Beiträge von Aulus Furius Saturninus

    Ich war mit Tiberios auf den Sklavenmarkt gekommen, weil ich mich sozusagen nach Ersatz für ihn umsehen wollte.
    Mein ausgeliehener Scriba würde bald im Auftrag seiner eigentlichen Domina nach Alexandria reisen. Es war jetzt nicht so, dass ich umbedingt heute kaufen wollte. Es ging mir mehr darum erst einmal das Angebot und die Preise zu sondieren. Von beidem hatte ich wenig Ahnung, da in Parthenope die Dienerschaft Sache von Campania minor gewesen war, und ich in Athen und Alexandria asketisch und lässig ohne einen einzigen Sklaven gelebt hatte. ( Ich nannte das heute bei mir: Aulus schnürt sich selbst seine Sandalen - Phase)
    Am Stand eines gewissen Caius Aiacius blieb ich stehen und betrachtete die Auslagen.
    Gerade brachten sie so einen keltischen Barbaren auf das Podest, der mir gefiel, weil er irgendwie stolz in eine unbestimmte Ferne schaute. Oder ob sein Stolz nur daran lag, dass er gar nicht begriff, was mit ihm vorging? Bestimmt gab er einen guten Custos ab, denn diese Barbaren sollten ja treu wie Gold sein, sagte man, wenn man sie erst domestiziert hatte.
    Leider suchte ich keinen Kämpfer. Ich wollte mich gerade mit einer launigen Bemerkung an Tiberios wenden, da merkte ich, dass der Jüngling stehen geblieben war und erstaunt zu dem Blonden hoch sah.

    Wenn etwas überhaupt die Bezeichnung "kühn" verdiente, so waren es die Züge des Mannes hinter dem Schreibtisch. Seine lässige Position anfangs hatte mich getäuscht, nun blickte ich in graue Augen, deren scharfen Blick wohl wenig entging.
    Unwillkürlich nahm ich Habachtstellung an als ich Platz nahm. Die Stimme des Procurators klang nicht unfreundlich - und von Wein schien er etwas zu verstehen.
    "Danke dass Du Dir die Zeit nimmst, mich zu empfangen. Ein Furier, ja.", sagte ich:
    "Ich komme aus Parthenope bei Neapolis, bin aber in Roma geboren. Ich bin seit knapp einem Monat im Amt."
    Vermutlich konnte sich Torquatus schon ausrechnen, wer mich dorthin empfohlen hatte. Das ich jedoch immer noch meinen Posten inne hatte, bedeutete, dass ich noch ein unbeschriebenes Blatt Papyrus war. Es bedeutete auch, dass ich einen neuen Bezugspunkt brauchte.

    Ein wenig wurde mir schwummrig, als der Jubel losbrach, obwohl mir klar wurde, dass der nur meiner blauen Tunika galt und nicht meiner Person. Aber ehrlich, der Römer, der sich nicht im Jubel sonnt, der musste erst noch gebacken werden! Wir sind ein gar zu ehrsüchtiges Volk.
    Es hatte angefangen zu nieseln. Ich jedoch sagte mir, dass das nur erfrischende Feuchtigkeit war, die mir von Siegesgöttin Victoria gesandt worden war, mich zu erquicken und nahm es als gutes Omen.
    Außerdem gratulierte ich mir insgeheim zu der Sorgfalt, die ich aufgewendet hatte, beide Pferde an Lärm und Menschenmassen zu gewöhnen. Daher hatten fast alle furischen Sklaven frei bekommen und schrien sich am Rand der Strecke die Kehle heiser (strategisch platziert waren sie auch).
    An Krach gewöhnt liefen meine beide Rösser so unbeeindruckt und gleichmäßig wie die Automata, die ich in Alexandria gesehen hatte, die Vorstellungsrunde.
    Veneta Victrix!

    Ich hielt meinen Becher so, dass ein Sonnenstrahl im Wein aufblitzte. Das Getränk war von blutroter Farbe, sah belebend und kräftigend aus:
    „Vielleicht etwas mit sanguis, sagte ich: „ Sanguinea? Sangea?“
    Ich war gespannt auf die Kombination mit Fruchtstückchen, die gerade in der valerischen Küche vorbereitet wurde.


    „Es war für mich eine Freude, ernannt zu werden.“, sagte ich: „Ich hoffe, ich kann mich bewähren.“
    Tigellinus, meinen ehemaligen Patron, erwähnte ich nicht. So etwas brachte nur Unglück.
    Zumindest so lange bis ich sicher wissen würde, in wie weit man mit Tiberius offen sprechen konnte.


    Pontifex minor, das ist eine große Ehre.“, sagte ich dann aber beeindruckt. Oft wurden diese Stellen nur an Angehörige der kaiserlichen Familie vergeben:
    „Das passt zu deinem phänomenalen Gedächtnis. Musst du nicht jedes Wort, jede Bewegung und jede Geste im Kopf haben?“


    Natürlich wollte ich wissen, wo Tiberius persönlicher Rekord für die Wiederholungen lag, die im Falle eines Formfehlers durchgeführt werden mussten. Aber die Frage wäre allzu salopp gewesen.

