Beiträge von Kyriakos

    Der Jüngling quiekte. Kyriakos bedauerte einen Moment seine Entstellung. Er war jung genug, als dass er ein brauchbarer Lupo hätte werden können, die Pickel sorgten dafür, dass er lange jung aussah. Ob diese Einschätzung Sinn machte, wusste er nicht, sein Schönheitsempfinden unterschied sich von dem der Römer. Man müsste es ausprobieren, doch dazu würde es nicht kommen.


    »Ich weiß es nicht, ich war nur ein Bote«, wimmerte der Knabe.

    »Dreißig Sesterzen«, sinnierte Kyriakos. »Nicht schlecht. Das und mehr hätte ich auch verdienen können.«


    Seine Kiefermuskulatur spannte sich kurz an. Gewaltsam beförderte er den Pickelkopf auf den Stuhl, der herzerweichend greinte, sofern man ein Herz besaß. Er schnürte ihn fest. Der junge Mann entdeckte das herumliegende Auge und fing an zu weinen.


    »Ich bin noch nicht schuldfähig, ich bin noch keine vierzehn!«

    Kyriakos starrte Lurco an, dessen Dolch von Blut tropfte. Lurco hatte es geschert. Er hatte auch Python aus den Flammen gezogen und war für Iugurtha noch einmal in das Inferno gegangen. Das Leben eines Lupos war nichts wert, ganz gleich, ob es Peregrini waren oder Sklaven oder abgewrackte Cives. Die Vigiles hatten die Sklavin aus dem brennenden Lupanar geschleppt und sich danach aufopferungsvoll um sie gekümmert, während Kyriakos´ Leute starben.


    »Du verdienst ein Denkmal«, fand Kyriakos. »In einem Brunnen aus Blut.«


    Anders konnte er nicht ausdrücken, wie gerührt er von der Sorge und dem Gerechtigkeitssinn dieses Mannes war. Andere hätten ihn nun vor Dankbarkeit umarmt. Kyriakos fand, dass eine steinerne Statue ein guter Weg wäre, Dankbarkeit auszudrücken.


    Er folgte dem Wunsch des Urbaners und führte den pickligen Burschen zu ihm. Er schrie auf, als er die Leiche sah und begann sich zu gebärden, doch Kyriakos hielt ihn in einem Transportgriff und der Jugendliche kam nicht frei.

    »Du machst das öfter«, stellte Kyriakos fest. Er beobachtete das Schauspiel des Sterbens mit einer Mischung aus Faszination, Abscheu und Furcht. Letzteres durfte man nicht aussprechen. Er wusste, wie es aussah, wenn Heloten ... wenn Menschen starben. Auch für ihn war das kein Neuland. Völlig abgestumpft - war er nicht. Doch er tat erfolgreich so, als wäre er es.


    Er nickte in Richtung Tür.


    »Der kleine Muskelprotz mit der Halbglatze, das Pickelgesicht und der dicke Rotschopf. Die drei.«

    Kyriakos nickte knapp. »Ich denke, ich kenne diese Casa. Ein alter Mann wohnt darin. Ich bin nicht sicher, aber ich vermute, es ist der Wirt des Blinden Esels. So groß ist die Subura nicht, nur verschachtelt, und fast jeden hier kennt man nach einiger Zeit vom Sehen.«


    Der Verhörte hing zitternd auf dem Stuhl, wobei er versuchte, so viel Abstand wie möglich zwischen Lurco und sich zu bringen.


    »Es ist Helvetius Archias, der Wirt ist die Krähe«, keuchte er. Draußen hatten es alle mitgehört und das war dem Mann bewusst. »Er war zuletzt in den Katakomben, seither weiß ich nichts von ihm. Bei den Göttern, die bringen mich um!«

    Ein Würgen ging durch den Körper, der Blonde erbrach sich. Sein Augapfel wurde mit einem Schwall von Cervisia, halbverdauter Puls und Magensäure hervorgespült. Er hatte dermaßen viel Angst, dass es unerträglich war, er wollte nur, dass der Kerl aufhörte, ihn zu quälen und dass er ihn laufen ließ!


