Beiträge von Hairan

    „Ich hoffe doch, der kleine Nymphis befindet sich wohl.“, sagte Hairan und wechselte ins Griechische. Er sprach passabel koiné, das im Partherreich eine verbreitete Umgangssprache war, aber nicht so ,dass er sich einem Griechen gegenüber als Muttersprachler hätte ausgeben können. Kyriakos wußte, wie der Magus wirklich hieß und vermutlich auch, dass er aus einer bedeutenden parthischen Familie stammte, denn Hairan deutete das ihm gegenüber sehr gerne an.


    Der Parther sah regungslos zu, wie der junge Evenor gierig zugriff. Er warnte ihn nicht, als der Jüngling zwei Becher von dem angereicherten Wein trank, aber in seinem Mundwinkel zuckte es. Ein neuer Kunde für nepenthes? Einige der anspruchsvolleren Lupos und Lupas bezogen es aus seinem Haus, denn es half ihnen wunderbar, ihr Leben zu auszuhalten.Sogar die Zumutungen besonders widerlicher Kunden glitten an jemandem, der nepenthes getrunken hatte, ab wie Öl. Der Nachteil: Papaver*, das den Grundstoff bldete, war zwar wirkungsvoller, aber auch viel teurer als billiger Wein. Wer nepenthes verfiel, war gezwungen, über jedes Maß hinaus in den Lupanaren zu arbeiten oder zu stehlen.
    Die einzigen Hairan bekannten Lupos, die keinen Wert auf Rauschmittel legten, waren Kyriakos und Velia.


    Auch jetzt trank der ehemalige Lupanarbesitzer nur Wasser.


    Weil Kyriakos' jugendlicher Begleiter an den Trank nicht gewöhnt war, trat die Wirkung fast sofort ein: Evenors Augen glänzten groß und schwarz und ein seliges, etwas dümmliches Lächeln zeichnete sich in seinem Gesicht ab. Er setzte sich auf die Stuhlkante und wiegte sich leicht hin -und her.


    Hairan selbst nahm einen großen Schluck aus seinem Becher, papaver war ein Bestandteil von Theriak, und der Parther war seit Kindesbeinen an Theriak gewöhnt worden.


    „Ich hoffe doch, dass Evenor jetzt nicht sofort einschläft.“,sprach er etwas amüsiert und kam dann zu seinem Wunsch:
    „Ich hatte kürzlich einen Kunden aus Hellas ,und seine Erzählung inspirierte mich zu einer anregenden Szene. Ich sah vor meinem inneren Auge den jungen Evenor als deinen Eromenos und du, Freund Kyriakos warst sein Erastes.**
    Ich wünsche das Vergnügen zu haben, zu sehen, wie leidenschaftlich ihr Griechen es mit euren Knaben treibt, denn das tut ihr doch wohl. Doch wie fangt ihr es an? Nähert ihr euch während der Lektüre?
    Reizt ihr den Jungen mit auserlesenen Zärtlichkeiten? Nehmt ihr ihn euch dann richtig her? Erlebt er Lust oder duldet er es nur? Vielleicht erinnerst du dich selbst noch an deine eigene Zeit als pais, als griechischer Knabe.“

    Den letzten Satz betonte Hairan mit einer gewissen Boshaftigkeit.
    Er nahm eine Schriftrolle von seinem Schreibtisch, beugte sich vor und drückte sie Evenor in die Hand, der sie jedoch beinahe fallen ließ, so sehr war er bereits weggetreten.


    „Na, na,na aber nicht doch, mein lieber Eromenos, auf zum Studium.“, sagte der Parther, und drehte Evenor so hin, dass er mit dem Rücken zu Kyriakos saß:
    „Mit diesem Spektakel würdet ihr mich in der Tat sehr erfreuen.“



    Sim-Off:


    * Opium
    ** Erastes/ Eromenos

    Hairan, der nur mit einen längeren bequemen Chiton aus quittegelber Seide bekleidet war, öffnete seine Porta, denn es war schon spät, und er wollte ungern Überraschungen erleben. Mit einer Handbewegung ließ er beide Männer eintreten.


