Beiträge von Hairan

    Als die neue Sklavin ständig von Tiberios sprach, entsann sich Hairan, dass er die Frau schon vor dem Brand des Ganymed flüchtig kennen gelernt hatte.


    Damals war sie ein vor Gesundheit und Jugend strotzendes Sklavenmädchen gewesen, mit glänzenden Augen und vollem Haar, hübsch und Händchen haltend mit jenem alexandrinischen Sklavenjungen, der genauso freundlich, hübsch und verliebt aussah.
    Mit anderen Worten: Verabscheuungswürdig!
    Während dieses junge reizende Liebespaar zweifellos viele Herzen rührte, hatte es in Hairans Gemüt eine ganz andere Regung verursacht: Den Wunsch, beide auseinanderzubringen.


    Am schönsten wäre es gewesen, sich das Mädchen zu nehmen und den Jungen dabei zusehen zu lassen - und danach umgekehrt, doch das stand leider nicht in seiner Macht; so hatte sich Hairan damit begnügt, mit süßen Worten von Freiheit zwischen der kriegsgefangenen Sklavin und dem verna, dem hausgeborenen Sklaven einen handfesten Streit zu entfachen.*


    Aber nicht nur Hairan hatte sich durch Kleidung, Haartracht und Gebaren eine neue Identität zugelegt, auch Aethra war nun ganz verändert: Traurig, gebrochen und bleich - die Folterknechte des Carcers verstanden ihr Geschäft, dachte Hairan.


    Sie betraten durch die Porta das Empfangszimmer, das nach seinen Entwürfen gestaltet worden war.


    Die Wände waren blutrot gestrichen. Ein lokaler Künstler hatte aegyptische Götter aufgemalt oder was er für aegyptische Götter hielt, denn er kam nicht aus jener Gegend..
    Aber Anubis mit dem Schakalkopf, Horus mit dem Falkenkopf und Sachmet, die Löwenköpfige, die Krankheiten brachte, konnte man gut erkennen; sie ragten grellfarbig und überlebensgroß an der Rückwand emphor.


    Vor der Götterwand stand ein schwarzer Tisch. Darauf befanden sich eine Weihrauchschale, ein Dolch mit seltsamen Zeichen auf der Schneide und einem schlangenköpfigen Griff und ein menschlicher Totenkopf, in dessen Augenhöhlen zwei Kristalle funkelten.


    Hinter dem Tisch stand ein Sessel, vor dem Tisch derer zwei. Sitzflächen und Rückenlehne waren aus schwarzen Lederbändern geflochten.


    Licht und Luft fluteten durch eine Luke an der Decke hinein, denn es gab in dem großen Raum keine Fenster.
    Ein leichter Luftzug bewegte Glöckchen und Münzen, die unter der Luke aufgehängt worden waren. Der Weihrauch aus der kupfernen Schale kräuselte sich und stieg zur Decke , die dunkelpurpurnen Vorhänge, die die Tür zum Garten verdeckten, blähten sich, als würden sie von unsichtbarer Hand bewegt.
    Das alles konnte einfachen Gemütern Angst einjagen.


    "Mach dir doch nicht so viele Gedanken, Aethra!", sagte Hairan und lächelte jenes Lächeln, das seine Augen niemals erreichte:
    "Ich sage dir gleich, welche Aufgaben du zunächst hier hast, und wie du so scharfsinnig bemerkt hast:
    WIR leben in der Subura. Setz dich doch!"

    Er wies auf den Stuhl vor dem Schreibtisch, dann holte er einen Krug und schenkte sich einen Becher, der Sklavin aber halbvoll, ein.


    Im Krug war Nepenthes, der Trank aus Wein und Papaver, Opium. Hairan trank diesen Trunk schon viele Jahre und war an ihn gewöhnt, war man ihn nicht gewohnt, würde er sehr, sehr schläfrig machen.


    "Du hast bestimmt Durst vom weiten Weg.", sagte Hairan fürsorglich, dann zog er eine Augenbraue hoch:
    "Ist dir der Wein zu stark? Einen Moment, ich hole dir frisches Wasser aus dem Brunnen, um ihn zu mischen."
    Er verschwand und kam mit einem zweiten Krug zurück.
    In diesem Krug befand sich tatsächlich Wasser, das der Parther aber mit Dorykonon – Nachtschatten versetzt hatte, wenn auch nicht allzuviel, er wollte Aethra nicht töten, sondern ihr eine Lektion erteilen.
    In geringer Dosis verursachte das Gift lediglich Halskratzen, Schweißausbrüche und scheußliche Übelkeit, bis die Sklavin schließlich durch Nepenthes in einen tiefen Schlaf fallen würde.


    Hairan mischte Wasser zum Wein, dann sagte er:
    "Trink etwas! Und danach wollen wir uns über Schicksal unterhalten."


    Hairan führte selbstverständlich Bücher über seine Geschäfte; der römische Fiskus verlangte das. Da Titus
    danach nicht fragte, würde er den Zehnten an den römischen Staat und irgendeine erfundene Summe an Schutzgeld bezahlen, damit man ihn in Frieden ließ.


    "Gaius Vedius vom Aventin", Hairan machte sich eine Notiz mit seinem Griffel:
    "Dann ist ja alles geregelt."


    Da er den Geldeintreiber heute das erste Mal bei Tageslicht und nicht in der düsteren, schmierigen Spelunke am Tiberufer sah, hatte er zunächst nicht gleich bemerkt, dass er den Mann kannte, aber jetzt fiel ihm wieder ein, wer das eigentlich war: Titus gehörte wie Tappo und Brutus zu Babilus'' Räubern, und auch wenn er ein Dummkopf war, so war das Babilus mit Sicherheit nicht, der war umsichtig, clever und brutal und nahm einen hohen Rang im System der ominösen Krähe, dem Mann, der über Romas Unterwelt herrschte, ein.


