Beiträge von Publius Matinius Sabaco

    Sabaco saß in vollständiger Dunkelheit und trauerte. Alle Fenster und Türen hatte er verschlossen, kein Licht entzündet, keine Feuerschale nichts. Es war kalt und dunkel in der Stube von Umbrenus Nero. Sabaco hegte inzwischen keinerlei Hoffnung mehr, dass sein ... Cornicularius ... das Geheuchel machte es nicht besser ... dass sein ...


    Ruppig stand er auf und straffte die Haltung, fegte jeden Gedanken aus dem Kopf. Einen Augenblick schwankte er, wohl weil er zu schnell auf die Beine gesprungen war. Einen anderen Grund konnte, durfte es nicht geben, und der Decurio stieß sich von der Wand ab, die ihm eben noch Halt gegeben hatte, stürmte wie ein angesengter Stier aus dem Raum. Wenn er ins Dunkel fiel, dann fiel er sehr tief. Dafür hatte er keine Zeit, er durfte nicht. Ocella ... sein kleiner Bruder brauchte ihn mehr als jeder andere Mensch ihn brauchen konnte, auch wenn der Kleine es bis zum Schluss hartnäckig geleugnet hatte. Sabaco musste funktionieren!


    Und das tat er, marschierte aus dem Raum, auf direktem Weg in die Therme, um unterzutauchen im eisigen Wasser des Kaltbeckens bis er am ganzen Leib schlotterte und ihm die Eier von der Kälte brannten, und dann blieb er noch länger, um all das zu vergessen, was kantig und tonnenschwer wie ein Fels auf sein schwarzes Herz drückte und ihn zu der rachsüchtigen Gestalt machte, der man nicht ohne Grund die Operation Sommergewitter anvertraut hatte.

    "Eigene Waffen und Pferde sind erlaubt, wenn sie den Anforderungen entsprechen. Lass nach dem Dienst beides prüfen und dann soll dem nichts im Wege stehen.* Viele stocken die Ausrüstung aus eigener Tasche auf. Das freut die Ala, weil es die Kasse der Einheit schont."


    Zum Kommentar, dass die Waffe besser sei, sagte er vorerst nichts, da die Ausrüstung der Ala durchaus solide war. Allerdings war es ein offenes Geheimnis, dass Germanen und vielmehr noch Kelten oftmals die besseren Schmiede waren, weil sie nicht die römische Massenproduktion bedienten, die vor allem preiswert und effektiv zu sein hatte, sondern auf einen kleineren Kundenkreis blickten. Manchmal aber von deren Technik durchaus etwas zu lernen und fähige Handwerker wurden immer gesucht. Bei der Überprüfung der Spatha würde man sich mit Rupa unterhalten, sollte die Waffe tatsächlich den Schwärmereien gerecht werden, und ihn gegebenenfalls zur Fabrica schicken, um mal ein Wörtchen mit dem Zuständigen zu wechseln, ob man vom Wissen des Iuniers nicht profitieren konnte.


    "Kommen wir zur Ausbildung. Ich will sehen, wie ihr reitet."


    Seinen Informationen nach gab es in dieser Truppe niemand, der überhaupt nicht reiten konnte, aber das Niveau fiel wohl unterschiedlich aus. Einige Gehilfen führten die Pferde herein, ruhige vierbeinige Veteranen mit Narben, die auch ein Anfänger beherrschen konnte. Inzwischen wusste jeder, wem für die Dauer der Ausbildung welches Pferd zugewiesen worden war. Neue Kriegspferde frisch von der Ausbildung erhielten später nur erfahrene Equites. Iunius Rupa hatte das Glück, dass ihm heute sein eigenes Tier gebracht wurde.


    Sabaco aber brachte man seinen Grauschimmel Gymir aus dem Gestüt der Duccier, ein junges, aber zuverlässiges Tier, groß und kräftig genug, auch einen Brocken wie den Decurio mühelos zu tragen.


    "Aufsitzen!"