    »Es gibt ... zwei Hauptquartiere, von denen ich weiß«, stammelte er mit heiserer und zitternder Stimme. »Eine Casa in der Subura und die Katakomben bei der Via Appia

    Lurco stieg schlagartig in seiner Achtung. Bislang hatte Kyriakos jeden, der kein Spartiate war, bestenfalls für zweitklassig gehalten. So war es ihm beigebracht worden. Doch wenn er Lurco beobachtete ... so hätte aus diesem ein guter Spartiate werden können. Der Mann war in Roma geboren, ein Jammer. Und doch, auf eine Weise, gut für ihn. Einen Augenblick blitzte eine tiefschwarze Erinnerung aus seiner Heimat in Kyriakos auf, die er sofort beiseite schob. Mit ausdruckslosem Gesicht beobachtete er das Treiben des Urbaners, doch auch Kyriakos wollte diese Brut bluten sehen.


    Er war der Überzeugung, dass sie Velia auf dem Gewissen hatten, auch wenn er es nicht beweisen konnte. Denn dass sie regelmäßig einen alten Mann in einer bewachten Casa besuchte, war Kyriakos nicht entgangen, der sich gern die Zeit damit vertrieben hatte, Velias Schritte lautlos zu verfolgen und ihr Treiben zu beobachten. Das Haus lag zudem in der Subura, dort kannte er jeden dreckigen Winkel. Es mochte Leute geben, welche die Wachen mit Bettlern verwechselten - doch Kyriakos konnten sie nicht täuschen.


    Derweil stieß der Mann auf dem Stuhl einen angstvollen Schrei aus, er hyperventilierte und schnappte nach Luft in dem Versuch, etwas zu sagen.


    »Bitte, ich habe Familie«, wimmerte er. »Ich werde sprechen, bei den den Laren und den Manen dieses Ortes, hör auf!«

    Eine Platzwunde klaffte auf seiner Stirn. Innerhalb der stark geschwollenen Wundränder klaffte ein Loch, aus dem das Blut über Stirn und Nase floss. Der Mann drückte die Beine durch. Als er sich nicht aufstellen konnte, bekam er Panik und trat nach Lurco.


    »Bei den Göttern, du bringst mich um«, schrie er. Eine zeitlang sagte er nichts mehr, sein Bauch bewegte sich wie ein Blasebalg, als er versuchte, seine Panik in den Griff zu bekommen. »Vielleicht ... kann ich euch helfen«, versuchte er in kumpelhaftem Ton zu sagen. »Lasst ihr mich danach gehen?«

    Kyriakos ließ die Tür offen, er hatte keinen Befehl, sie zu verschließen und es war besser, wenn sie mitbekamen, was draußen geschah. Pullus war allein mit vielen Männern, sehr vielen, und einige davon waren robust gebaut. Kyriakos stellte den Stuhl so auf den Boden, dass Lurco beim Verhör den Schankraum im Auge behalten konnte.


    »Was wollt ihr von mir?«, keuchte der Mann.


    Kyriakos ignorierte ihn, zog ein Seil von einer Kiste, mit dem diese für den Transport verschlossen war, zog dem Mann die Arme durch die Lehne auf den Rücken und verschnürte sie fest miteinander. Sofort schwollen dessen Hände rot an. Sie würden bald sehr weh tun.

    Kyriakos griff mit der freien Hand unter eine Stuhllehne. Er henkelte die Finger nicht locker ein, sondern umschloss das Holz kraftvoll. Ein Stuhl bildete, richtig eingesetzt, Schild und Waffe in einem. Die Art, wie er das Möbelstück hielt, ließ darauf schließen, dass er es ohne Mühe mit den Beinen voran in ein Gesicht stoßen oder auf einen Kopf niederknallen lassen konnte.


    Ein letzter Blick, der einmal rundherum ging und die Körperhaltung der Gäste analysierte, doch momentan machte keiner Anstalten, einen plötzlichen Ausfall zu versuchen. Pullus hatte die Situation im Griff. Ein Gladius schlug schreckliche Wunden, sagte man. Vielleicht würde Kyriakos heute sehen, wie schrecklich - und ob sie an das Schlachtfest herankamen, das man mit einer Kopis veranstalten konnte.