    Hairan beglückwünschte sich selbst zu seiner Entscheidung, die "Sondersteuer" ohne Wenn und Aber zu bezahlen. Sich mit der Krähe anzulegen, wäre sein sicheres Verderben gewesen.


    Er selbst hatte gar kein Interesse daran, dass Titus ihn ebenfalls erkannte. Er hatte zwar keinen Streit mit ihm, war aber zuvor als windiger Betrüger ein Freund von Wein, Weib und Gesang gewesen. Jetzt als Magus wollte er gerne die Aura von Geheimnis und Unnahbarkeit wahren. Da Hairan inzwischen, im Gegensatz zu seiner "römischen" Aufmachung früher, Bart und lange, wallende Seidengewänder trug, hoffte er sehr, dass diese Tarnung ausreichte.


    Als sie sich das letzte Mal gesehen hatten, war Titus ohnehin viel zu beschäftigt gewesen, einer hübschen dunkelhaarigen Schankdirne Gewalt anzutun, um seine Kumpane zu beeindrucken, und er, Hairan, hatte dem kleinen Exsklaven des Athenodoros, der ihr helfen wollte, ein Bein gestellt, um ihn daran zu hindern - aus keinem anderen Grund, als sich am Unglück anderer Menschen zu erfreuen.


    Etwas wie ein Lächeln umkräuselte die Lippen des Parthers, als er sich dieser Szene entsann.*


    Dann kaufte Titus ihm sogar zwei Amulette des Mars für vier Asse ab, und Hairan nickte wohlwollend und antwortete ihm:
    " Mars Ultor, der Rächer, ist der beste Schutzgott für gefährliche sicarii; stammt ihr Römer nicht sogar von ihm ab? Solltest du jedoch Feinde haben - und welcher bedeutende Mann hat die nicht? - empfehle ich eine Fluchtafel, die man vor der Stadt unter dem Leichnam eines Gekreuzigten vergräbt. Diese defixiones sind freilich teurer, es ist allerdings auch schwere Arbeit, die von mir Fasten und Gebet erfordert. Aber ich bin mir sicher, wir werden uns einig."


    Hairan machte Anstalten, aufzustehen und Titus zur Tür zu geleiten, was man nur hochgestellten Persönlichkeiten angediehen ließ. Freundlich lächelnd hielt er die Porta auf:


    "Vale bene, möge der große Rächer seine Hand über deine zweifellos gefährlichen Wege halten!", sagte er salbungsvoll.





    Sim-Off:

    Und eine Erklärung, warum Hairan gerade bezüglich Titus auf dem Schlauch stand ;)

    "Das was du vorhast, Freund Kyriakos, wären Eunuchen der einfachsten Sorte. Die Diener meines Weibes dagegen brauchten ein silbernes Röhrchen zum Urinieren.", sagte Hairan etwas geringschätzig:


    "Aber nun gut, wir werden sehen. Wenn Nicon dem Wein zuspricht, muss ich allerdings warnen. Wenn man berauschenden Wein und Betäubungstrank mischt, so ist Thanatos nicht fern. Und noch etwas: Achte genau darauf, dass du als Versuchsperson nicht etwa einen römischen Bürger erwischst. An Römern ist die Kastration streng verboten, und es drohen empfindliche Strafen. Es muss ganz sicher ein Sklave oder ein peregrinus sein."


    Hairan betrachtete Kyriakos erneut mit diesmal wehemütigem Lächeln, während seine schwarzen Augen verdächtig glänzten:
    "Nein, meine Nannaia hat niemals von ihrem eigenen Gift getrunken.
    Aber es gab zu viele ungeklärte Todesfälle, und der vereinte Familienrat des Hauses Karen und des Hauses Suren entschied schließlich, Nannaia zu behandeln wie jemanden, der nicht weiß, was er tut. Man hat sie in Ketten gelegt und in eine finstere Zelle gesperrt. Schöne Kleider, Sklaven, Bücher und Schreibzeug erlaubt man ihr nicht. Sie, die Frau mit dem klarsten, reinsten Verstand, den die Welt je gesehen hat, weggesperrt wie ein wildesTier.
    Sag mir, Freund Kyriakos, ist dies Schicksal nicht schlimmer als der Tod?"


    Hairan ballte die Faust und stieß sie gen Decke:
    "Ich verfluche die Surena! Ich verfluche die Karena! Dreifacher Fluch über die, die mir mein Weib nahmen und mich meines Vaterlands verwiesen! Eigenhändig werde ich die Tore des Tartaros öffnen, sie zu strafen!",flüsterte er, denn er hatte die Angewohnheit, die Stimme zu senken, wenn er eine Drohung ausstieß; die Akkustik in seiner Halle war aber dergestalt, dass der Spartiate jedes Wort hören konnte.


    Der Parther schwieg, starrte ins Leere; danach sagte er in völlig normalen Tonfall:
    "Man erzählt sich, dass bei den Griechen für gewöhnlich Erastes und Eromenos eine lebenslange Freundschaft verbindet.
    Was ist also zwischen dir und deinem Lysander vorgefallen, dass er dich hasste und verstümmelte, und du ihn ebenfalls so hasst, dass du ihn - und ich nehme an ohne die Schmerzfreiheit, die Papaver gewährt -entmannen und töten willst?"