    Auch er selbst schwang sich in den Sattel. Ohne Steigbügel, wie sie bei den östlichen Völkern teilweise üblich waren, nicht immer einfach, da man sich mit dem Gewicht der Rüstung hochstemmen musste. Es gab auch Trittsteine, doch nicht hier auf dem Exerzierplatz, wo Sabaco sehen wollte, wie die Tirones sich quälten. Auch im Gefecht konnte man schließlich nicht immer auf einen passenden Trittstein oder Baumstumpf hoffen oder darauf, dass der eigene Sklave seinen Rücken zur Verfügung stellte. Aufmerksam beobachtete Sabaco seine Männer.


    Sim-Off:

    *Du kannst später davon ausgehen, dass die Prüfung positiv verlaufen sein wird und Rupa sein eigenes Pferd wie auch die Spatha verwenden kann.

    Andriscus


    Wenn du die Güte hättest, dein edles Heck in den Hörsaal zu verfrachten, wartet dort ein gelehriger Tiro auf deine Weisheit. Wenn nicht, ersetze ich das Fleisch in deiner Ration fortan durch Grünkohl.


    Nach einer fürchterlichen Nacht sah Sabaco aus wie gerädert. Aber da das bei ihm nichts Ungewöhnliches war, kam das so oft vor, dass es schon fast wieder normal war. Es tat seinem Elan, als er vor seine Männer trat, keinen Abbruch. Hier draußen im Dienst war er heil und ganz, funktionierte und sprühte eine bissige Art von guter Laune. Besonders, da dieser Schwung Rekruten einen besseren Eindruck machte, als die letzte Fuhre. Ein Eques aus seiner Turma begleitete ihn.


    "TIRONES, STATE!*" Laut dröhnte Sabacos heiserer Bariton über den Campus. Sein Blick strich langsam von einem Ende der Reihe zum anderen, nahm das Gesamtbild in sich auf, prägte sich Details für später ein. "Movemini.** Ich bin Decurio Publius Matinius Sabaco und ich habe das Kommando über die Turma II. Außerdem übernehme ich eure praktische Ausbildung."


    Das war für einen Decurio eher ungewöhnlich, aber wenn ihm wegen des verdammten Fiebers sämtliche Unteroffiziere wegbrachen, musste er eben improvisieren. "Unterstützt werde ich von Eques Zisimos." Er wies auf einen Kameraden, der mit seinem silberschwarzen Haar und Bart wirkte, als würde er schon an den Vierzig kratzen, der sich aber hatte als Dreißigjähriger eintragen lassen. Sabaco kümmerte die offensichtliche Lüge nicht, da der Mann ausgesprochen fähig war. "Die Theorie*** übernehmen Duplicarius Andriscus und Eques Iunianus Fango."


    Wer von beiden, das wusste er noch nicht, da Andriscus gerne mal durch spontane Abwesenheit glänzte. Fürs Erste mussten die Tirones aber einen längeren Wortschwall über sich ergehen lassen, damit sie die Regeln kannten:


    "Ab sofort wird euer Tagesablauf wie folgt aussehen:


    Aufstehen mit dem Weckruf. Euch bleibt eine halbe Stunde, dann ist Dienstantritt hier auf dem Campus. Hier findet die Tagesbefehlsbesprechung statt, danach folgt der Frühsport. Gelegentlich kann eine spontane Stubenkontrolle stattfinden, ihr solltet also stets auf Ordnung achten, um euch unangenehme Überraschungen zu ersparen. Nach dem Frühsport beginnt die eigentliche Ausbildung. Was genau an welchem Tag stattfindet, obliegt euren Ausbildern.


    Es gibt eine kurze Pause am Vormittag und Mittags eine lange, in der ihr etwas essen könnt. Am frühen Abend ist euer Dienstschluss. Es kommt nur selten vor, dass ihr mal früher Schluss habt, diese Hoffnung muss ich euch nehmen. Wahrscheinlicher ist, dass überzogen werden muss.


