Beiträge von Kyriakos

    Kyriakos kam in einigem Abstand hinterher, um sich zu vergewissern, dass der Unruhestifter auch wirklich das Ganymed verließ. Sein Kumpane, der gerade aus dem Zimmer trat, war von den Zwillingen gut versorgt worden. Er würde die nächsten Tage in süßen Erinnerungen schwelgen. Und wenn es aufhörte, würde er es vermissen, sich leer und unausgefüllt fühlen und wiederkommen. Solche intensiven Erfahrungen machten süchtig und ließen den Beischlaf mit der Ehefrau fad und öde erscheinen. Besonders, wenn die Zwillinge im Spiel gewesen waren. So lief das, wenn es gut lief.


    Castor und Pollux begleiteten Titus zur Tür, wobei sie ihn noch immer tätschelten. Erst, als Titus das Gebäude verließ, ließen sie endlich von ihm ab, wobei Pollux sich mit dem Ellbogen auf die Schulter seines Bruders stützte und gefühlvoll seufzte. Augenscheinlich hatten sie viel Freude mit diesem Kunden gehabt. Während die Zwillinge den beiden Gästen gut gelaunt hinterhersahen, war der Blick von Kyriakos finster, als er sich zurück in das Innere Ganymeds verzog.

    "Ich sehe hier nur einen Spinner und der steht vor mir."


    Kyriakos pflegte nicht, sich zu wiederholen und wartete, ob der größenwahnsinnige Kerl von allein verschwinden oder ob er Nachhilfe benötigen würde. Er glaubte Brutus kein Wort. Kyriakos hielt ihn für einen Aufschneider, der meinte, bequem etwas vom Kuchen bekommen zu können, ohne dafür einen Finger krumm machen zu müssen. Die gleiche Sorte wie jene, die versuchten, die Lupos zu kostenloser Arbeit zu überreden, weil es ihnen ja Spaß machen würde. Aber wenn er eines in diesem Leben gelernt hatte, dann, dass man niemandem etwas schenkte.

    Der Blick von Kyriakos wurde abweisend und arrogant. Also war an dem ängstlichen Gerede von Satibarzanes doch etwas dran gewesen. Irgendjemandem passte es nicht, dass sie hier ungestört ihrer Arbeit nachgingen. Und irgendein Handlanger dieses Jemands stand nun vor ihm und posaunte unverholen irgendwelche Drohungen herum.


    "Was schätzt du, wie viele Lupos ich beschäftige? Nicht alle von ihnen sind sanftmütige Jünglinge mit Rehäuglein. Ich habe hier auch ausrangierte Gladiatoren und desertierte Veteranen. Wenn diese Lupos schlechte Laune haben, kommen sie mitunter auf dumme Gedanken. Und ein brennendes Haus ist für jene, die kein anderes zu Hause haben, ein guter Grund, schlechte Laune zu bekommen."


    Kyriakos stand auf. "Und jetzt scher dich raus."

    So etwas war ihm selten untergekommen. Kyriakos fragte sich, ob diese Frau annahm, dass er zu so etwas wie Mitleid fähig war gegenüber wildfremden Personen. Sie war hier in einem Lupanar! Fast alle seiner Lupos waren Straßenjungen, die kaum eine andere Wahl hatten, als für Kyriakos zu arbeiten, um im Winter ein Dach über dem Kopf zu haben und jeden Tag etwas zu Essen. Eireann hockte vor jemandem, der Menschen zur Benutzung an andere vermietete, ganz gleich, wie es ihnen dabei ging, und dabei ihre Notlage ausnutzte. Es gab Kunden, die einem das Leben zum Abgrund machen konnten, insbesondere für die ganz jungen Wölfchen - und er war jener, der dafür sorgte, dass das geschehen konnte. Diese Frau war wirklich naiv.