    Hairan bemerkte, dass die neue Sklavin blubberte wie ein defekter Springbrunnen, in dem sie Dinge sagte, die er nicht gefragt und dafür ausließ, was für ihren neuen Herren von Interesse sein konnte.
    "Also du hattest dich in einen furischen Sklaven verliebt, und als die Furier dich gekauft haben, bist du abgehauen oder so ähnlich, um bei ihm sein zu können? War dieser Mann zuvor denn auch geflohen?", versuchte der Parther Logik in die Erzählung Aethras zu bringen.


    Hairan hatte den Namen Tiberios verstanden, da Aethra ihn viermal erwähnte. Wenn das dieser Tiberios war, den er aus Alexandria kannte, und der Name war auf Griechisch selten, zeugte er doch von beispielloser Arschkriecherei den Römern gegenüber, war der bestimmt nicht abgehauen, denn er war oikogenes, ein hausgeborener Sklave - wo sollte so jemand auch hin?


    Als Aethra sagte: Dreimal klopfen, nickte Hairan fast schon wohlwollend. Manchmal musste man auch mit kleinen Fortschritten zufrieden sein. Er öffnete die Tür mit seinem Schlüssel und trat ein, ohne sich nach Aethra umzusehen, sie würde ihm schon folgen.

    Hairan wußte nicht so recht, ob er belustigt oder beleidigt sein sollte: Seit wann hetzte man ihm solch niedrigen Chargen auf den Hals? Doch seine Miene blieb unbewegt, wenn seine Stimme jetzt auch ganz leicht Mitgefühl, wirklich nur ganz leicht, denn das Betragen solcher Männer wie Titus konnte durchaus in rohe Gewalttätigkeit umschlagen, wenn sie sich beweisen wollten, ausdrückte:
    "Die römische Regierung nimmt für gewöhnlich den Zehnten", hier machte der Parther einen kleinen Scherz, in dem er Steuern mit Schutzgelderpressung gleichsetzte:
    "Doch du bist zweifellos ein sicarius, einer der gefürchteten Dolchmänner Romas, und da kann man nicht alles im Kopf haben.
    Ich schlage vor, du erkundigst dich noch einmal oder schickst mir vielleicht einen deiner Untergebenen vorbei, für solche Aufgaben hast du bestimmt Buchhalter."

    ...oder viel mehr kommt dein Boss selbst, denn du hast keine Ahnung von irgend etwas, dachte Hairan, dann sprach er weiter:
    "Als Zeichen meines guten Willens möchte ich dir dieses Amulett des Mars verehren; auch ein Sicarius braucht den Beistand der Götter."
    Der Magus kramte aus seiner Schachtel eines der Blechamulette und legte es vor Titus hin:
    "Dir überlasse ich es für nur zwei Asse", fügte er an.

    Hairan lächelte, als der Besucher nach seinem eigenen Dolch griff.
    Ein kleiner Halsabschneider war das also und einer, wie man unschwer an seiner Sprache erkannte, von der eher geistig...schlichten Sorte.
    Der Mann hatte jedoch großes Glück, dass der Parther weder auf Probleme mit den Behörden noch mit Lokalgrößen aus war – er hatte, bevor er nach Roma gekommen war, in Palmyra und Alexandria gelebt und überall war es für neue Geschäftsleute ähnlich gelaufen.
    Hairan dachte nicht daran, nicht zu bezahlen, er wollte seine Ruhe.


    Aber der Mann vor ihm ahnte gar nicht, welches Glück er mit Hairan hatte, und so leicht wollte es der Magus ihm nicht machen:
    „Es ist selbstverständlich, dass man bezahlen muss, um in Sicherheit und Frieden zu leben, denn nichts auf der Welt ist umsonst, nicht wahr, junger Freund?“, bestätigte er immer noch lächelnd, während er Titus einen Blick schenkte, der eine etwas empfindsamere Person...aber nein, dazu gehörte der kleine Halsabschneider nicht:
    „An welches Sümmchen haben wir denn gedacht?“

    Hairan hob beide Hände, als wolle er etwas beschwören:
    „Ich stelle die Betäubungsmittel her, ich selbst führe kein Messer.“, sagte er:
    „Du bräuchtest schon einen Medicus, es sei denn du selbst willst schneiden!“
    Diese Vorstellung fand er einen Moment lang belustigend, doch dann wurde er ernst:
    „Selbstverständlich gewinnt jeder Sklave, sogar ein hässlicher und älterer an Wert, wenn er ein Eunuch wird, da hast du vollkommen Recht, Freund Kyriakos. Wertvoll sind sie aber auch unter anderem, weil sie nach dem Eingriff – nicht etwa währendessen - so oft sterben, kein Mensch weiß warum.“
    Hairan zuckte die Achseln:
    „An wen hast du gedacht? Python wäre freilich ein Jammer!“
    Wieder lachte er schallend und betrachtete den schlafenden Evenor, der gerade besonders jung und unschuldig wirkte.
    „Wenn er hören könnte, was wir bereden… im Orient sind manche der gescheiten Sklavenjünglinge auch sehr einverstanden damit, beschnitten zu werden und melden sich freiwillig denn nur so können sie in höchste Positionen aufsteigen, aber deine Männer würden ja niedere Lupos bleiben. Also wird es in deinem Haus eher keine Freiwilligen geben.“
    Hairan kam dieser Gedanken erneut erheiternd vor:
    „Am besten sagst du es ihnen vorher gar nicht, das gibt ein fröhliches Erwachen... - Nimm dir noch Wasser, wenn du kein Nepenthes magst.“


