Beiträge von Galeo Seius Ravilla

    Der erste Versuch seiner Kandidatur ward zum Scheitern verurteilt gewesen. Nun sah Ravilla erneut die Zeit gekommen, einen Versuch zu wagen:


    Ad

    Consul Iullus Curtilius Victor

    Haus des Consuls

    Roma

    Roma, ANTE DIEM IX KAL AUG DCCCLXXI A.U.C.

    (24.7.2021/118 n.Chr.)


    Kandidatur zum Vigintivirat


    Verehrter Consul,


    diese Zeilen schreibt dir Galeo Seius Ravilla, Sohn des Volusus Seius Victor. Ich bitte darum, mich auf die Liste der zur Wahl stehenden Vigintiviri einzutragen und mir in den ehrwürdigen Hallen des Senats Redezeit zu gewähren, um den Patres conscripti meine Kandidatur zu verkünden.


    Mögen die Unsterblichen deine Wege schützen.


    306-8321fda9.png

    Einst in der ihm heute geradezu luxuriös anmutenden Entscheidungsfreiheit seines Heimattempels aufgewachsen, auch in pekuniären Angelegenheiten, waren Ravilla jene von derart inniger Rivalität durchdrungenen Gedanken der Finanzpolitik noch fremd, die der Magistrat ihm geduldig zu erläutern geruhte. Doch langsam meinte der Seius zu verstehen, auf welche Gesetzmäßigkeiten Flavius Gracchus Minor hinauswollte.


    "Die Frage, was etablierte Senatoren bewegen sollte, einem Homo novus ihre Unterstützung zu offerieren, ist in der Tat relevant", sprach der Seius langsam, denn parallel verzogen sich komplexere kognitive Prozesse, als er sich mühte, seine vertrauten Gedankenbahnen zu verlassen und neues Denken zu erlernen. "Unterstützung erhält, wer Unterstützung ist. Do ut des, auch - und vielleicht gerade - als Emporkömmling im Senat. Auf dem Weg in die Curia Iulia ist es folglich eine ratsame Strategie, Nützlichkeit für die bereits laufenden Projekte der älteren Senatoren zu generieren. Wer bereits geholfen hat, wird es leichter haben, selbst positive Antwort auf die Bitte um Unterstützung für ein eigenes Projekt zu erhalten. Erst recht sollte man in diesem Stadium keinen Senator pikieren, indem man durch suggieriert, die traditionelle Methodik der Staatslenkung sei unvollkommen.


    Bis auf dieser stabilen Basis und mit dem gewonnenen Erfahrungsschatz einst erwogen werden kann, auch eigene, moderner anmutende Ziele in das Gesamtgefüge zu weben, welche nicht revolutionär wirken sollten, sondern als eine Perfektionierung des bereits gut funktionierenden Bestehenden fungieren müssen. Tradition als Trittleiter zur Moderne. Das Eine muss langsam und mit der Zeit gehend - diese nicht überholend - aus dem Anderen heraus wachsen."


    Während der letzten Worte sah Ravilla sein Gegenüber fragend an, um zu evaluieren, ob das gezogene Fazit mit der beabsichtigten Aussage deckungsgleich war.


    "Gern nehme ich dein Angebot an, mich auch künftig an dich zu wenden. Mir sei die Aussage gestattet, dass mir der Rat eines so erfahrenen und umsichtigen Mannes teuer ist und ich dankbar bin für die investierte Zeit. Es ist besser, im Vorfeld beraten oder gar an unklugen Schritten gehindert zu werden, als im Nachhinein die Scherben der eigenen Vision zusammenfegen zu müssen und seine Träume mitsamt der Jugend zu Grabe zu tragen."


    Im Gegenteil erachtete Ravilla es als unklug, sich eigenbrödlerisch gegen Rat zu verschließen und das ehrliche Wort von sich zu weisen, nur weil es womöglich eine unangenehme Wahrheit enthielt.


    "Über das Arrangement eines Gesprächs mit dem Praefectus Urbi wäre ich in hohem Maße verzückt! Ich hatte bereits Gelegenheit, während eines Opfers für Mars mit ihm und Senator Annaeus an einem Tisch zu speisen1, auch dein geschätzter Vater saß in dieser Runde."


