. "Natürlich nicht!"
    "Er hat zuhause ein Mädchen" meldete sich da jetzt auch Abdemon erneut zu Wort. Das wusste er, weil Nasica es ihm erst vor einigen Tagen während einer Partie Senet erzählt hatte. Zum Glück wurde das Tischgespräch für einen Moment von Nasicas Liebesleben weggeführt, denn in diesem Moment würfelte Mago einen Hund. "Verdammt!"
    "Ha! Ab in den Pott mit deinen Moneten!" Grummelnd legte Mago seinen Dupondius in die Tischmitte. "Dafür hole ich mir keine gonórrhoia, bloß weil ich zwanghaft alles bespringen muss, was bei Drei nicht am Baum ist." meinte er als kleiner Seitenhieb und die Tischrunde lachte (mit Ausnahme von Nasica) auf. Nasica war jetzt wieder an der Reihe mit Würfeln. Er hatte 3,3,1, dann 1,6,3 und... einen Hundewurf!
    "Oooh das wars dann wohl mit der Traumvilla auf Sizilien. Ab in den Pott!" kommentierte wieder der erste Matrose und lachte. Ärgerlich starrte Nasica auf seine drei Einsen, die ihn mit ihrer geringen Augenzahl zu verhöhnen schienen. Dann schob auch er seinen Einsatz (zwei Asse) zu Magos Dupondius in die Tischmitte. "Na also, ein Sesterz ist schon mal zusammen." zufrieden nahm Himilkon die Würfel entgegen, nachdem der zweite Matrose als letztes gewürfelt gehabt hatte. Da Nasica die Aufmerksamkeit aller ungewollt sowieso wieder auf sich gelenkt hatte mit seinen drei Einsen, kam auch der erste Matrose gedanklich erneut dazu sich näher mit ihrem Passagier zu beschäftigen. "He Kleiner, hast es schon Mal mit deiner Kleinen getrieben?" Nasica war empört. Was erlaubte sich dieser dreiste Kerl! Kannten Seemänner denn etwa wirklich keine anderen Themen, außer Alkohol und Frauen?!
    "Das ist meine Sache, denke ich wohl." antwortete er steif. Offenbar amüsierte er den Matrosen sehr mit seiner Reaktion. "Ach komm schon, jetzt zieh dir den Stock hinten raus, du bist hier unter Freunden!"
    "Jau! Du musst schon lockerer sein, wenn du dazugehören willst!" bemerkte der zweite Matrose. Die anderen drei enthielten sich eines Kommentars. Während die Würfelrunde weiterging dachte Nasica über die Worte der beiden nach. War er wirklich zu seriös in dieser Runde? Vermutlich hatten sie erwartet, dass auch er genauso wie Mago zuvor mit einem tollen Spruch konterte, damit die anderen was zu lachen hätten, doch für so schlagfertig hielt er sich einfach nicht. Nasica war Gelehrter, kein Sprücheklopfer.
    Da er sowieso schon raus war, blieb ihm nichts anderes übrig, als den übrigen vier noch verbliebenen Spielern zuzusehen und dabei seinen Gedanken nachzuhängen. Irgendwie war seine Stimmung etwas geknickt seit den Kommentaren der beiden Matrosen und eigentlich wollte er plötzlich nur noch ins Bett.
    Aber Nasica blieb sitzen bis zum Schluss. Das Spiel ging noch über einige Zeit in der sich die anderen glänzend amüsierten. Als nächstes hatte Himilkon einen Hund gewürfelt, dann der zweite Matrose. Am Ende knobelten es Abdemon und der erste Matrose unter sich aus und nach ein paar haarsträubenden Würfen konnte schließlich Abdemon das Spiel für sich entscheiden und strich den Tagesgewinn in Höhe von drei Sesterzen ein.
    Als sich die beiden Matrosen und Himilkon anschließend nach leichten Mädchen umsahen und Abdemon mit Mago noch eine kleine Runde Quinque anfing, hielt Nasica die Zeit für gekommen aufzubrechen und sich Schlafen zu legen. Den Seetanggestank hatte er inzwischen vollkommen vergessen.


    Sim-Off:

    Unus Lumen = "Einauge", ein antikes Würfelspiel
    Venus = "Venuswurf", ein antikes Würfelspiel
    Canis = "Hundewurf", ein antikes Würfelspiel
    Quinque = "Fünferreihe", ein antikes Würfelspiel


    Sim-Off:

    * Gapri/Gapn = Kaum erwähnter phönizischer Weingott


    Sim-Off:

    ** porne = griech.: "Prostituierte"

    Die Astarte war das letzte Schiff, das an diesem Abend im Hafen von Kydonia einfuhr. Die Sterne funkelten bereits über ihren Köpfen, als die Matrosen auf den Steg sprangen und das Schiff festmachten. Kapitän Methusastartos kam auf Nasica zu und sagte: “Wir haben unseren ersten Anlaufpunkt erreicht. Wir werden den ganzen morgigen Tag in Kydonia bleiben und erst übermorgen in aller Frühe weiterfahren. Mach solange was du willst, aber steh nicht im Weg rum.
    Dann machte der Phönizier auch schon wieder kehrt, um Gisco wegen eines weiteren Unfalls mit einem Tau anzubrüllen. Methusastartos war immer noch merklich kühler zu ihm gewesen. Offenbar grollte er ihm immer noch wegen ihrer kürzlichen Auseinandersetzung wegen dem Schiffsjungen Hanno, die sie vor drei Tagen in den Gewässern vor Chersonesus Magna gehabt hatten. Nasica spürte einen kleinen Stich bei diesen Gedanken. Hanno war ihm seither aus dem Weg genangen, was er sehr bedauerte, denn er hatte den Jungen gern um sich gehabt. Doch er konnte im Moment nichts daran ändern. Vor ihm würde also morgen ein ganzer Tag in Kydonia warten. Das wäre ihr bislang längster Aufenthalt. Nasica war dabei sehr froh, dass er genug Silber besaß, um als Passagier ohne Arbeitsverpflichtung mitreisen zu können, denn gewiss würde morgen ein schwerer Tag auf die Matrosen warten, denn sie großteils mit dem Be- und Entladen der Astarte verbringen würden, während Nasica frei war und sich einen schönen Tag machen konnte. Was es dabei wohl alles zu entdecken gab? Kydonia war der erste bedeutende griechische Ort den er sah, denn das kleine Nest auf Cauda konnte ja wohl kaum zählen. Ob sich die kretischen Griechen sehr von denen unterschieden die er aus Alexandria kannte? Der morgige Tag mochte es ihm zeigen!


    Jetzt aber galt es zuerst einmal ein Quartier für die Nacht zu finden. So ging er zusammen mit ein paar anderen Seemännern von Bord und folgte ihnen zu einer nahen Hafentaverne. Es war ja nur für eine Nacht, da würde es selbst eine solche schon machen. Er folgte Himilkon dem Haizahn und Steuermann durch die Tür und musste sich gleich die Hand vor die Nase halten. Hier stank es über die Maße nach Seetang! Wie machten diese Hafenwirte das immer nur? Er konnte sich nur zu gut an sein letztes Mal in einer Hafentaverne erinnern, als er eine in Paraetonium betreten gehabt hatte und schon beim Eintritt gleich fast am entgegenschlagenden Rauch erstickt wäre. Nein, er und Hafenkneipen würden wohl niemals echte Freunde miteinander werden, so viel stand fest. Doch er wollte nicht schon wieder alleine übernachten. Diesen Abend wollte er zusammen mit den anderen Männern vom Schiff verbringen, besonders den Steuermann der Astarte hoffte er heute vielleicht noch ein wenig besser kennenzulernen, denn bislang hatte er noch nicht allzu viele Gelegenheiten dafür gehabt. Himilkon schien ein interessanter Mann zu sein und gewiss würde er einige spannende Geschichten zum Besten geben können.


    Kydonia (von den Römern auch Cydonia genannt) ist neben Knossos und Gortyna eine der drei großen Städte auf der Insel Kreta und wurde der Legende nach von König Kydon, Sohn des Götterboten Hermes und der Prinzessin Akakallis, gegründet. Kydonia besitzt einen geschützten Naturhafen und liegt an der Nordküste Kretas, östlich der Rodopos- und westlich der Akrotiri-Halbinsel am Kretischen Meer. Kydonia beherbergt ein Heiligtum der Artemis Diktynna, genauso wie einen Tempel der Britomartis am nahe gelegenen Berg Tityros. Seine Einwohner sind berühmt für ihre gekelterten Weine und ebenso für ihre Kunstfertigkeit mit Pfeil und Bogen.


    Kydonia kam 69 v. Chr. zu Rom und wurde
    30 v. Chr. durch Augustus zur autonomen Stadt erklärt. Heute liegt Kydonia in der römischen Provinz Creta et Cyrene.