    Danach müsst ihr noch eure Ausrüstung nachbereiten und die Einsatzbereitschaft vollständig wieder herstellen. In der Regel habt ihr eine Stunde Freizeit, welche ihr für eure Körperpflege in den Thermen und das Zubereiten der Abendmahlzeit nutzen solltet, dann ertönt meist schon das Signal, das den Beginn der Nachtruhe ankündigt. Ab dato ist vollständige Ruhe und keiner verlässt mehr das Quartier. Dieser strengen Regelung unterliegt ihr während der gesamten Grundausbildung. Ausgang, Nachtausgang oder gar Urlaub gibt es für keinen Tiro.


    Am Ende eurer Grundausbildung werdet ihr Equites sein, Reiter Roms. Es wird hart werden, aber es lohnt sich. Danach werdet ihr euren Einheiten zugewiesen und wer weiß, vielleicht sehen wir uns dann wieder. Ich wünsche euch allen viel Erfolg."


    Er blickte in zufälliger Reihenfolge von einem zum anderen. "Fragen, bevor wir zur Praxis schreiten?!"



    Sim-Off:

    *Stillgestanden!

    Sim-Off:

    **Rührt euch.

    Sim-Off:

    ***Theorie & Praxis werden parallel bespielt, damit wir zügig vorankommen. Du kannst dich also auch schon in den Raum LI begeben.

    Dass der Cornicularius sich noch nicht zurückgemeldet hatte, sagte ihm alles. Sabaco fürchtete die Deutlichkeit der Realität. Er kannte alle Antworten auf seine Fragen. Und doch ...


    ... zögernd trat er ein, blieb stehen. "Kann ich zu Titus Umbrenus Nero?", fragte er heiser.


    Mit sichtlichem Unwohlsein versuchte ein Capsarius, den finsteren Decurio irgendwie zurück zur Tür hinaus zu lotsen, der da breitbeinig stand wie der Koloss von Rhodos. Sabaco ließ ihn ungerührt wuseln, knurrte: "Ich weiß, dass hier alles voller Miasmen ist. Aber ich muss zu Titus Umbrenus Nero. Verstehst du?"


    Schließlich kam der Medicus persönlich, der Sabacos besondere Sorge nach einigem Hin und Her erkannte. So versuchte er auf dem Weg der Vernunft, den riskanten Krankenbesuch zu unterbinden: "Wenn du dich ansteckst, fehlt der Turma Secunda, die so viele Männer verloren hat, auch noch der Kopf. Wenn du es wünschst, bringe ich dich zu deinem Cornicularius, doch überlege dir gut, ob es dir das Risiko wert ist. Es ist kein schöner Anblick und du kannst ihm in seinem Zustand nicht helfen."


    "Er ist nicht irgendwer und soll spüren, dass ich da bin. Ich muss ihn wenigstens kurz sehen", sagte Sabaco. "Ich gehe nicht nah ran und bleibe nicht lange. Aber ich muss ihn sehen."


    So befahl der Arzt seinen Capsarii, gründlich zu lüften, um die Miasmen zu verdünnen, und gab Sabaco ein nach Kräutern riechendes Tuch, das er sich vor Mund und Nase binden sollte. Es wurde wohl regelmäßig in Heilkräutern gekocht und dann getrocknet, um die schädlichen Dämpfe zu filtern. Durch die offenen Fenster wurde es nun ungewohnt kalt im Valetudinarium. Der Arzt führte den Gast zu einem abgelegenen Zimmer.


    "Lass uns bitte kurz allein."


    Rang hin oder her, hier im Lazarett hatte der Arzt das Sagen. Doch mochte er erkennen, wie wichtig diesem Gast der Besuch war. Sabaco und Nero blieben allein, einer aufrecht stehend, der andere tief in die Strohmatratze und das Kissen versinkend. Wie dürr Neros Arme geworden waren. Als Sabaco in das weiße, wachsgleiche, eingefallene Gesicht sah, wusste er, dass Nero den Kampf gegen das Fieber verlor. Sein Herz zog sich zusammen und für einen Moment stand Sabaco haltlose Verzweiflung ins Gesicht geschrieben. Nero war unrettbar verloren, die Götter riefen ihn zu sich, so wie sie ihm auch Ocella genommen hatten und Stilo.