    Ravilla erwiderte das Lächeln des Quintilius herzlich. "Die Pflicht war es, werter Freund! Ich habe die Ehre, mein Tirocinium fori beim verehrten Aaedilis Curulis Flavius Gracchus Minor absolvieren zu dürfen. Was aber verschlug dich in diesen Tempel?"


    Jener genannte Magistrat vollzog indes die Kontrolle in der ihm eigenen Sorgfalt, wobei sein Architectus tatkräftige Unterstützung walten ließ. Ravilla folgte diesem, um den Makel ebenfalls in Augenschein zu nehmen. In der Tat waren einige oberflächliche Abplatzungen zu verzeichnen. Die minimale Beschädigung seines Tempels schien den bedauernswerten Aedituus bis ins Mark zu erschüttern. Ravilla interpretierte dies als einen Ausdruck besonderer Frömmigkeit.


    "Löcher, welche wie empfohlen durch Verputzung kaschiert werden können, tangieren nicht die Statik des Tempels", mühte er sich, Clemens zu kalmieren. Womöglich imaginierte dieser ein pekuniäres Desaster für seinen kleinen Tempel.

    Mein Zeitkontingent erzwingt gegenwärtig leider ein gemäßigtes Tempo, was meine Antworten im Rollenspiel anbelangt. Sollte dies den Spielfluss meiner verehrten Spielpartner allzu intensiv disturbieren, darf meine Wenigkeit, so die Handlung es erlaubt, gern übersprungen und als passiv anwesend angenommen werden.

    Ravilla kam nicht umhin, die Vorfahren ob ihrer schlitzohrigen Raffinesse zu bewundern. Die Antwort auf die Frage des Saturninus war auch für ihn von Interesse. Seine eigenen Sklaven entstammten dem Familienbesitz, auf einem Sklavenmarkt erworben hatte er bislang keinen. Während der Vater seines Anaxis noch den Duft der Freiheit kannte und rechtmäßig als Kriegsbeute in den Familienbesitz übergegangen war und heute Ravillas Vater diente, so war Anaxis hausgeboren.

    Ravilla seinerseits empfand keine Scheu bei der Aussicht, mit seinem Bruder in Gegenwart des Magistraten auf persönlicher Ebene zu konversieren. Ihm war vielmehr pflichtschuldig daran gelegen, die Dienstzeit des verehrten Aedils nicht zu vergeuden und dem Manne seinen Arbeitstag unnötig zu verlängern, indem Ravilla ihn mit Einschüben privater Konversationen streckte. Unabhängig von dieser Sorge war ihm das Gespräch in der gegenwärtigen Konstellation durchaus angenehm und den Aedil beim Genuss der köstlichen Bällchen zu beobachten war eine wahre Freude.


    "Wie es scheint, wohnt halb Rom zeitweise in der Casa Leonis", stellte er nicht ohne Amüsement fest. Wer hätte gedacht, dass sein launischer Neffe eines Tages zum Sympathieträger würde avancieren, doch vielleicht waren es auch die engagierten Sklaven, welchen das gedankliche Lob gelten sollte, oder der zweite Hausherr.

    Ravilla senkte leicht das Haupt, wie er es zu tun pflegte gegenüber eines Mannes, dem er besonderen Respekt zollte.


    "Dein Rat ist von unschätzbarem Wert. Ich entnehme deinen Worten die Empfehlung, mit diesem Thema noch zu warten und für den Wahlkampf ein anderes zu verwenden, um nicht die Patres Conscripti zu pikieren. Dass es sich als derart ... revolutionär gestaltet, war mir nicht bewusst."