    Ich nahm das Ja als Aufforderung, einzutreten und streckte meinen Kopf durch die Tür. Mein Blick fiel auf einen Mann, der gerade jene entspannte Haltung eingenommen hatte, die als Lohn nach einem zweifellos anstengenden Amtsmorgen winkte: Füße auf dem Tisch und Weinbecher daneben.


    "Salve Procurator Cnaeus Fabius Torquatus!", grüßte ich ehrerbietig mit Titel und sämtlichen Namen: " Ich heiße Aulus Furius Saturninus. Ich bin der neue Primicerius ad Epistulis und wollte mich nur mal vorstellen."

    Ich umarmte Lyda kurzerhand und freute mich darüber, dass ihr mein Geschenk gefiel. Dabei dachte ich, dass es eigentlich nicht schwierig war, diesen Menschen, die uns schon so lange dienten, eine Freude zu bereiten und dass man das eigentlich zu selten tat. Dabei hatte Lyda schon meine Knie verbunden, als ich noch ein kleiner Junge gewesen war.
    Kurz und an, ich war zufrieden mit mir.
    Und dann war ich gespannt, was die Küche heute auf den Abendbrottisch zaubern würde.

    Ein junger Freigelassener aus der Domus Augustana, begabt mit dem untrüglichen Instinkt des Dieners hochgestellter Persönlichkeiten für alle, die nicht ganz so hochstehend waren, brachte eine kaiserliche Einladung in die Taverna Apicia. Er hatte von Saturninus Order bekommen, den Brief seinem Empfänger persönlich zuzustellen. In eine Taverna! Vermutlich so ein provinzieller Emporkömmling, der sich die Audienz mit Bestechungsgeldern gesichert hatte.
    Der Libertus trat ein und schnarrte zum Personal: "Salvete, ich muss zu Galeo Seius Ravilla. Ich habe wichtige Post für ihn, die ich nur persönlich überbringen kann."
    Dabei schaute er gewichtig drein.



    AD
    Galeo Seius Ravilla
    z. Z. Taverna Apicia
    Mercatus Urbis
    Roma



    PRIDIE ID OCT DCCCLXX A.U.C. (14.10.2020/117 n.Chr.)

    Salve Galeo Seius Ravilla


    Der Imperator Caesar Tiberius Aquilius Severus Augustus bittet dich am
    ANTE DIEM XIII KAL NOV DCCCLXX A.U.C. (20.10.2020/117 n.Chr.)hora octa (14 Uhr)
    zu einer Audienz in das Cubiculum Phoenicis


    "Nichts ist passiert, meine liebe Lyda, bitte beruhige Dich. Diese Palla soll ein Geschenk für Dich sein.“, sagte ich laut und deutlich, damit mich die ältere Sklavin gut verstand:
    „ Ich habe nach Dir gerufen, um sie dir zu schenken. Ich wollte dich keinesfalls erschrecken. Treuer Dienst und Hingabe haben ab und zu eine kleine Belohnung verdient. Gefällt sie dir denn?
    Wenn nicht, schicke ich gleich morgen früh Tiberios los, sie umzutauschen.“

    Ich, Aulus Furius Saturninus, in einer blauen Tunika und mit einem blauen Stirnband zu Ehren meiner stolzen Factio Veneta, war angekommen und stand hochaufgerichtet in meinem Currus, an dem als einziger Schmuck der stilisierte goldene Löwenkopf der Gens Furia prangte. Ich trug Calcei mit extrem dünner Sohle, so dass ich die Achse des Wagens unter meinen Füßen fühlen konnte als sei ich barfuß.
    Die Zügel hielt ich in der aufrechten linken Faust ohne sie wie ein professioneller Wagenlenker um mich zu wickeln, ich wollte keinen Unfall riskieren. In der rechten hielt ich eine lange Gerte. Vor mir liefen meine Pferde, rechts der dunkelbraune Minos aus cappadocischer Zucht, links der edle Berber Malachit mit seiner hellen Mähne.


    Ich grüßte nach links und nach rechts – glutäuigige Mädchen, die mir verheißungsvoll zulächelten und jeden, der irgendwie wichtig aussah.
    Dann erreichte ich den Startpunkt, an dem sich meine Konkurenten, die heute zu Ehren des Mars mit ihren Gespannen antreten würden, sammelten und harrte der Dinge, die kommen sollten.

    Es tat mir ein wenig leid, Lyda mit meinem kleinen Scherz erschreckt zu haben. Sie zitterte vor Furcht und hatte sogar etwas Tee über ihr Gewand verschüttet. Und so sagte ich zu ihr:
    "Lyda, ist dir etwa kalt, dass du zitterst? Dem muss ich umbedingt Abhilfe schaffen!"
    Ich holte die kornblumenblaue Palla hinter meinem Rücken hervor und drapierte sie um die Schultern von Stellas vertrauter Dienerin. Der Stoff war lang und sah flauschig aus, so hatte ich mir das vorgestellt:
    "Die Farbe ist ein wenig extravagant für eine Sklavin, ich weiß.", fuhr ich fort: "Doch wenn du damit nicht nach draußen gehen möchtest, trägst du sie eben im Bett. Sie wird dich tüchtig warm halten."
    Ich lächelte sie an. Ob meine Überraschung gelungen war?

