Beiträge von Velia

    Innerlich war Velia erleichtert, dass die Krähe auf sie einzugehen schien und natürlich der Umstand, dass sie immer noch lebte. Das war nicht selbstverständlich innerhalb dieses Hauses. Sie musste ihre ganze Willenskraft aufbringen, um den Impuls zu unterdrücken sich mit der Hand übers Gesicht zu wischen. Jetzt wollte sie alles sehr konzentriert und möglichst ohne Fehler machen.


    Sie hielt Archias' Blick stand, doch antwortete ihm nicht sofort, um etwas mehr Zeit zum nachdenken zu haben. Erst nach einigen Augenblicken dann bekam sie den Mund auf in der Hoffnung die richtigen Formulierungen gefunden zu haben: "Ich habe dir immer gut und treu gedient und ich habe nie etwas dafür im Gegenzug verlangt." (sie hatte zwar gestern erst ein ganzes eigenes Lupanar von ihm verlangt, doch technisch gesehen war das ja keine Bitte von ihr aus gewesen, wo ja Archias sie dazu aufgefordert gehabt hatte sich etwas wegen ihrer guten Arbeit zu wünschen), "Niemals, bis heute. Ich bitte dich um ein Geschäft."

    Velia atmete tief durch, dann setzte sie sich auf den Platz, wo kurze Zeit zuvor noch das Hinterteil des Räuberhauptmanns zu ruhen gepflegt hatte. "Du willst wissen was diesen einen so besonders macht? Das will ich dir sagen, Nero. Helvetius. Archias." Jeden einzelnen Bestandteil des Namens der Krähe spie sie wie einen Fluch aus. "Ich sagte ja schon, dass er mein Freund ist und deshalb stehe ich jetzt hier vor dir. Es mag sein, dass er sich durch nichts von den anderen Lupanarbesitzern unterscheidet", (außer durch die Tatsache, dass bei ihm Männer die Kundschaft besprangen und keine Frauen), "..außer durch den Umstand, dass er mich kennt. Ist das nicht schon Grund genug, um dieser Sache deine Aufmerksamkeit zu schenken? Ich habe dir bislang immer treu gedient, Corvus, zählt das alles überhaupt gar nichts?"

    Irgendwo am Rande registrierte Velia, dass sie vermutlich einen winzigen Schritt (oder einen großen?) zu weit gegangen war, doch im Moment war es ihr egal. Sie befand sich bereits auf gefährlichem Terrain und wenn sie jetzt zauderte, oder Schwäche zeigte, wäre das ihr Verderben. Jetzt galt es mutig den eingeschlagenen Pfad weiter zu beschreiten, komme was wolle und die entsprechenden Konsequenzen zu tragen.


    Sie senkte leicht den Kopf als eine Andeutung einer unterwürfigen Geste, doch ihr Blick blieb hart und unentwegt auf Archias geheftet. "Das war nicht meine Absicht, es geht mir nur um das Schicksal meines.. Freundes." Kurz zuckte sie mit einem Mundwinkel. Es war höchst komisch und ungewohnt von ihr jemanden als "Freund" zu bezeichnen. "Kyriakos ist ein guter Mann der nichts mit der Obrigkeit zu tun hat und ein einfaches Leben in der Subura gefristet hat und jetzt hat er nichts mehr, da deine Männer ihm alles genommen haben! Das hat er nicht verdient!" Velia hoffte ja so sehr, dass sie mit ihrem Einsatz für den Lupanarbesitzer nicht gerade ihr eigenes Leben riskierte. Warum tat sie das alles hier gerade überhaupt?

    Helvetius Archias‘ „Ungehaltenheit“ war noch gar nichts im Vergleich zu Velias glühendem Groll, als sie mit der Ausstrahlung einer kampfeslüsternen Harpyie das Zimmer betrat und sich neben Babilus vor dem Schreibtisch ihres Chefs aufbaute. „Salve ich habe mit dir zu sprechen, Helvetius Archias! Was fällt dir ein das Lupanar Ganymed niederbrennen zu lassen! Kyriakos hatte dir doch nichts getan!