    Der Urbaner hatte das Kommando übernommen und Kyriakos, der dazu gedrillt worden war, Befehle um jeden Preis zu erfüllen, ordnete sich ohne nachzudenken unter. Er folgte Lurco und wartete stoisch, doch hochkonzentriert auf weitere Befehle.

    << Ruinen des Lupanars Ganymed - Die Schlinge zieht sich zu


    »Ja«, sprach Kyriakos ruhig.


    Die im allgemeinen Trubel kaum hörbare Bestätigung der gebrüllten Anweisung des Urbaners war unnötig für die Anwesenden. Sie galt ihm selbst, gab ihm die Erlaubnis, zuzulassen, wofür er 13 Jahre seines Lebens geblutet hatte, um es zu lernen. Sieben Jahre davor hatte er in Frieden gelebt, sieben Jahre danach in einer anderen Art von Krieg. Das Schnitzmesser lag gut in seiner Hand, er hatte es von Velias Gold gekauft und nun würde er sie damit rächen. Es handelte sich nicht um eine Waffe, es war Werkzeug und somit legal, doch Kyriakos könnte genau so gut mit einem Stein oder einem stabilen Stock einen Menschen töten oder mit den bloßen Händen. Sein Herz schlug sehr schnell, sein Geist war still und klar wie die Oberfläche eines Sees, unter der ein bodenloser Abgrund lag, kalt und dunkel.


    Die Gäste und das Personal drehten Gesichter mit aufgerissenen Augen und Mündern in Lurcos Richtung. Das Schwert in seiner Hand sprach eine deutlichere Botschaft als seine Worte. Kyriakos hob das Messer, es zeigte auf einen blonden, kräftig gebauten Mann, der sich zusammen mit den anderen an die Wand stellte.


    »Ein Bauarbeiter von der Station«, sprach Kyriakos. Einer von denen, die nach der Katastrophe nicht mehr an der Baustelle aufgetaucht waren. Nicht nur die Urbaner hatten Grund, diese Klientel genau im Auge zu behalten.

    Kyriakos ließ sich neben Serenus ins beheizte Wasser sinken und lauschte dem Gedicht. Welch schöne Verse. Für die Ohren von Kyriakos, der täglich der dreckigen Sprache der Gosse ausgesetzt war, waren sie eine Wohltat. Der Dampf zog langsam im Feuerschein über die Oberfläche, draußen tönte noch immer die Musik, doch zwischen ihnen beiden lag, nachdem die Worte verklungen waren, Stille. Langam ließ er den Kopf an Serenus´ Schulter gleiten und drehte sich ihm ein Stück entgegen. Seine Finger strichen dem Gespielen über den Bauch und über die Brust. Der Rausch war noch nicht vorüber, doch er hatte sich verwandelt in eine unsichtbare Decke, die noch zum Verweilen einlud, fein wie Spinnenweben und flüchtig im Licht. Der Sonnenaufgang würde der Tod von Serenus und Marsyas sein, während zwei müde Männer, die einander nicht kannten, jeder für sich nach Hause trotteten. Kyriakos begann Nicon zu verstehen, der sich jeden Tag in die Nebelwelt des Rausches flüchtete, die irgendwo zwischen Traum und Wirklichkeit lag, jenseits des Okeanos, jenseits des weißen Felsens und der Tore der Sonne, bevor man zur Asphodeloswiese gelangte. Dieser Okeanos musste aus dem Sonnenwein des Serenus sein. Und als könne Kyriakos verhindern, dass der Zauber ihn verließ, schlang er den Arm fest um Serenus.


    Irgendwann würde einer von ihnen beiden sprechen. Einer würde aufstehen und freundlich mitteilen, dass er nun gehen musste, sich noch einmal für die Nacht bedanken und dann im Tageslicht verschwinden.


