Beiträge von Terpander

    Terpander war zufrieden darüber, dass Lurco das Haus gefiel. Lange genug hatte er eines gesucht, was die baulichen Voraussetzungen erfüllte, für den Geldbeutel zweier Milites geeignet erschien und in der Nähe der Castra Praetoria lag, was ihm selbst wichtig war, aber dem Anliegen der beiden auch entgegenkam. Der Blick von Lurco, als er die Tür verschloss, entging ihm nicht. Ein guter Mann, mit einem Auge für mögliche Schwierigkeiten.


    Terpander zog den Schlüssel aus seiner Gürteltasche und hielt ihn hin. "Bittesehr. Nur tu mir den Gefallen und sei nicht so vergesslich wie ich, was das Zurückgeben anbelangt. Ich muss ihn dem Hausbesitzer noch wiederbringen."


    Sie gingen durch die staubigen Räume. Die Fenster würden auch gemacht werden müssen, aber Priorität hatte das Dach. Ein paar Möbel standen noch herum, die nicht mehr schön aussahen, aber noch gut verwendet werden konnten, so lange sie keine repräsentative Funktion ausüben sollten. Im Triclinium befand sich das dreiteilige steinerne Speisesofa. In diesem Raum trat Lurco sehr nahe. Terpander blieb ganz ruhig stehen. Er war sicher, dass von dem Mann keine Bedrohung für ihn ausging, auch wenn er ihm eindringlich in die Augen blickte. So wartete er einfach. Die Worte von Lurco bestätigten seine Einschätzung, Lurco versuchte, in Terpanders Gesicht zu lesen, während er eine recht interessante Andeutung machte, die nun wirklich nicht misszuverstehen war. In Terpanders Gesicht würde Lurco jedoch nur in sich ruhende Gelassenheit finden. Das konnte entweder bedeuten, dass Terpander tatsächlich ein tiefenentspannter Mensch war, oder dass er sich von ihm nicht in die Karten schauen ließ. Als Lurco davon sprach, dass sie hier zusammenleben wollten, lächelte er.


    "Darf ich vorschlagen, dass wir es uns für dieses Gespräch etwas gemütlicher machen?"


    Er nahm sich heraus, die Nähe aufzulösen, indem er eine Liegefläche des Tricliniums für den Römer mit den Händen sauberputzte und dann seine eigene, ehe er es sich auf den Arm gestütz liegend gemütlich machte. Das war ein wenig ungehörig, denn so speisten und lagen nur die Herren, aber darüber würde Lurco hinwegsehen, wenn er wollte, dass Terpander aus dem Nähkästchen plauderte.


    "Ihr beide möchtet also nach Ende der Dienstzeit nicht nur die Taberna betreiben, sondern auch zusammen hier wohnen. Dann habe ich die Dimensionen ja passend gewählt. Was meine Abstammung betrifft, so ist das richtig, meine Sicht auf die Dinge ist davon geprägt, wie man in Hellás lebt, auch wenn ich mich hier natürlich stadtrömischen Gepflogenheiten anpasse. Das impliziert auch, dass ich als Sklave vorsichtig damit sein muss, was ich über meinen Herrn preisgebe. Was ich anbieten kann, ist ein Gespräch über meine eigene Sicht auf die Welt. Die griechische Sicht." Über diesen kleinen Umweg konnte er auf Lurcos Worte eingehen. "Diskussionsrunden sind ein wesentlicher Bestandteil in gehobenen Kreisen. Gib das Thema vor, über das du meine bescheidene Meinung zu hören wünschst. Und wenn du wünschst, diskutieren wir."


    Dabei klang Terpander keineswegs bescheiden, sondern eher wie ein lauernder Lehrer, der auf eine gute Gelegenheit wartete, einen arglos den Finger hebenden Schüler mit einem Vortrag zu erschlagen oder ihn in Grund und Boden zu diskutieren.

    Terpander zeigte Lurco das Haus. Dabei handelte es sich um ein Atriumhaus mit einem lichtdurchfluteten Innenhof, der von außen nicht zugänglich oder einsehbar war. Das Gebäude war sehr heruntergekommen, aber hatte einen schönen Grundriss mit zwei abgetrennten Gebäudeteilen zur Straße hin, die sich als Laden oder Taberna eigneten und früher auch so genutzt worden waren. Dahinter befand sich genug Platz für einen ganzen Hausstand samt Kindern und Sklaven. Terpander hatte in optimistischen Maßstäben gedacht und nahm an, dass Lurco und Scato irgendwann Familien gründen wollten. Aufgrund der Geräumigkeit passte mindestens eine, vielleicht aber auch zwei hinein, wenn man es mit dem Personal nicht übertrieb. Allerdings stand das Atriumhaus schon sehr lange leer und das sah man ihm auch an.


    Schematische Darstellung
    Leerstehendes Atriumhaus, wie es renoviert aussehen würde


    1 Vorhalle / Eingangsbereich
    2 Sammelbecken für Regenwasser
    3 offenes Oberlicht / Dachöffnung des Atriums
    4 Mit einem Säulengang umgebener offener Raum
    5 Toiletten
    6 Taberna
    7 Schlafgemach
    8 Küche
    9 Ziegeldach
    10 Mosaikzimmer
    11 Esszimmer
    12 Obergeschoss


    "Es ist eine rechte Bruchbude", gab Terpander zu. "Aber ich dachte, dass es auf diese Weise wenigstens erschwinglich ist. Und das Mauerwerk ist noch solide. Das Dach müsste dringend gemacht werden, darum will der Besitzer es auch loswerden. Es regnet hinein. Von Jahr zu Jahr verliert es an Wert und irgendwann hat es keinen mehr."