    Er betrachtete beide und würdigte durchaus, wie gut und sauber sie aussahen. Er kannte wie alle in der Subura das Unglück des Ganymeds; von dem Geldsegen, den Velia ausgeschüttet hatte, wußte er nichts.


    Hairan, soweit das bei ihm möglich war, schätzte Kyriakos. Der Lupanarbesitzer war sozusagen sein Geschäftspartner; man bestellte, bezahlte, und bekam die Ware wie versprochen geliefert.


    Da Hairan etwas Zeit mit den Lupos zu verbringen wünschte, hatte er Erfrischungen vorbereitet, auf seinem Schreibtisch standen drei Becher mit vermischtem Wein, daneben ein Krug Wasser und trockener Kuchen auf einem Teller.


    „Chairete, meine Hübschen.“, sagte er und wies auf dem Wein:


    „Der Junge darf etwas von dem Wein trinken, du jedoch erst später, mein Freund Kyriakos. Du musst dich an das Wasser halten, denn im Becher ist nephentes, über das euer Homer schrieb:

    Gegen Kummer und Groll und aller Leiden Gedächtnis.
    Kostet einer des Weins, mit dieser Würze gemischet;
    Dann benetzet den Tag ihm keine Träne die Wangen,
    Wär' ihm auch sein Vater und seine Mutter gestorben,
    Würde vor ihm sein Bruder, und sein geliebtester Sohn auch
    Mit dem Schwerte getötet, daß seine Augen es sähen.
    Siehe so heilsam war das künstlich bereitete Mittel….


    Leider beeinträchtigt es die Manneskraft, zumindest wenn man es nicht gewohnt ist.“

    Hairan nahm jedoch aus seinem Becher einen großen Schluck, seine Augen glitzerten noch schwärzer als sonst:
    Er setzte sich hinter seinen Schreibtisch und verschränkte die Arme:
    „Habt ihr Nymphis nicht mitgebracht? Schade, ein wenig Musik erfreut durchaus. Das wird den Preis drücken, nicht wahr?“
    Hairan lehnte sich zurück und machte es sich bequem:
    „Nimm dir ruhig vom Kuchen, Junge!“, sagte er zu Evenor.
    Er hielt den Halbwüchsigen für einen Sklaven des Kyrikos. In den meisten Lupanaren arbeiteten Sklaven und Sklavinnen, und der Parther konnte sich nicht vorstellen, dass ein freier Mann solche Arbeit tat.


    Dann fuhr er fort:„ Die kultische Reinheit verbietet einem Magos den Eros, aber der Augenlust kann er sich hingeben. Ich sage dir jetzt, Freund Kyriakos, was ich mir vorgestellt habe...“


    Hairan nickte, als der Optio der Urbaner seine Ansage wiederholte.
    Das nächste Wort "Hokuspokus" ließ ihn seufzen. Ein Ungläubiger.
    Ernst blickte er ihn an:
    "Ich bin nur ein Diener, edler Furier, doch die Götter lassen ihrer nicht spotten. Hüte dich vor Hybris, dem frevelhaften Übermut, er kann göttliches Unheil auf dich und die deinen herab rufen."

    Jemand anderes, der so frech aufgetreten wäre, wäre vermutlich nicht heil aus Hairans Halle gekommen, aber der Mann war Römer und Optio obendrein, zähneknirschend musste Hairan die Beleidigung seiner Kunst erdulden.


    Aber über die hundert Denare war noch nicht gesprochen worden.


    In diesem Moment sagte Furius Cerretanus: "Habe die Ehre, Anis von Alexandria. Oder Hairan. Vale."