    "Appius Furius Cerretanus", wiederholte er den Namen, um ihn sich einzuprägen. "Bete, dass der Name stimmt, ansonsten wirst du hier versauern, bis ich deiner leid bin oder von dir nichts mehr übrig ist als ein wimmerndes Stück Fleisch. Manche meiner Lupos würden sich über Abwechslung auf dem Speiseplan freuen."


    Ob er diese Drohung in die Tat umsetzten würde, war fraglich. Anschließend wäre Eireann ruiniert - wenn sie es denn überlebte. Und weder hatte er Lust, dem Dominus den Wert seiner Sklavin zu ersetzen, noch, sich mit ihm rumzuärgern. Er wollte nur das Geld und dafür musste Eireann äußerlich intakt sein. Aber all das konnte die Sklavin nicht wissen.

    Für einen Laufburschen sah Brutus ziemlich imposant aus. Kyriakos traute ihm eher andere Qualitäten zu, die sich mehr auf die Armkraft bezogen, doch das sprach er nicht aus. Während Brutus es vorzog, stehen zu bleiben, machte er es sich an seinem Tisch gemütlich.


    "Interna heißen so, weil sie intern bleiben. Niemand nennt irgendwem Zahlen. Es genügt, um all die hungrigen Mäuler mehr schlecht als recht zu stopfen, das muss dir reichen. Würde man damit reich werden, würde ich nicht hier in der Subura wohnen, sondern mir eine schöne Villa gönnen und einen anderen die Aufsicht führen lassen. Warum interessiert dich das? Ist das hier ein Bewerbungsgespräch?"


    Er musterte den Mann ein zweites Mal, diesmal mit einem anderen Augenmerk.

    Kyriakos schickte Nymphis mit einem Wink fort. Das hier war kein Kunde, sondern irgendetwas anderes. Ein Konkurrent, ein möglicher Geschäftspartner? Das würde sich erweisen. Während der Junge verschwand, widmete der Inhaber des Ganymed sich dem Gast.


    "Mein Name ist Kyriakos. Aber wer bist du? Brutus nannte dich dein Freund. Nur kenne ich keinen Brutus. Bitte folge mir in mein Zimmer, dort redet es sich besser. Etwas zu trinken?"


    Python gab er ein Zeichen zu bleiben, wo er war und sie nicht zu begleiten. Es war ein Vertrauensvorschuss für den Gast als Zeichen seines Wohlwollens. Kyriakos führte den Mann in eines der Zimmer der verschachtelten Insula, deren untere Etage sein kleines Reich bildete. Er hielt ihm einladend die Tür auf. Dies war kein Arbeitszimmer eines Lupo, sondern ein kleiner Wohnraum, in dem es alles gab, was man zum Leben benötigte, wenn auch auf sehr kleiner Grundfläche. Auch ein Arbeitstisch war hier zu finden mit zwei Schemeln. Durch ein recht großes Fenster konnte man in einen unordentlichen, aber grünen Hinterhof blicken, auch wenn er für sie nicht nutzbar war, da er zu einem anderen, besseren Anwesen gehörte.

    Kyriakos schlug ohne Vorwarnung zu. Dabei nahm er die flache Hand, da er die Sklavin nicht sichtbar beschädigen wollte. Doch jeder, der bereits eine Ohrfeige genau aufs Ohr erhalten hatte, wusste um die unsichtbaren Auswirkungen - ein starker, explosionsartiger Schmerz, tagelanges Fiepen im Ohr, im Extremfall platzte gar das Trommelfell. So stark hatte Kyriakos zwar nicht zugelangt, aber stark genug. Eine Chance hatte er ihr eingeräumt - und sie hatte sie vermasselt.


    "Da du kein Gegenangebot vorweisen kannst, nenne mir deinen Herrn, damit ich ihn auffordern kann, die Rechnung für deine Fleischeslust zu begleichen", verlangte er.