    Er zückte stolz einen Schlüssel. Den hatte er "vergessen" zurückzugeben. Damit schloss er knarzend und rieselnd die Tür auf. Als er sie öffnete, zogen sich die Spinnweben in die Länge. Hinter ihnen schloss er wieder ab. Der Innenhof war voller Laub von mehreren Jahren, die Gartenpflanzen hatten alles überwuchert und die Vögel bauten ihre Nester überall. Doch hatte der verwilderte Garten seinen eigenen Reiz. Er ließ Lurco Zeit, sich umzuschauen.


    "Nach dem Tod von Iunius Priscus suchte Seia Sanga Trost im Glauben", knüpfte er nun an das Gespräch von zuvor an. "Sie wählte einen Gott, der ihr Trost spendete, aber der für Scato, der bis dahin römisch aufwuchs, nur Angst und Verdruss brachte. Anfangs war der Glaube meiner ehemaligen Herrin noch moderat, aber es spitzte sich immer weiter zu. Nach und nach flohen ihre Kinder, auch Scato. Und darum musste am Ende auch ich gehen. Zum einen war ich ohne Kinder, die es zu unterrichten galt, überflüssig. Zum anderen hätte meine Anwesenheit sie in Verruf bringen können."


    Dass er tatsächlich ihr delicius gewesen war, für den sie sich nun dank ihres Gottes plötzlich schämte, sprach er nicht aus, so gut kannte er Lurco noch nicht und er musste vorsichtig sein mit dem, was er sagte, so lange er nicht wusste, wieviel Scato ihm schon offenbart hatte. So entschied Terpander sich für eine Rückfrage, um Lurcos Wissensstand auszuloten.


    "Durch Faunus fand Scato zu sich selbst zurück. Das ist richtig. Was hat er denn schon erzählt? Ich möchte dich nicht mit Wiederholungen langweilen. Den Anhänger, den er um den Hals trägt, muss er in Roma erworben haben, der ist neu und hängt vermutlich mit seinem Glauben zusammen."

    "Das Haus ist ganz in der Nähe, ich führe dich hin." Lurco hörte sich an, als würde er mit ihm unter vier Augen sprechen wollen. Er schien ein ernstes Interesse an der Person von Scato zu haben, was gut oder weniger gut sein konnte. Terpander würde das herausfinden. So ging er in Richtung Süden und nebenbei sprach er mit Lurco. Er erzählte nur die Dinge, von denen er wusste, dass Scato sie auch freimütig seinen Bekannten mitteilen würde. Was das war, wusste er, denn Scato war eine Plaudertasche. Vieles davon kannte Lurco daher sicher bereits.


    "Dass mein Herr mich vermisste, freut mich natürlich. Es beruht auf Gegenseitigkeit, im Hause war es sehr still seit er ging. Irgendwie gewöhnt man sich doch aneinander, wenn man viel Zeit gemeinsam verbringt. Wir lebten im Familienanwesen von Scatos Mutter Seia Sanga in Mantua. Das Dreikindrecht ist eine Belohnung des Kaisers für tüchtige Mütter, die sie von der Vormundschaft befreit, so dass sie Besitz selber verwalten und weitere Geschäfte erledigen dürfen. Nach dem Tod ihres Mannes und ihres Vaters konnte meine Domina aufgrund dieses Gesetzes und des testamentarischen Willens in diesem Anwesen allein mit ihren Kindern und dem Hausstand wohnen bleiben. Scato war viel in Gedanken und in der Schule bereitete ihm dies Schwierigkeiten. Als er dreizehn war, kaufte meine Herrin mich, damit ich ihrem Sohn helfen konnte. Zunächst sollte ich Scato nur zur Schule am Forum begleiten, damit er dort ankommt."


    Dass Scato sie sonst regelmäßig schwänzte, ließ er unausgesprochen.


    "Doch da wir uns gut verstanden und ich wohl geeignet erschien, durfte ich ihn bald darüber hinaus zu Hause unterrichten. Wie man sicher hört, ist Griechisch meine Muttersprache, auch wenn man in meiner Heimat auch Latein spricht, so dass ich zweisprachig aufwuchs. Was Anfangs nur als Nachhilfeunterricht in Griechisch gedacht war, tat dem Knaben so gut, dass ich gemeinsam mit anderen Lehrern, die allerdings nicht im Hausstand wohnten, Scato nach einiger Zeit ausschließlich zu Hause unterrichtete. Das war teuer, aber ich möchte behaupten, es hat sich gelohnt."


    Terpander sagte das mit Stolz in der Stimme.


    "So kam ich zu der Freude, Scato in Griechisch unterrichten zu dürfen, auch über die reguläre Schulzeit bis zum 16. Lebensjahr hinaus, um die Lücken aus seinen ersten Schuljahren aufzuholen. Aber indiskrete Informationen? Was genau möchtest du denn erfahren, Dominus?"


    Das konnte alles Mögliche bedeuten. Und Terpander wollte dem Römer keine Worte in den Mund legen, die dieser nicht gesagt hatte, so fragte er lieber noch einmal nach.

    "Zu meiner Schande muss ich einräumen, dass ich meinem Herrn und dir hier aufgelauert habe", gab Terpander in freundlichem Ton zu. "Wenn es stören sollte, werde ich auf Briefe ausweichen, die ich an der Porta abgeben werde und bei Bedarf kann er mir zurückschreiben."


    Allerdings müsste Terpander sich dann eine andere Freizeitbeschäftigung suchen, als hier herumzuspazieren, denn in der Nähe der Castra auf seinen Herrn zu warten und die Soldaten zu beobachten, hatte für ihn etwas Schönes wenn auch Wehmütiges inne, da es ihn an seine eigene Vergangenheit erinnerte. Gerade einmal sieben Jahre war das her, unglaublich. Die Zeit verging so viel langsamer als Zivilist.


    "Es geht um ein Haus für die geplante Taberna. In dem Falle hielt ich es für ratsam, euch persönlich aufzusuchen, da das Angebot, welches ich bei meiner Suche gefunden habe, zeitlich begrenzt sein wird. Ich habe eines ausfindig gemacht, das zum Verkauf steht und für einen guten Preis zu haben wäre. Darf ich es euch beiden bei Gelegenheit zeigen?"