    Daran, dass die Kiefermuskulatur von Kyriakos arbeitete, sah man, dass er mit seinen Gedanken rang. Die Chancen standen fünfzig zu fünfzig. Doch jede Frage barg auch das Risiko der Verneinung in sich. Zwei mal Nein in einer Nacht - das war keine angenehme Vorstellung. Und so fragte Kyriakos nicht, sondern teilte mit, was ihm auf dem Herzen lag.


    »Ich werde dich und deinen Zauber vermissen, Serenus.«

    Inzwischen waren Python, Evenor und Nymphis wieder eingetrudelt. Zwar zeigten sie sich schockiert ob des Todes von Velia, doch letzten Endes gingen sie ihren üblichen Beschäftigungen nach. Python war noch immer nicht wieder der Alte. Die Entstellungen durch die Brandnarben waren das Eine, vor allem aber hatten seine Sinne gelitten, er war nun fast taub und blind, weshalb er den kleinen Nymphis oft an der Hand nahm - oder Nymphis ihn. Kyriakos spielte nicht mit dem Gedanken, Python davonzujagen, auch wenn er ein nutzloser Esser war. Dieser Mann war der Vater, der Kyriakos seinem Sohn nicht sein konnte und hatte so seinen eigenen Wert. Kyriakos bezahlte ihnen allen täglich die Mahlzeiten an der Caupona. Nachts schliefen sie hier draußen oder im Magnum Momentum, je nachdem, wie die Temperaturen waren, die mitunter schon herbstlich frisch wurden. So kamen sie über die Runden. Wenngleich er sich sparsam bis geizig zeigte, lebten sie komfortabel im Vergleich zu früher, da sie nicht mehr dem Druck unterstanden, jeden Gast bedienen zu müssen, ganz gleich, was für ein übler Mensch er war. Kyriakos versuchte, Nicon das Trinken abzugewöhnen, doch dessen unerträgliche Laune bei Weinmangel machte das nicht einfach.


    Und dann kehrte der Urbaner zurück. Kyriakos erhob sich von der Decke, auf der er saß, während er etwas schnitzte.


    »Chaire, Miles Purgitius«, grüßte er förmlich. »Ja, ich bin bereit.«


    Über einer wollweißen Chlaina, die an eine Tunika erinnerte, trug er eine ebenso helle Chlamys. Seinen alten, blutroten Mantel aus Sparta besaß er noch ... doch diesen verwahrte er sicher. Das Messer steckte er weg, dann zog er den Überwurf aus und behielt nur die Chlaina am Leib. Er wollte die Arme frei haben.


    Taberna zum Blinden Esel - Die Schlinge zieht sich zu >>

    »Als Urbaner wird es euch leicht fallen, die Unterlagen anzufordern«, mutmaßte Kyriakos. »Dem Praefectus Urbi untersteht die Baumkommision, er hat sich oft an der Baustelle der Station gezeigt. Gleichzeitig ist er euer Oberkommandant. Diese direkte Koppelung sollte es leicht machen, an die erforderlichen Daten zu gelangen.«


    Sie plauderten noch etwas unverfänglich, bis Kyriakos darum bat, sich zurückziehen zu dürfen. Der Eindruck vom gewaltsamen Tod Velias hatte sich schmerzhaft in seine Gedankenwelt geschnitten und er benötigte Ruhe. So sehr er Nicon verachtete - er war nun froh, dass die Urbaner ihn wohlbehalten nach Hause gebracht hatten. Nach Hause ... in eine einzige Trümmerlandschaft. Und doch war dieser Ort alles, was ihnen geblieben war und wohin sie immer wieder zurückkehrten. Kyriakos würde sein neues Lupanar genau hier errichten, aus der Ruine des Ganymed, über den sterblichen Überresten von Iugurtha und Velia.

    Er nickte anerkennend ob der Schlussfolgerungen des Miles. Der Mann war ein schlauer Bursche. Für Nicon aber hatte Kyriakos einen etwas längeren Blick übrig zum Lob, der weniger hart war als sonst. Der zu oft trunkene Jüngling hatte selten etwas derart Nützliches getan. Das war eine positive Entwicklung, wenn auch winzigen Schrittes vollzogen.