    Da unten, im Kelp, auf dem Meeresgrund

    taucht fern vom Licht der getupfte Seehund.

    Ruht er am Strand auch im Sonnenschein

    jagt er im Schwarzwasser doch allein.


    Was war zuerst da gewesen, der Rufname Phoca oder der Fluch? Oder spielte nichts von diesen Dingen eine Rolle, wenn die Götter würfelten? Sabaco richtete sich auf, neigte den Kopf mit lautem Knacken nach links und rechts, ließ Gesicht und Herz zu Stein erstarren und ging mechanisch zurück an die Arbeit. Erst am Abend, als er allein in seinen Decken lag, brach die Einsamkeit mit voller Wucht über ihn herein.

    Stille.


    Sabaco hatte seine neuen Männer ziehen lassen, um selbst noch ein wenig Kraft im Heiligtum zu tanken. Sein Blick strich über das Feldzeichen, das Antlitz des Kaisers und verlor sich am Ende minutenlang in der Feuerschale. Feuer, die Konstante in seinem Leben, an der Stelle, wo kein Mensch bislang mehr als ein paar Monate, bestenfalls Jahre, geweilt hatte. Geblieben war von diesen keiner. Momentan glomm die Glut gezähmt in seinem Herzen, ein Knistern junger Flammen, genährt von frischem Gehölz. Die neuen Rekruten erdeten ihn, gaben seiner heiligen Aufgabe eine neue, verjüngte Gestalt.


    Sabaco drückte vor dem Banner seiner Einheit die Faust auf sein Herz, bevor auch er das Sacellum verließ. Hinter ihm begannen in gemessener Stille und Andacht die Aufräumarbeiten.

    Sabaco war wieder ganz in der Gegenwart. Die Stimmen seiner neuen Rekruten erfüllten ihn mit Zuversicht. Keine Tumbheit, dort war Feuer. Besonders bei Iunius Rupa. Vielleicht ...


    ... für solche Gedanken war es zu früh.


    "Ihr seid jetzt Tirones der Ala I Aquilia Singularis! Den Adler des Caesars haben wir unter Blutzoll von Rom bis hierher getragen. Dass sein Sohn noch lebt, verdankt der Kaiser uns. Dass Rom überhaupt noch steht und nicht von plündernden Barbaren niedergerissen wurde, verdankt er uns. Wir sind der Schlüssel und darum tragen wir seinen Namen. Ihr tretet ein in die Tradition einer sehr stolzen Einheit. Die nächsten 12 Wochen werden zeigen, ob ihr würdig seid."


    Er nickte bekräftigend.


    "Morgen früh beginnt euer Dienst auf dem Campus. Begebt euch nun in eure Unterkünfte, beschnuppert euch. Vom Kameraden an eurer Seite hängt in Zukunft euer Leben ab. Tirones, abite!*"


    Sim-Off:

    *Wegtreten!

    Im Sacellum lag heilige Stille. In einer Feuerschale loderte das ewige Feuer, der ganze Raum roch nach Räucheropfern. Die Feldzeichen waren an der Rückwand des Heiligtums aufgestellt und flankierten eine Statue des Kaisers, glänzend, denn sie war vor der Zeremonie noch einmal rituell gereinigt worden, so wie auch die Feldzeichen und alles andere, was sich in diesem Raum befand. Die menschlichen Gestalten verschwammen im Nebel.

    Schatten. Sie alle waren nur Schatten.


    Als einer von ihnen trat Sabaco vor die Männer, die vom Rauch der Feuerschalen umwölkt wurden. "In aciem venite! State", gab er den Befehl in Linie anzutreten und stillzustehen. Er ließ den Augenblick noch etwas länger auf sie wirken. Noch immer vollzog er Varros Aufgabe, der erloschene Hass auf den Offizier lag wie kalte Asche in seiner Seele.