    Mit auf der Tischplatte aufgestützten Händen erwartete sie die Antwort des Verbrecherbosses. Es war nicht direkt Zorn über die geschehene Tat, der sie so rasend machte, sondern viel mehr großer Ärger. Das und die Tatsache, dass sie auch in diese Geschichte mithineingezogen worden war durch ihr unüberlegtes Erscheinen beim Ganymed letzten Abend. Wie konnte ihr das Archias nur antun, diese miese verlogene Kakerlake!*


    Sim-Off:

    Naa hat jemand diesen letzten Fluch schon einmal aus einem bestimmten berühmten Fantasyfilm gehört? :D

    Velia stürmte vom Ganymed aus die Gassen der Subura entlang mit einem stetig wachsenden Gefühl von Ärger und Wut. Wie kam die Krähe dazu Kyriakos' Haus abzufackeln! Alles was recht war, doch das ging ihr ganz eindeutig gegen den Strich, vor allem, wenn das hieß, dass sie jetzt die Truppe durchfüttern sollte als ihre "Freundin", so nicht!


    Beim Haus der Krähe angekommen, marschierte sie bei den als Bettler verkleideten Wachen am Tor einfach vorbei, sie kannten sie immerhin und so hatte sie freien Zugang zum Haus. Dann hinein und die Treppe hoch in den ersten Stock. Dort dann nach rechts in den Korridor zu Archias' Büro und wenn.. ahja, da stand ja schon einer der beiden Bluthunde davor Wache, der Hausherr war also anwesend. Velia ging auf den Mann zu und sprach ihn an: "Ich muss mit Helvetius Archias sprechen! Jetzt!"

    Kyriakos war ein Opfer der Krähe geworden, wieso hatte er nichts davon erzählt? Velia stand auf und kam wieder aus dem Hohlraum hervor. Das war das erste Mal, dass sie so einen Tatort als vom Verbrechen unwissende und unbeteiligte Augenzeugin zu Gesicht bekam, sie musste zugeben, dass es schon einen gewissen psychologischen Effekt hatte, wenn man die Signatur entdeckte, doch was sie jetzt hauptsächlich verspürte war Groll.


    Eine kleine Weile stand sie regungslos da, dann: "Ich muss etwas erledigen, warte nicht auf mich!" und schon begann sie so schnell wie es möglich war über den Schutt zurück zur Straße zu klettern (einmal verletzte sie sich dabei leicht am Knöchel) und stürmte dann davon.


    Sie würde das nicht einfach auf sich sitzen lassen, sie würde Helvetius Archias dafür zur Rede stellen!

    Velia kam näher, um die Schätze von Pollux besser zu begutachten. Es war immerhin schon mal etwas. Sie konnten die Sachen weiterbenutzen, oder verkaufen und so ein paar Sesterze machen. Es lag bei ihnen. Sie nickte Pollux zu und näherte sich dann der Ruine. Kyriakos und seine Leute waren fleißig am Werk, um jedes Quäntchen Wert aus dem zerstörten Gebäude herauszupressen. Neugierig näherte sich Velia dem ehemaligen Eingangsbereich. Der Türstock und Teile der Wand standen noch. Ob sie daneben auf der linken Seite auf die Trümmer steigen sollte, um die Überreste der Eingangshalle hinter der blockierten Tür zu untersuchen? Während Velia ihre Kletterpartie begann, sprach sie Kyriakos an. Das letzte war eine wirklich dumme Frage, Velia verdrehte die Augen. „Es interessiert kein Schwein, wenn ein paar Gossenkinder abgekratzt sind. Verscharr sie vor den Stadtmauern, wenn sie dir wichtig sind und sonst wirf sie in den Fluss und gut ist’s.
    Hoffentlich war Kyriakos klug genug damit bis zur Nacht zu warten. Die Urbaner hätten bestimmt einige Fragen an ihn, wenn er mitten am Tag Kinderleichen durch die Straßen spazieren führen würde.