    »Sicher gab es eine Baukommission«, ergänzte Kyriakos. »Diese muss die Unterlagen haben. Hohe Leute in Toga bewegten sich unter den Arbeitern. Die Stadtverwaltung ist darum nach aller Wahrscheinlichkeit ein lohnender Ansprechpartner. Iugurthas Tod zu sühnen ist manchmal mein Wunsch. Doch es dominiert das Wissen, dass keine Blutrache je einen Toten zurück ins Reich der Lebenden rief. Iugurtha interessiert nicht mehr, was wir lassen oder tun, Lurco, seine Zeit ist vorüber. Blutrache hilft nur den Lebenden, sich besser zu fühlen oder auch nicht. Mir wird es helfen. Dieses Viertel soll nicht länger in Angst und Schrecken versetzt werden. Die Station wäre eine gute Sache gewesen. Einstweilen aber wird das Ende des Krähenvolks es tun. Und wenn ich meinen Teil beitragen kann, so werde ich es. Das Ende dieser Bande wird uns allen helfen, euch und uns.«

    Der Urbaner schüttete ihm tatsächlich sein Herz aus. Mit einem Rutsch kippte er die scheinbar lange Zeit in seinem Inneren verwahrten Gefühle vor Kyriakos auf die Straße, nur um hinterher weiterzumachen mit seinen dienstlichen Angelegenheiten, als wäre nichts gewesen. An einer Stelle zuckten die Mundwinkel des Lupo, was einem Lachen entsprach, das an diese Stelle gehört hätte.


    »Ein Haus hat er dir überlassen müssen? Nicht schlecht.«


    Was für ein Gauner, dieser Urbaner. Nun hatte Lurco ausgesorgt und sich dem harten Kampf um die letzte bezahlbare Wohnung der Stadt entzogen, falls er dienstuntauglich werden sollte. Vielleicht war es das, was Kyriakos mit dem Gold anstellen sollte ... keine Miete mehr zahlen, sondern ein eigenes Haus kaufen. Keine Insulabauweise, die beim ersten Brand in sich zusammenstürzte zu einem Scheiterhaufen seiner Existenz, sondern eines aus solidem Stein. Er begleitete den Urbaner zu dessen Kamerad Pullus, der über eine Sklavin sprach, vermutlich über die Sklavin, so wie es sich anhörte. Dieser schlug vor, Nicon zu befragen, der nun dümmlich aus der knappen Wäsche schaute. Aber er gab sich Mühe, die Fragen zu beantworten.


    »Zwei Männer sind im Frühling bei uns gewesen, von denen einer kein Kunden war. Seinen Freund bedienten Castor und Pollux, von dem haben sie noch lange geschwärmt. Aber der Große verschwand mit Kyri zum Reden. Kyri war danach sauer.«


    »Weil der Mann wissen wollte, was das Ganymed abwirft«, ergänzte Kyriakos. »Die Frage war merkwürdig genug. Ich dachte erst, er würde eine Arbeitsstelle suchen. Dann erklärte er mir, sie seien die Beschützer der Unternehmer in dieser Gegend. Aber das würde natürlich etwas kosten. Die übliche Masche. Wenige Wochen später kehrte der Große zurück mit einer Schar Unterstützer. Der Kleine war nicht dabei.«


    Nicon nickte. »Er hatte kurze unordentliche Haare. Und war bemerkenswert groß und kräftig. Vielleicht war er mal ein Bauarbeiter. Er stach Iugurtha ab. Derjenige, der Barti angestochen hatte, schien etwas zu melden zu haben. Schulterlange Haare, vielleicht vierzig Jahre alt, Bart und eine komische Stoffkappe.«

    »Für deine erste Liebe warst du die Hure? Nicht schön in so jungen Jahren. Ich war für jeden die Hure. Aber so lange wir stehen können, ist alles gut. Wir stehen. Also nutzen wir unsere Zeit.«