    Erneut war Terpander im Sinne der geplanten Taberna unterwegs. Leider hatte er keine Möglichkeit, seinen Herrn über die Neuigkeit zu informieren. Er musste entweder an der Porta Praetoria Auskunft einholen, wann Scato zu sprechen war - was auf Dauer die diensthabenden Soldaten stören würde, wenn er das zu oft tat - oder zu den Zeiten des Dienstwechsels vor dem Haupttor herumlungern und hoffen, dass Scato einen Ausgang unternahm. Das war ihm immer noch lieber, als tatenlos in der Taberna Apicia darauf zu warten, dass man ihn hoffentlich bald besuchte. Passivität war trotz Terpanders stoischem Gemüt nicht seine Art, die Dinge zu regeln. Hinter seinem ruhigen Auftreten steckte ein wacher Geist und viel Tatkraft.


    Er traf anstelle von Scato vor der Porta wieder denselben Kameraden, der ihn auch bei seiner Ankunft schon begrüßt hatte und ein Freund seines Herrn war. Den Namen hatte Terpander allerdings noch nicht herausgefunden.


    "Dominus", grüßte Terpander mit knappem Nicken. Er hoffte, der Mann würde kurz mit ihm sprechen.

    << Taberna Apicia.


    Eine Taverne wollten sein Herr und sein Kamerad also eröffnen, so so. Na dann.


    Ein motiviertes Vorhaben, besonders, wenn man nebenbei seinen Militärdienst absolvierte und noch ein Backfisch von zwanzig Jahren war. Terpander hatte die Nachricht mit mildem Amusement zur Kenntnis genommen. Seine Belustigung galt weniger den beiden engagierten Milites, als vielmehr der römischen Gesellschaft, die das ermöglichte. Zu seiner Zeit wäre es ein Ding der Unmöglichkeit gewesen, sich neben dem Militärdienst noch einer anderen Passion zu widmen. Generell wäre es ein Unding. Der Soldat lebte in seiner Vorstellung ganz und gar für den Dienst an der Waffe und starb für seine Götter und seinen Stamm. Oder er fand Mittel und Wege, sich vor dem Militärdienst zu drücken, aber nur halbherzig bei der Sache zu sein, war für ihn unverständlich. Ganz oder gar nicht. Alles andere erschien Terpander höchst befremdlich. Aber die Römer handhabten eben alles ein wenig anders, was für Terpander in dem Fall nur gut war. So hatte er auch nach seiner Zeit als Lehrer noch eine Daseinsberechtigung für seinen Herrn.


    Terpander durchwanderte die Viertel in der Nähe zur Castra Praetoria. In der Subura gab es bereits genügend Tabernae, er suchte ein freies Haus außerhalb der Stadtmauer, so nah wie möglich an der Castra. Ein wenig Egoismus musste auch einem Sklaven gestattet sein, besonders wenn man Terpander hieß. Er fand ein Haus mit einer Ladenzeile im Untergeschoss, das heruntergekommen aussah und leerstand. Eine Rückfrage bei einem Nachbarn ergab, dass es tatsächlich zum Verkauf stand. Der führte ihn zum Besitzer, der gar nicht weit davon entfernt in einer besseren Ecke wohnte und aus Altersgründen das Geschäft aufgegeben hatte. Aufgrund des großen Renovierungsbedarfs war das Haus gar nicht mal so teuer. Terpander notierte sich die Adresse, den Preis und den Namen des Besitzers.


    Dann war ihm wieder langweilig. Momentan lebte er in regelrechtem Luxus. Seine Jugend hatte er in wortwörtlich spartanischen Verhältnis gelebt, was keine Kunst war, wenn man genau dort aufwuchs, aber der Überfluss, in dem er gerade schwelgte, machte ihn eher träge, als dass er ihm auf Dauer genügen würde, um sich wirklich wohl zu fühlen. Terpander wollte einen Sinn in seinem Dasein spüren, eine Wirkung seiner Taten. Sich den ganzen Tag dem Müßiggang hinzugeben, war nicht sein Ding.


    Er kratzte seine Brust über der neuen Tunika und blickte in die Richtung, in der die Castra lag. Wie er seinen Herrn, dessen Freund und ihre Kameraden beneidete. Aber Jammern war ebenso nicht sein Ding. So kaufte er sich noch etwas zu Essen - Scato hatte ihm genügend Geld dagelassen, als dass er mit seinen geringen Bedürfnissen etliche Wochen davon hätte überleben können - unternahm noch einen Spaziergang, um die Gegend kennenzulernen und kehrte dann zurück in die Taberna. Morgen würde er seinen Herrn über das preiswerte Haus in Kenntnis setzen.

    »Manchmal heißt der Alptraum ich.«
    - unbekannt -


    Terpanders Alptraum


    Kapitel 1 - Terpanders Verbrechen


    Es begab sich zu der Zeit, da Terpander noch einen anderen Namen trug und ein anderer war. Man schrieb das Jahr DCCCLXIII A.U.C (110 n. Chr.) und er war gerade vierzig geworden. Seine nackten Füße traten bei jedem Schritt in braunen Sand. Zähe Dornbüsche trotzten an den Berghängen der Sommerhitze, doch das Gras des Frühlings war längst versengt. Damals hieß er Lysander und diente als Soldat in der Cohors I Flavia Bessorum als Hoplit, eine teilberittene Auxiliareinheit, zu der er gerade aus dem Heimaturlaub mit einem Freund unterwegs war. Hintereinander marschierten sie über eine die staubige, kaum zu erkennende Straße. Im Sommer glich die Landschaft bisweilen einer Halbwüste. Am Himmel jedoch braute sich seit einigen Stunden ein Sommergewitter zusammen und der Wind frischte angenehm auf und fuhr in die Kammbüsche ihrer Helme. Kyriakos war zwanzig und vertraute der Führung des Älteren. Beide Männer trugen die Ausrüstung eines Hopliten: rote Tunika, damit ihre Feinde sie niemals bluten sehen würden, Bronzekürass, Beinschienen und die Sarissa, wie man die lange Stoßlanze nannte. Für den Fall, dass die Lanze brach, hing zusätzlich ein Schwert am Waffengürtel. Dort hing ausnahmsweise auch eine Weinflasche. Auf dem Rundschild prangte das Zeichen ihrer Polis, der griechische Buchstabe Lambda, welches für Lakonien stand, wie sie ihre Heimat nannten und deren Hauptort das berühmte Sparta war.