    Ächzend hatte Velia jetzt die Trümmer erklettert und stand auf ihnen ein paar Fuß über dem früheren Bodenniveau der Eingangshalle. Zwischen den zahlreichen Ritzen der unter ihr liegenden Dachbalken konnte man Teile des Fußbodens erkennen. Auch von den anderen drei Mauern der Halle standen noch Teile. „Ich denke aus der Eingangshalle kommt nichts nützliches mehr, alles voller Schutt bloß.“ Aber auch kein Wunder, wo das Feuer ja hier und in einem Nebenraum seinen Ausgang gehabt und an dieser Stelle deshalb am längsten gebrannt hatte. Langsam und vorsichtig kletterte die Lupa von der südwestlichen Ecke der Eingangshalle in Richtung nordöstliche Ecke, sie wollte die Räume hinter dem Eingangsbereich näher untersuchen. Vorsichtig einerseits, weil sie kein Interesse daran hatte sich bei all den losen Ziegel- und Holzsplittern die Knöchel aufzuschlitzen, oder gar zu brechen, und andererseits, weil man vielleicht ja doch noch etwas nützliches unter sich in den zahlreichen Ritzen entdecken könnte. Doch Fehlanzeige. Fast schon bei der nordöstlichen Ecke angekommen, erregte dann doch etwas Velias Aufmerksamkeit bei der Nordwand der Eingangshalle. Etwas schwarzes und klumpiges, das nicht nach Holz, oder Ton aussah. War das eine Hand? Ein Stoffballen konnte es kaum sein, der wäre restlos verbrannt. Neugierig geworden kletterte sie näher. Zwei große Balken waren hier gegen die Wand gestürzt und bildeten jetzt eine Art kleines Zelt, oder Höhle, weshalb die Wand und der Boden darunter halbwegs frei waren. Velia war jetzt nahe genug, um zwischen den Balken hineinzusehen. Das war wirklich ein Leichnam! „Hierher! Da liegt jemand! Vielleicht ein Junge!“ rief sie die anderen herbei. Zumindest die Größe des Corpus ließ vermuten, dass es kein ausgewachsener Mensch sein mochte, denn andere Indizien dafür gab es nicht, dieser Mensch war bis zur Unkenntlichkeit verbrannt. Velia hockte dar und sah zu dem Jungen in den kleinen Freiraum hinein. Rund um ihn war der Boden dank der beiden Balken halbwegs frei geblieben, bloß ein paar Splitter lagen herum. Es waren teils weiße Stückchen, wie von Knochen. Aber sie konnten nicht von dem Jungen stammen, der hatte seine bei sich behalten. Oder mochte es Keramik sein? Auf der Suche nach einem eventuellen Überrest eines weißen Gefäßes ließ sie ihren Blick jetzt konzentrierter durch den Hohlraum schweifen, während sie gleichzeitig auch auf Kyriakos wartete. Die Wand hinter dem Jungen war schwarz und verrußt, so wie alles im Ganymed, doch untypische Formen unter dem Ruß ließ ihren Blick daran hängen bleiben. Da glitzerte etwas weiteres auf dieser Mauer, nicht nur Ruß, etwas graues, stellenweiße auch noch höchst dunkelrotes. Das wollte sie sich näher ansehen und so kletterte sie zwischen den beiden Balken ganz hinein und hockte sich vor die Wand. Mit einer Hand strich sie vorsichtig über die Stellen, um das Ruß abzuwischen. Es sah wie Blut aus, doch was machte es so weit über dem Boden? Und so viel? Auch war die Form komisch. Sehr schmale Stellen (vllt. handbreit) nicht in Lachen- oder Spritz-, sondern in Längsform, ganz so als ob es... Striche wären. Eine sehr ungute Ahnung überkam Velia und sie rieb jetzt stärker an der Wand, um das Geheimnis freizulegen, das sie auf sich barg. Doch nur wenige weitere Handgriffe und sie war sich sicher. Man konnte jetzt deutlich einen langen handbreiten Strich erkennen von dem drei kurze nach unten abgingen. Dann links davon eine Stelle frei und dann spiegelverkehrt die gleiche Zeichnung nochmal. Das waren Flügel! Blutrote Schwingen, die da auf der Wand prangten! Velia keuchte und ein Gewicht legte sich auf ihre Brust. Dann drehte sie sich nach den zuvor entdeckten weißen Splittern um. „Kyriakos!“ rief sie ihn jetzt nochmal herbei, vllt. etwas höher und spitzer als beabsichtigt, während Velia auf die Knie sank und vor dem Jungenleichnam im Schutt herumzugraben begann. Ein paar Handstriche in der Nähe der weißen Splitter, eine letzte Bewegung, dann zog sie mit offenem Mund hörbar die Luft ein und erstarrte, ganz gebannt von dem was sie entdeckt hatte. Also doch. Sie hatte sich nicht geirrt und jetzt wusste sie ganz genau wer das Feuer gelegt hatte. „Kyriakos!“ rief Velia wieder, dann ergriff sie das gefundene Etwas und hielt es vom Boden kniend aus Kyriakos entgegen. Es waren der noch gut erkennbare Schnabel und untere Teil eines in der Hitze zersprungenen Vogelschädels! Weißer Knochen, blutbenetzt und angerußt.