    Hairan blieb ruhig, obwohl sein Verstand arbeitete: Hatte der Römer ihm gerade gedroht? Wußte er, wer und vor allendingen was er wirklich war? Bevor Hairan von Hyrcania nach Roma gekommen war, hatte er in anderen Städten gelebt: In Palmyra und in Alexandria. Hatte es aus diesen poleis Beschwerden oder Hinweise gegeben?


    Es war wohl besser, den Anweisungen des Urbaners zu folgen:
    "Morgen an der Castra, o Sohn des Mars", sprach er und legte die Fingerspitzen aneinander:
    "Vale bene"

    „Ein Medium ist wie der Name schon sagt, ein Vermittler zwischen Menschen und Göttern. Das ist diese Barbarin nicht. Wir Weisen aus Alexandria haben verschiedene Namen für Wesen, die Besessenheit auslösen, aber im Griechischen würde man ihn als kakodaimon, einen bösen Geist, bezeichnen.“


    Hairan hätte die Angelegenheit in bunten Farben ausmalen können, aber der Mann vor ihm sah nicht so aus, als wolle er allzu viel hören. Er war in Hairans Augen der typische römische Militärknochen, was in diesem Fall knappe klare Auskünfte und keinerlei künstlerische Ausschmückungen bedeutete, alles andere würde die Geduld des Urbaners überstrapazieren.
    Hairan sah Cerretanus durchdringend mit seinen schwarzen Augen an:
    „Nichts aufgefallen, was meine Erklärung belegt? Überlege, o edler Furius Cerretanus: Eine Unempfindlichkeit gegen Schmerzen vielleicht, so dass ihr Peitschenschläge, die einen starken Mann in die Knie zwingen würden, nicht das Geringste ausmachen?
    Lästern und Lachen in Situationen, in denen ein junges Mädchen zweifellos klagen und weinen würde?
    Diese erstaunliche Widerstandskraft und den Hass gegen das Menschengeschlecht geben ihr der böse Geist ein.
    Und denk nicht, wie es nahe läge, ein edler Römer könnte das Problem mit einem gezielten Schwerthieb lösen! Kaum wäre die Sklavin tot, würde sich der rasende Kakodaimon auf sein nächstes Opfer stürzen, vielleicht sogar auf ein Mitglied der glorreichen gens Furia.“


    Hairan schüttelte in gespieltem Entsetzen den Kopf. Ihm war gerade der Gedanke gekommen, nicht nur nichts für die Sklavin bezahlen zu müssen, sondern sie geschenkt zu bekommen und Geld obendrein:


    „In meiner Heimat ...äh Alexandria, gibt es nur eine Möglichkeit, mit solch einem Wesen fertig zu werden. Es muss in die Obhut der Magoi oder Zauberpriester gegeben werden. Denn wisse, der Kakodaimon hasst alle Lebenden so sehr, dass er mit seinen Drohungen oft wahre Weissagungen ausspricht. Hat nicht auch das besessene Mädchen Kyriakos vorausgesagt, sein Lupanar werde brennen? War es nicht so?
    Nur meine bescheidene Person kann den bösen Geist kontrollieren und seine Weissagekraft in den Dienst der Menschheit stellen.
    Wenn du möchtest, o edler Sohn des Mars, mache ich einen Kaufvertrag fertig, ich habe einen befreundeten Notar in...bei der Hand. Wie war noch die Vereinbarung?
    Du übergibst mir die Sklavin sowie hundert Denare, sobald sie aus dem Carcer kommt?“

    "Vale bene, mein barbarischer Freund.", erwiderte Hairan gemessen, hörte aber genau hin, ob die Tür diesmal wirklich vorschriftsmäßig ins Schloss fiel, was auch geschah. Nicht dass noch ein Barbar über die Türschwelle in sein Haus stolperte.


    Hairan war mit sich zufrieden. Das Opfer des Mörders Angus würde nicht leiden müssen, wenn dieser ihm die Kehle aufschlitzte, das war gewiss ein gutes Werk und machte diese Welt zu einem besseren Ort.