    Vielmehr war der Gedanke dazu geeignet, Ravilla innerlich zu erschüttern! Trotz seiner Ideen zur Optimierung der Gesellschaft betrachtete er sich als Traditionalist. Jedoch musste er erkennen, dass die höchsten Riegen der römischen Gesellschaft in ihrer Handhabung weniger flexibel waren als die kappadokischen Tempelfürsten, deren Herrschaft sich als gesichert darstellte und die sich folglich um die Methoden des Umgangs mit ihrem Volk recht freie Gedanken machen konnten. Die Position eines Priesterfürsten war göttlich legitimiert - die Position eines Senators unterlag den Launen der Patres Conscripti. Hier musste Ravilla für seine Gens erneut lernen, die Welt durch die Augen eines Römers zu betrachten und nicht durch die eines aristokratischen Cappadox, der sich in den Kopf gesetzt hatte, das provinzielle Zeitalter seines Zweiges hinter sich zu lassen.

    "Mir erschien mein Anliegen insofern praktikabel, als ich erwäge, das Vigintivirat in den Reihen der Tresviri Capitales zu bekleiden", fuhr in seinen Überlegungen er fort, "doch pikieren möchte ich den Senat freilich nicht mit meinen Ideen. Ich möchte ihn um eine wertvolle Facette ergänzen, mich funktional einfügen und nicht das Steinchen im Getriebe sein."


    Zumal ein verstimmter Senat einen lästig fallenden Homo novus daran zu hindern wusste, sich in ihre erlauchten Reihen zu erheben. Nachdenklichkeit verschleierte den Blick seiner dunklen Augen. Concordia konnte nicht immer gewahrt werden, ein Senator musste streitbar sein, doch galt es die offene Konfrontation zu meiden und klügere Wege zu finden - so verstand Ravilla den Rat seines Gegenübers, den er gleich eines güldenen Geschmeides in seinen Gedanken verwahrte.


    "Darf ich dich höflich um eine Empfehlung bitten, wie folglich am besten zu verfahren ist im Hinblick auf meine Karriere? Für den Wahlkampf muss breite Unterstützung gesichert sein und mein bisheriges Konzept scheint sich zu diesem Zeitpunkt als für Werbezwecke ungeeignet darzustellen. Gleichwohl würde ich dem amtierenden Praefectus Urbi zuarbeiten wollen, so dass es mir eben sowenig ratsam erscheint, Gedanken zur Sicherheit gänzlich außer Acht zu lassen. Was also rätst du mir zu tun?"

    Welch geschmackvolle Geschenke! Ravilla amüsierte der Umstand, dass zwei identische Statuetten den Weg ins traute Heim der Annaei gefunden hatten und nahm dies als gutes Zeichen. Sein eigenes Geschenk wartete ebenso im Garten in Gestalt eines Pärchens edler schwarzer Brieftauben aus der Zucht der Gens Seia. Diese warteten in einem ziervollen Käfig, nicht getrennt, sondern vereint und von einem Tuch vor den Eindrücken geschützt, bis man es lüftete, um sie zu betrachten. Ravilla hatte besonders schöne Tiere gewählt, deren scheinbar vollständiges Gefieder bei genauer Betrachtung in Violett und Grün schillerte.


    Anbei gab es ein kleines hölzernes Taubenhaus, leicht genug, es allein von einem Platz zum nächsten tragen zu können. War küftig eine Zucht der Tiere für den eigenen Bedarf erwünscht, so konnte noch ein Taubenschlag errichtet werden. Falls nicht, so würden die überzähligen Tiere einfach verwildern und es bei diesem Paar bleiben. Es bestand folglich nicht die Gefahr, das Anwesen mit mehr Tauben als gewünscht zu bevölkern.


    All diese Dinge erklärte Ravilla, als es ihm gelang, die Eheleute für einige Augenblicke zu sprechen, denen das Glück eine zarte Röte auf die Wange getrieben hatte, wobei dies auch der Wein sein könnte.

    "Die Aburteilung der Taten muss dem geltenden Recht entsprechen, nicht an der Motivation des Täters gemessen werden. An dieser Stelle stimme ich dir zur Gänze zu. Doch ohne vorherige Evaluierung der Motive können wir immer nur die Symptome der anwachsenden Kriminalität bekämpfen und werden das Übel nie an der Wurzel zu fassen bekommen. Mir erscheinen die Ursachen der Kriminalität in dieser Hinsicht daher durchaus relevant. Ihre Kenntnis würde die Effizienz der Kriminalitätseindämmung vermutlich erhöhen. Doch bewegen wir uns hier im spekulativen Bereich, bis es nicht getestet wurde."