    Es war noch am gleichen Tag, als ich bemerkte, dass ausgerechnet Malachit, der eigentlich der Ausgeglichenere von den beiden Pferden war, an einer bestimmten Stelle nicht direkt scheute, aber doch für den Bruchteil eines Augenblickes zu zögern schien, und ich fragte mich, woran das läge.
    Hatte dort jemand eine Fluchtafel gegen die Factio Veneta vergraben? Ich befahl Timon, nachzusehen, doch er fand nichts. Als Timon so mit den Händen den Sand umgrub, lachten und pfiffen ein paar Zuschauer und klopften sich die Schenkel - respektlose Jünglinge aus der Subura - und wieder spürte ich dieses ganz kurze Zögern bei Malachit.
    Timon schaute auf: "Der Malachit ist so viel Leute nicht gewöhnt.", stellte er fest. Der Stallbursche hatte recht. Das ich daran nicht gedacht hatte.
    Malachit war kein Circustier. Er lebte ein recht beschauliches Pferdeleben in den Stallungen meiner Cousine.
    Die nächsten Tage boten wir bestimmt ein noch interessanteres Bild: Alle Sklaven der Casa Furia außer denen, die umbedingt zurück bleiben mussten, um das Haus zu bewachen, begaben sich nämlich im Gänsemarsch auf den Übungsplatz, um dort mit Tüchern, Topfdeckeln und lautem Rufen so viel Radau zu veranstalten wie möglich.
    Die Sklaven und Sklavinnen hatten ihren Spaß, und Malachit lernte hoffentlich, dass lärmende Menschen nicht gefährlich waren.
    Würde dieses Training bis zum Equus October genügen? Keine Ahnung....

    Nachdenklich las ich die Zeilen. Der Brief klang herzlich, aber ich konnte herauslesen, dass gerade große Umwälzungen im Hause meines Vicarius Domini Factionis anstehen mussten. Die schreckliche Geschichte über die Morde an Angehörigen der gens Iulia hatte ich schon auf dem Weg von Campanien nach Roma vernommen, das war allerdings bereits ein Weilchen her. Zwischenzeitlich schien noch mehr passiert sein.
    Da Marcus Iulius Dives mir gegenüber äußerst zuvorkommend gewesen war, nahm ich mir vor, den Senator zu unterstützen, wie ich nur konnte, falls er meines Beistandes irgendwann einmal bedurfte . Obwohl ich ihn noch nicht persönlich kannte, betrachtete ich ihn als einen Amicus.
    Ich benötigte nun dringend eine blaue Tunika und ein blaues Stirnband, weshalb ich schon im Vestibulum nach dem Maiordomus rief.

    Ich hatte meinen Cubicularius von den Traiansmärkten aus direkt zur Castra geschickt. Dort gab er in meinem Namen eine Amphore besten Falernerweins und eine Tabula ab:



    Ad
    Optio Appius Furius Cerretanus
    Cohortes Urbanae
    Castra Praetoria
    Roma


    Aulus grüßt seinen Appius,
    lieber Cousin, ich hoffe, Du befindest Dich wohl und der Dienst wird dir nicht sauer.
    Als ich noch niemanden in Roma kannte, hast du mir brüderlich deine Hand gereicht. Das vergesse ich Dir nie, und so bitte ich Dich, diese Kleinigkeit aus Bacchus' Garten anzunehmen und Dich daran zu erfreuen.


    Vale bene Dein Cousin Aulus

    Ich hatte es bei meiner Ankunft in Roma bedauert, nur ein Gastgeschenk für meine liebe Cousine, aber weder etwas für meinen unerwartet aufgetauchten Cousin Appius noch für die gute treue Lyda dabei gehabt zu haben. Ich war aber auch nur mit leichtem Gepäck angekommen.
    Nun wollte ich beides nachholen. In Begleitung meines Cubicularius Andreas kaufte ich erst für Appius eine Amphore besten Falernerweines und dann für Lyda eine schöne weiche Palla aus kornblumenblauer Wolle für die kalten Winterabende.
    Ich kritzelte einen kleinen Gruß für Appius auf eine Tabula und schickte Andreas mit der Amphore zur Castra Praetoria. Ich selbst kehrte mit dem Kleidungsstück in die Casa Furia zurück.

    Domus Factio Veneta>>>


    Domus Prusias Kynegros beim Training zuzusehen (und mir ein paar Finten abzuschauen), das war eine Sache, die ich mir nicht zweimal sagen ließ. Ich hatte große Lust dazu und ließ das auch Tiberius wissen.
    So bekam ich einen guten Platz mit bester Sicht auf den edlen Dareios, der mindestens genauso viele Fans hatte wie der Wagenlenker der Blauen selbst ( Auch ich war schon in Versuchung gewesen, mir sein Bild auf meinen Nachttisch zu stellen)
    Gespannt beobachtete ich die Vorbereitungen.