    "Aua! Das tut weh!"
    "Jetzt halte doch still, Junge! Ich seh ja nichts, wenn du so zappelst!"
    Verärgert brummte Mago und versuchte mit beiden Händen Nasicas Kopf festzuhalten, um sich sein verletztes Ohr näher ansehen zu können.
    "Aber es schmerzt, wenn du dort herumdrückst!"
    "Tja! Selbst schuld, wenn du wie blöde durch die Gegend rennst! Ich hab dir gesagt du sollst dich noch mindestens bis Athen schonen!"
    Genervt zischte der Römer. Nach seinem kleinen Lauf über Stock und Stein, quer über die Insel Cauda, hatte sein Ohr wieder zu schmerzen begonnen und das stärker, als ihm lieb war. Wie konnte das eigentlich passieren, er war ja nirgends damit angekommen, so ganz verstand er diese Sache nicht. Fest stand nur, dass er im Moment wieder große Schmerzen hatte. Es war zwei Stunden nach Mittag und die Astarte pflügte durch das Wasser auf dem Weg nach Kreta. Genauergenommen nach Kydonia, denn Kreta selbst würde ja schon bald am Horizont auftauchen. Dann hieß es nur noch den Rest des Tages die Westspitze der Insel zu umrunden und dann wären sie gegen Abend hin auch schon da.
    Mago seufzte. "Das Ohr scheint so weit in Ordnung zu sein. Besser du schonst dich für den Rest dieses Tages, also Marsch, unter Deck und hingelegt!"
    Nasica machte ein langes Gesicht. "Schon wieder?"
    "Ja, "schon wieder"! Ich kann nichts dafür, wenn du nicht selber auf dich aufpassen kannst, also runter mit dir! In Kydonia kannst du dann wieder von Bord." Genervt machte er sich auf den Weg. Nasica sah es schon kommen, wenn das so weiterging, würde er den ganzen verdammten Rest dieser verdammten Reise auf dem Rücken liegend unter Deck verbringen! Er befolgte Magos Anweisung nur, weil er wusste, dass der alte Navigator im Grunde Recht hatte, egal wie brummig er gerade auf ihn war. Sein Ohr befand sich einfach noch nicht in der Verfassung, dass Nasica aufsprang und wie der Wind herumlief, das war ihm ja auch vor ihrer Landung noch extra gesagt worden. Das alles war nur die Schuld von dieser Polykas, jawohl!


    Ein Knarzen weckte Nasicas Aufmerksamkeit, nachdem er eine Weile still auf seinem Lager gelegen hatte. Er blickte auf und sah Abdemon vor sich. "Was gibt es?" fragte Nasica formlos. Abdemon kratzte sich am Kopf und grinste verlegen. "Ich wollte bloß nachsehen wie es dir so geht. Alles in Ordnung?" Eigentlich war ihm gerade nicht so sehr nach reden. Um es etwas gemütlicher zu haben legte Nasica sich wieder hin und blickte hoch zur Holzdecke, während er dem Matrosen antwortete: "Jaa schon.. mein Ohr schmerzt nur wieder."
    "Das hörte ich schon. Hast du denn irgendwas besonderes gemacht, dass es dir wieder weh tut?"
    Nasica lächelte gequält. Sollte er wirklich die Wahrheit erzählen? Dass er vor einer Frau weggelaufen war, bloß wegen eines unguten Gefühls? Man konnte ihn sehr schnell für feige, oder schwach, oder unmännlich für sowas halten, in Rom mochte so etwas bestimmt undenkbar sein, dass ein Mann vor einer schwachen, unbewaffneten Frau davonrannte, als wäre sie ein Rudel Wölfe! Doch Abdemon war kein Römer und besaß daher auch nicht deren Mentalität (ja nicht einmal Nasica selbst so wirklich, viel eher die eines griechischen Alexandriners). Außerdem war er eine gute Seele, er konnte es wohl riskieren, ohne allzu sehr sein Gesicht zu verlieren. "Ich bin gerannt."
    "Gerannt?"
    "Ja, oder besser gesagt weggerannt."
    "Weggerannt? Wovor denn?"
    "Vor.. ... einer Frau"
    Es hatte einiges an Überwindung gekostet, doch er hatte den Satz doch noch herausbekommen. Abdemon zeigte zuerst ein verwundertes, dann ein grinsendes Gesicht. "Hat sie wohl nicht die Finger von dir lassen können, was?" Offenbar dachte er die Frau wäre eine Prostituierte, oder sonstige Geliebte gewesen.
    "Hm, nein, das war es nicht. Ich bin einfach so vor ihr weggelaufen."
    Abdemon bewies diplomatisches Geschick, als er anstatt einer Verurteilung bloß mit den Achseln zuckte und meinte: "Du wirst wohl schon deine Gründe dafür gehabt haben schätz ich mal."
    Nasica war ihm dankbar dafür, dass Abdemon ihn nicht auslachte. "Im Grunde ist ja auch nichts besonderes passiert. Ich traf sie auf einer Waldlichtung und sie bot mir an mir einen wundersamen Ort zu zeigen, doch ich wollte nicht. Ich fühlte mich von ihr bedroht, deshalb bin ich von dort weg. Diese Frau war eigenartig."
    Anstatt ihn näher über Details auszufragen lächelte der Matrose nur. "Willkommen in Griechenland, Kleiner, das läuft hier eben so."
    "Was?" Nasica war verwirrt.
    "Dieses Land ist uralt und in Griechenland ist alles meist ein wenig anders, als es auf dem ersten Blick zu sein scheint."
    "Willst du damit sagen diese Frau war vielleicht gar nicht..."
    "Ich will damit gar nichts sagen. Bitte pass einfach auf dich auf solange wir in diesen Gewässern kreuzen, ja? Du könntest dich sonst schneller verlieren, als dir lieb ist." unterbrach ihn der Matrose, damit Nasica gar nicht erst die Chance gehabt hatte seine Vermutung über Polykas auszusprechen. Nachdem Abdemon seinen Satz beendet hatte stand er auf, nickte ihm noch einmal zu und machte sich dann schnurstracks von dannen und ließ lauter Fragezeichen für Nasica zurück. Was sollte das denn gerade bedeutet haben???