    So gefiel sie ihm schon viel besser. Demut war die angebrachte Haltung ihm gegenüber. Kyriakos gab seine bedrohliche Haltung auf und setzte sich gegenüber von Eireann auf das Bett, um es ihr leichter zu machen, eine Antwort zu finden. Das war es dann aber auch schon an Entgegenkommen. Zwar genoss er Machtspielchen, doch war er kein Dummkopf, sondern tasächlich an einem Geschäft interessiert. Wenn Eireanns Gegenvorschlag gut war, würde sie eine realistische Chance haben, sich hier schadlos herauszuwinden. So hakte er nicht nach, sondern wartete, bis sie sich gesammelt haben würde.

    Kyriakos akzeptierte das Hinsetzen fürs Erste als Geste des guten Willens, doch Eireanns zorniger Blick war nicht dazu geeignet, ihn milde zu stimmen.


    "Ich gebe dir eine Chance, mir einen Gegenvorschlag zu unterbreiten, wie ich sonst an mein Geld gelangen kann." Er hob den Finger, um seine Worte zu unterstreichen. "Eine Chance. Wähle deine Worte weise."


    Das galt nicht nur für ihre Worte, sondern auch für die Art und Weise, wie sie mit ihm sprach, wie er ihr mit seinem harten Blick zu verstehen gab.

    "Silurerin? Nie gehört", lachte Kyriakos. "Muss ein ruhmloser kleiner Drecksstamm am Arsch des Imperiums sein - sofern es ihn noch gibt. Die Römer hatten vermutlich viel Spaß mit ihnen. Ein Jammer, dass ich nicht dabei sein konnte, um eure Frauen zu Witwen zu machen und ihnen zum Trost ein Kind in den Leib zu pflanzen. Aber zum Glück bist du ja nun hier."


    Der Hals von Kyriakos war blutig gekratzt. Diese kleinen Wunden hatten seinen Körper kaum verletzt - aber sie verletzten seinen Stolz. Als Eireann in Richtung Tür stürzte, war er einen Augenblick vor ihr auf den Beinen und versperrte den Weg nach draußen. Nun lachte Kyriakos nicht mehr.


    "Du wirst bezahlen, ob du meine Dienste in Anspruch nimmst oder nicht", bestimmte er barsch. "Fünfzig Sesterze, da du nimmersattes Gör unbedingt mit mir persönlich verkehren wolltest. Dazu weitere zwanzig für harte Spielchen mit körperlicher Zeichnung. Jeden einzelnen Sesterz davon wirst du bezahlen und wenn du sie nicht dabei hast, bezahlt sie dein Herr. Je schlimmer du es machst, umso teurer wird es für ihn."


    Kyriakos könnte nun einfach den Raum verlassen und hinter sich absperren. Aber in seinen Augen hatte sie die ganze Packung verdient. Von ihrer Antwort würde abhängen, ob er sie nun allein ließ, um das Geld einzutreiben, oder ob er ihr gab, wonach sie dermaßen hartnäckig verlangte.

    »Wir sollten zurückgehen«, drängte Python, als die Dämmerung zur Nacht wurde. Da es keine Straßenbeleuchtung gab, wurde es in der Subura langsam gefährlich.


    »Macht dir die Dunkelheit Angst?«, fragte Kyriakos zurück. Nur mit einem griechisch anmutenden Lendenschurz angetan lehnte er an der Hauswand, einen Fuß auf Kniehöhe gegen den bröckelnden Putz gestellt.


    Python ignorierte den Hohn. Als ehemaliger Gladiator hatte er so manchen Kampf ausgetragen. »Um diese Zeit sollten wir nicht hier sein. Wir haben für heute genug verdient und der Junge wird müde.« Er wies auf den sechsjährigen Knaben, der versuchte, die vorbeigehenden Männer für sich zu gewinnen, indem er auf einer Flöte spielte. In seinem schwarzen Haar trug er einen süß parfümierten Blütenkranz. Sonst trug er nichts.