    Einladend deutete er auf den Krug und wechselte aprupt das Thema:
    „Die zweite war Musa, meine Tante, nutzlos und weinerlich, wäre sie keine Karena gewesen, hätte man sie als Klageweib für Beerdigungen vermieten können.“, sagte er:
    „Wie sie sterben, Freund Kyriakos, hängt nicht von ihrem Stand, sondern allein von der Substanz ab, die ihnen den Tod bringt. Gibst du dorykonon*, kotzen und machen sie alle unter sich, egal ob Sklave oder von Adel. Manche können nach dem Trinken des Schierlingsbechers noch gefasst sein wie man es von Sokrates berichtet, aber im exakten Augenblick des Todes ...“


    Hairan sah nun wieder auf Nannaias Bild und küsste es:
    „Ich wäre nie fähig gewesen, ihr etwas anzutun, für was hälst du mich?“, sagte er mit plötzlich aufkeimender Wut und stierte Kyriakos an, während seine Hand kurz in Richtung seines Dolches mit dem Schlangenkopf zuckte:
    „Doch selbst wenn – es war zu spät, als der Familienrat zusammen trat… Welch trübsinniges Thema.“


    Der Parther schien sich selbst zur Ordnung zu rufen und nahm beide Hände hinter den Kopf:
    "Freund Kyriakos, heitere mich noch mit einer Erzählung von deinem Erastes auf – falls du ihn hier in Roma findest, könnten wir ihn ja zur Strafe zu einem Eunuchen machen; ich für meinen Teil finde diese Vorstellung äußerst erregend, mit dir sozusagen Hand in Hand zu arbeiten.“


    Er lächelte Kyriakos liebevoll an, während seine Augen schwarz und groß blickten wie bei einem lauernden Tier.


    Sim-Off:

    * Nachtschatten

    Hairan warf seiner Neuerwerbung einen kurzen Blick unter gesenkten Lidern zu:
    „Da dein einstiger Dominus es nur beabsichtigte, aber deinen Worten nach nicht getan hat, nehme ich an, dass du des Lesens und Schreibens nicht mächtig bist.“, murmelte er:
    „Und du hast also bei Optio Cerretanus dreckiges Geschirr gespült?“

    Dass der Optio nebenher anscheinend eine Caupona besaß, erstaunte den Parther etwas, denn so unzureichend hatte er sich den Besoldung der höheren Dienstgrade der cohortes urbanae nicht vorgestellt.
    Ihn wunderte auch, dass die Sklavin nicht versuchte, sich und ihre Fähigkeiten besser anzupreisen. Das war in seinen Augen entweder Unbedarftheit oder die vielgerühmte barbarische Aufrichtigkeit, eines wie das andere würde ihr Dasein in ihrem Haushalt erschweren.


    Der Magus und seine Neuerwerbung durchquerten ein Stück der Subura, wählten jedoch nicht den Weg zum ehemaligen Ganymed, sondern gingen zwei Straßen weiter. Dort in einer ehemals besseren, jetzt aber heruntergekommenen Gegend - gegenüber lag die Rückseite einer Großbäckerei; der Untergrund war nicht befestigt und jetzt im Sommer eine hartbackene Masse aus Schlamm und Unrat, hielten sie vor einem großen Flachbau, der sich an eine Insula schmiegte.
    Hairan wies auf das Schild an der erstaunlich stabilen Porta, obwohl die Sklavin als Analphabetin es nicht lesen können würde:



    Anis von Alexandria
    Wahrsager
    Astrologe

    Magus


    Alle Geheimnisse werden offenbart, nichts bleibt meinem Auge verborgen


    Einfache Weissagung : 6 Sesterzen


    Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft : 10 Sesterzen


    Beratung und Lösung von Problemen : Nach Vereinbarung


    Bitte dreimal klopfen .



    Aber vielleicht konnte sie wenigstens das Klopfbild verstehen, dass der Magus genau wegen solcher Ignoranten wie Aethra hatte anbringen lassen:



    „Wir sind in deinem neuen Heim, Aethra!“, sagte er.

    Die Wände waren blutrot gestrichen. Ein lokaler Künstler hatte aegyptische Götter aufgemalt oder was er für aegyptische Götter hielt, denn er kam nicht aus jener Gegend..
    Aber Anubis mit dem Schakalkopf, Horus mit dem Falkenkopf und Sachmet, die Löwenköpfige, die Krankheiten brachte, konnte man gut erkennen; sie ragten grellfarbig und überlebensgroß an der Rückwand emphor.
    Licht und Luft fluteten durch eine Luke an der Decke hinein, denn es gab in dem großen Raum keine Fenster.


    Ein leichter Luftzug bewegte Glöckchen und Münzen, die unter der Luke aufgehängt worden waren. Der Weihrauch aus der kupfernen Schale kräuselte sich und stieg zur Decke , die dunkelpurpurnen Vorhänge, die die Tür zum Garten verdeckten, blähten sich, als würden sie von unsichtbarer Hand bewegt.
    Vor der Götterwand stand ein schwarzer Tisch. Darauf befanden sich eine Weihrauchschale , ein Dolch mit seltsamen Zeichen auf der Schneide und einem schlangenköpfigen Griff und ein menschlicher Totenkopf, in dessen Augenhöhlen zwei Kristalle funkelten.


    Hinter dem Tisch stand ein Sessel, vor dem Tisch derer zwei. Sitzflächen und Rückenlehne waren aus schwarzen Lederbändern geflochten.
    Auf dem Sessel saß der Herr des Hauses, Hairan Karena, der sich in Roma „Anis von Alexandria“ nannte.