    »Dort ist das Lager.« Lysander blieb an einer Felskante stehen und blickte in die Ferne.
    Kyriakos gesellte sich zu ihm. Seine ganze Ausrüstung war neu. Man sah ihr an, dass sie noch keine Schlacht gesehen hatte. »Fast geschafft«, freute Kyriakos sich.
    Lysander schmunzelte. »Und du hast es jetzt fast zwei Wochen ohne einen Tropfen Wein ausgehalten. Ich wusste, dass du das kannst.«
    »Ich hatte einen guten Grund, darum hat es geklappt. Zu Hause war mir langweilig, jetzt wird alles gut. Lass uns gehen.«
    Kyriakos vertraute Lysanders Führung, denn dieser hatte ihm niemals Anlass gegeben, ihm zu misstrauen.
    »Hast du nicht Lust auf einen abschließenden Übungskampf?«, fragte Lysander. »Den Letzten, bevor es ernst wird?«


    Sie waren schon vor Jahrhunderten Teil des Imperium Romanum geworden, doch ihre Kultur lebte fort. Selbst ihre Götter hatten sie behalten dürfen. Nur eines verlangten die einstigen Eroberer: dass der Augustus über ihren Göttern stand. Lysander war das recht, denn im Gegensatz zu den Göttern konnte der Kaiser seine Augen nicht überall haben. Ohne Kleider standen sie sich kampfbereit gegenüber. Regeln gab es nur wenige.


    »Greif an«, ermunterte Lysander seinen Gegner. Dabei schloss und öffnete er mehrmals die Finger, um sie zu lockern, wobei die Muskeln an den Armen sich spannten. Er war ganz ruhig. Kyriakos ebenso. Die Filzlocken an seinem schwarzen Schopf waren noch kurz, die von Lysander reichten mittlerweile bis unter die Schulterblätter. Nur Krieger durften ihr Haar lang tragen und Kyriakos stand noch ganz am Anfang. Sein noch kurzes Haar durfte nicht darüber hinwegtäuschen, dass er bereits gefährlicher war als so manch alter Hase. Alle Freundschaft wich aus dem Blick von Kyriakos, als er nach vorn schnellte wie der Pfeil von einer Bogensehne.


    Ihre Körper prallten wie zwei Urgewalten aufeinander, ihm Kampf verkeilt, dann wieder voneinander lassend, um mit harten Schlägen und Tritten zu antworten und sich erneut in einer Umklammerung zu begegnen. Lysander ließ keinerlei Schonung walten, seine Angriffe waren rücksichtslos bis hin zu brutaler Rohheit. Kyriakos merkte, dass etwas nicht stimmte, als ein Fausthieb seine Nase zu Trümmern schlug, dass die Angriffe seines Mentors so ungehemmt stattfanden, als wären sie Feinde. Er fragte nicht, er antwortete in der Sprache der Gewalt. Für sein junges Alter war er extrem gut, stark und geschmeidig wie ein Panther, er kämpfte hart und mit vollem Einsatz, ohne dass ein einziger Laut seine Lippen verließ. Lysander kam an seine Grenzen. Kyriakos hätte dereinst Großes bewirken können, doch heute endeten seine Träume von einer ruhmreichen Zukunft. Sie mussten enden, weil Lysander es wollte.


    Hätte Lysander ihn nicht selbst ausgebildet, wäre es ihm nicht gelungen, den Angriffen standzuhalten. Kyriakos hätte ihn umgebracht, auch wenn er keine Waffe in der Hand hielt. Jeder von ihnen konnte das mit bloßen Händen und Kyriakos hatte verstanden, dass heute in der Tat die letzte gemeinsame Lektion stattfand. Sein Zorn über den für ihn vollkommen unerklärlichen Verrat nützte ihm nichts. Lysanders Fäuste waren wie Schmiedehämmer, deren Treffer nun endlich langsam Wirkung zeigten. Abwechselnd schlug er ihm in den Magen, gegen den Kehlkopf und gegen die Schläfen, ungeachtet dessen, was er selbst einstecken musste. Er war zäh wie die Dornbüsche am Wegesrand, während Kyriakos kämpfte wie das Sommergewitter, dessen Donner nun erstmalig über das Land rollte. Der Wind riss am trockenen Sand, der sich mit dem Schweiß ihrer Haut verklebte. Vereinzelte Tropfen klatschten auf sie nieder, als der erste Blitz den Himmel spaltete. Zeus sah ihrem Kampf zu, das wusste Lysander nun. Kurz war er abgelenkt. Ein Tritt gegen das Knie hätte den Kampf fast beendet, wenn er besser getroffen hätte, doch so blieb Lysander auf den Füßen. Noch immer schlug und trat Kyriakos zurück, obgleich er kaum noch etwas sah. Es war schade um sein Gesicht.


    Einundzwanzig schnell aufeinanderfolgende Fausthiebe auf die selbe Stelle benötigte Lysander, um Kyriakos fast bewusstlos zu prügeln. Endlich stürzte er in den Dreck, wo er, ohne sich abzufangen, liegen blieb. Er regte sich nur noch schwach. Seine eigene Mutter hätte den jungen Krieger nicht mehr erkannt. Sein Schicksal war besiegelt. Zornig schleuderte Zeus weitere Blitze. Lysander tat, als hätte er sie nicht gesehen.


