Die Bewerbung hatte dem Procurator imponiert. Gnaeus nickte. Denn er ging davon aus, dass er heute nicht hier wäre, wenn er in seinem Brief nicht auch ein bisschen auf den Putz gehauen hätte, zum Beispiel mit den vielen Namen, die er darin aufgeführt hatte. Gleichzeitig wusste er aber auch: Namen allein reichten nicht aus. Sie waren zwar Türöffner; aber auch durch eine offene Tür wurde niemand getragen. Diesen Weg musste jeder selbst aktiv beschreiten!
Und genau dafür war Gnaeus heute hier. Die erste Frage bezog sich auf sein Alter. "Ich bin 47 Jahre alt." In seinen Augen weder eine Stärke noch eine Schwäche. Denn letztlich war es nur eine Zahl, nicht mehr. Ein 30-jähriger Weltenbummler konnte mehr Erfahrung haben als ein 60-jähriger Greis, der sein Stadtviertel oder Dorf nie verlassen hatte. Umgekehrt konnte ein 50-jähriger Römer, der regelmäßig für Sport und Entspannung in die Thermen ging, fitter und gesünder sein als ein 20-jähriger Hungerhaken, der notorisch kränkelte. "Auf die Einkünfte aus einer Anstellung als Primicerius bin ich aufgrund meiner gut laufenden Betriebe nicht angewiesen, das ist richtig. Was ich stattdessen suche, ist vor allem eine Aufgabe, eine neue Herausforderung." So oder so ähnlich hatte er sich ja auch in seinem Brief schon ausgedrückt. "Nach dem Tod meines Vaters habe ich meinen Teil des Erbes zusammen mit meinem guten Namen in eine Karriere als Lokalpolitiker investiert. Diese Herausforderung hatte ich spätestens nach meiner Wahl zum Duumvir bestanden. Deshalb habe ich mich anschließend nach größeren Herausforderungen umgesehen: Ich habe meine während des Duumvirats geknüpften Kontakte genutzt und bin mit meiner Familie von Demetrias im Südosten nach Apollonia im Westen von Makedonien gezogen. Dort habe ich dann den Grundstein gelegt für mein heutiges Netz aus Unternehmungen." Warum ausgerechnet in Apollonia und nicht in Demetrias? Die Antwort war so einfach wie unspektakulär: Instinkt. "Ich konnte rasch expandieren, im Norden die Adria hinauf bis ins italische Verona, im Süden bald bis ins Umland von Cyrene auf der anderen Seite des Mare Internum."
Ja. "Und damit war auch diese Herausforderung im Grunde keine Herausforderung mehr. Denn einerseits beschränkt die Lex Mercatus die Anzahl wirtschaftlicher Betriebe." Mehr als fünf waren halt einfach nicht erlaubt. "Und andererseits liegt auf der Hand, dass die Eröffnung jedes weiteren Geschäfts in aller Regel weniger herausfordernd ist als die Eröffnung der vorherigen." Handelsrouten hatten sich etabliert, der eigene Name war bereits in anderen Städten bekannt, die Abläufe waren im Grunde meist doch sehr ähnlich. "Nebenbei finanzieren meine Betriebe nicht nur das gemeinsame Leben mit meiner Frau, sondern auch die Ausbildung unserer gemeinsamen Kinder. Auch im familiären Bereich gibt es daher kaum noch eine Herausforderung, der ich mich noch stellen könnte." Dass er sogar bereits ein Kind verloren hatte, seinen ältesten Sohn, ließ Gnaeus unerwähnt. Das war ihm zu persönlich für ein Bewerbungsgespräch. "Familiäre Verpflichtungen haben meine Frau und mich nun nach Rom geführt. Und nachdem ich hier aufmerksam wurde auf den großen Bedarf in den Bereichen Leben und Wohnen und Luxus... ein Bedarf, der sich auch mit meinem privaten Netz an Unternehmungen unmöglich derart befriedigen lässt, ...kam mir die Idee, dass die Lex Mercatus in ihrem 17. Paragraphen auch eine Möglichkeit für ein staatliches Eingreifen vorsieht. Mit meiner unternehmerischen Erfahrung würde ich mich nur allzu gerne darum kümmern. Sowohl um den wirtschaftlichen Teil als auch um den Teil, das Bewusstsein der Menschen um diesen Paragraphen und seine Nutzung zu schärfen." Das war ein ganz konkreter Punkt, aus dem heraus sich Gnaeus explizit die Finanzabteilung ausgeschaut hatte. Ein so großes Netz aus Unternehmungen zu managen, das wäre definitiv eine Herausforderung, auch wenn man ein eigenes, kleineres Netz bereits zum Erfolg geführt hatte. "Ich denke, ich könnte dem Procurator a Rationibus und damit indirekt natürlich auch dem Princeps hier eine gute Hilfe sein... genauso wie bei Fragen des Census, der von Equites und Senatoren zu erfüllen ist, oder im Falle von Donativa, die zu veranlassen sind, oder was auch immer für sonstige Fragen in einem dieser Bereiche auftreten."
Sim-Off:Ich weiß, es wird sich bestimmt eine ganze Weile hinziehen, bis es hier wieder eine WiSim gibt. In der Zeit finden sich aber bestimmt andere Aufgaben in der/für die Finanzabteilung.
Soviel zu seinem Lebenslauf und der unter anderem daraus erwachsenen Idee, sich auf den Posten des Primicerius a Rationibus zu bewerben.