    Hairan hatte gerade eine überbesorgte Mutter, deren Sohn sich frisch zu den Legionen gemeldet hatte, beruhigt, was nicht allzu schwierig war, da an allen Grenzen des Imperiums im großen und ganzen Frieden herrschte. Was sollte dem Bengel schon groß passieren, außer dass ihm sein Centurio wegen irgendeinem nicht geputzten Metallteil an der Rüstung eins überzog? Der Parther hatte der Frau eines der billigen metallenen Schutzamulette mit dem Namen des Mars, die er selbst herstellte, angedreht und sah ihr zu, wie sie zufrieden aus dem großen Raum wackelte
    - da trat Titus ein.


    Der Mann hatte nicht dreimal angeklopft, was Hairans Laune in den Keller sinken ließ. Groß und deutlich stand „Dreimal anklopfen“ an der Tür, und mittlerweile gab es sogar die Zeichnung einer Klopfhand mit drei Strichen für Ausländer und Analphabeten, denn Diskretion war dem Magus äußerst wichtig.



    Hairan griff zu seinem Dolch, der auf seinem Schreibtisch lag.
    Die Waffe mit ihrem Schlangengriff war besonders; aber genauso besonders war das Gift aus verrotteten Vipern, mit dem die Spitze getränkt war, und welches einen Mann durch nur einen kleinen Ritzer elendig töten konnte. Der Parther hatte sie noch nie benutzen müssen; normalerweise flößten die Atmosphäre des Raumes und sein Ruf Kunden Respekt ein, doch gab es immer ein erstes Mal, nicht wahr?


    Er richtete seinen Blick auf den Eintretenden und sprach sehr sanft:
    „Salve, mein Freund! Ich hoffe, es existiert ein triftiger Grund für dein Eindringen bei dem berühmten Anis von Alexandria“

    Hairan fragte sich, was die Sklavin mit ihm zu kommunizieren wünschte, wenn sie dazu da war, Befehle zu befolgen.
    Zumindest vorläufig war das so, denn es würde alleine an ihr liegen, welchen Platz sie in seiner Welt einnehmen konnte.


    Doch im Moment war ihr Platz ganz unten, zu seinen Füßen sozusagen – und diese Eireann schien sich dessen nicht bewusst zu sein.
    Hairan beschloss seiner Neuerwerbung eine kleine Lektion zu erteilen, sobald sie zuhause ankommen waren, aber das behielt er für sich.
    Stattdessen sagte er fast schon gut gelaunt: „Eireann – nein, das geht überhaupt nicht. Du heißt ab jetzt Aethra."
    Er sprach es wie „A-itra“ aus.
    Über seinen eigenen Namen schwieg er, es würde reichen, dass Aethra ihn Dominus nannte.


    Aber er fragte: „Welche Arbeiten hast du bisher verrichtet, Aethra, und kannst du Latein lesen und schreiben?“

    Hairan wunderte das neugierige Betragen der Barbarin nicht.
    Wenn ein Römer eine Sklavin verschenkte, war mit ihr etwas nicht in Ordnung. Im Fall von Eireann war es der Verstand. Sie war schon so viele Jahre in Sklaverei, dennoch hatten es ihre Herren nicht geschafft, ihr ein klein bißchen Erziehung einzutrichtern. Oder sprach man in diesem Fall eher von Abrichtung?


    Der Parther starrte Eireann angewidert an, ohne stehenzubleiben und sagte:
    „Erstens: Ich richte das Wort zuerst an dich und du nicht an mich. Tatsächlich gibt es kaum einen Grund mich zuerst anzusprechen, es sei denn dass vielleicht das Haus brennt.
    Zweitens: Die korrekte Anrede für mich, da wir hier in Roma sind, lautet Dominus."


    Mehr würde er nicht sagen. Was er sagte, musste sich im Gemüt seiner neuen Dienerin erst einmal setzen. Erst nach ein paar Minuten des Fußweges fragte er:
    "Wie heißt du, Sklavin?",
    obwohl er es wußte; schließlich stand es im Schenkungsvertrag, den er bei sich trug, doch er wollte sehen, ob die junge Frau so viel Auffassungsgabe besaß, um seine Anweisungen zu verstehen.

    Vor der Castra- die Schenkung >>>


    Hairan ging los, ohne besondere Rücksicht auf Eireann zu nehmen; er wollte sehen, wie sich seine Neuanschaffung anstellen würde. Er wusste, dass die Sklavin einen so schlechten Ruf genoss, dass ihr Herr sie verschenkt hatte, was für einen Sklaven, der etwas auf sich hielt, eine große Schande war.
    Ob die Frau, über deren barbarische Herkunft der Parther Bescheid wußte, aber überhaupt so etwas wie Schamgefühl besaß, dies musste Hairan erst herausfinden,
    und es gab doch so einiges, was sie für ihr neues Leben wissen sollte.

    Hairan unterschrieb beide Exemplare des Schenkungsvertrages im Beisein des Optios und reichte sie ihm zur Unterschrift weiter.
    Vermutlich hatten die Urbaner die Sklavin während des Verhöres gefoltert, aber so etwas respektierte der Parther.
    Soweit er beurteilen konnte, war die Frau von diesem Maximus wieder aufgepäppelt worden, so dass sie ihm nicht gleich weggsterben und dann entsorgt werden musste.( auch eine billige Beerdigung kostete Geld, wenn man den Leichnam nicht in den Tiber warf)
    „Von meiner Seite wäre alles in Ordnung, Optio Cerretanus und auch nochmals Dank für die Pflege, Maximus. Vale Bene und der Segen der Götter euch Beiden, sprach Hairan und dann zu Eireann:
    „Ich hoffe, du kannst eine gute Strecke laufen. Weder wirst du getragen werden noch werde ich eine Sänfte mieten.“



    >>> Subura Anis & Aethra (Hairan & Eireann)

    „Das kommt darauf an, was du mit deinem Eunuchen bezwecken möchtest.“, erwiderte Hairan gutgelaunt:
    „Um einen puer delicatus zu schaffen, nimmt man Knaben, die noch keine Schambehaarung haben und folglich jünger sind als dein Evenor. Verschnittene Männer dagegen dienen als Wächter des gynaikon, der Frauengemächer. In der Tat habe ich schon die Betäubungstränke für den Eingriff hergestellt; denn schließlich sollte die Entmannung, falls sie nicht etwa zur Bestrafung eines Kriegsgefangenen dient, nicht schmerzhaft sein, und warum sollte der kleine Evenor bestraft werden?"