    Den Rest des Nachmittags verbrachte Nasica liegend (und teils schlafend), ehe es endlich Abend wurde und er daher beschloss an Deck zu gehen, um zu sehen wie weit sie noch von ihrem Ziel entfernt waren. Als er sich wieder unter freiem Himmel befand, stachen ihm gleich die hohen kretischen Berge an der nahen Küste ins Auge, an denen die Astarte langsam ostwärts vorbeiglitt. Die Westspitze hatten sie also schon umrundet, ebenso wie die Rodopos-Halbinsel. Aufflackernde Feuerflecken an der Küste, südöstlich von ihnen, zeigten ihnen im jetzt schnell schwindenden Licht die nahe Präsenz eines Küstenorts an in dem die Leute die ersten Nachtbeleuchtungen entzündet hatten. Dieser Küstenort war Kydonia, das Tagesziel ihrer heutigen Etappe.

    Die Nacht war unruhig für Nasica. Er träumte davon wie er durch ein uraltes Labyrinth lief, das den großen Steinquadern und der Wandbemalung nach minoisch sein musste. Überall war ein irres Lachen zu hören und hinter ihm verfolgten den Römer zwei schattenhafte Gestalten mit überdimensionierten blutroten Karikaturen von Messern. Nasica lief so schnell er konnte, doch die Gestalten kamen immer näher. Er bog um eine Ecke und fand sich vor einer Sackgasse wieder. Er wollte umdrehen und einen anderen Weg nehmen, doch da waren die Messergestalten schon vor ihm und stachen zu. Nasica schrie und fiel rückwärts. Er fiel und fiel einen schwarz-violetten Mahlstrom hinab, bis er endlich auf einem hölzernen Untergrund aufschlug. Der Traum-Nasica rappelte sich auf und fand sich auf einer griechischen Trireme wieder, die durch einen vernebelten fliederfarbenen Ozean pflügte. In der Ferne wurden die Schemen einer Küstenlinie erkennbar und zuerst ganz leise doch schnell immer lauter war ein sanfter Gesang hörbar. Der Traum-Nasica ging ganz zum Bug, um zu sehen was da vor ihm lag, während das Schiff sich wie von Geisterhand bewegt ständig dem Strand näherte. Endlich lief es auf Grund und Traum-Nasica sprang an Land. Vor ihm tauchte im Nebel eine weibliche Schattengestalt auf. Sie schien lange offene Haare zu haben und ihre Augen leuchteten weiß. Sie schien Nasica magisch anzuziehen. Der Gesang wurde währenddessen immer noch lauter. Vor dem Frauenschatten mit den weißen Augen angekommen war die Melodie jetzt so ohrenbetäubend, dass es kaum noch auszuhalten war. Traum-Nasica wollte etwas zu der Gestalt sagen, doch kein Ton entwich seinem Mund. Die Ohren schmerzten ihm schon sehr, warum konnte dieses Gejaule keine Ruhe geben! Plötzlich öffnete sich inmitten des Schwarz ein riesiger fratzenhafter Mund an der Frau und sie kreischte wie eine Chimaira, ehe sie ihren spitzbezahnten Schlund weit aufriss und Traum-Nasica in einem einzigen Stück verschlang.


    Nasica fuhr schreiend und in Schweiß gebadet aus dem Schlaf hoch. Sein Herz raste. Was war das eben gewesen? Immer noch keuchend setzte er sich etwas mehr auf und wischte sich ein paar Schweißtropfen von der Stirn. Alles hatte so real gewirkt. Was war es nochmal gewesen? Irgendeine Verfolgungsjagd, die an Paraetonium erinnern mochte und dann noch etwas mit einem Schiff und einer Frau, aber die Einzelheiten seines Alptraumes waren schon dabei ihm wie Sand durch die Finger zu rieseln. Träume pflegten dies an sich zu haben. Nasica versuchte die Details festzuhalten und sich in Erinnerung zu rufen, um sie hernach genauer analysieren zu können, doch je mehr er es versuchte, desto schneller entglitt ihm alles. Plötzlich wurde da seine Tür aufgerissen und der Wirt stand im Nachtgewande und mit einer Öllampe und einem Knüppel im Rahmen. "Was ist passiert, gab es einen Einbruch? Wo ist er!" Nasica winkte ab, nachdem er sich von diesem weiteren Schreck erholt hatte. "Es ist nichts, ich hatte bloß einen Alptraum. Du kannst wieder schlafen gehen." Der Wirt war gar nicht erfreut darüber, dass ihn so eine Lappalie aus dem Schlaf gerissen hatte. Er deutete mit dem Knüppel auf Valerius und sagte: "Morgen bist du hier weg, verstanden?", dann verließ er Nasicas Kammer. Dieser lächelte gezwungen. Natürlich wäre er morgen weg, immerhin würde die Astarte dann ja ihre Fahrt wiederaufnehmen. Er atmete noch einmal tief durch und rollte sich dann wieder auf die Seite. Doch Nasica tat sich schwer mit dem erneuten Einschlafen, so sehr er es auch versuchte. So gingen seine Gedanken auf Wanderschaft und er dachte an all die bislang erlebten Ereignisse auf dieser Reise und er konnte auch nicht umhin Vermutungen über die Zukunft anzustellen was ihn wohl noch alles erwarten mochte. Bislang waren sie ja nur in kleinen Nestern am Rande der Zivilisation gewesen, was wäre erst, wenn sie an den wirklich wichtigen Orten wären, wie Kreta, Athen, oder Sizilien? Da mochten noch ganz andere Dinge geschehen, doch die Zeit würde es schon zeigen. Momentan konnte er nichts weiter tun als auf das Morgenrot zu warten. Zum Glück hatte der Junge für die letzten Stunden vor Sonnenaufgang dann doch noch einmal etwas Schlaf gefunden, sodass er am nächsten Morgen genug ausgeruht war, um den heutigen Tag zu bestreiten.