    »Wer sagt denn, dass es heute gefährlich wird?«, fragte Kyriakos, ohne auf die Bemerkung zu dem Jungen einzugehen. Er behielt das Kind im Auge, das in all dem Dreck unwirklich rein wirkte. Ein kleiner Gott, der in den Pfuhl niederster Menschen hinabgestiegen war. Als ein Mann sich verstohlen umschaute und nach dem Jungen griff, trat Python von der Hauswand hervor. Sein Anblick genügte. Der Mann lachte gekünstelt, als sei es nur ein Scherz gewesen, ehe er rasch weiterging. Der Kleine setzte unbeirrt seine Aufgabe fort, für die Dienste des Ganymed zu werben, dass die Gasse hinunter ganz am Ende zu finden war.


    Python stellte sich wieder neben Kyriakos. »Satibarzanes hat Männer gesehen, die uns nicht wohlgesonnen sind. Wir sollten wirklich gehen.«


    »Satibarzanes sieht viel, wenn der Tag lang ist. Besonders, wenn er früher Feierabend machen will.«


    Die Stimme von Kyriakos hallte ungedämpft in den finsteren Gassen wieder. Er hatte keine Angst und wenn doch, würde er sie nicht zeigen. Der verbissene Zug um den Mund von Python entging ihm nicht, auch nicht der Zorn in seinen Augen. Er war für ihre Sicherheit zuständig und war derjenige, der im Zweifelsfall seine Gesundheit und sein Leben riskierte, damit sie ungestört arbeiten konnten. Dafür blieben ihm für die Zeit, in der er wachte, die noch unangenehmeren Arbeiten erspart. So trug er auch anstelle des Röckchens, wie sie ihre eigene Tracht in einem Anflug von Selbstironie nannten, eine Tunika mit einem Knüppel am Gürtel.


    Da Kyriakos sich nicht überzeugen ließ, warteten sie noch länger erfolglos. Die Frauen der in der Nähe gelegenen Lupanare fingen die meisten Kunden ab, bevor sie auch nur in ihre Nähe kamen und heute war es besonders spürbar. Kyriakos vermutete, dass sie heute in einem davon irgendeine Festlichkeit abhielten. Mit wachsendem Unmut starrte er in die wachsende Finsternis. Die ersten schweren Ochsengespanne rumpelten die Via Collatina von der Porta Esquilina aus in Richtung der Innenstadt. Nachts war die Subura noch lauter als tags. Und je später es wurde, umso weniger brauchbare Kunden verirrten sich zufällig auf die Straße. Wer nun noch unterwegs war, hatte bereits ein festes Ziel vor Augen.


    Nicon, ein abgekämpft aussehender Rotschopf, der aussah, als ob er gerade erst das Fest seiner Volljährigkeit gefeiert haben würde, wenn er Eltern hätte, tauchte aus den Schatten auf und reichte Kyriakos eine Geldkatze. Mit dem Handrücken wischte er sich den Rotz von der Nase. Der Grieche durchwühlte kurz die Einnahmen, dann band er sie an den Gürtel von Python und nickte.


    »Du kannst Feierabend machen.«


    Satibarzanes, der in der Nähe von Python auf den Fersen im Dreck hockte, sah dem Jüngling missmutig nach. Die Nervosität war ihm anzumerken. »Würden alle gleich viel mitarbeiten, ginge es schneller«, murrte er leise Python zu und Kyriakos wusste, dass er ihn damit meinte. Das war unverschämt, denn er organisierte und koordinierte hierdas alles.


    »Satibarzanes, such dir eine andere Ecke. Und wage es dir nicht, ohne Begleitung oder Geld aufzukreuzen und wenn du bis morgen auf der Straße bleibst.«


    Ohne Widerworte trollte der Mann sich. Kyriakos wusste schon, warum er ihn so selten wie möglich mit hinaus auf die Straße nahm. Weder war seine haarige, füllige Gestalt dazu geeignet, viele Kunden anzusprechen, noch taugte er für sonst etwas, wie Python, der wenigstens kämpfen konnte, auch wenn er kein erbaulicher Anblick war. Er musste zusehen, dass er Satibarzanes los wurde, bevor er endgültig zu alt war.