    Auf den Einwand zur Finanzierung hin nickte der Seius.


    "In der Tat tendiere ich zur Einsparung an öffentlichen Bauwerken, im Sinne von erwirtschafteten Überschüssen, die zur freien Verteilung vorgesehen sind, wohlgemerkt, nicht in einer kompletten Streichung der Gelder an bestimmter Stelle. Du scheinst mir skeptisch zu sein im Anbetracht meiner Visionen. Deine Erfahrungen sprechen, wie es scheint, dagegen, ein entsprechendes Vorhaben in Erwägung zu ziehen?", erkundigte Ravilla sich interessiert. Ihm selbst erschienen seine Ausführungen logisch, doch mochte es sein, dass der erfahrenere Magistrat Dinge sah, für die Ravilla noch keinen Blick entwickelt hatte.


    "Wenn die Frage nicht zu persönlich ist, hattest du Visionen, als du den Cursus Honorum einst mit dem ersten Schritt betratest oder war es die reine Pflichterfüllung, welche dich auf deinem Weg leitete? Und so du Visionen hattest - konntest du sie verwirklichen oder musstest du sie zu Grabe tragen?"

    Ein wenig im Hintergrund heute, doch nicht minder aufmerksam, fand sich auch Ravilla im gewohnten Gefolge des Flaviers, die Tabula in der Hand und den Leibsklaven im Schlepptau, der ihm nicht nur die Toga zu richten und eventuelle sonstige optische Makel zu begleichen beauftragt war, sondern auch bei der Verschriftlichung von Ravillas Überlegungen half - wenig fachkundig zum Leidwesen des Seius - und ihm auf Wunsch hin und wieder ein kühlendes Getränk organisierte. Das Wetter war durchaus dazu geeignet, Ravilla ins Schwitzen zu bringen. Darüber hinaus war die Hilfe des Seius heute wenig vonnöten, doch Ravilla verfolgte lernend das Gespräch des Magistrats und des Geistlichen, der ihm bekannt vorkam.


    Ein Weilchen sinnierte er, bis es ihm einfiel - dies war Quintilius Clemens, dessen Rede Ravilla beim Rhetorenwettstreit ganz ausgezeichnet gefallen hatte, wiewohl es seine rhetorische Pflicht gewesen war, sie nach den Regeln der Kunst zu zerpflücken. Anschließend hatten die vormaligen Kontrahenten den Abend entspannt im Gespräch ausklingen lassen, wobei der Quintilier sich als spendabel erwiesen hatte, was ihn gleichwohl in die Reihen der Sympathieträger aufsteigen ließ. Ravilla lächelte Clemens zu und nickte zum Zeichen, dass er ihn erkannt hatte.

    "Wenn eine Anmerkung meiner Person gestattet ist", meldete Ravilla sich in einer Pause zu Wort, "so möchte ich ein Lob verlauten lassen. Mir sind im Rahmen meines Tirocinium Fori schon Gesetzestexte mannigfacher Gestalt untergekommen, doch dieses gehört zu jenen, welche sich dem Anwender als besonders angenehm präsentieren, folgerichtig unter dem Gesichtspunkt der Praktikabilität gar vortrefflich formuliert wurde."


    Inhaltlich beizutragen hatte der Seius nichts, es wäre wohl auch anmaßend erschienen in dieser hoch dotierten Runde, doch vertrat er die Auffassung, dass gute Arbeit durchaus erwähnt werden durfte - nicht zuletzt, da auch er selbst eines Tages von der erwähnten Praktikabilität profitieren mochte.

    Gleich einem Stern im güldenen Glanz zog Sotion noch immer seine Bahnen allein. Wer wollte ihn erreichen, wer sich mit ihm messen? Es gelang niemandem, auch nur in seine Nähe zu gelangen. Die Pferde spürten, so schien es, wie einzigartig dieses Rennen für sie und ihren Fahrer war, denn auch sie ließen keine Schwäche offenbar werden. Vor Verzücken schmolz Ravilla schier, nur am Rande bedauernd, keinen entsprechenden Wetteinsatz getätigt zu haben.


