Beiträge von Galeo Seius Ravilla

    Als der Soldat den Vorhang öffnete, sah er ein weiteres Tuch - jenes, dass der gepeinigte Ravilla sich über den Kopf gezogen hatte. Da dieser den plötzlichen Lichteinfall bemerkte und angesprochen wurde, befreite er nun seinen Kopf. Angeekelt blinzelte er das Sonnenlicht an, das in sein Gesicht schien, ehe er den Soldaten ansah. Grüßen war in der Urbs Aeterna scheinbar nicht mehr modern.


    "Salve, Miles. Der Grund meiner Reise ist jener, dass ich für das Amt des Quaestors kandidieren möchte", erklärte er betont förmlich.

    Die mit Gepäck vollgeramschte Carruca stand selbstredend vor dem Stadttor, denn niemand hatte sie bislang hindurch gelassen. Ravilla massierte sich die schmerzende Schläfe, während er hoffte, dass sein Sklave dafür sorgte, dass er samt Carruca nach Rom hineingelangen konnte.


    Anaxis, der persische Sklave, wandte sich dem Soldaten zu, der den Dienst übernahm. "Wir waren gerade im Gespräch mit Eurem Kollegen." Da war er wieder, der verhasste Plural, mit dem die Orientalen gern die Leute ansprachen, stellte Ravilla fest. Seine Kopfschmerzen nahmen zu. Anaxis, nichtsahnend, dass ihn später eine Strafe erwarete, fuhr arglos fort: "Dürfen wir das Tor passieren?"


    In der Carruca herrschte Grabesstille und die Vorhänge blieben verschlossen.

    Anaxis drehte sich mit arrogantem Gesichtsaudruck um, als das Mädchen ihn anraunzte. Gerade öffnete er den Mund, um sie darauf hinzuweisen, dass sie ihren Platz offensichtlich nicht kenne - zwar war er nur ein Sklave, aber immerhin schickte ihn sein edler Herr vor - da mischte sich eine Stadtwache ein.


    "Was ich da auf dem Karren habe?", fragte Anaxis entsetzt, doch seine Stimme blieb leise, um das empfindsame Gemüt des Seius Ravilla nicht in Wallung zu bringen. "Meinen Herrn, Dominus Seius Ravilla, der nach Roma gekommen ist, um hier Politik zu machen!"


    Ängstlich zuckten seine Augen in Richtung der Vorhänge der Carruca, hinter denen sein Herr sich verschanzt hatte, angewidert von der Welt und ihren Banalitäten. Ravilla litt gerade und wünschte darin nicht gestört zu werden.

    Der Reisewagen war gut gefedert, dennoch verlor Ravilla irgendwann die Nerven. Die Straßenplatten rumpelten rhythmisch unter den Holzrädern, die ledernen Aufhängungen quietschten und knarrten, die Pferdehufe klapperten. Und das seit Wochen! Langsam war es genug. Er reiste mit wenig Gepäck und hatte nur einen einzigen Sklaven bei sich. Als geradezu barbarisch empfand er diese Verhältnise, die reinste Zumutung. Sein Sklave ertrug die Launen stoisch. Anaxis sah aus wie ein Perser, war dem Blute nach auch ein Perser und hieß wie ein Grieche. Dieser Stilbruch missfiel Ravilla ebenfalls, doch an den Namen gewöhnt verspürte er dennoch nicht den Bedarf, ihn zu ändern. Solche nur scheinbaren Kleinigkeiten waren die Steinchen im Schuh seines Lebens, welche die Schritte nicht behinderten, aber unbequem machten. Anaxis hatte es aufgegeben, Ravilla aufmuntern zu wollen, saß ihm gegenüber und schwieg, während er aus dem Fenster blickte, während sein Herr sich ein Tuch über den Kopf gehängt hatte, um nichts und niemanden sehen zu müssen.


    Das Gefährt hielt. "Wir sind da, Herr", verkündete der Kutscher. "Vor uns liegt das Stadtor!"


    "Anaxis soll sich darum kümmern", knurrte Ravilla, ohne Anstalten zu machen, sein Tuch abzunehmen oder aus der Carruca zu steigen oder den Sklaven direkt anzusprechen.


    "Sehr wohl, Herr."


    Der junge Perser, der übertrieben persisch gewandet war (so wie sich ein Römer einen echten Perser eben vorstellte) mit bunten Pluderhosen und über Kreuz gewickelter Jacke, geschmückt mit allerlei Klimbim, mit dem er sich in der Heimat seiner Väter lächerlich gemacht hätte, stieg aus und wartete, bis sie an der Reihe waren. Er hoffte, dass man sie mit der Carruca durch das Tor lassen würde, denn die Laune seines Herrn, den die Reise gestresst hatte, war auch so schon unterirdisch.