»Ich will versuchen, deine Zeit nicht länger als nötig in Anspruch zu nehmen, Centurio. Allerdings kann ich keine wichtigen Details der Kürze wegen auslassen«, begann Kyriakos. Sein Latein war fehlerfrei, auch wenn man hörte, dass es nicht seine Muttersprache war. Seine Stimme klang ruhig. »Das Unheil begann damit, dass eine junge Frau meinen Nymphis ansprach, einen hübschen Jungen, der mit seinem Flötenspiel Kundschaft wirbt. Ich ging zu ihr und wir kamen ins Gespräch. Frauen gehören sonst nicht zu unseren bevorzugten Kunden, da dieser Dienst Ärger bringen kann mit ihren Vätern, Brüdern, Ehemännern. Aber ich bin kein Unmensch, und da Eireann, wie sie sich vorstellte, so sehr darum bat, führte ich sie ins Ganymed.«
Kyiakos verschränkte seine Finger ineinander und setzte sich etwas bequemer hin.
»Normalerweise schweige ich zu dem, was hinter unsere Türen geschieht und wer bei uns aus- und eingeht, doch in Anbetracht dessen, was folgte, sehe ich mich gezwungen, mein Schweigen zu brechen. Eireann suchte keinen Trost auf die übliche Weise, ich sollte sie schlagen, aufs Bett werfen, dazu ein paar wohldosierte Nettigkeiten verbaler Art, bis es zu einem intensiven Akt kam, ganz ihrem Wunsch entsprechend.« Dabei schaute er ziemlich selbstgefällig, denn er war es gewohnt, seine körperlichen Fähigkeiten anzupreisen. »Auf ihrem Höhepunkt schrie Eireann vor Lust und zerkratzte meinen Hals. Es war kein Wunder, dass sie so um meine Dienste flehte, es war bitter nötig gewesen. Alles in allem war es ein gutes Werk.«
Er wies lächelnd auf die Krusten, die von seinem Kinn bis hinab zum Ausschnitt seiner Tunika verliefen und eindeutig von menschlichen Fingernägeln stammten. Normalerweise hätte er seine Leistungen noch ausführlicher gepriesen, aber die stoische Miene des Centurios ließ ihn vermuten, dass diesen das wohl eher mäßig interessierte. Also fuhr Kyriakos mit dem Wesentlichen fort.
»Als es ans Bezahlen ging, offenbarte sich jedoch, dass Eireann kein Geld bei sich hatte und eine Sklavin war. Also bot ich ihr an, dass wir gemeinsam zu ihrem Besitzer gehen und die Sache vernünftig klären. Dass ich meine Arbeitsleistung nicht verschenke, egal, wie groß die Not auch ist, sollte verständlich sein. Da aber wurde Eireann zornig. Sie besaß keine Erlaubnis für den Lupanarbesuch und hatte wohl Angst vor einer Strafe. Sie drohte mir darum mit dem großen Namen ihres Besitzers, sie würde ihm erzählen, dass ich sie verschleppt hätte, um ihren Herrn und seine Familie zu erpressen. Als ich mich davon nicht einschüchtern ließ, griff sie mich an. Sie war nicht zu beruhigen. Also sperrte ich sie vorerst ein, das hielt ich für besser, als mich mit ihr zu schlagen.«
Da Kyriakos zwar schlank, aber keineswegs zierlich war, brauchte er nicht weiter zu erläutern, wie das für Eireann ausgegangen wäre, hätte er ernst gemacht.
»Sie hatte in ihrer Zeit als mein Gast alles, was sie braucht, sogar Essen und Trinken, das sie als Fraß bezeichnete, wie meine Lupos mir später sagten. Ich ging in der Zwischenzeit allein zu ihrem Besitzer, den sie als Appius Furius Cerretanus angab, Optio bei den Cohortes Urbanae. Das hielt ich für eine gute Voraussetzung, ein ehrlicher Mann aus gutem Hause. Zunächst öffnete mir ein Sklave, der mich nicht mit seinem Herr sprechen lassen wollte, aber besagter Cerretanus kam zufällig gerade des Weges. Er wollte mir das Geld nicht aushändigen, vielleicht fürchtete er, dass ich ihn betrügen würde. Die Sorge ist ja nicht abwegig, Betrüger gibt es überall, besonders in meinem Gewerbe. Also bot ich ihm an, mich zum Ganymed zu begleiten, so dass er Eireann persönlich abholen könnte, was er aber auch nicht wollte. Darum habe ich einen höheren Preis verlangt und ihm eine Frist gesetzt.«
Es nützte nichts, an dieser prekären Stelle zu lügen, Cerretanus würde seinem Vorgesetzten bereits alles über den Besuch von Kyriakos berichtet haben. Und dessen Wort stand im Zweifel über dem von Kyriakos, da machte er sich keine Illusion.
»Natürlich war das ein Bluff. Ich habe kein Recht dazu, fremdes Eigentum als Pfand einzubehalten, darum hätte ich Eireann nach Ablauf der Frist auch ohne Bezahlung wieder laufen gelassen. Ich war ... in Geldnot, weshalb ich zu dieser Maßnahme griff. Wohl war mir bei dem Gedanken nicht, Eireann auf freien Fuß zu setzen. Sie drohte, mir mein Lupanar anzuzünden und sogar, mich umzubringen. Aber was will man machen, es ist nicht das erste Mal, dass mich irgendwer bedrohte. Aber diesmal wurde daraus Wirklichkeit ... vor Ablauf der Frist holten uns die Flammen. Vermutlich mit einer Öllampe, die ihr aus Freundlichkeit in den Raum gegeben wurde, hat Eireann wohl zunächst die Strohmatratze entfacht, denn von ihrem Raum aus breitete der Brand sich aus.«
Er leckte sich kurz die Lippen.
»Meine Jungs haben ihr Bestes gegeben, aber sie wurden dem Brand nicht Herr. Castor hatte versucht, zu löschen und alle aus dem Haus zu holen. Pollux aber rannte los, um Hilfe zu holen. Die kam in Gestalt der Vigiles und Cohortes Urbanae.«
Er warf kurz einen dankbaren Blick auf Lurco.
»Diesem Mann hier verdankt Python sein Leben. Für Iugurtha kam jede Hilfe zu spät. Während alle mit anpackten, beschimpfte Eireann belustigt die Verletzten, sie lachte darüber, dass Menschen starben und sagte mir, dass ich der Nächste sein würde! Sie biss außerdem den Medicus der Vigiles in die Hand. Die Krönung des Ganzen war, dass sie anschließend mit meinen erschöpften und verletzten Lupos kuschelte, die an den kühlen Wänden der Gasse saßen, die zum Ganymed führt. Dafür waren sie dann doch gut genug. Zwischen Nicon und Evenor hat sie sich niedergelassen und sich an Evenor geschmiegt. Kuscheln ist eigentlich auch nicht kostenlos«, murrte er.