    »Python.«


    Er wies auf einen Mann, der erstaunt den Flöte spielenden Jungen musterte, der mit einer Hand an seiner Tunika zupfte, damit er mitkam. Das Zögern des Mannes hatte Kyriakos gereicht, um es als Zustimmung zu werten. Er hatte für heute die Nase voll. So trat also der ehemalige Gladiator zu dem Mann und gab ihm zu verstehen, dass er mitkommen müsse. Sein Nein akzeptierte er nicht. Er beförderte den verängstigten Mann durch die Gasse in den Schlund Ganymeds. Kyriakos blickte wieder nach vorn. Zwei weitere Lupos kehrten heim, lieferten bei ihm ihre Einnahmen ab und wurden im Gegenzug in den Feierabend entlassen. Aber auch sie hatten Angst und erzählten von den Schergen einer fremden Bande, die vermutlich die Kunden zu den anderen Lupanaren trieben und sie von den guten Stellen verjagten.


    Kyriakos schaute sich noch einmal auf der Kreuzung um. Da war niemand Verdächtiges. Keine auffälligen Bewegungsmuster, keine verstohlenen Blicke. Dafür eine lausige Ausbeute, die das Risiko, das Haus zu verlassen, unnötig erscheinen ließ. Er brauchte einen weiteren Jüngling und musste diesmal besser darauf achten, dass er nicht aus der Form geriet. Oder einen zweiten Gladiator, um sich ein besseres Revier zu erkämpfen. Da Satibarzanes nichts konnte, würde er vielleicht als Plantagenarbeiter unterkommen können. Wenn sich gar kein Käufer fand, musste es eben das Kolosseum tun. Kyriakos konnte sich kein Mitleid leisten. Ihm schenkte schließlich auch niemand was, am wenigsten seine Lupos, die seine Bemühungen weder verstanden, noch zu schätzen wussten, einfältig, wie sie waren. Er wartete, bis der Junge mit dem Blütenkranz und der Flöte an ihm vorbei in die Gasse gehüpft war, ehe er sich abwandte und ihm folgte.

    Im Osten der Subura am Hang des Esquilin liegt das Lupanar Ganymed. Der Eingang liegt nicht direkt an der Straße, sondern ist zu finden, wenn man beim Brunnen die schmale Gasse betritt und deren Verlauf bis in den Hinterhof einer Insula folgt. In dieser sich eröffnenden, überraschend lichten Oase mit vielen hängenden Pflanzen findet man den Eingang. Die im hellenischen Flair gehaltene Einrichtung zeigt: Dieses kleine Lupanar in der Subura hat sich auf den besonderen Geschmack spezialisiert. Das Etablissement ist klein, aber sauber und die Räume bieten neben Fenstern, die keine Selbstverständlichkeit sind, auch den Komfort von mit Matratzen gepolsterten Doppelbetten. Die Preise sind angemessen und das so anschmiegsame wie diskrete Personal versteht sich auf sein Handwerk.


    520-ganymed


    Adresse:


    Lupanar Ganymed

    Clivus Suburanus

    IV. Regio

    Roma


    Inhaber


    Herr über dieses kleine Reich ist Kyriakos, der als gebürtiger Hellene einen recht eigenen Blick auf diese Dinge hat.



    Unsere Lupos


    Evenor - sanft und schön

    Nicon - ein eher unauffälliger Bursche

    Pollux - meist gut gelaunt, aber extrem verlogen und bisweilen zur Bösartigkeit neigend

    Python - Ein ausgedienter Gladiator, schon etwas älter, nach einem Brandunfall sehr vernarbt und kurzsichtig. Sein Name ist Programm, wenn der Lendenschurz fällt. Er arbeitet allerdings meist als Leibwächter.