    Keuchend ließ er von der Kopfseite des Besiegten ab und widmete sich nun den Füßen, die Kyriakos nun versuchte, gegen die Steine zu stemmen, um wieder auf die Beine zu kommen. So schob er sich mit dem Gesicht nach unten durch den Dreck. Lysanders Fäuste waren von den Schlägen so sehr geschwollen, dass er die Finger kaum noch bewegen konnte, doch das würde ihn so wenig aufhalten wie alles andere. Er brauchte ihre Geschicklichkeit nicht, sondern pure Kraft. Entschlossen umfasste er den ersten Fuß. Ein Geräusch wie ein Peitschenknall zerriss die Stille, als er ihn gewaltsam überdehnte. Kyriakos schrie nicht, wie ein anderer es getan hätte, er knurrte wütend auf. Erneut bäumte er sich auf, doch es nützte nichts. Der zweite Peitschenknall folgte und Lysander ließ von ihm ab. Schwerverletztem Raubwild gleich zeigte Kyriakos die dunkelroten Zähne und versuchte vergebens, wieder auf die Beine zu kommen.


    »Ich bring dich um«, heulte Kyriakos voller Wut. »Du hast mich zum Krüppel gemacht wie einen verdammten Heloten! Unsere Männer werden dich jagen, dafür sorge ich, du wirst einen vielfachen Tod sterben, noch bevor deine Augen sich zum letzten Mal schließen und selbst deine Seele wird vernichtet werden, bevor sie den Hades erreicht! Es gibt Flüche, die machtvoll genug sind und Zeus ist Zeuge deiner Tat!«


    Die Achillesfersen zu durchtrennen war eine effektive Möglichkeit, Sklaven, Gefangene und Gesetzesbrüchige dauerhaft in der Bewegungsfreiheit einzuschränken. Weder Rennen noch Springen war nach einer derartigen Behandlung noch möglich, geschweige denn, rasche Richtungswechsel. Mit kleinen, plumpen Schritten würde Kyriakos fortan über den Erdkreis tippeln, seiner Identität als Krieger beraubt. Das, wofür er vom siebten Lebensjahr an aufgezogen worden war, war nicht mehr.


    »Wer wird dir glauben, wenn du berichtest, ich hätte dir das angetan?«, fragte Lysander, während er gegen sein Keuchen ankämpfte. »Ich bin ein ehrbarer Soldat, deine Sehnen sind beim trunkenen Herumtorkeln gerissen. Du siehst ja, wie viel Geröll hier herumliegt. Ich war nur zufällig in der Nähe. Jeder weiß, dass du gern über den Durst trinkst, sobald du an Wein gerätst. Natürlich ist das unangenehm und da versucht man, die Schuld woanders zu suchen.« Er hob den Weinschlauch auf. Langsam beugte er sich in Richtung des Kopfes von Kyriakos, noch immer auf der Hut, denn selbst jetzt konnte der andere noch gefährlich werden. »Trink aus, sonst verlierst du noch einiges mehr als nur deine Fähigkeit, zu laufen. Wenn du keine Widerworte hören lässt, werde ich dafür sorgen, dass man dich bald findet.«


    Eine Hand schlug mit der Geschwindigkeit einer zustoßenden Giftschlange nach Lysanders Gesicht. Er spürte den Wind auf seinen Augäpfeln, die Fingernägel verfehlten sie nur um Zentimeter. Aus der Wut von Kyriakos wurde Verzweiflung, weil er Lysander verfehlt hatte. Er schleuderte mit der anderen Hand einen großen Stein nach ihm. Der Ältere neigte rasch den Kopf zur Seite und der Stein zischte knapp an seinem Ohr vorbei. Genug war genug, seine Geduld war erschöpft. Kyriakos würde gehorchen, im Guten oder im Bösen. Wortlos griff Lysander nach dem Arm, der den Stein geworfen hatte und verdrehte ihn auf den Rücken, so dass der Oberkörper des Besiegten flach in den Dreck gepresst wurde. Das Knie presste er ihm schmerzhaft ins Kreuz. Nun war Kyriakos endgültig fixiert. Lysander begann, ihm die Hand zu überdehnen, bis auch diese Sehnen reißen würden.


    Kyriakos schrie und tobte, doch es nützte nichts. »Bring mich um«, kreischte er jetzt.


    »Du kennst deine Aufgabe«, befahl Lysander, während er den Zug immer weiter erhöhte. »Wenn nötig vernichte ich dir auch beide Hände und selbst dabei muss ich es nicht bewenden lassen. Du hast noch viele andere Körperteile.«


    »Vergiss es«, rief Kyriakos. »Ich kann mir später auch selbst ein Ende bereiten, dafür brauche ich deine Hilfe nicht.«


    »Das kannst du nicht. Wir fliehen nicht, auch nicht in den Freitod, sondern sterben durch die Hand des Feindes. Andernfalls wirst du es sein, dessen Seele vergeht und auf Erden wie auf der anderen Seite wird man deinen Namen vergessen.« Ob die Auflösung der Seele in dem Fall stimmte, wusste er nicht, aber das weltliche Vergessen war gewiss. Die Sehnen waren am Anschlag, das spürte er. Er wollte den Schaden so gering wie möglich halten, aber er würde ihn so groß wie nötig werden lassen.


    Endlich griff Kyriakos nach dem Weinschlauch. Lysander wartete lange genug, bis der Wein seine volle Wirkung entfaltet hatte. Der einstige Krieger verlor den Rest seiner Würde. Sturzbetrunken rollte Kyriakos langsam den Kopf hin und her.