    Außer für seine Dummheit, eine Schriftrolle verkehrt herum zu halten, dachte Hairan.


    Als Kyriakos seinen Erastes ein Arschloch nannte und ankündigte, ihn zu töten, brach der Parther in Gelächter aus. Einfach zu köstlich dieser Kyriakos!
    „Ja, bring ihn ruhig um, deinen Erastes!“, wieherte er:
    „Meiner Erfahrung nach sind alle Sklaven Tratschmäuler, warum fragst du nicht einen von denen, ob sie einen
    älteren Spartiaten kennen? Die Römer geben ihnen ja sogar Geld für die Lupanare; bestimmt kommen auch Sklaven-Kunden zu deinen Lupos! “


    Hairan hörte auf zu lachen und wurde ernst, nun wischte er sich erneut die Augen:
    „Nannaia lebt, obwohl ich mich frage, ob ihr Schicksal nicht schlimmer ist als der Tod.“, sagte er
    sehr düster:
    Und natürlich sterben Spartiaten anders, sie gehen mit Würde von dieser Welt. Heloten schreien und winseln um Gnade, wenn sie bemerken, dass ihr Ende naht. Ein Spartiate blickt dem Tod aufrecht entgegen - das ist eine interessante These, Freund Kyriakos.
    Nannaia, die keine Furcht kannte, jeden Gedanken auch bis zur letzten Konsequenz zu Ende zu denken, wollte es genau wissen: Stirbt ein Mann von Adel auf die gleiche Weise wie ein Gefangener oder Sklave? Braucht es mehr oder weniger von Gift? Und was ist mit Frauen und Kindern von edlem Blut?“

    Hairan sah die gemalten Götterstatuen an den Wänden an, im flackernden Licht der Öllampen schienen sie sich zu bewegen; es waren nicht seine Götter, dennoch furchterregend, einen Moment nur, dann glitt wieder ein Lächeln über sein Gesicht:
    „Pheidita von pheidesthai– einmalig! Diesen Scherz muss ich mir merken!“Er trank weiter, mittlerweile war er beim fünften Becher Nepenthes angelangt, und buchstabierte wispernd das Wort „p-h-e-i-d-e-s-t-h-a-i, sparen, wegen der spartanischen Kost...“ und lachte kurz auf, dann richtete er seinen Blick fast drohend auf Kyriakos:
    Gaspar Surena, der greise Onkel meines Weibes, war dann der Erste.“, sagte er sachlich und ohne eine Spur von Belustigung.

    Hairan folgte dem Blick des ehemaligen Besitzers des Ganymed auf den schlafenden Evenor, und er nickte wissend:
    „Unzweifelhaft würde durch eine Kastration sein Wert steigen.“, stimmte er zu, denn immer noch hielt er den Halbwüchsigen für dessen Sklaven.


    Als Kyriakos aber sagte, dass sein Erastes ihn gehasst und verstümmelt hatte, zog Hairan eine Augenbraue hoch:
    „Dein Erastes muss ein wahrhaft grausamer Mann gewesen sein.“, sprach er und in seiner Stimme schwang eine gewisse Anerkennung mit; dann lachte er leise:
    „Doch deine spartiatische Erziehung in den agélai, klingt wie eine Kindheit aus unserer alter Zeit. Ist eine phaiditia ein Knabenhaus?
    Wir Parther sagten früher, ein Junge solle drei Dinge lernen: sich auf seinem Pferd halten, mit Pfeil und Bogen sein Ziel treffen und immer die Wahrheit sagen.“*


    Als Kyriakos davon sprach, wie er und sein bester Freund Heloten getötet hatten,
    nickte Hairan zustimmend und nahm erneut von Nepenthes:
    „Wen kümmert schon ihr Tod?
    Drei Jahre vergingen, und Nannaia und ich lebten in völliger geistiger und körperlicher Übereinstimmung zusammen.
    Ich schrieb an meinem bahnbrechenden Werk über Gifte, das selbst die Werke der Könige Mithridates und Attalos Medicus übertreffen sollte, und Nannaia selbst schrieb mir das Vorwort über den König auf dem Berg. Nur eine Bitterkeit gab es; sie schenkte mir keine Söhne. So oft sie empfing, stets verlor sie das Ungeborene. Dennoch hätte ich sie nie verstoßen.“

    Hairan wischte seine Augen:
    „Du glaubst doch auch nicht, dass Heloten und Sklaven wie wir von edlem Blut und Söhne des Dyaus pita, des höchsten Zeus sind?“, fragte er:
    "Hast du dich denn auch jemals gefragt, Freund Kyriakos, ob wir auch anders sterben als sie?"


    Sim-Off:

    * Herodot berichtet diese Erziehungsziele zumindest von den Persern

    Hairan war in prächtige lange Tunika und einen seidenen safrangelben Mantel bekleidet; nun legte er beide Hände gegeneinander und deutete ein Nicken an. Er war alleine gekommen, da er keinen Sklaven besaß; seine Sklavin sollte Eireann nun werden.
    An der Seite trug er einen Beutel, der wohl gefüllt war; Hairan hatte wenig Sorgen, sich durch die Subura zu bewegen. Er war bewaffnet; obgleich Zivilpersonen Waffen verboten waren, trug er unter seinem weiten Mantel ein clunaculum, einen kleinen Opferdolch hinten im Gürtel, bei dem er durch einen besonderen Mechanismus Gift auslösen konnte, aber bereits sein Ruf hielt ihm unerwünschtes Gelichter für gewöhnlich vom Hals.