    Hairan verstand nicht wirklich, weshalb die Karena darum immer so ein Theater gemacht hatten.


    Der Parther zählte seine Einnahmen, der junge Kelte hatte recht viel ausgegeben, dreißig Sesterzen. Auch in dieser Hinsicht war der Tag zufriedenstellend.


    Der Anblick von Sesterzen erinnerte Hairan an jenen Denar, den er Kyriakos gegeben hatte. Er hoffte sehr, dass der Lupo samt Jüngling bald seinen Hintern herbewegen möge. Hairan wußte natürlich, dass der Besitzer des ehemaligen Ganymed bei allen möglichen Behörden würde Ausagen machen müssen - das hatte ihm Evenor auf der Straße erzählt - sonst hätte er, Hairan, Kyriakos Verspätung übel aufgenommen.
    Gerade jedoch wäre der Magus in der Stimmung gewesen, sich ein wenig der Augenlust hinzugeben, wenn er schon niemanden berühren durfte.


    Dann dachte Hairan an die Sklavin Eireann, die im Carcer saß. Das würde sie auch nicht schöner machen, die junge Frau verlor sozusagen täglich an Wert. Einen Denar Tageslohn war vermutlich zu viel der Ehre, hier würde er versuchen, Optio Cerretanus herunterzuhandeln.


    Und ganz zum Schluss fiel Hairan der Sklave Terpander ein. Die Fluchtafel war bezahlt, aber der Mann war letzte Woche nicht gekommen. Ob ihn sich die Erinyen schon geholt hatten? Eigentlich unmöglich, wenn er das Ritual mit dem Blut eines Jünglings richtig durchgeführt hatte. Aber bei Amateuren wußte man nie.


    Würde der alte Grieche nicht wiederkehren, konnte Hairan seine Fluchtafel immer noch an einen anderen Kunden verkaufen. Das war der Vorteil dessen, dass die Auftraggeber von Flüchen aus Angst vor Strafverfolgung keine konkreten Namen zu nennen wagten.
    Für den Wiederverkauf waren Flüche lohnender als Liebeszauber, in denen es darum ging, den Namen des geliebten Subjekts auf alle erdenkliche Weisen vorwärts und rückwärts zu wiederholen. Eine Liebes- Defixion konnte man nicht mehr an eine Chloe verkaufen, wenn da groß Daphnis als Absender geschrieben stand.


    Wie jeden Tag nach getaner Arbeit küsste Hairan inniglich das Portrait der Nannaia Surena.


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    Hairan nickte, wenn auch nur halbwegs zufrieden. Er hätte gerne einmal wieder ein besonderes
    venenum zusammengestellt. Was der Kunde verlangte, war eine Tinktur von papaver, der Basis von Nepenthes , dem Trank, der alle Schmerzen beseitigte.
    Dafür müsste der Barbar nicht wiederkommen müssen, papaver hatte Hairan stets vorrätig.
    Er bückte sich kurz und stellte eine kleine gläserne Phiole gefüllt mit einer dunkelbraunen Flüssigkeit auf den Tisch:
    „Hör mir zu, mein Freund, was ich dir sage..", sprach er:
    „Zehn Tropfen für einen Mann, der so groß und stark ist wie du. Acht Tropfen für einen Schwächeren, sieben Tropfen für eine Frau und drei für ein Kind. Gibst du zu viel, schläft der Mensch auf der Stelle ein und ist nicht wach zu bekommen, gibst du viel zu viel, schläft er den Schlaf, aus dem niemand mehr erwacht.
    Zehn Tropfen nehmen einem starken Mann den Willen, er wird dir folgen, wohin du willst und tun, was du befiehlst. Schwierige Angelegenheiten kann er aber nicht mehr regeln. Nur zahm ist er, zahm wie ein Lämmchen. Angst und Schmerz werden ihn fliehen, so dass derTod, den du ihm bereiten willst, ihm leicht wird.
    Ach ja, ein kleines Problem könnte auftreten: ES gibt Menschen, die bereits Papaver genommen haben und deren Körper daran gewöhnt ist. Einen solchen Menschen kannst du mit dieser Tinktur nicht zähmen, brich dein Vorhaben ab und komme wieder zu mir .
    Aber bei allen anderen wirkt das Mittel, wie ich sage. Am besten reichst du die Tropfen mit unvermischtem Wein, dann nennt man den Trank Nepenthes und Demeter selbst hat Helena von Troja darin unterwiesen, ihn zu mischen.
    Hast du das alles verstanden oder noch Fragen?
    Wenn nicht, verlange ich für die Phiole weitere zehn Sesterzen.“