    Nachdem Kyriakos und seine Lupos das von Velia gebrachte Essen verzehrt hatten und bereit für den Aufbruch waren, stand auch Velia auf. "Geht schon mal vor, ich komme dann nach." Sie nahm den Korb mit dem leeren Geschirr und die leeren Amphoren darin auf und verließ den Raum. Zuerst stellte sie ihn bei der kleinen privaten Kochstelle der Lupas ab (alleine schon deren Existenz zeugte davon, welch ungeheuer nobler Schuppen das Magnum Momntum war), dann machte sie sich auf die Suche nach Veratia. Die Kochstelle lag in einem abgetrennten Bereich hinter dem Gästehauptraum und von ihr führte auch ein Durchgang zu den privaten Wohnzimmern der hier arbeitenden Lupas. Velia ging den kleinen Korridor entlang und klopfte dann bei der fünften Tür von rechts, dann trat sie ein. "Veratia?"
    Die Angesprochene lag nackt und noch schlafend (oder bewusstlos?) breitbeinig am Bett. Unter ihr am Boden zwei leere große Weinamphoren. Velia verdrehte die Augen. Was hatte sie vor wenigen Momenten noch zu Kyriakos gesagt? Doch egal..
    Velia betrat das Zimmer und ging zu einer Kommode. Dort zog sie eine Lade auf und nahm sich Haarnadeln heraus. Sie steckte sich die Haare hoch, dann schloss sie die Kommdode wieder und verließ das Zimmer.


    Sie trat hinaus ins gleißende Sonnenlicht des neuen Tages, die Straßen waren schon gut mit Leuten gefüllt, doch das waren sie in der Subura sowieso immer. Velia machte sich auf den Weg zum Ganymed. Sie stieg über eine Wasserpfütze und kam an zwei Straßenkindern vorbei, die zusammen lachten und an einer Hauswand lehnten. Vermutlich spähten sie die Passanten nach etwas wohlhabenderen Personen aus, die sie beklauen könnten. Eine Lupa wie sie jedoch nahmen sie gar nicht wahr, so alltäglich war deren Anblicke hier in diesem Viertel. Eine magere Katze wollte sich um Velias Bein schmiegen (wohl noch ein Bettler, wenn auch ein tierischer) und fauchte empört auf, als Velia nach ihr trat. Beim abgebrannten Lupanar angekommen offenbarte der Morgen ein noch trostloseres Bild als gestern Abend schon. Das Haus war größenteils eingestürzt, auch wen einige Wände trotzdem noch standen, begraben vom Schutt darüber. Sie trat heran und fragte: "Konntet ihr schon etwas retten?"

    Werter Appius Furius Cerretanus, wenn du schon eine Dame mit Fragen löcherst, dann sei wenigstens so höflich und halte deinen Postkasten einwurfbereit. :P

    Velia hatte die Füße aus der Längsseite des Bettes heraushängen und starrte hoch zur Decke. Sie achtete nicht weiter auf die fröhliche Meute bei ihrer Schlemmerei, aber auch sonst gingen ihr nicht wirklich Gedanken durch den Kopf. Sie starrte einfach stur geradeaus und kaute etwas auf ihrer Zunge herum. Die Arme hatte sie hinterm Kopf verschränkt. Bevor sie dann losgehen würden, müsste sie wohl Veratia um Haarnadeln bitten, damit sie sich die Haare hochstecken konnte, nicht dass Passanten sie später mit offenem roten Haar für eine Barbarin halten würde! Demjenigen, der die Kühnheit besaß ihr das ins Gesicht zu sagen, oder sie auch nur längere Zeit mit diesem Gedanken anstarrte, würde sie die Augen auskratzen, so viel stand fest.


    Selbst an ihr eigenes Lupanar hatte Velia nicht mehr gedacht seit ihrer gestrigen Entdeckung des Ganymedbrandes, es war einfach mit einem mal nicht mehr ganz so wichtig gewesen. Natürlich bedeutete das ebenfalls nicht, dass sie sich deeswegen jetzt automatisch mehr Gedanken um das Schicksal der Obdachlosentruppe vor sich machte, denn sie alle waren ihr allesamt herzlich egal. Trotzdem hoben sich beide Gedankenkomplexe (eigenes Lupanar vs. Ganymedbrand) irgendwie gegenseitig auf und so eben die aktuelle Leere in ihren Gedanken. Sonst gab es nichts anderes, das es wert wäre durchdacht zu werden. Kyriakos setzte sich dann zu ihr und machte ein Kommentar über die Größe der Weinamphoren, gefolgt von Dank. Zum Zeichen, dass sie ihn gehört hatte, verzog sie nur kurz den Mund und hob die Brauen, jedoch weiter ins Leere starrend. Nach einer Weile dann antwortete sie: "Sie sind Lupas, klar saufen sie bei jeder Gelegenheit, so kann man dieses Leben am besten ertragen."