    Auch Lysander war von dem Kampf schwer gezeichnet. Er erhob sich, wankte, wobei Blut vor ihm in den Sand tropfte, ehe er sich schwer atmend zu voller Größe aufrichtete. Inzwischen goss es in Strömen, die Spuren des Kampfes und das Blut würden bald davongespült sein. Er griff den roten Umhang von Kyriakos und deckte ihn fast liebevoll zu. All die Zeit über hatte Kyriakos nicht um Gnade gefleht und kein einziges Mal nach dem Grund gefragt. Kein Warum, er hatte es einfach hingenommen. Er war in jeder Hinsicht ein perfekter Krieger gewesen. Nun war er ein Krüppel und ein Nichts.


    »Lebe, Kyriakos«, befahl er. »Lebe in Schande, aber lebe.«


    Lysander wandte sich ab, um seine Ausrüstung zu nehmen und zu verschwinden - und hielt inne. Er musste mit Erschrecken feststellen, dass sie keineswegs so allein waren, wie er angenommen hatte. Es gab Zeugen seiner ungeheuerlichen Tat.

    << Taverne zum Blinden Esel


    Nachdem sein Herr und dessen Begleiter ihn allein gelassen hatten, kam Terpander zur Ruhe. Er rasierte sich den Bart, schnitt Haare und Nägel und pflegte seine Füße, die dankenswerter Weise nicht wund waren. Seit seiner Kindheit war er es gewohnt, starken körperlichen Belastungen ausgesetzt zu sein und Hornhaut nicht zu entfernen, sondern sie zu pflegen und mit Öl geschmeidig zu halten, so dass sie nicht riss und seine Füße und Hände schützte. So hatten seine Füße den hunderte Meilen langen Marsch recht gut überstanden.


    Erschöpft rieb er sein frisch rasiertes Gesicht, aber nahm dennoch die Mühe in Kauf, Eimer mit heißem Wasser zu schleppen um sich einen Zuber zu befüllen. Nach der langen Reise benötigte er nicht nur die Reinigung, sondern auch die Entspannung. Er tauchte vollständig unter, als er seine Haare wusch, während seine Beine zum Rand hinaushingen, ehe er wieder zurückrutschte und auftauchte. Scato war anständig gewesen zu ihm, mehr noch, freundlich. Und sein Kamerad schien ein netter Bursche zu sein mit angenehm konservativen Einstellungen. Umschmeichelt von heißem Wasser, mit einer Zukunft vor Augen, die sich besser anhörte, als er zu hoffen gewagt hatte, schlief Terpander während des Bades ein. Vielleicht lag es an der Ungewissheit, unter der er gelitten hatte oder daran, dass er aus seiner gewohnten Umgebung gerissen worden war oder daran, dass er hier im Haus völlig allein unter Fremden war, dass ihm kein ruhiger Schlaf vergönnt war.


    Ein heftiger und sehr langer Traum versetzte Terpander zurück in die Zeit, als er noch nicht als Sklave gelebt hatte, sondern als freier Mann. Und es war ein Alptraum.

    "Zebras sind ähnlich wie Pferde zu halten und zu ernähren", schlug Terpander vorsichtig vor. "Man kann sie mit ein wenig Fingerspitzengefühl sogar reiten." Ein Löwe hingegen müsste täglich große Mengen Fleisch fressen. Fleisch war sehr teuer und nur begrenzt lagerfähig. Das Sprach Terpander allerdings nicht aus, von seinen übrigen Sorgen ganz zu schweigen, dass der Löwe nicht nur Kunden anlocken, sondern sie auch dezimieren könnte. Es zeigte sich, dass Lurco durch und durch Soldat war, indem er kurz und bündig eine Entscheidung für sie alle traf, wohin sie nun gehen würden. So begaben sie sich zum Gasthaus zum Blinden Esel.

    Terpander war überglücklich, dass Scato sich seiner annahm und darin sogar von seinem Freund unterstützt wurde. Sein neuer Herr wollte ihm sogar von seinem vermutlich nicht sehr üppigen Sold ein eigenes Gästezimmer mieten anstatt nur eines Strohsacks in irgendeinem Hinterhof oder Lagerraum. Das war mehr, als Terpander zu hoffen gewagt hatte.


    ... Scato und sein Kamerad waren zudem offenbar beide der Redseligkeit zugeneigt, denn kaum hörte der eine auf, fing der andere schon wieder an.


    Geduldig und glücklich hörte Terpander zu, bis man ihm wieder signalisieren würde, dass sein Wort erwünscht war. Lurco war seinen Worten nach zu urteilen offenbar der einzige Mann des Orbis Terrarum, dem es gelungen war, anständige Huren zu treffen, wie Terpander belustigt feststellte. Er schaute weiterhin freundlich, während der Mann eine Tirade puren Abscheus zum Besten gab. Am Ende sollte auch noch Scato Schuld an dem Ausbruch gewesen sein. Was auch immer dem Manne widerfahren war - Terpander tippte darauf, dass es etwas Ernstes gewesen sein musste, denn niemand schwelgte wegen Nichts in derartiger Abneigung. Vielleicht würde Terpander es früher oder später erfahren, wenn sie sich besser kannten und falls Scatos Kameraden danach war, mit ihm über private Dinge zu sprechen.


    "Einen Löwen, Herr?", fragte Terpander am Ende rückversichernd, nicht sicher, ob es sich um einen Scherz oder um ein ernstes Ansinnen handelte. Die Aussicht, mit einem Löwen im selben Gebäude leben zu müssen, entbehrte irgendwie jedweden Reizes.

    Terpander wagte ein Lächeln, als der Freund von Scato sich über die Damenwelt echauffierte. Als Grieche hatte Terpander dafür vollstes Verständnis. In der Gesellschaft, der er entstammte, fand das Leben der Frauen abseits der Öffentlichkeit statt, während die Männer untereinander in einer regelrechten Parallelwelt lebten. Er fand diese Trennung der Geschlechter richtig und sinnvoll und verstand nicht, warum manche Menschen danach strebten, sie aufzuweichen, wo die Gesellschaft doch seit Beginn der Aufzeichnungen damit bestens funktionierte.