    Hairan runzelte einen Moment die Stirn, als ihm Angus: „Gift ist etwas für Weichlinge!“ entgegen
    schleuderte, aber obwohl ihm dieser Satz sehr missfiel, beanstandete er ihn nicht.
    Woher sollte der Barbar es besser wissen?
    „Gesprochen wie ein Krieger.“, antwortete Hairan sanft, und wer ihn kannte, wußte, dass ein besonders sanftes Auftreten bei ihm kein gutes Zeichen war:
    „Aber die Götter haben dich mir nicht als Krieger sondern als Mörder bezeichnet.
    Was will so jemand? Vorallendingen doch im Gegensatz zum Krieger nicht erwischt werden.Töten für das Vaterland ist ehrenhaft, jemanden zu morden ist ein widerliches Verbrechen.


    Gift ist also nicht etwas für Weichlinge, es ist viel mehr die hohe Kunst des Todes.
    Der Schierling beispielsweise lässt dein Opfer bei voller Klarheit des Verstandes ersticken. Das Bilsenkraut bringt es zur Euphorie und Raserei und Fieber und ganz gewissem Tod.
    Ähnlich die Mandragora, hier wird dein Opfer von kakodaimones und dem Gefühl von glühenden Kohlen in seinen Eingeweiden gequält, bis es stirbt. Und es gibt noch so viel mehr an Wissen.


    Wie gesagt, eine wahre Kunst ist es, das richtige Gift und die richtige Dosis zu fnden und glaube mir, es bedurfte weitgehender Forschungen, bis ich sie kannte.“


    Hairans Augen leuchteten, als er in farbigen Worten seine Kunst beschwor, aber dann unterbrach er sich.
    Ein kurzer abschätziger Blick auf Angus:
    „Oder bist du einer dieser Täter, die nur fließendes Blut reizvoll finden ? Es gibt einen Trank, der dein Opfer, welches ohne Zweifel ein nichtswürdiger Wurm ist, der es gar nicht verdient zu leben, willenlos macht.
    Keine Gegenwehr, kein Flehen um Gnade, kein Geschrei und folglich auch kein Entdecktwerden. Wäre das denn etwas für dich, junger Freund?“

    Hairan nickte wissend: Der Mann vor ihm war ein Mörder, und da man nie wissen konnte, wie ein Mörder reagierte, wenn man ihn mit seinem ureigensten Wesen konfrontierte, hatte er seine Waffe zur Hand genommen. Nun aber lockerte sich sein Griff um den Dolch.


    Die Götter hatten ihm zwar verraten, dass ein Mörder vor ihm stand, dies ja, doch der stammelnde Bursche mit dem Schrecken in seinem Blick war weder kaltblütig noch war es ihm zur Gewohnheit geworden, Leben zu nehmen. Vielleicht hatte er noch nicht einmal damit angefangen.
    Vielleicht hätte man Angus noch die Hand reichen und ihm ins Gewissen reden können.
    Aber das lag nicht im mindesten in Hairans Interesse. Vor ihm stand ein möglicher Kunde für das Verderben.