    Die grüne Mauer wagte indes einen Vorstoß, um gemeinsam den zweiten und dritten Platz für die Factio Praesina zu beanspruchen. Sie öffneten ihre Reihen, um Proteneas zu überholen, der bis soeben auf dem zweiten Platze recht sicher schien. Während Synnesis dies gelang, kämpfte Braecus vergebens. Proteneas ließ ihn nicht vorbei. Die Macht der grünen Mauer war, so schien es, gebrochen und es sofort drängten von hinten weitere Fahrer nach. Geschrei ertönte, als Bewegung in das Mittelfeld kam.


    Gebrüll aus der weißen Ecke ließ so manchen seine Aufmerksamkeit auf deren Fahrer lenken. Und der Blick sollte sich lohnen! Lusorix von der bis dahin schwächelnden Factio Albata holte unerwartet auf, überholte in einem spektakulären Sprint gleich drei Fahrer! Er ließ Athenodorus, Tanco und Tamos in einer Wolke von Sand hinter sich. Weiße Fahnen und Banner wehten, die Anhänger der Albata tobten wie weiße Gischt.


    Auch Ravilla applaudierte, rief "Famos!" und schoss dabei versehentlich ein Nüsslein quer durch das Publikum, wo es schadlos gegen eine gut gepolsterte Perücke prallte. Wer hätte gedacht, dass das Blatt sich für die Weißen noch derart wenden würde? Ravilla seinerseits nicht. War dies womöglich Taktik gewesen, hatte der Fahrer die Kräfte seiner Tiere bewusst geschont? Die Antwort kannten die Weißen allein.


    _______________________________________________


    Reihenfolge nach Runde 4


    1. Sotion

    2. Synnesis

    3. Proteneas

    4. Braecus

    5. Lusorix

    6. Tamos

    7. Tanco

    8. Athenodorus

    Ravilla, welcher dem Diskurs mit Interesse lauschte, nippte am Weine, ehe er bedächtig das Glas beiseitestellte und eine Pause ausnutzend das Wort ergriff.


    "Ich möchte mich entsprechend meines gegenwärtigen Kenntnisstands der vom geschätzten Valerius Flaccus zitierten Gelehrtenmeinung anschließen, an deren Korrektheit ich keinen Zweifel hege. Gern gebe ich auch die Begründung dazu.


    Die Zeit selbst mindert keineswegs per definitionem den Wert eines jeden Sklaven - man denke an einen Paedagogus oder Medicus, dessen Erfahrung mit dem Lebensalter steigt, oder schlichtweg an einen jeden Sklaven, der einer Sklavendynastie entstammt, welche schon seit Jahrzehnten und darüber hinaus der Familie treue Dienste erweist. Solcherlei Wert ist in Geld kaum zu messen. Die älteste Sklavengeneration arbeitet oft die Jüngste ein und erzieht sie im Sinne des Herrn. Ein alter Sklave ist unter diesen Gesichtspunkten betrachtet keineswegs wertlos, so dass eine fehlende Logik des ursprünglichen Zweckes aus meiner Sicht nicht festzustellen ist.


    Um nicht all die Ausnahmen gesondert evaluieren und festhalten zu müssen, in welchen der Nutzen einer Veräußerung jenen des Festhaltens am Gegenstand übersteigt, lag es aus dieser Warte nahe, sich per se gegen eine Veräußerung der Sklaven und anderer Res mancipi auszusprechen. Eine pragmatische Simplifzierung war dies wohl, an der ich nichts Abwegiges festzustellen vermag, wenngleich man freilich für jedes Gesetz ein Fallbeispiel finden könnte, welche dieses als unpraktisch entlarvt. Für jene Ausnahmen erfand man später gemäß unseres verehrten Dozenten schlussendlich die Mancipatio."