    Das Fahnenheiligtum barg mehr als die Wahrzeichen der Ala I Aquilia Singuarium. Es war ein sakraler Ort - ein Heiligtum im eigentlichen Wortsinn. Sabaco fühlte solche Dinge intensiv, seit er seinen Bruder nur noch geistig spüren konnte und alle Sinne auf diesem Bereich wacher hielt denn je, in der Hoffnung auf ein Zeichen, eine Botschaft, ein Rufen, das ihn zu dem Ort führen würde, wo Ocella auf ihn wartete. Doch da waren nur Stille und Dunkelheit.


    "Der Eid ist keine reine Formalität. Er schweißt uns aneinander, macht aus Einzelkämpfern eine Kameradschaft", klang seine Stimme durch den Raum. "Tritt vor, Tiro Faustus Iunius Rupa, und schwöre bei deinen Göttern und unverbrüchlichen Eiden, dass du deinem Kommandanten folgen wirst, wohin er dich auch führen mag. Du wirst jedem Befehl ohne Rückfragen gehorchen. Du verzichtest auf den Schutz des römischen Bürgerrechts und willigst in die Vollmacht deines Kommandanten ein, dich wegen Ungehorsam oder Desertion ohne Prozess hinzurichten. Du gelobst, unter den Feldzeichen die dir zugeteilte Dienstzeit abzuleisten und sie nicht zu verlassen, ehe dein Kommandant dich entlässt. Du wirst Rom treu dienen, und sei es unter Einsatz deines Lebens, und wirst gegenüber Zivilisten und deinen Kameraden im Lager die Gesetze achten.


    Tiro Iunius! Gelobe nun dem Kaiser deine Treue mit folgenden Schwur. Sprich mir nach: IURANT AUTEM MILITES OMNIA SE STRENUE FACTUROS QUAE PRAECEPERIT IMPERATOR CAESAR AUGUSTUS, NUMQUAM DESERTUROS MILITIAM NEC MORTEM RECUSATUROS PRO ROMANA REPUBLICA."

    Es sah wie ein Zufall aus, dass Sabaco ebenfalls ins Officium trat, doch es war keiner. Man hatte ihm vom Tor aus berichtet, wer gerade auf dem Weg zur Rekrutierung war. Nachdem er durch die Tür getreten war, wartete er den Gruß der Anwesenden ab, um ihn zu erwidern, ehe er vor den diensthabenden Offizier trat. Er machte eine kaum merkliche Kopfbewegung in Richtung Rupa, nickte einmal, plauderte eine Belanglosigkeit und verschwand genau so schnell wie er gekommen war.

    "Wenn die Ala deine Heimat werden soll, hast du das Herz auf dem rechten Fleck." Das war eine andere Motivation, als das Bürgerrecht oder der Zaster, wenngleich beides auch seine Berechtigung hatte. Doch würden entsprechende Soldaten eher selten im gleichen Maße heimisch werden wie jene, die den Eid aus tiefstem Herz heraus sprachen.


    Als Rupa sagte, er würde Sabacos bester Soldat werden, lachte der Decurio, doch es war ein gutmütiges Lachen, weil ihn der Überschwang amüsierte. In all der Tristesse, der er in den letzten Monaten ausgesetzt war, tat es gut, mal wieder jemanden zu erleben, in dem das Lebensfeuer noch derart heiß loderte. "An Motivation und Selbstsicherheit mangelt es dir jedenfalls nicht. Du hast die Messlatte mit deinen Worten hoch gesteckt, aber du wirst schon wissen, warum." Vielleicht war es ihm wichtig, einen guten Eindruck zu erwecken, vielleicht war er tatsächlich von seinen Leistungen derart überzeugt und vielleicht, nur vielleicht, war er das sogar zu Recht. Die Ausbildung würde es bald zeigen. "Na dann. Wir sehen uns."


    Noch durfte er ihn nicht mit "wegtreten" verabschieden, doch das würde noch kommen ... bald.