    Nachdem Nasica alles gepackt hatte (viel hatte er ja sowieso nicht vom Schiff mitgenommen), ging er hinunter und bezahlte sein Zimmer. Bei der Entgegennahme der Münzen blickte ihn der Wirt immer noch verstimmt an, doch Nasica war es egal. Er würde ihn ja sowieso nie wieder sehen. Er ging zurück zur Astarte und stellte seinen Sack ab. "Wann fahren wir los?" Gisco schlurfte gerade von rechts nach links und blickte ihn träge an (er stank immer noch ganz schlimm nach fermentiertem Fisch). "Zu Mittag, das hat der Kapitän zu mir jedenfalls gesagt." Mittag erst? Dann hatte er ja noch ein paar Stunden, was sollte er da nur anfangen mit der Zeit? Schade, aber da konnte man wohl nichts machen. So also ging Nasica schnell unter Deck, um seine Sachen in seinen Verschlag zu bringen und ging dann wieder von Bord. Vermutlich war es wohl das klügste, einfach ein wenig zu spazieren. Nach den vielen Tagen auf See, wo er zum Herumliegen und Nichtstun verdammt gewesen war, wohl die beste Entscheidung. Heute konnte er ja auch ein wenig weiter weggehen, als gestern Abend. So schlenderte Nasica über die Wiesen nahe beim Dorf und durch die weiter abgelegenen Haine, bis ihm da etwas zu Ohren kam. Was war das? Es klang regelmäßig, aber er war noch zu weit entfernt, um es genau identifizieren zu können. Der Junge ging ein paar Schritte in die Richtung aus der die Geräusche kamen und schnell wurde ihm klar, dass das eine Melodie war, die er da hörte. Jemand sang in seiner Nähe! Der Stimme nach musste es eine junge Frau sein. Das war es wert näher betrachtet zu werden!
    Neugierig folgte Nasica den Klängen der Stimme, ehe er zu einer kleinen Lichtung kam, rundum umstellt von einigen Kalabrischen Kiefern. Aus einem Gebüsch heraus sah er jetzt, dass wirklich eine junge Frau dort stand und sang, während sie Wasser aus einem uralten Brunnen holte, der dort in der Mitte der Lichtung stand. "Ooh" machte Nasica ganz leise. Dort vorne stand wohl das schönste Geschöpf, das die Götter jemals gemacht hatten. Das Mädchen war wahrlich makelos! Langes braunes Haar, das von einem weißen Stirnband gerafft und teils zum Zopf gebunden war und weiße kurze Frauengewänder griechischen Stils. Nasica war ganz hingerissen von ihrer äußeren Erscheinung. Er lehnte sich etwas weiter vor, um die Schönheit etwas besser begutachten zu können, wobei ganz leise ein oder zwei kleine Zweige raschelten. Anscheinend hatte die junge Frau das gehört (wobei Nasica nicht einmal selbst es kaum wahrgenommen hatte), denn sie drehte sich plötzlich um und sah in seine Richtung. Dann lächelte sie und fragte mit glockenheller Stimme: "Ja wer hockt denn da im Gebüsch verborgen? Komm raus und zeige dich, ich beisse nicht, versprochen." Nasica spürte einen kalten Schauer. Woher wusste sie, dass er da war?!