    „Salve, Sohn des Mars“, sprach er langsam:
    „Ich wünsche dir den Segen der Gottheit. Ein befreundeter Notar hat mir den Vertrag aufgesetzt, und ich bringe ihn in doppelter Ausführung.“


    Er reichte dem Römer beide Schriftrollen, damit der sich vom Inhalt und dass der Text in beiden Ausfertigungen identisch war, überzeugen konnte.

    „Ich gratuliere zu dem Ziel, dein Geschäft wieder aufzubauen; niemals unterkriegen lassen, was?! Einen gebildeten Lustknaben wirst auf dem Sklavenmarkt erwerben können, die Römer nennen so etwas „puer delicatus.“ und besorgen sie aus Alexandria oder Athen. Außerdem solltest du Eunuchen kaufen, Eunuchen zeugen von Luxus und Eleganz, selbst der göttliche Kaiser Nero hat einen geheiratet ; ich besaß früher selber welche, denn in Hyrcania hätte sich etwas anderes als ein Beschnittener meinem Weib nicht nähern dürfen.“


    Hairan schüttelte sich vor Abscheu:
    „Hier lassen sich Römerinnen von Sklaven, die noch im Besitz ihrer vollen Manneskraft sind, sogar ihre bloßen Leiber massieren, schamlose Huren alle miteinander.“, sagte er voller Hass, dann betrachtete er Kyriakos immer noch aufgerichteten Penis mit liebevollem Blick:
    „ Du bist ein mit klugem Geist und mit einem edlen Körper ausgestatteter Mann; gewiss warst du eine Freude für deinen Erastes, als du ein Jüngling warst.“, schmeichelte er:


    „Du hörst mir genau zu, nicht wahr?
    So höre nun die Geschichte meiner Nannaia. Als sie meine Kenntnisse über Heilpflanzen bemerkte, wurde sie meine Schülerin, meine Vertraute, meine Mitarbeiterin, ja meine Lehrerin. Niemals gab es ein Weib wie sie.
    Sie war es, die mich darauf brachte, dass Pflanzen bei Frauen und Kindern doch auch anders wirken könnten als bei den kräftigen Kriegsgefangenen, denen ich normalerweise meine Tränke verabreichte. Gemäß Nannaia bedurfte es genauerer Untersuchung der Wirkung und der notwendigen Dosen. So sehr manche dieser unwürdigen Sklavinnen um ihr Leben oder das ihrer Kinder flehten, Nannia fehlte jegliche Schwäche, die ihrem Geschlecht normalerweise anhaftet und lächelnd reichte sie ihnen den Becher mit dem Trunk. Wie du, Freund Kyriakos, war sie aufmerksam, und ihre kleine zarte Hand ritzte ihre Notizen in Wachstafeln. Nichts entging ihr, und wenn wir später das Lager teilten – wie sehr ich ihren weißen, schönen Körper liebte – erzählte sie mir mit leuchtenden Augen von ihrem Tagewerk.
    Glaub mir, Kyriakos, dies waren die glücklichen Tage von Hyrcania.


    Wieder wurden Hairans Augen tränenfeucht, ohne dass er dem jedoch Aufmerksamkeit widmete; es war der Rausch, der ihn abwechselnd in bittere oder süße Stimmung brachte:
    „Daher kann ich dir genau sagen, wie viel du von jedem Mittel einem Knaben wie Nymphis geben kannst, ohne das ihm ein Leid geschieht; Nannaias Forschung machte das möglich.“


    Er schob Kyriakos zum Stuhl hin:
    „Dein puer delicatus schläft den süßen Schlaf von nepenthes. Kuchen hat er keinen übrig gelassen, und Wein magst du nicht, so nimm mit klarem Wasser vorlieb.“, sagte er ein wenig spöttisch:
    „ Nutzen wir die Pause, die uns Evenor verschafft. Erzähl mir o Freund Kyriakos, ob es in deiner Vergangenheit auch glücklichere Tage gegeben hat.“

    Hairan keuchte leise, als er den Älteren und den Jüngereren beim Schenkelverkehr beobachtete, ab und an
    stießen seine Knie an den Schreibtisch und brachten ihn zum Beben.
    Nach einer ganzen Weile stieß der Parther ein langezogenes Stöhnen aus, dann schloss er kurz seine Lider, und während er Entspannung erreichte, röhrte er:
    " Meine Nannaia! Meine Nannaia, o vergib mir, dass ich dich verlassen habe!“


    Kaum war so weit, wischte er sich mit angeekeltem Gesicht die Hände an dem Tuch auf seinem Schreibtisch ab, dann eilte er in die kleine Cella, die ihm als Bad diente, wusch sich im vollen Becken und schüttete sich Parfüm über seine Finger.