    "Diese Regel wird einfach umzusetzen sein", bestätigte Terpander. "Ich kenne mich nicht mit allen römischen Sitten gleichermaßen gut aus, aber ich glaube, einmal gehört zu haben, dass ehrbaren Frauen der Zutritt zu Tabernae ohnehin verwehrt ist. Was sollten sie auch an einem Ort, an welchem Wein getrunken wird und leichte Mädchen ihren Gatten umgarnen? Welche Freude sollte sie dort empfinden? Auch die Gespräche sind nicht für zarte Ohren geeignet. Im besten Falle ruiniert man nur ihren guten Ruf, da man sie mit Dirnen auf eine Stufe stellt, im schlimmsten Falle gefährdet man das Leben des Ungeborenen. Man tut als verantwortungsbewusster Mann seiner Frau keinen Gefallen, sie in die Taberna mitzunehmen und sich selbst auch nicht."


    Das alles sagte er in wohlmeinendem, väterlichen Ton. Im Gegensatz zu Lurco mochte er Frauen, nur war er der Ansicht, die römische Gesellschaft würde sie in vielerlei Hinsicht völlig falsch behandeln und damit die meisten familiären Probleme fahrlässig verursachen. Darum war er über Lurcos Einstellung erfreut. Sein Herr Scato hatte schon genug mit seiner Nervosität zu kämpfen und die Erfahrung hatte gezeigt, dass die Anwesenheit junger Mädchen nicht dazu beitrug, sein Gemüt zu beruhigen. Da war es gut, die Taberna konservativ zu gestalten. Generell schien Lurco ein guter Umgang für Scato zu sein, dem ersten Eindruck nach.

    Terpanders Herz wurde ein wenig leichter, als der Soldat, der sich als bester Freund von Scato bezeichnete, für ihn sprach. Er neigte ein wenig das Haupt zum Dank, sagte jedoch nichts dazu, da die Entscheidung letztendlich bei Scato lag. Und wie auch immer dessen Wahl ausfallen würde - Terpander stand es nicht zu, seine Entscheidung durch Kommentare zu beeinflussen.


    "Ich würde meinen Herrn selbstverständlich nach Kräften unterstützen, egal, wobei. Ich mag nicht mehr der Jüngste sein, aber ich kann noch sehr gut für mein Brot arbeiten. Griechisch ist meine Muttersprache, ich beherrsche Griechisch und Latein in Wort und Schrift, ebenso die Grundlagen der Mathematik. Haushaltsführung hat bisher nicht zu meinen Aufgaben gehört, aber ich bin fleißig und lernfähig und traue mir zu, eine Taberna in Ordnung zu halten und mich um die erforderlichen Schreiben und Rechnungen zu kümmern. Kochen kann ich allerdings überhaupt nicht. Falls das erforderlich sein sollte, empfehle ich, mir Bücher mit genauen Anleitungen zur Verfügung zu stellen oder jemanden, der es mir beibringt, sonst verjage ich euch am Ende die Kundschaft. Bis ich kochen gelernt habe, könnte die Taberna von einer Garküche beliefert werden oder man bietet fertige Speisen an, wie Kuchen, Brot, Wurst, Käse."


    Terpander war sonst niemand, der jammerte oder bettelte, aber mit einem Fuß schon in der Obdachlosigkeit stehend, beschloss er, noch ein wenig für sich zu werben.


    "Falls du dich dafür entscheiden solltest, mich zu behalten, schwöre ich, soll es dein Schaden nicht sein, Herr. Ich verspreche, ich werde keine zusätzliche Arbeit machen, sondern alles dafür tun, euch so viel wie möglich Arbeit abzunehmen und so wenig Kosten wie möglich zu verursachen, dafür aber so viel wie möglich zu erwirtschaften. So wäre es ein Gewinn für dich. Ich benötige kein Bett und erst recht kein eigenes Zimmer, ein Dach über dem Kopf genügt vollauf, ich könnte auch in einem Lagerraum nächtigen und mir genügt es, mich von Puls zu ernähren."


    Natürlich würde er gern anders leben, aber wenn er die Wahl hatte, als Sklave wie Dreck behandelt zu werden oder als freier Mann auf der Straße als Bettler zu enden, so war ihm die erste Variante doch weitaus lieber. An die dritte Variante, in seine Heimat zurückzukehren, dachte er lieber gar nicht erst. Scato war eigentlich ein lieber Kerl, aber Terpander wusste, dass er durchaus seine dunklen Seiten hatte. An die vergangenen Zeiten und ein fast schon freundschaftliches Verhältnis zu erinnern, wagte er nicht, das konnte genau so gut das Gegenteil bewirken. Oder vielleicht würde im Notfall auch der andere sich seiner annehmen, falls Scato bereit wäre, ihm Terpander zu schenken?

    Terpander war erleichtert, dass Scato zugänglich gestimmt war. An einem schlechten Tag hätte das durchaus anders aussehen können. Was immer ihn einst von zu Hause fortgerufen haben mochte, schien er gefunden zu haben. Zumindest wirkte er gesünder und glücklicher als je zuvor, was vielleicht auch Terpander nun zugutekommen würde. "Herr, deine Mutter bat mich, einen Brief für dich abzugeben." Er überreichte ihn Scato. Nervös beobachtete er ihn hernach beim Lesen.


    Mein lieber Scato,


    über deinen letzten Brief habe ich mich sehr gefreut, auch wenn er schon eine Weile her ist. In meiner heutigen Antwort geht es um unseren griechischen Sklaven Terpander, der uns so lange begleitet hat. Als Witwe und Mutter dreier Kinder sind meine Finanzen nicht die besten. Wenn ein Sklave seine Funktion nicht mehr erfüllt, ist er unwirtschaftlich. Terpander hat euch Drei unterrichtet, doch nun seit ihr erwachsen.