    Doch er war entdeckt, weshalb es wohl keinen Sinn machte sich länger zu verstecken, so stand Nasica auf und kam zur Frau beim Brunnen hin. Sie schien im Angesicht eines fremden Mannes überhaupt keine Angst, oder Scheu zu zeigen. Leise summend wandte sie sich wieder dem Brunnen zu, um erneut Wasser aus seinen Tiefen zu schöpfen. "Sieh an ein Jüngling. Chaire Fremder, wer bist du und wo kommst du her?" Das Mädchen hatte ihn auf Griechisch angesprochen. "Ich, ähm.. ich bin Marcus, ich komme aus Alexandria." Er hatte einen kurzen Moment gebraucht, ehe er seine Stimme gefunden hatte, so gebannt war er von ihrem Anblick gewesen. Natürlich hatte Nasica ihr der Höflichkeit halber ebenfalls auf Griechisch geantwortet. "Alexandria? Was für ein trolliger Name, wo liegt das?" Nasica wollte seinen Ohren nicht trauen. Hatte ihm die Schönheit gerade ernsthaft gesagt, dass sie noch nie von Alexandria gehört hatte? "Alexandria liegt in Ägypten."
    "Ah, dann kommst du ja von weit her. Willkommen auf Claudos! Ich bin Polykas. Was führt dich auf unsere schöne Insel?" Jetzt lag es an Nasica sich zu wundern. Polykas? Komischer Name, nie gehört. Aber vielleicht war er ja ein ganz moderner griechischer Name. "Ich bin auf dem Weg nach Rom und fahre deshalb mit einem phönizischen Handelsschiff mit, um dahin zu gelangen." Jetzt hatte die Schöne auch die letzte Amphore mit Wasser gefüllt und wandte sich ihm vollends zu. Ihre Augen waren noch magischer wie der Rest ihres Körpers, Nasica wünschte sich direkt für immer in sie blicken zu dürfen. "Hm eine Schiffsreise, ja, da erlebt man vieles. Möchtest du mir nicht von deinen Abenteuern erzählen? Es gibt nicht allzu viel Abwechslung hier auf unserer kleinen Insel weißt du und ich freue mich daher immer, wenn da jemand kommt, der mir von der Welt da draußen hinter dem Horizont erzählt. Komm, setz dich hier neben mich", ermunterte Polykas den römischen Inselgast und legte ihre Hand neben sich auf den Brunnenrand, damit sich Nasica dort niederlassen würde. Er folgte ihrer Einladung. "Nun bislang ist da eigentlich noch nicht so viel passiert, außer dieses eine Mal am Anfang unserer Reise, als..." und er erzählte der schönen Polykas von seinen Erlebnissen in Paraetonium. Wie er zuerst den Hafen und dann die Stadt erkundet und dann auf die Wahrsagerin Shukura getroffen war, gefolgt von Phaeton, der ihn weitab zwischen die Ruinen eines ehemaligen Königspalastes gelockt hatte, um ihn auszurauben und wie Nasica aus all dem wieder herausgekommen war. Am Ende seiner Geschichte machte Polykas ein sehr beeindrucktes Gesicht. "Du bist wirklich mutig, Fremder und du hast da ein ganz schön aufregendes Abenteuer erlebt." hauchte sie. Nasica wurde leicht rot vor Verlegenheit. "Ach, es war kaum der Rede wert. Abenteuer gehören dazu zum Reisen und verleihen ihm erst die richtige Würze. Ich bin jung ich freue mich darüber Neues zu entdecken und neue Orte zu sehen."
    Polykas drückte leicht seine Hand und lächelte. "Das glaube ich dir gerne. Wie schade, dass ich wohl diese Insel niemals verlassen und die Welt sehen werde. Doch.. was hast du bislang hier auf Claudos erlebt?"
    Da musste er nicht lange überlegen. Nasica zuckte mit den Achseln. "Nichts besonderes und ich denke auch nicht, dass sich noch etwas interessantes ergeben wird. Mein Schiff legt in ein paar Stunden wieder von hier ab und fährt dann weiter nach Kreta."
    Mit einem wissenden Gesichtsausdruck tippte sich Polykas mit dem Finger auf den Mund und fragte: "Kennst du den alten Namen von Claudos?"
    "Was? Hm, nein. Warum? Wie heißt er denn?"
    "Er lautet Ogygia."
    "Ogygia? Warte mal nein, du meinst doch nicht etwa..."
    Nasica blieb der Mund offen und seine Augen wurden ganz groß vor Überraschung.
    "Du willst mir doch nicht im Ernst erzählen, dass du von DEM Ogygia sprichst? Jener Insel auf der Odysseus sieben Jahre lang gefangen gehalten worden war von der Nymphe Kal-..."
    "Oh ja, dieses Ogygia. In diesem Moment stehst du genau auf dieser Insel."