    Ravilla bedrückte der ruinöse Zustand des Etablissements, dessen Kondition so mühsam versucht worden war, zu kaschieren - mehr noch, da diese Lokalität wohl in Anbetracht der reduzierten Finanzierungsmöglichkeiten ihrer Nutzer wahrscheinlich eine Art Wohnstatt darstellte und nicht nur einen Arbeitsplatz. Indes kam der Aedil den - wohl die Buchhaltung nicht ganz korrekt führenden - Bewohnern mehr entgegen, als ein anderer es an seiner statt wohl getan hätte, was Ravilla dem Flavier als Großmut anrechnete. So hoffte er zugleich, dass diese den untersten Schichten der Gesellschaft entstammenden Gestalten die gereichte Hand nicht beißen, sondern sich der Geste als würdig erweisen würden. Er würde den Fall verfolgen und, sofern alles zufriedenstellend verlief, vielleicht als positives Beispiel für die Wirksamkeit sozialen Engagements heranziehen.


    Eine entsprechende Notiz fand ihren Weg auf seine Tabula.

    Gern würde Ravilla es forcieren, seinen Bruder in dessen Karrierewünschen zu sekundieren - wären sie denn vorhanden! Bislang waren keine wohllautenden Ambitionen diesbezüglich an das Ohr des Ravilla gedrungen, doch hoffte er sehr, dass sich dies wandeln würde. Ein diesbezüglicher Impuls mochte existieren, welcher Atticus dazu bewogen hatte, nun den Tunikazipfel des Vaters zu verlassen und allein nach Roma zu reisen, um die Verwandtschaft aufzusuchen. So erwiderte er das Lächeln seines Bruders und beide strahlten um die Wette, wobei Ravilla mit seinen artifiziell weißen Zähnen wohl den Bruder noch übertraf.


    "Es wäre mir eine Freude, nach dem Ende des Abends mit dir sprechen zu können, kleiner Atticus. Findest du die Zeit? Sicher gibt es allerlei, dass du deinem großen Bruder mitteilen möchtest, wenn du solch eine beschwerliche Reise ganz allein auf dich genommen hast!"


    Ein Quäntchen Spott ob der Jugend von Atticus musste dieser sich als jüngerer Bruder gefallen lassen, dies war die güldene Regel unter Geschwistern. Ravilla bediente sich an dem Würzhonig, welchen er Anaxis mit einem Fingerzeig aufforderte, in sein Rosenwasser zu geben, während der Aedil vorzüglich mit eigenen Fingern schlemmte und dabei von Herzen erquickt wirkte. Ravilla gönnte ihm diesen Genuss, ebenso memorierte er, dass man dem Manne mit einer galanten Bedienung und Süßspeisen eine Freude bereiten konnte. Um kulinarische und weitere Vorlieben zu wissen, mochte früher oder später relevant werden. Ravilla dachte hier nicht in kalkulierenden Bahnen, er schätzte den Aedil als Mensch, der sich viel Zeit dafür nahm, ihn als Tiro fori anzulernen und erachtete es daher für angemessen, zu evaluieren, wie er diesem einen kleinen oder größeren Gefallen erweisen könnte.

    Das Lächeln des Seius wirkte ein wenig verkrampft. So sehr er sich im Lichte der Aufmerksamkeit gefiel, so gab ihm die Größe des Amphitheatrums das Gefühl, jeder mögliche Makel seiner Arbeit würde mit abertausenden Augen bemerkt werden, nur um bei seinem künftigen Werdegang ans Licht gezerrt zu werden. Umso stärker wuchs das Bedürfnis, jeden bloßen Gedanken an einen Makel zu ersticken unter einer Aura der Vollkommenheit, unter noch huldvollerem Gebaren, noch wertvolleren Stoffen, noch maskengleicherer Kosmetik. Die Zeit bis zur ersten Kandidatur lag in weiter Ferne noch, war indes auch längst kein Pünktlein mehr am Horizont, sondern zu gut sichtbarer Größe angewachsen. In der Tat stopfte Ravilla darob die Nüsse mehr aus Nervosität in sich hinein, als sie zu genießen. Die freundlichen Worte des Flaviers indes, die taten ihm im Gegensatz zur kulinarischen Autosuggestion tatsächlich wohl. So entspannte seine Haltung sich ein wenig und er reichte Anaxis die Schale mit den Nüssen, um die unschöne Verhaltensweise zu unterbrechen, die ihm seiner unwürdig erschien.