    Am nächsten Morgen herrschte Stille in den Räumen des Magnum Momentum. Der Geschäftsbetrieb ging zwar bis spät in die Nacht, doch nicht durchgehend, weshalb die Stunden bis Mittag gewöhnlich geschlossen war. Machte ja auch kaum Sinn vormittags offen zu haben, wo die reiche und politisch einflussreiche Klientel selber gerade ihre Interessen pflegte bei einer Sitzung des Senats, oder bei der Abwicklung eines besonders lukrativen Geschäftes.


    So schlich also Velia wie ein einsames Gespenst durch den Hauptraum hin zur Treppe. Unter dem Arm hatte sie einen großen Korb in dem sich 3 kleine Amphoren Wein, ein Laib Brot und eine Schüssel Gerstenpuls mit Fleischstückchen darin befanden. Heute morgen warm zubereitet von einer der schon geöffneten Imbissbuden. Sie trat ins Zimmer („Morgen!“) und stellte gleich als erstes den Korb am kleinen Tischchen beim Fenster ab und fuhr sich dann seufzend durch die Haare. „Tut mir leid, dass ich gestern auf den versprochenen Wein vergessen hatte, aber ich musste kurzfristig doch arbeiten, weil ein Kunde es unbedingt mit zweien machen wollte“, ein kurzer Seitenblick auf die Zwillinge, der immer noch im Raum hängende Geruch verriet deutlich, was letzte Nacht hier getrieben wurde und ganz unbekannte waren die Ganymedianer ja auch nicht für sie, „Aber egal, dafür eben jetzt zum Frühstück, greift zu.“ Da sie davon ausging, dass sie jetzt erst mal mit Essen beschäftigt sein und sie danach gleich zum Ganymed gehen würden, wollte Velia auf sie warten. Sie fuhr sich nochmal durch die Haare (auch um sie aus dem Gesicht zu bekommen) und ließ sich dann quer ins Bett fallen. Das Bett war angenehm weich, eine Wohltat nach einer so arbeitsreichen Nacht in der sie eigentlich frei gehabt hätte...

    Velia führte die kleine Gruppe von Obdachlosen zum nahe gelegenen Luxuslupanar in dem sie aktuell selbst noch arbeitete. Als die Tür aufging und sie hereinkamen, staunten die im großen offenen Hauptaufenthaltsbereich nicht schlecht. Natürlich kannten sie die Belegschaft des Ganymed, wo sie ja hin und wieder herbestellt wurden, wenn ein Gast derart spezielle Wünsche geäußert hatte. Doch jetzt kamen sie alle auf einmal und das unverlangt und nicht nur das. Schwarz von Ruß waren sie und verletzt auch noch! Die üppige rothaarige Keltin stand unruhig auf. „Was ist passiert?
    Doch Velia fuchtelte mit einer Hand unwirsch, damit sie die Klappe hielt und rauschte an ihnen allen ohne eines Blickes würdigend vorbei in Richtung Stiegenaufgang und weiter, oberes Stockwerk. Dann den kurzen Gang entlang von dem links und rechts „Arbeitszimmer“ abgingen, doch sie alle waren gerade belegt. Velia ging bis ganz nach hinten und verzog dann den Mund. Blöde Sache...