    „Die Griechen, zweifellos ein weises Volk, unterscheiden verschiedene Götter des Todes.“, erklärte Hairan – mal sehen, ob der Barbar verstehen würde, auf was er hinauswollte, wenn nicht, musste er deutlicher werden:
    „Es gibt die ker oder die keres, die das gewaltsame, blutige Ende bringen, scharfer Stahl, der die Brust aufreißt, jegliche Hinrichtung gehört mit dazu, und das Stöhnen und Schreien der Dahingemetzelten ist Musik in ihren Ohren.


    Das ist reichlich unschön, wenn du mich fragst, junger Freund.


    Und dann gibt es Thanatos, der zu dem Sterbenden kommt, wie Hypnos, der Schlaf, sein Bruder, und sanft die Fackel des Lebens auslöscht. Noch während die Lippen den Becherrand umschließen, ein letzter tiefer Atemzug und Thanatos geleitet den Todgeweihten in die ewige Nacht - ist nicht der Schlaf etwas Wohltuendes?“


    Hairan seufzte und lächelte, als würde er sich an die vielen Nächte heilsamen Schlafes erinnern, zu denen er seinen Mitmenschen schon verholfen hatte, sah jedoch Angus unter halbgesenkten Lidern aufmerksam an.

    Hairan war froh, als der Sklave gehen wollte; tatsächlich plagten ihn schon seit einigen Minuten leichte Kopfschmerzen, die sich zu einem dünnen, unangenehmen Schmerz in seiner Nasenwurzel zusammenzogen. Er starrte ins Leere, und dann hörte das Klingeln der Glöckchen und Münzen, die er unter dem Luftschacht aufgehängt hatte, und ein kalter Luftstrom traf seinen Nacken:
    Und der Blonde, der gerade nochmal zehn Sesterzen herausfingerte aus seinem Beutel, trug in diesem Beutel eindeutig mehr als seine eigene Geldbörse.


    „Warte!“, sagte Hairan und hob eine Hand, als sein Kunde schon fast aus der Tür war.
    Dann verzerrte ein wölfisches Lächeln sein Gesicht, und er schien zu lauschen. Seine Miene verzerrte sich, als wäre es ihm unangenehm , was er vernahm, wie das Kratzen von langen Fingernägeln auf einer Glasplatte. Die Stimmen aus dem Erebos, das Murmeln der Herrin der Kreuzwege, so selten waren sie, die Stimmen, dass Hairan die meiste Zeit die Welt betrog.
    Doch gerade waren sie da:


    „Noch eine Botschaft haben die Götter für Dich…“.
    Hairans dunkler Blick traf den jungen Kelten:
    „ Du wolltest wissen, wie lange das Böse dauert? Es dauert so lange wie du selbst dauerst, mein Lieber, denn du bist das Böse: Du wirst jemanden Unschuldigen töten.“


    Wie immer wenn Hairan etwas Wichtiges sagte, senkte er die Stimme, anstatt sie zu erheben:
    "Du und ich, wir haben etwas gemeinsam, mein lieber Freund aus dem Barbaricum. Den Tod der Schwachen und Unschuldigen!“


    Nun kicherte Hairan leise:
    „Noch fragst du dich, wann und wo und vor allen Dingen wodurch es geschehen wird, nicht wahr? Sollte es der Dolch sein oder nur die Kraft deiner Hände? Oder….gäbe es doch etwas, was genauso mordet, aber weniger offensichtlich ist? Habe - ich - Recht?“


    Hairan griff nach seinem Dolch und zog ihn zu sich heran. Sein Herz klopfte in seiner Brust. Hatte er recht?
    War dieser blonde Barbar endlich mal wieder ein Kunde, der kühn genug war für das, was Hairan ihm anbieten konnte?