    Weitere Angebote auf Nachfrage.



    Lage


    Die Subura ist ein bevölkerungsreiches Stadtviertel in Rom, das als Wohngegend der Armen und als Rotlichtviertel berüchtigt ist, gleichsam für seine Kriminalität. Gleichsam findet man hier viele Händler und Betriebe zur Produktion, wie Schumacher, Eisen- und Wollhändler oder Lebensmittelschnitzer. Mit diesem unappetitlichen Viertel verbindet Juvenal die tödliche Bedrohung durch Feuer, herabfallende Dächer, Überfälle und "die tausend Gefahren einer wilden Stadt".



    Erreichbarkeit


    Am leichtesten ist das Ganymed vom Forum Romanum aus zu finden. Beim Verlassen nach Norden führt die Straße Argiletum in Sichtweite der Trajansthermen vorbei. Man folgt ihrem Verlauf durch die Subura in der feuchten Tiefebene zwischen den Hügeln Viminal und Esquilin. Die Wohnverhältnisse sind hier teilweise sehr beengt. Am Ende der Straße stößt man auf den Clivus Suburanus, der, den Hang ansteigend, die bauliche Fortsetzung des Tals bildet. Der Clivus Suburanus fungiert als Verbindungsstraße zwischen dem Argiletum (jener Straße, die vom Forum Romanum in die Subura führt und deren Hauptstraße bildet) und der Porta Esquilina in der Servianischen Stadtmauer. Er führt den Hang des Esquilin hinauf und endet an der Porta Esquilina in der Servianischen Mauer. Beim Brunnen eröffnet sich linker Hand besagte Gasse.

    "In meinen Adern fließt das reine Blut eines spartanischen Vollbürgers", prahlte Kyriakos, ohne auf ihre verzweifelten Bemühungen, sich zur Wehr zu setzen, einzugehen. Er war bis zur letzten Muskelfaser austrainiert, auch wenn er eher schlank als bullig war. "Ich bin mitnichten ein Bastard."


    Ihm entging nicht, wie die Sklavin den kleinen Nymphis musterte, der aber keine Zeit hatte, da er nun mit einem Stock ein Loch im Putz der Hauswand noch weiter öffnete, weil darunter Feuerwanzen wohnten. Die hatten er und ein anderer Junge als ihre Haustiere erkoren.


    "Würde dir einer von den kleinen Jungs gefallen?", fragte Kyriakos. "Dabei habe ich den Eindruck, du bräuchtest etwas ganz anderes, so, wie du dich gebärdest." Da seine Kundin sich nicht freiwillig in den Eingang verfrachten lassen wollte, hob er sie kurzerhand in beide Arme, als wäre sie eine Braut, die er über die Schwelle tragen wollte. "Wir finden schon heraus, was dir gefällt. Um Kundinnen wie dich kümmere ich mich gern persönlich."


    Er presste ihr die Lippen auf den Mund und eine obszön lange Zunge schob sich zwischen ihren Zähnen hindurch. Sie kreiste einmal, dann gab er sie wieder frei, ein selbstgefälliges Grinsen im Gesicht, den Blick nach vorn gerichtet. An manchen Tagen liebte er seine Arbeit. Mit dem Kopf voran trug er seine Beute hinein in die dunkle, von süßem Räucherwerk geschwängerte Vorhalle. Dabei traten sie durch einen Muschelvorhang, der die Insekten draußen halten sollte und beim Eintreten über die Haut der beiden strich und leise klimperte. Die Sklavin spürte, dass es durch das Halbdunkel eine Treppe hinabging und dann in einen Raum hinein. Dort warf Kyriakos sie auf das Bett. Es gab nur zwei Auswege - ein Fenster, das nur eine Schießscharte war (aber immerhin ein Fenster, das war nicht selbstverständlich in der Subura) und die Tür, die Kyriakos nun hinter sich schloss. Python postierte sich davor anstelle eines Schlüssels. Kyriakos setzte er sich auf das Fußende des Bettes. Er war sich seiner Sache absolut sicher und grinste, während er die Sklavin musterte.