    Gerade stand sie am Ende des Ganges und war sie schon am überlegen was jetzt zu tun wäre, als da die zweite Tür links von ihr aufging und eine zartgliedrige Italikerin mit glühendem Blick heraustrat, gefolgt von einem ganz jungen römischen Edelknaben, der wohl gerade sein erste Mal mit der Lupa bestritten hatte. Zufrieden mit sich und der Welt richtete er sich die Toga und stapfte davon. „Brauchst du das Zimmer noch?
    Nein, du kannst es haben, obwohl... hallooo“ mit interessierten Blicken taxierte sie die Zwillinge und legte einem von ihnen einen Arm auf die Schulter. „Wie wärs ihr zwei, wenn...
    Veratia!“ bellte Velia. Die Angesprochene verdrehte die Augen („Schon gut, dann eben alle für dich...“) und trollte sich dann. Nachdem das geklärt war betrat Velia das Zimmer. Das Bett war noch nicht gemacht, besser sie erledigte das sofort, bevor sich jemand von den Ganymedianern hineinlegte. Sie hielt sie weniger für die Art Mensch die gerne in den Laken anderer schliefen in denen sich diese gerade eben erst auf eine sehr feuchte und erwachsene Art vergnügt hatten. Im Nu war das Bett wieder frisch und sauber und Velia ballte einen Stoffballen zusammen. „Macht es euch gemütlich.“, dann verließ sie den Raum und schloss die Tür hinter sich, um das Laken in die Schmutzwäsche zu geben. Dann führten sie ihre Schritte hinunter ins leere Büro der Geschäftsleitung. Dort wurde die Kasse aufbewahrt. Sie legte für ihren Chef genau den anfallenden Geldbetrag hinein, den die Benutzung des Zimmers die ganze Nacht lang eben ausmachte, so konnte man hinterher nichts mehr darüber sagen, dass die Ganymedleute heute Nacht hier schliefen, bezahlt war immerhin.

    Velia war tief ergriffen von Kyriakos‘ Schicksal und empfand ehrliches Mitleid für ihn. Den Grund ihres Besuchs, nämlich, dass sie ihm eigentlich davon erzählen hätte wollen, dass sie bald selbstständig mit ihrem eigenen Lupanar wäre, hatte sie vollkommen verdrängt. Das war jetzt nicht weiter wichtig, es zählte einzig und alleine, was mit Kyriakos jetzt in nächster Zeit geschehen würde. Sie hielt ihn umklammert und ihren Kopf auf seiner Schulter abgelegt in der Absicht ihm damit Trost zu spenden, während ihr Blick über die Ruinen des Ganymeds schweifte. Sie wusste, dass ihr Freund heute alles verloren hatte. Kyriakos war vom Geschäftsführer zum mittellosen Bettler geworden. Sie wüsste zumindest nicht, wohin er jetzt sollte, oder könnte.
    Das ist hart, egal was passiert, sei versichert, dass ich dir in der Stunde deiner Not beistehen will. Ich denke für heute Abend kannst du sowieso nichts mehr machen. Lass uns ins Magnum Momentum gehen, dort miete ich euch ein Zimmer für die Nacht, damit ihr wenigstens für heute ein Dach über den Kopf habt und dazu so viel Alkohol wie ihr wünscht. Klingt das nach einer Idee? Und morgen dann helfe ich dir aus diesen Trümmern zu retten, was noch zu retten ist, vielleicht kann man das eine oder andere ja noch gebrauchen.


    Das schien ihr im Moment das vernünftigste zu sein. Velia war da ziehmlich praktisch veranlagt. Das Feuer war passiert und es war sinnlos noch länger hier zu stehen und über Dinge zu weinen, die man sowieso nicht ändern konnte. Klüger war es das beste aus der gegebenen Situation zu machen und das bestand eben in jenen nächsten kleinen Schritten, die sie Kyriakos eben skizziert hatte. Heute schlafen und saufen und morgen dann eine Art „Brandinventur“ durchführen. Danach konnte man weitersehen.

    "Kyriakos!"


    Velia fiel dem Mann um den Hals und drückte ihn an sich.


    Eine Form eines Gefühlsausbruchs, den man bei Velia auch nicht alle Tage beobachten konnte.


    "Den Göttern sei dank, dass dir nichts passiert ist. Was ist hier nur passiert! War es ein Unfall?"

    Zitat

    Original von Kyriakos
    Ascheflocken sanken nieder wie schwarzer Schneefall. Während das Lupanar kontrolliert abbrannte, konnte Kyriakos sich nicht dazu durchringen, den Ort zu verlassen, an dem seine Existenz Balken um Balken von den Flammen aufgezehrt wurde. Er saß mit dem Rücken an eine Hauswand gelehnt und beobachtete durch halb geschlossene Augen, wie es Raub der Flammen wurde. Zu seiner Rechten lag Python reglos in der nassen Decke. Zu Kyriakos´ Linken saß Nymphis und kuschelte sich im Schlaf an seine Seite, während der Arm ihn sicher hielt.