    Hairan hatte das Gejammer von Sklaven um ihre ach so kostbare Freiheit satt.
    Hatte sich der Bursche mal in Roma umgeschaut? Es wimmelte von reichen oder zumindest in bescheidenem Wohlstand lebenden Liberti, denn wenn ein Sklave freigelassen wurde und sich gut mit seinem Dominus verstanden hatte, besaß er etwas, was für einen Peregrinus zu erlangen viel schwieriger war: Gute Beziehungen. Und dafür verlangten die Römer nur ein bißchen Unterwürfigkeit und Dienstbereitschaft und nun vielleicht auch, dass sie mal Hand anlegen und die Frau oder den Jüngling rannehmen durften, aber in fünfzehn bis zwanzig Jahren war das alles überstanden und es winkten noch fette Jahre in der urbs aeterna..
    Hairan fand das wirklich nicht zu viel verlangt.
    Bände sprach doch auch, dass die Mehrheit der Freigelassenen in Rom blieb. Warum kehrten sie denn nicht zurück in ihre Barbarenländer, wenn es da so schön gewesen war? Die Wahrheit war doch, dass sich die Exsklaven an Thermen mit heißem Wasser, Fußbodenheizungen, Zirkusspiele und Bibliotheken gewöhnt hatten und gar nicht mehr wegwollten.


    „Die große Reise geht nicht nach Hause, denn dein Zuhause, das du kanntest, gibt es nicht mehr. Und selbst wenn es noch existiert , bist du ein anderer geworden und wie ein Fremder im Vaterland.“, antwortete Hairan sehr doppeldeutig, denn damit konnte er nicht falsch liegen.
    Außerdem war er müde und wollte Angus loswerden.


    „Wenn du möchtest…..“ Er holte aus der Truhe hinter sich eine Holzschachtel und öffnete sie, darin befanden sich blecherne Amulette, und sie klapperten etwas, als Hairans bleiche Hand sie durchwühlte. In die Amulette waren einfache Bilder und die Namen der Götter aller möglichen Völker geritzt:
    „Such dir deinen Lieblingsgott aus deiner Heimat aus….ah, da habe ich zwei, euren Cernunnos und auch eine Epona die ist doch auch keltisch und nimm gleich drei davon, auch für Weib und Kind, die Amulette werden euch beschützen, das macht dann noch einmal zehn Sesterzen. Oder hast du noch eine ganz konkrete Frage an Anis von Alexandria?"


    Anis von Alexandria


    Wahrsager


    Astrologe


    Magus



    Alle Geheimnisse werden offenbart , nichts bleibt meinem Auge verborgen



    Einfache Weissagung : 6 Sesterzen


    Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft : 10 Sesterzen


    Beratung und Lösung von Problemen : Nach Vereinbarung


    Jetzt exklusiv: Magische Düfte, die Geheimnisse Thrakiens, der flüssige Odem der Götter


    Subura ,
    Gebäude ehemalige Bäckerei Rufus Gellius Paterculus, Parallelstraße ehemaliges Lupanar Ganymed, dreimal klopfen
    ROMA


    Hairan war auf dem Mercatus unterwegs, um Werbung für sein Geschäft auszuhängen.
    Sein Blick fiel auf zwei Frauen, die von vier Sklaven umringt, vergnügt Fleischspießchen aßen.
    Eine war eine Römerin, die andere vielleicht ihre Dienerin.
    Einen Moment hielt er inne, etwas berührte ihn wie einen Hauch der Götter.
    Sollte er sie ansprechen?
    Er entschied sich dagegen, fremde Frauen ansprechen war nicht sein Stil. Er wartete lieber, bis sie zu ihm kamen, um ihre Zukunft zu erfragen.
    Wie ein düsterer Schatten glitt er an ihnen vorbei.


    Sein Ziel ist der Aushang des Mercatus.

    Na, was wird er wohl mit seinen gierigen Händen tun, dachte Hairan. Heißt das Sprichwort nicht: Was du mit deinen Sklavinnen machst, gerät weder dir noch ihnen zur Schande? Er wird dein Weib gebrauchen, wenn ihm danach ist und deine Tochter, wenn sie in seinen Augen das richtige Alter hat. Was erwartet dieser Sklave? Ist er wirklich so naiv oder tut er nur so?