    Nasica war mehr als sprachlos. Er befand sich auf Ogygia! Das wovon Homer schon berichtet hatte! Bei allen Göttern! Was gab es nicht für Zufälle! "Wahnsinn! Doch warum erzählst du mir das?" Bestimmt steckte da noch mehr dahinter und Polykas ließ ihn auch gar nicht lange zappeln. "Du hattest mir ja gerade eben erzählt, dass du gerne neue Orte erkundest, wie diesen alten Ägypterpalast. Ich kenne womöglich eine weitere Stätte die dein Interesse wecken könnte. Bist du daran interessiert die Höhle des Odysseus zu sehen?" Er konnte selbst nicht ganz sagen warum, jedoch irgendwie spürte Nasica, wie seine Euphorie urplötzlich abflaute. "Was will ich sehen?" Polykas lächelte wieder als er sich scheinbar dumm stellte. "Von der Höhle des Odysseus spreche ich. Der in der er gewohnt hat Zeit seines Aufenthalts hier." "Ich kann mir kaum vorstellen, dass es diese Höhle wirklich geben soll, in der Odysseus sieben Jahre lang gehaust haben soll zusammen mit..." Nasica wurde vom glockenhellen Lachen der Schönen unterbrochen. "Ach, denkst du wirklich, dass ich dich belüge? Die Höhle gibt es wirklich, ihr Standort wurde bei uns von Generation zu Generation überliefert. Du scheinst dich doch für solche Dinge zu interessieren, komm! Ich führe dich hin." Polykas war aufgestanden und hielt ihm eine Hand entgegengestreckt und das mit einem Blick, der den härtesten Kerl dahinschmelzen lassen hätte. Auch Nasica erlag ihm für einen Moment, doch das flaue Gefühl von vorhin war immer noch da und steigerte sich jetzt schnell zu Misstrauen. Irgendetwas sagte ihm, dass es überhaupt keine gute Idee war mit Polykas mitzugehen, um die Höhle des Odysseus zu erkunden, irgendwie kam ihm das alles seltsam vertraut vor, ganz so, als ob er es erst vor kurzem schon einmal in anderer Form erlebt hätte, doch er kam nicht darauf wie er das eigentlich meinte. Es war, als ob der Gedanke ihm wie Sand durch die Finger rieseln würde, wann immer er versuchte sich genauer zu erinnern, doch feststand, dass er nicht mit Polykas mitgehen wollte, sämtliche Alarmglocken in ihm gaben ihm das zu verstehen, egal wie sehr er gleichzeitig jenen wunderbaren Ort sehen wollte, von dem fast alle anderen wohl denken mochten, dass er nur in Sagen und Legenden existierte. Polykas legte den Kopf schräg. "Kommst du?"
    Nasica machte eine Schritt zurück. Er fühlte sich mit einem Mal elend zumute. "Ich.. denke nicht, dass ich mit dir kommen werde. Nein, tut mir leid." dann drehte er sich um und spurtete los, weg von Polykas. Nasica lief, als wären die Furien persönlich hinter ihm her. Zwei Mal wäre er fast gestürzt, doch hatte er doch noch das Gleichgewicht halten können. Nur weg von dieser Frau und ihrer versprochenen Wunderhöhle!


    Nasica stoppte erst, als er wieder am Rande des kleinen Küstenorts angekommen war in dem die Astarte ankerte. Sein Gesicht glänzte vor Schweiß und keuchend sog er frische Luft in seine Lungen. Ein Bauer kam des Weges und entdeckte den völlig fertigen jungen Römer. "Na was ist denn mit dir los, Junge! Siehst ja aus, als hättest du ein Gespenst gesehen!" Der Bauer lachte auf und ging weiter. Nasica sah ihm nach, noch außer Stande ihm antworten zu können. Als er halbwegs wieder zu Atem gekommen war ging er zum Hafen und dort an Bord der Astarte, wo er die restliche Zeit warten wollte, bis sie von Cauda ablegen würden.
    Seine Begegnung mit Polykas dort oben am einsamen Brunnen würde er wohl nicht so schnell vergessen.


    Sim-Off:

    Anagramm

    Du hast die wichtigste Quelle vergessen woher man Marco Polo kennen könnte -> Indem man seinen Reisebericht Il Milione gelesen hat, denn ich z.B. habe weder in der Schule von ihm gehört, noch hatte ich gewusst, dass es eine Serie zu ihm gibt! :P


    Die Idee klingt auf jeden Fall cool!
    Nasica wäre ein echter Römer (sogar erweitert um die Facette eines griechischen Alexandriners) und er wäre auch einmal in Germanien, wo er von Markward erwischt werden könnte, allerdings dauert das bestimmt noch einen guten Monat (vllt. auch mehr), keine Ahnung wie lange du mit deiner Geschichte warten willst.