    Damit wollte er ihn aufmuntern. Aber Kyriakos konnte nicht verhindern, dass seine Gedanken einen Moment zu Serenus abschweiften. Vielleicht, weil es kein Geschäft gewesen war, sondern ein Geschenk. Vielleicht, weil ihm ihr Spiel mit den Worten Spaß gemacht hatte, als sie sich gegenseitig kunstfertig umgarnten. Etwas war da, was er voher auch nicht gehabt hatte und nach der Nacht im Rausch trotzdem vermisste. Seine eigenen pragmatischen Worte gegenüber dem Urbaner wurden von seinem Herzen ad absurdem geführt, doch was bedeuteten schon Gefühle. Taten bestimmten über Sieg oder Niederlage, Überleben oder Untergang. Und die Zeit für Taten war gekommen. Er konzentrierte sich auf die Gegenwart.


    »Aufs Kämpfen verstehe ich mich, so weit meine Füße es erlauben. Dein Name ist Lurco, nicht wahr? Du bist der Experte, ich werde tun, was du wünschst. Wir beide haben etwas davon und zu verlieren ist nicht mehr viel. Pullus möge sprechen.«

    Ruhig war die Stimme von Kyriakos, ernst sein Blick.


    »Velia war meine Geliebte, auch wenn sie mich nur als einen Freier von vielen wahrnahm. Sie wurde erstochen von den Männern der Krähe, da bin ich sicher. Wie Iugurtha. Wie Satibarzanes angestochen wurde. Ich weiß nicht einmal, ob er es überlebt hat, er lief davon. Viele sind nicht geblieben von der alten Truppe. Wie es weitergehen soll, weiß ich nicht. Aber immerhin ist Nicon wieder da.«


    Nach Satibarzanes der unnützeste seiner Lupos.

    Das Einmassieren des Öls war angenehm. Unter anderen Umständen hätte es mehr Zeit einnehmen dürfen und gern hätte Kyriakos es erwidert, doch sie beide waren bereits über die Schwelle hinaus. Der Tanz stand am Finale und die Gier forderte ihren Tribut.


    »Ich bin sicher, Serenus«, bestätigte er, während seine Hände noch die Narben des anderen befühlten, die er zuvor nicht gesehen hatte. Kein Tänzer. Oh, nein. Etwas noch viel Edleres hatte sich hier eingefunden, um seine Zeit mit ihm zu teilen. Und wenngleich in diesem Lichte die Narben schwer zu sehen waren, so war auch der Körper von Kyriakos nicht so makellos, wie er wirken mochte.


    Dann war Serenus hinter ihm. Den Mund an seinem Nacken, die Hände um seinen Leib, ließ er keinen Zweifel, dass er nicht länger warten würde. Kyriakos entspannte sich und dann waren sie nicht länger zwei. Helle Farben blitzten vor den Augen des Kyriakos auf, implodierende Sonnen, wirbelnde Sterne. Er musste sich gegen den Triton stemmen, denn Serenus demonstrierte vortrefflich, welche Kraft in seinem anmutigen Körper steckte. Ein überraschtes Ächzen entfuhr Kyriakos, weil es sich so gut anfühlte, was hier geschah. Die Musik war von draußen zu hören, das Wasser platschte unter ihren Füßen und viel leiser klatschte Haut auf Haut. Als die Frequenz ihres Atems sich erhörte, gleichsam der Rhythmus ihrer Körper sich beschleunigte, konnte Serenus spüren wie die Muskulatur des Satyrn unter ihm sich verhärtete, als sein Körper sich zusammenzog, sich zeitgleich ihm entgegendrückte, um ihn noch tiefer zu spüren. Kyriakos schrie seine Lust in den bacchanalischen Lärm hinaus und es klang, als wäre der Schrei ein Teil davon.


    Keuchend und vor Erregung noch zitternd hing er hernach am steinernen Sockel des Tritonen, den er besudelt hatte. Er würde nicht den Serenus von sich herunter drängen, dieser musste von selbst von ihm lassen, wenn er die Zeit gekommen sah. Kyriakos genoss ausgiebig das Nachbeben, während er sich die Lippen leckte.