    Allerdings hatte Hairan auch nicht vor, den Barbaren wirklich aufzuhetzen, damit tat er ihm und sich keinen Gefallen. Ein Kunde am Kreuz hat kein Geld mehr in den Taschen, oder wie man so sagte.


    Er sprach daher:
    „Mein junger Freund, euer dominus tut, was ihm Gesetze und Gewohnheiten erlauben – tragisches Geschick der Unfreiheit!“
    Hairan hatte noch nie in seinem Leben Mitgefühl mit Sklaven empfunden , aber so ein bißchen modische Sentimentalität machte sich gut:
    „Doch seid zuversichtlich! Eines Tages wird Böses vorrüber sein und es gibt nur noch Ruhe und Wohlbefinden.“
    Nämlich wenn ihr tot seid, dachte Hairan.


    Dann sagte er:
    „Die Einzelheiten deiner Gefangennahme kenne ich nicht, die Götter geruhten nicht, sie mir mitzuteilen. Bestimmt ist das nicht so wichtig.
    Schau mit Zuversicht in die Zukunft!
    Seid gute Diener eures Herren und euer Herr wird euch lieben.
    Er hat euch ja schon erlaubt, alle zusammen zu bleiben. Und so wird es sein bis zu eurer Großen Reise….“

    Damit meinte Hairan den Abmarsch in den Hades; eine größere Reise als mit dem Fährmann Charon über den Fluss Styx konnte wohl kein Mensch machen.

    Hairan deutete mit einer Hand auf dem Herzen ein leichtes Nicken seines Kopfes an. Er war froh, dass sein Vermieter nicht auf einem Handschlag bestand. Das hätte er auf Grund der kultischen Reinheit, die er immer noch aufrecht erhielt, obwohl er seine Ausbildung zum magos nie abgeschlossen hatte, verwehren müssen:


    " Ich danke dir, Viridomarus.", sprach er:
    "Der Segen des Mercurius auf deinen Geschäften. Es war mir ein Vergnügen. Wenn du möchtest, schick mir deinen Nubius auch bei den Gelegenheiten vorbei, damit ich ihm die Mietzahlung mitgeben kann. Vale bene."


    Hairan lächelte ölig. Der schwarze Sklave mit dem prächtigen muskulösen Leib und den weißen, blitzenden Zähnen war ein einnehmender Anblick , und sich mit den Augen laben war dem Parther ja erlaubt. Er hatte nichts dagegen, diesen Nubius, am besten nur mit einem Lendenschurz bekleidet, öfter in seinen Räumlichkeiten zu sehen.

    Ich denke, in der antiken Welt hatte alles seinen Platz: Zarte Erotik und käuflicher unsentimentaler Sex in den Lupanaren in der Subura. Wenn man hier im IR sucht, wird man mit allem fündig.

    „ Ich kam zufällig vorbei, als das Lupanar Ganymed gebrannt hat. Deine Sklavin war auch da, verletzt und verwirrt. Sie stieß verstörende Sätze aus, doch ich als Magus erkannte, dass sie von einem Wahrsagedaimon besessen ist. Manchmal sind solche Menschen ihr Leben lang ruhig, doch unter dem Druck höchster Überforderung zeigt sich dann der daimon.


    Dann ist dieser Mensch oft zu wenig nütze . Ab und zu ist der daimon freundlich, und solch eine Sklavin dient noch als Hausnärrin zur Unterhaltung der Gäste. Aber welcher Gast möchte Drohungen gegen sein Leben hören? Ich jedoch könnte solch einen bösartigen nekydaimon beherrschen und würde dir für die Dienste dieses Weibes den Tageslohn eines Arbeiters zahlen.",


    gab Hairan dem Optio Auskunft.