    Ich wollte ihm die Freiheit schenken zum Dank für seine jahrelangen Mühen, doch du kannst dir die griechische Tragödie nicht vorstellen, die er darob veranstaltet hat. So schenke ich ihn eben dir. Ihr beide hattet ja ein gutes Verhältnis zueinander. Was du mit ihm anstellst, ist dir überlassen. Behalte ihn, lass ihn frei oder verkaufe ihn, falls auch du seiner nicht mehr bedarfst.


    Ich hoffe, bald wieder von dir zu lesen.


    Deine Dich liebende Mutter
    Seia Sanga

    Terpander nickte. Diese Sicherheitsmaßnahmen hörten sich für ihn sinnvoll an. Und wäre dem nicht so gewesen, hätte er ebenso ruhig die Fragen des Legionärs beantwortet, wie er es nun tat.


    "Mein Name ist Terpander und Seia Sanga ist meine Domina", antwortete er. "Sie und der Vater von Sisenna Iunius Scato waren aufgrund des Militärdienstes von Scatos Vater nicht verheiratet, daher kommt die Namensungleichheit zwischen ihm und seiner Mutter. Ich war Scatos Paedagogus und bin hier, um ihm einen Brief meiner Herrin zu überreichen."


    Er hoffte, dass dem Manne das genügte. All die Zeit über blieb Terpander ruhig, auch wenn er innerlich brannte. In wenigen Augenblicken würde er erfahren, ob er noch eine Zukunft hatte oder ob die lange Reise und seine Hoffnung vergebens gewesen waren.


    "Dass ich in die Castra keinen Zutritt habe, ist eine gute und wichtige Vorsichtsmaßnahme. Mir wäre sehr geholfen, wenn man Iunius Scato zu mir schicken oder mir zumindest mitteilen könnte, ob er überhaupt noch hier wohnt, so dass ich vielleicht auf ihn warten könnte. Der Brief ist sehr wichtig. Sollte das deine Zeit und die deiner Kameraraden nicht erlauben, würde ich zumindest gern den Brief für ihn hinterlassen. Ich gebe ihn zwar ungern aus der Hand, ohne zu wissen, dass er hier überhaupt seinen Adressaten erreicht, doch sollte dies die einzige Möglichkeit sein, so muss es wohl so geschehen."


    Terpanders Handflächen wurden trotz der Kälte feucht. Für den Legionär wäre es nur ein kleiner Aufwand, sich nach einem Kameraden zu erkunden, für Terpander hingegen hing vom Willen oder Unwillen des Mannes die Zukunft ab.

    Geblendet kniff Terpander die Augen gegen die tiefstehende Wintersonne zusammen, als er mit dem Brief in der Hand das Tor der Castra Praetoria hinaufschaute. Die Anlage als Militärlager zu bezeichnen, war eine Untertreibung, ihn erinnerte sie eher an eine Burg. Wie hoch mochten die Mauern sein, zehn Meter? Von den Wehrtürmen schauten die Wachposten auf die Straße hinab, genau wie ihre Kameraden zu beiden Seiten des Tores, die darauf achtgaben, dass niemand Unbefugtes die Castra betrat. Das ganze Bollwerk kommunizierte: Halt dich fern! Du bist hier unerwünscht. Und doch führte Terpanders Weg in diese Richtung. Wenn er Scato hier nicht fand, dann hatte er ein Problem. Nach der Reise von Mantua aus war er nicht nur müde, durchgefroren und verdreckt, sondern auch mittellos. Nichts davon würde sich ändern, wenn er zu seiner Herrin nach Mantua zurückkehrte - ihre Türen waren ihm seit seiner unfreiwilligen Abreise verschlossen. Das, was andere Sklaven sich wünschten - die Freiheit - wäre für Terpander eine Katastrophe. Er war pleite und er war alt, sein Wert sank von Jahr zu Jahr und war nun an einem Punkt angelangt, wo seine Herrin nicht länger bereit war, ihn durchzufüttern.


    Seine einzige Hoffnung auf ein menschenwürdiges Leben lag darin, ihren Sohn zu finden, der nach Rom aufgebrochen war, um bei den Cohortes Urbanae sein Glück zu versuchen. Allerdings hatte Scato, der zu seiner Familie kein sonderlich enges Verhältnis pflegte, nur einen einzigen kurzen Brief geschrieben, der bestätigte, dass er gut angekommen war und seine Ausbildung begonnen hatte. Ob er sie jedoch auch fortgesetzt hatte oder zwischendurch hatte abbrechen müssen, was nicht unwahrscheinlich war bei der harten Ausbildung einer Elitetruppe, wusste niemand.


    Als Sklave war es nicht gerade üblich, einen Bürger einfach abzufangen und anzusprechen, aber es war ein Notfall. An dieser Stelle kam er mit demütiger Passivität nicht weiter. Und so sprach Terpander einen der Soldaten an, die gerade die Castra verließen.


    "Salve, dominus", sprach er mit gesenktem Blick und anhand der Anrede wusste der Angesprochene, dass er einen Sklaven vor sich hatte und keinen Landstreicher. "Ich suche den Sohn meiner Herrin, einen Sisenna Iunius Scato, der in der Castra Praetoria vor einigen Wochen eine Ausbildung begonnen hat. Falls deine Zeit es erlaubt, könntest du mir dabei helfen, in Erfahrung zu bringen, ob ich ihn hier finden kann?"

    Ich bin leider immer noch nicht schreibfähig. :/


    Bei den Benutzergruppen im Profil stehe ich zum einen unter den Bürgern eingetragen, zum anderen unter den nicht aktivierten Mitgliedern. Womöglich ist die Doppelbelegung der Grund.