"Du bist der Sohn eines hohen Herren, schau an. Und der Halbbruder deines eigenen Dominus. Dir hätte anderes Dasein beschieden sein können, doch die Götter schienen dir nicht gewogen gewesen zu sein, so wenig wie mir. Viele Menschen, in deren Adern das Blut der Elite fließt, spüren dies, selbst wenn sie es nicht wissen. Der Wunsch, die Geschicke in die eigenen Hände zu nehmen, Menschen zu lenken und über sie zu herrschen liegt ihnen oft im Blut."
Für Terpander war es keine leichte Übung gewesen, den Stolz des spartanischen Vollbürgers herunterzuschlucken und den demütigen Sklaven zur Schau zu tragen. Demut gegenüber Höheren war ihm anderzogen worden, doch dass nun die ganze Welt über ihm stand, war gewöhnunsbedürftig und nur durch den bekannten spartanischen Gleichmut zu ertragen. Wenn der Herr des Tiberios dies bei seinem Sklaven erkannte und in gute Bahnen lenkte, mochten beide Seiten davon profitieren. Doch konnte aus solchen Menschen, die eigentlich zum Führen geboren waren, durchaus auch eine Bedrohung erwachsen. Und dann musste man handeln. Terpander wusste dies. Auch wusste er darum, wie wichtig es war, in dem Fall sein Licht unter einen Scheffel zu stellen und sich harmlos zu geben, damit die Blicke achtlos an einem vorüberglitten.
"Ein ehrenvoller Tod ist der Sklaverei freilich vorzuziehen. Aber wie ich schon sagte - manchmal gibt es Dinge oder Menschen, die das verhindern. Im Haushalt der Familie hatte ich zwei wesentliche Funktionen. Die, den verstorbenen Mann im Haus zu ersetzen und die des Griechischlehrers. Ich war der berechenbare, kontrollierbare Ersatz eines Ehegatten, der in keinen Krieg zieht, keine Lupanare besucht, keine Geliebten hat und auch nicht trinkt. Und nebenbei Griechisch als Muttersprache spricht und ein Händchen für schwierige Jünglinge hat. Und was war die deine?"
Dass Tiberios verschwiegen hatte, wen er mit sechzehn liebte, war Terpander nicht entgangen. Die Berührung seiner Schulter nahm er ruhig hin. Er ließ durch nichts erkennen, was er dabei empfand, doch er fragte am Schluss: "Hast du Geldnot?" Um sich an der Nase herumführen zu lassen, war er zu alt. Er war sicher, dass Tiberios seine Möglichkeiten auslotete. Terpander wies auf einen Korb mit Lebensmitteln, die er noch nicht in die kühlen, in die Erde eingegrabenen Vorratsamphoren umgefüllt hatte. "Bedien dich in dem Falle, wenn du hungrig bist. Du bist eingeladen."