    Nasicas Wunde heilte gut. Am zweiten Tag ihrer Fahrt über das Libysche Meer kam Mago zu Nasica herunter und verkündete, dass sie von jetzt an den Verband weglassen könnten. Die Götter mochten ihn lieben, denn ihm, Mago, ging das einfach nicht ein, dass sich Nasicas Ohr nicht entzunden hatte. Damit hatte er sich viel Kummer und Leid erspart. Beim jetzigen Stadium des Heilprozesses erwartete er aber auch nicht mehr wirklich, dass das noch passierte. Nasica sollte heute noch liegen bleiben. Am Abend dann, wenn sie die Insel Cauda erreicht hätten dürfte er endlich aufstehen und herumgehen, aber wirklich erst dann. Die Aussicht endlich seinen Verschlag verlassen zu dürfen erfüllte Nasica mit großer Freude. Endlich wieder frische Luft! Schon begann er sich vor seinem inneren Auge auszumalen, wie er die nächsten drei Nächte an Deck unterm Sternenzelt verbrachte. Doch er hatte die leise Vermutung, dass Kapitän Methusastartos etwas dagegen haben könnte. Dass er noch liegen bleiben sollte war für ihn in Ordnung. Nasica würde auf der Fahrt von Griechenland nach Sizilien noch zur Genüge die Gelegenheit bekommen die offene See ohne jedes Land bewundern zu dürfen. Ihm war als ob sich dieser Tag besonders lange hinziehen wollte. Jede Minute erschien ihm wie fünf und die Sonne wollte einfach nicht untergehen. Zum Glück konnte er inzwischen wieder selbstständig sitzen und sich so zumindest ein wenig mit Lesen ablenken, aber der Gedanke an einen neuerlichen Landgang ließ ihn nicht los. Er freute sich darauf schon bald wieder Erde zwischen seinen Zehen zu spüren und den Duft von Bäumen zu riechen, die sich im Wind wogten. Endlich erscholl gegen Abend der Ruf "Land in Sicht!" und Mago kam zu Nasica herunter, um ihm ein letztes Mal den Verband abzunehmen und ihm die frohe Botschaft mitzuteilen, dass sie Cauda erreicht hätten. "Brauchst du Hilfe beim Aufstehen?" fragte ihn der Navigator, doch Nasica schüttelte den Kopf. Das wollte er alleine machen. Außerdem war er ja am Ohr verletzt und nicht in den Beinen, wieso sollte er nicht laufen können? Doch seine ersten Gehversuche fielen doch wackeliger aus als er das erwartet hatte. Seine Glieder waren noch sehr steif nach fast einer Woche der Inaktivität. Zur Sicherheit stützte ihn Mago ein wenig und so stieg Nasica vorsichtig hoch an Deck. Das Gefühl des ersten neuen Windes in seinem Gesicht war magisch und wie sehr freute er sich den orangen Abendhimmel endlich wieder zu erblicken! Er steuerte gleich auf die Reling zu, um einen ersten Blick auf das näher kommende Eiland zu werfen, das ihnen heute als Nachtlager dienen sollte.


    Die Insel Cauda (auf griechisch auch Claudos) lag 23 römische Meilen* südlich von Kreta und war gleichzeitig auch die südlichste Insel ganz Europas. Sie maß in der Länge ungefähr 6 Meilen** und in der Breite 3 Meilen*** und erschien, verglichen mit anderen griechischen Inseln oder auch mit großen Teilen Kretas, ausgesprochen grün. Ganze Wälder von Phönizischem Wacholder und Kalabrischen Kiefern bedeckten das Eiland, an den Küsten fand sich auch da und dort Großfrüchtiger Wacholder. Bewohnt wurde Cauda von Menschen in mehreren kleinen Dörfern.
    Doch bevor die Astarte anlanden konnte geschah noch einmal ein kleines Unglück. Ein lautes Scheppern unter Deck ließ die Phönizier und Nasica aufschrecken. Als sie nachsehen gingen bemerkten sie Gisco, den Pechvogel, der inmitten eines großen Amphorenscherbenhaufens lag, inmitten einer großen Lake ägyptischen Garums. Der Fischgestank war fürchterlich, genauso wie das darauf folgende Gebrüll von Methusastartos angesichts des Verlusts von 55 Amphoren Garum für einen Kunden in Lilybaeum. Nasica war heilfroh, dass er dieses Mal nicht wieder Zentrum des methusastartischen Grolls war. Mago nickte vielsagend. "Gisco hatte seinen Unfall für diese Fahrt, jetzt sollte uns nichts mehr passieren. Zum Glück waren es dieses Mal nur Amphoren und nicht wieder der Kreuzmast." Als sie später in einem kleinen Hafen ankerten, um die Nacht auf der Insel zu verbringen, durften alle von Bord gehen, alle bis auf die Wachmannschaft und Gisco, der die von ihm überall vergoßene Fischsauce wieder wegschrubben durfte. Besser wohl, man kam ihm die nächsten Tage nicht zu nahe, wenn man Wert auf seinen Geruchssinn legte. Auf Cauda gab es nichts zu ver- oder entladen, worüber sich die Matrosen sehr freuten. So konnten sie gleich direkt in die Tavernen und Lupanare der Insel strömen und ihren Bedürfnissen nach Wein und Frauen frönen. Nasica nutzte den Abend für einen kleinen Spaziergang in der näheren Umgebung. Er hatte sich in einem kleinen Gasthof im Hafen eingemietet und freute sich schon darauf endlich einmal wieder in einem richtigen Bett zu schlafen, selbst wenn es nur für eine Nacht war.


    Sim-Off:

    * = 35km
    ** = 9km
    *** = 5km