    Die Zwillinge hatten bemerkt, dass der Denar unerreichbar geworden war und sich beruhigt. Sie kuschelten auf der gegenüberliegenden Seite, wobei abwechselnd einer schlief und einer wachte, bei ihnen lagen Nicon und Evenor. Von den übrigen Lupos war nichts mehr zu sehen. Hier gab es nichts mehr zu holen und sie hatten sich verdrückt, um ihr altes Leben auf der Straße wieder aufzunehmen. Das lose Kollektiv war zerbrochen.


    Kyriakos wünschte, er könnte die Augen schließen und etwas Ruhe finden, aber er fand keinen Schlaf. Heiß lag die Hitze des Feuers auf seinem Gesicht und die Asche begann ihn zu bedecken, sein persönliches Popeii, sein schwarzes Leichentuch.


    Viel später, es war bereits später Abend, als die letzten Feuerzungen im Ganymed bereits erloschen und die offiziellen Ordnungskräfte abgezogen waren, war eine mehr als erfreute Velia auf dem Weg zu Kyriakos.


    Sie kam gerade vom Haus der Krähe, wo sich eine vielversprechende Begebenheit für sie ereignet hatte. Sie würde ihr eigenes Lupanar bekommen! Wenn das einmal nichts war. Bestimmt würde sich auch Kyriakos für sie freuen.


    Sie bog in die Gasse ein in der das Männerlupanar stand, wo sich auch schon der Aschegeruch des kürzlichen Brandes bemerkbar machte, doch in der Annahme, dass es irgendwo eben ein Feuer gegeben haben musste in der Nähe, dachte sie sich nichts weiter dabei, bis die zerstörte Ruine in ihr Auge fiel, das früher einmal das Ganymed dargestellt hatte.


    Velias Augen weiteten sich vor Schreck und sie schlug sich eine Hand vor den Mund. Das Ganymed! Kyriakos! Was war nur passiert?


    Eilig setzte sie sich in Bewegung und lief los, um so schnell wie möglich die letzten paar Schritte hin zur Ruine zu überbrücken. "Kyriakos! Kyriakos wo bist du!" Hoffentlich lebte er noch.

    Velia sah zwar immer noch nicht so recht einen Sinn darin, wieso Archias unbedingt die ersten Mädchen stellen wollte, anstatt ihr die Personalauswahl gleich gänzlich von Anfang an zu überlassen, aber nun gut. Dann war es eben so.


    Damit waren sie wohl für den Moment fertig, denn die Krähe löste ihre Audienz auf. So neigte sie nochmal kurz den Kopf und zog sich dann zurück.
    Am besten sie lief gleich los zu Kyriakos, um ihm von dieser Entwicklung zu erzählen.

    Angesichts der soeben erfahrenen Fakten musste Velia erst noch darüber nachdenken, ob sie sich über so ein Geschenk freuen sollte. Die Abgaben an die Krähe in Höhe von 40% waren ziehmlich saftig, weit mehr als jeder erpresste Laden in der Gegend normalerweise zu zahlen hatte, aber andererseits erklärte sich das wohl daraus, dass Helvetius Archias diesen hohen Betrag als Besitzer als seinen Gewinnanteil einforderte und nicht als Schutzgeld. Doch abgesehen von diesem finanziellen Aspekt schien es so, als könnte Velia in allen anderen Bereichen selbst bestimmen und auch frei über die verbleibenden 60% aller Einnahmen verfügen, um daraus Gehälter, Gebühren und ihr eigenes Einkommen zu bestreiten. Vermutlich ließ es sich in dieser Konstellation ganz gut leben, aber besser, wenn man sich über die eine oder andere offene Frage ein wenig mehr Klarheit holte.


    "In Ordnung, machen wir es so für den Anfang, wobei ich da noch ein oder zwei offene Fragen habe. Warum stellst du die ersten Lupas? Und kann ich die auch wie jede andere Angestellte auch jederzeit feuern, oder umbesetzen, wenn es mir passt? Und auch wenn ich die Geschäftsleitung sein werde, was soll ich sagen wer der Besitzer des Unternehmens, oder des Grundstücks ist? Nero Helvetius Archias, der fröhliche Wirt aus dem Blinden Esel?"
    Das schienen ihr im Moment die drängendsten Fragen zu sein. Diese Agentinnensache hatte sie schon erwartet und darüber dachte sie nicht weiter nach. Falls auch die anderen Lupas mit ins Boot geholt werden sollten beim Aushorchen der Gäste, so rechnete sie, dass das ähnlich wie bei Archias' Kinderspionen laufen würde. Die Lupas berichteten ihr das Gehörte (falls nützliches darunter war) und sie würde es dann an die Krähe weitertragen, um die Geheimhaltung zu wahren. Velia vermutete, dass die Mädchen gar nicht erst wissen sollten, dass sie für die Krähe arbeiteten, je diskreter desto besser.