    "Wenn mir danach ist - ja", sprach Kyriakos mit falscher Freundlichkeit. Wie sie ihn anfunkelte. Da war sie allerdings bei ihm an der falschen Adresse. Er hatte den Blick eines mordlüsternen Kriegers gesehen und ihm standgehalten, bevor sie sich gegenseitig fast mit bloßen Händen zerfetzten, da konnte ihn ein empörtes Mädchen nicht beeindrucken. "Nur leider sehe ich hier keine Frau, nur eine Sklavin." Der Griff um ihren Oberarm wurde schmerzhaft fest. Sie wurde ein Stück ausgehoben, so dass sie auf Zehenspitzen stehen musste. Kyriakos mochte sich geben wie ein Lupo, doch er war mehr. Vor allem war er es nicht gewohnt, nach etwas zu fragen. Was er wollte, das nahm er sich und war das nicht möglich, organisierte er es über einen Umweg - so wie jetzt.


    Ohne Rücksicht schob er sie in Richtung der schmalen Gasse. Ihnen folgte Python, nur für alle Fälle, dessen bullige Gestalt einen schwarzen Schatten vor sich her schob, der den von Eireann vollkommen verschluckte. Die Gasse verlief in Kurven um die ineinander verschachtelten Hauswände, so dass man das Ende erst nach einigen Minuten Fußmarsch sah. Dort wartete das klaffende Maul eines Eingangs, aus dem süßes Räucherwerk hervorquoll wie dampfender Atem. Mit bunten Bruchfliesen hatte man versucht, ihn halbwegs hübsch zu gestalten und zwei Kübelpflanzen standen rechts und links daneben. In der Gasse und neben dem Eingang lungerten Jünglinge und Männer in der gleichen knappen Tracht, wie Kyriakos sie trug. Etwas verwundert blickten sie der Sklavin nach, denn es verirrten sich nicht gerade oft Frauen hierher, so dass das schon eine kleine Attraktion war, über die zu reden sich lohnte. Die kleinen Jungs, die neben den Beinen der Älteren warteten, waren allesamt unbekleidet. Nymphis war besser genährt und sauberer als die anderen Kinder, sein Blick war aufmerksam und klug. Den Blütenkranz trug er wie eine Krone, als er sich zu ihnen gesellte, während Kyriakos seinen weiblichen Gast gnadenlos vorwärt schob.


    "Es wird dir hier gefallen", säuselte er weiter. "Wir haben saubere und gemütliche Räume, nicht solche stinkenden Kammern wie die Konkurrenz. Worauf stehst du?"


    Er behandelte sie wie eine Kundin, obgleich ihm sehr wohl bewusst war, dass sie um keinerlei Leistung gebeten hatte. Nun, er hatte auch nicht darum gebeten, dass die Kasse leer war. Man konnte sich sein Schicksal nicht immer aussuchen.

    Der Frühling hielt sein Versprechen nicht, die Frühlingsgefühle blieben aus und mit ihnen die Kundschaft. Kyriakos wusste nicht, was er falsch machte, das Geschäftsmodell war das Gleiche geblieben. Schuld mussten seine alternden Lupos sein, allen voran Satibarzanes, der nicht nur die magische Grenze der Zwanzig überschritten hatte, sondern auch aus der Form geraten war. Kyriakos selbst war mit 27 noch deutlich älter, aber durch tägliche Leibesübungen, Rasur und Hautpflege versuchte er, so jung wie nur möglich zu wirken. Er war wie seine Lupos mit nichts als einem griechischen Lendenschurz angetan und stand mit den nackten Füßen im Unrat der Subura.


    "Kyri", grunzte Python, um seine Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Der ausrangierte Gladiator hatte die Aufgabe, auf den Jungen zu achten.