    Danach kam er wieder in den großen Saal, und seine schwarzen Augen waren wie zwei dunkle Abgründe im bleichen Gesicht.
    Seine Stimme war herrisch, als er auf Evenor deutete und Kyriakos befahl:
    „Lass ihn schlafen! Es geschieht ihm nichts. Nepenthes ist ein Heilmittel, mein Freund, gegen die Schmerzen des Körpers wie der Seele. Falls einer deiner Lupos wegen seiner Brandwunden nicht schlafen kann, gib ihm je nach körperlicher Konstitution acht bis zehn Tropfen in seinen Wein. Bei einem kleinen Kind wie Nymphis empfehle ich drei Tropfen auf ein Stofftuch, von dem es lutschen soll, um sicher zu gehen, dass es nicht in den Schlaf fällt, aus dem niemand erwacht.“


    In plötzlicher Großzügigkeit schob Hairan Kyriakos die kleine Phiole mit der dunklen Flüssigkeit hin:
    „Für deine armen Burschen, die im Feuer gelitten haben“, flüsterte er, und gerührt über seine eigene große Güte weinte er einen Moment, dann herrschte er unvermittelt Evenor an:
    „Konntest du nicht ein griechischer Jüngling sein, der wenigstens die Schriftrolle richtig herum hält? War das zu viel verlangt? Warum hat man mir nicht einen gebildeten jungen Lupo verschafft – falls das überhaupt existiert?! Aber du, Freund Kyriakos, du bist doch einer dieser griechischen Knabenschänder und außerdem ein Mann von Welt, richtig?...“


    Hairan vergaß die kultische Reinheit, legte dem Lupanarbesitzer die Hand auf die Schulter, zog ihn zu sich her und stieß hervor:
    „Stell dir vor, sie war zwölf Jahre alt, und tief verschleiert wurde sie in mein Haus geführt. Ich lüftete ihre Schleier, und meine Braut war schön, doch noch mehr war es die leuchtende, tiefe Intelligenz in ihren schwarzen Augen, die mich anzog. Keine Furcht vor mir hatte Nannaia, Tochter von Suren...“,
    Er nahm das Portrait der jungen Frau, das an einigen Stellen schon ausgeblichen war, in die Hand und hielt es Kyriakos unter die Nase:


    „Sieh sie an, sieh sie genau an, hörst du?...Ist sie nicht eine Schönheit? Gestehe, dass es keine wie sie gibt! Bald entdeckte sie, welche Kenntnisse ich über...Heilpflanzen hatte und weißt du, was dann geschah?“

    Wie mit Optio Appius Furius Cerretanus vereinbart, fand sich Hairan, der sich in Roma den Künstlernamen "Anis von Alexandria" zugelegt hatte, umweit der Porta der Castra ein, um die Sklavin Eireann in Empfang zu nehmen.


    In seinem Gepäck trug er zwei Abschriften eines aufgesetzten Vertrages, um später auch beweisen zu können, dass die Frau sein Eigentum war:



    Schenkungsvertrag


    zwischen Optio Appius Furius Cerretanus, im Folgenden Schenker
    genannt
    und
    Anis von Alexandria, im Folgenden Beschenkter genannt,
    beide wohnhaft in Roma



    1.Vertragszweck
    Der Schenker und der Beschenkte sind sich darüber einig, dass dem Beschenkten von dem Schenker unentgeltlich der in 2. bezeichnete Schenkungsgegenstand zugewendet werden soll.


    2.Schenkungsgegenstand
    Der Schenker wendet dem Beschenkten
    den Gegenstand Eireann Serva zu.
    Zwischen den Parteien besteht Einigkeit hinsichtlich der Unentgeltlichkeit der Zuwendung.


    3.Vollzug
    Die Schenkung vollzieht sich durch die vorstehende Einigung sowie die Übergabe des Schenkungsgegenstandes


    4.Transport
    Der Beschenkte ist für den Transport verantwortlich und übernimmt die hierfür anfallenden Kosten.



    Die Schenkung wird mit keinerei Auflagen verbunden.,


    ANTE DIEM III KAL IUL DCCCLXX A.U.C.


    Unterschriften Schenker und Beschenkter

    Hairan war es gleich, ob es eine Szene aus Athen oder Sparta oder sonst einer griechischen Stadt war, die die beiden Lupos nachstellen würden


    „Athen also, sehr schön“, lobte er und sah über Evenors Ungeschicklichkeit hinweg, mit der er einen gebildeten pais zu mimen versuchte. Ein Eromenos zu sein war etwas für freie Jünglinge aus bestem Hause, die zu den höchsten Anlagen Hoffnung gaben. Erastes zu sein war eine hohe Ehre für einen Mann von Adel an Geist und Körper, das wußte der Parther, und er zog sein Vergnügen aus der Travestie, mit der Kyriakos die Traditionen seines Landes gegen Bezahlung in den Schmutz ziehen sollte.


    Was der Grieche und sein Jüngling nun trieben, begann ihn zudem körperlich zu erregen, während er den Blick auf die beiden heftete, um sich von dem kommenden Spektakel keinen Moment entgehen zu lassen.


    Nur als Evenor vor sich hin grinste, rief er ihm zu:
    „Etwas mehr Ernst bei der Sache, Eromenos! Du kannst später schlafen, wenn ich mit deinem Herren noch ein wenig plaudere!“


    Evenor wollte ihn jedoch gar nicht ärgern, er hatte lediglich viel zu viel vom Nepenthes getrunken, was ihn zu leisem Gekicher verleitete. Gut so, dass Kyriakos ihm sein dummes Maul mit einem Kuss verschloss, sonst hätte der benommene Halbwüchsige die schöne Illusion zerstört, Zeuge eines intimen Momentes zu sein.


    Zwischendurch trank der Parther noch mehr von seinem Opiumgetränk, das er ausgezeichnet vertrug.


    „Ich bin ebenfalls dafür, etwas für seine Aufmerksamkeit zu tun!“, feuerte er den Lupo an, während er sich in seinem Sessel hinter seinem Schreibtisch zurücklehnte und seine rechte Hand unter seinem gelben Gewand mit ihrem einsamen Vergnügen begann.