    Im ersten Moment freute sich Velia riesig. Sie würde endlich selbstständig werden! Ihr eigenes Bordell! "Vielen Dank, o Corvus!" Doch diese Freude erhielt gleich wieder einen kleinen Dämpfer und ein wenig fragend blickte sie Archias in die Augen "Wie ist das gemeint "für mich einstellen"? Darf ich etwa nicht selbst darüber bestimmen? Ich hatte mein eigenes Lupanar gewünscht, doch das hört sich gerade so an, als ob ich wieder nur die zweite Geige spielen würde in dem Schuppen. Ist das so?" Velia scheute nicht davor zurück ihre Gedanken und Ansichten gleich direkt und unzensiert vor der Krähe zu äußern, denn das mit der so verstandenen Bevormundung würde ihr eher weniger gefallen. Im Grunde hätte sich ihr Wunsch ja dann nicht wirklich erfüllt und sie könnte genauso gut im Magnum Momentum bleiben, wenn dem wirklich so war.


    Gleichzeitig begannen aber trotzdem schon in ihr erste Ideen hochzusteigen was sie wie gerne der Räume wegen hätte, oder welche Art von Mädchen einmal dort arbeiten sollten. Und wie wollte sie es eigentlich nennen? Davon träumen konnte man ja, solange auch die letzte Seifenblase an Hoffnung noch nicht zerplatzt war.

    Das Lob der Krähe brachte Velia tatsächlich zum strahlen und zwar zu einem ehrlichen, was bei ihr nicht oft der Fall war. Doch es kam sogar besser noch, sie hatte einen Wunsch frei! Beide Dinge zusammen versüßten ihr diesen Tag so richtig, ein wunderbares Gefühl!


    Sie brauchte nicht lange zu überlegen und so sprach sie ihren Wunsch aus: "Mein eigenes kleines Reich, mein Herr, gib mir mein eigenes Lupanar über das ich verfügen kann! Ich bin es leid im Magnum Momentum zu arbeiten und den Anordnungen dieser notgeilen Geschäftsleitung zu folgen, ich möchte unabhängig sein in meinem Beruf und selbst bestimmen was wie zu geschehen hat." Bei dem Gedanken auf die Aussicht eines eigenen kleinen Bordells bekam Velia glänzende Augen. Schon seit längerem krachte es regelmäßig zwischen ihr und der Geschäftsleitung des Nobellupanars und je eher sie dort weg konnte desto besser.

    Da die Krähe ihren Bericht nicht weiter kommentierte nahm Velia an, dass er so in Ordnung war. Als Archias dann auch noch näheres über das Gespräch mit Purgitius Lurco hören wollte berichtete sie:
    "Nicht wirklich, vor allem hörte der Kerl am liebsten sich selbst beim reden zu. Geschwätziger sind wohl nur die Waschweiber vom Tiber. Er erzählte viel heißen Wind. Sonst sagte er nur aus, dass er und Iunius Scato eine Taberna nur für Männer aufmachen wollen ohne Zutritt für Frauen.
    Dann wieder nur viel unnötiges Geschwätz bis er am Ende einen gewissen Maro als ihren Ausbilder bei den Cohortes erwähnt hat. Anscheinend ein guter Trainer von der direkten und ehrlichen Sorte.
    "


    Das war es schon? Ein wenig war Velia selbst davon überrascht, denn in ihrer Vorstellung hatte sie gedacht, dass ihr Bericht an die Krähe viel länger ausfallen würde. Anscheinend war das wirklich nur Täuschung gewesen, verursacht durch den Wasserfall an nichts sagenden Worten des Purgitiers. Eigentlich fand sie wäre er der geborene Politiker. Konnte eine ganze Stunde ununterbrochen reden ohne eigentlich wirklich etwas gesagt zu haben. Na zum Glück würde sie die beiden trüben Tassen nicht so schnell wieder zu Gesicht bekommen, wo sie ja in einem Preissegment arbeitete, das ein wenig über deren Einkommen lag.