    Kyriakos wandte die Augen von Satibarzanes ab und blickte auf die Kreuzung. Der sechsjährige Nymphis hatte sich auf den Gehsteig gesetzt, da ihm die Beine müde geworden waren. Nymphis schien das einzige Saubere, Reine und Schöne in dieser Straße zu sein. Eine Frau, welche die Botschaft des Flötenspiels offenbar nicht verstand, hockte vor dem Kind. Normaler Weise ignorierte Kyriakos die Damen, das gab nur Ärger mit deren Männern, Vätern und Brüdern, doch die Not war groß. Die Getreideration, die jeder Einwohner Roms vom Staat erhielt, war längst verkauft worden, um wenigstens die Miete bezahlen zu können. Bald würden sie stehlen müssen und die Existenz ihres kleinen Geschäfts wurde dann von den Vigiles und im schlimmsten Fall Urbanern bedroht. Genau so gut konnten sie aber in den Fokus einer Bande geraten, die sie plötzlich als Rivalen betrachtete. Mit dem Ganymed hatten sie ihre Nische gefunden. Zu stehlen mussten sie um jeden Preis vermeiden, so lange es nur ging! Glücklicherweise hatte Kyriakos für den Fall von Flauten noch eine andere Geschäftsidee parat.


    Er schaute sich um, keine Begleiter waren sichtbar und keine Urbaner. So trat Kyriakos entschlossen zu der Frau, die zu seiner Freude ein Halseisen trug. Dies musste die Sklavin eines wohlhabenden Herrn sein, wenn er sein Eigentum in der Stadt derart auffällig markierte. Auch ihre fast saubere Tunika sprach dafür, ihr Haar war voll und sie wirkte gesund. Beste Voraussetzungen.


    "Vergissmeinnicht ist das, was du für Veilchen hälst", sprach er. "Und Narzissen." Kyriakos wusste es, da er selbst jeden Tag die Blütenkränze band, die aus dem Jungen das Abbild eines kleinen Gottes machten. Aus großen, dunklen Augen schaute Nymphis die Sklavin an. In seinem Blick lag keinerlei Scheu. Er wies mit dem Finger in Richtung einer schmalen Gasse, die von der Kreuzung abzweigten. Kyriakos stand derweil unangemessen dicht an der Seite der fremden Frau. "Ganz allein hier, wie schade für dich. Komm mit und wir machen uns ein paar schöne Stunden." Seine Hand schob sich zwischen ihren Körper und ihren Arm, um mit festem Griff ihren Oberarm zu umschließen. Es war keine Frage gewesen.

    Der Schleier der Trunkenheit vernebelte seinen Blick, doch Kyriakos hatte alles mit angesehen. Vollkommen still, wie totgeschlagen, lag er im feuchten Sand. Die Schmerzen in seinen Füßen und in seinem Gesicht war er vollkommen zu ignorieren imstande. Nach seiner Gesundheit nahm man ihm nun auch seine gesamte Ausrüstung, sogar die abgelegte Kleidung wurde ihm entwendet und der Umhang, der seinen Körper bedeckt hatte. Kyriakos ignorierte das alles und rührte keinen Finger. Der Wein trübte seinen Verstand, doch bestimmte Dinge waren so verinnerlicht, dass sie auch in diesem Zustand funktionierten. Als Lysander verschnürt und abtransportiert wurde, trafen sich ihre Blicke. Im gleichen Moment vernahm Kyriakos das Ziel der Reise - Rom. Dort würde Lysander in der Schande leben, die er Kyriakos angedacht hatte. Recht so. Was aus Kyriakos hingegen werden würde, musste die Zeit zeigen. Vielleicht würden seine Füße wieder heilen, wenn sie rasch genug behandelt wurden? Er wollte liegen bleiben, bis die Männer fort waren und danach sofort zur Einheit humpeln. Doch er schlief ein, als der Sklavenhändler gerade seine Sänfte bestieg und wachte für die nächsten Stunden nicht mehr auf.