    "Hab dank, o Aedil", sprach er überschwänglich und wie es schien, griffen die Götter sein 'o' sogleich auf und formten ein vielstimmiges Echo daraus:


    Es ging ein "Ohhh" durch die Zuschauer, als Tamos erneut beschleunigte. Nun zeigte der zweite Fahrer der Russata, wofür er die Farbe des Feuers trug! Er zog in atemberaubendem Tempo an Lusorix vorbei, vor dem er so scharf einscherte, dass dieser bremsen musste. Fluchend fiel Lusorix noch hinter Athenodorus von der eigenen Factio an den letzten Platz zurück. Ein zweites "Ohhh" wurde hörbar, bedauernd diesmal und aus der weißen Ecke tönend. Als sei ihm die Tragik der Weißen ein Ansporn, überholte Tamos just in jenem Augenblick auch noch Tanco von der güldenen Konkurrenz und war nun auf dem fünften Platz. Der rote Block der Zuschauer schrie sich die Seele aus dem Leib.


    An der Spitze behielt man indes die gesicherte Formation bei: Braecus und Synnesis tauschten die Plätze, doch verhinderten weiterhin als grüne Mauer jedwedes Überholmanöver von hinten. Tamos mochte zu Höchstform auflaufen, doch nun musste er bremsen, denn niemand gab ihm Gelegenheit, noch weiter vorzupreschen. Vor ihnen aber hieb Proteneas wütend auf seine Pferde ein, denn mit dem zweiten Platz gedachte er nicht, sich zufriedenzugeben.


    Noch immer einsam an der Spitze schien Sotion im Goldrausch dem Sieg entgegenzustreben. Doch der Abstand zu Proteneas wurde geringer ...


    _______________________________________________



    Reihenfolge nach Runde 3:


    1. Sotion

    2. Proteneas

    3. Synnesis

    4. Braecus

    5. Tamos

    6. Tanco

    7. Athenodorus

    8. Lusorix

    "Der Sohn meiner älteren Halbschwester Seia Sanga", erklärte Ravilla beflissentlich. "Ihr Mann war Titus Iunius Priscus, welcher bei der Legio Prima Traiana seinen Dienst versah, bevor die Götter ihn zu sich riefen. Sie folgte ihm vor wenigen Monaten."


    Ravilla tangierte dies nur peripher, da sie beide kaum ein gemeinsames Leben geteilt hatten. Etwas anderes wäre es gewesen, würde der Tod seine geliebte Fusciana getroffen haben, durch deren Adern das gleiche edle Blut strömte, Fusciana, die man ihm grausam entrissen und nach Achaia entsandt hatte zu einer Genesung, die doch nur Ravillas Präsenz ihr hätte ermöglichen können.

    "Leider sind mir nur zwei in Roma anwesende Seii bekannt, von welchen mein jüngerer Bruder erst kürzlich angereist zu sein scheint."


    Warum Atticus bislang nicht erwähnt worden war, lag daran, dass Ravilla ihn in seinen Betrachtungen zu den Familienverhältnissen vergessen hatte, zu erwähnen. Während der ältere Halbbruder Stilo sich allzu oft unangenehm in Ravillas Gedächtnis drängte mit seinem Hang zum Niederen, hatte der jüngere Bruder räumlich lange in großer Distanz zu ihm geweilt und sich im Laufe der Jahre aus seiner Wahrnehmung geschlichen. Erstaunt und beinahe schockiert registrierte Ravilla den Bartwuchs des Atticus und die tiefe Stimme aus dem Gesicht, welches er noch als das eines Knaben im Gedächtnis hatte.


    Sim-Off:

    SimOFF erschien das Brüderchen nach unserem Gespräch erst im Rollenspiel und im Stammbaum. :)