    Sabaco schloss vor Fangos Nase die Tür, bevor Rupa seinen Rapport machte. Der fiel ausführlicher aus als erwartet, so dass Sabaco anerkennend nickte. "Dass ein Aufstand ansteht, haben wir schon vermutet. Auch die Gründe sind uns bekannt. Gut zu wissen, dass endlich der verdammte Kopf und seine Helfer identifiziert werden konnten. Gute Arbeit. Dankwart also. Kannst du mir den beschreiben?"


    Dankwart, nie gehört. Der Kerl musste sich bisher gut verborgen haben, doch Sabaco zweifelte nicht am Wort des Iuniers. Er studierte die Karte, die von Rupa ergänzt worden war, und verglich sie mit seinen eigenen Erkenntnissen. Er hatte dem Kundschafter nur einen Bruchteil dessen verraten, was er selbst bereits wusste. Rupas Informationen fügten sich bestens in das Puzzle. Das half nicht nur in der Planung weiter, sondern diente vor allem dem Beweis von Rupas Vertrauenswürdigkeit. So stand einer weiteren Zusammenarbeit nichts im Weg.


    Sabaco war zufrieden, was man ihm ansah, als er wieder aufblickte. "Ich kann dich beruhigen, eine zweite Varusschlacht wird es nicht geben. Die Details zur Strategie aber müssen wir den Stabsoffizieren überlassen. Es wird sicher bald eine Besprechung geben, da die neuen Tribuni ihre Ämter angetreten haben. Ich bin nicht begeistert darüber, dass während der Vorbereitung eines Feldzuges das Personal wechselt, aber so ist es nunmal. Wir müssen uns mit den Gegebenheiten arrangieren. Was deinen Wunsch betrifft, so stehe ich zu meinem Wort."


    Sabaco warf ihm ein Säckchen mit den Rest des vereinbarten Geldes zu. Rupa wirkte abgekämpft und hatte sich eine Pause redlich verdient. "Geh dich ausruhen und gönn dir so viel Wein, wie du willst, denn als Tiro wirst du die Castra nur dienstlich verlassen und hast keinen Ausgang. Bevor du nicht Eques bist, wirst du keine Taberna und kein Lupanar mehr von innen sehen, also lass ein letztes Mal die Sau raus. Wenn du dich bereit fühlst, melde dich erneut an der Porta und einer Rekrutierung steht nichts im Weg."

    Als es klopfte fuhr Sabaco mit einem derben Fluch auf. Ausgerechnet jetzt, nie hatte er Ruhe! Fast in der gleichen Bewegung war er in seine Tunika geschlüpft, schlang sich den Militärgürtel und den Waffengurt mit dem Dolch um die Hüften und stieg in die Schuhe, die er mit wenigen Handgriffen festzurrte und verschnürte. All das hatte nur wenige Augenblicke gedauert.


    "Du bleibst hier", befahl er Scato und es war ihm völlig schnurz, dass er nicht in der Position war, seinem Gast irgendetwas zu befehlen.


    Er schloss die Tür zu seiner privaten Stube hinter sich und marschierte zur Tür. Die öffnete er. Fango brauchte nichts sagen, Sabaco sah, wer neben ihm stand und öffnete sofort die Tür ganz. "Komm rein, Rupa." Sein Puls, der sich während der Behandlung zu entspannen begonnen hatte, schoss erneut in die Höhe. Er hoffte, der Mann hatte brauchbare Neuigkeiten! Auf gute Nachrichten hingegen hoffte Sabaco schon seit Wochen nicht mehr.

    Als er auf der Pritsche lag, entspannte Sabaco sich ein wenig. Es hatte ihn viel Überwindung gekostet, einen Arzt zu konsultieren. Die Spuren auf seinem Körper waren nur Zeugnis eines viel größeren Kampfes, den er jeden Tag ausfechten musste. Die Gedanken daran, was er mit seinem Körper anstellen könnte, gingen über das, was man sah, hinaus. Wenn sich nichts änderte, würde er diesen Kampf verlieren.


    "Diese Narben sind sehr alt. Ich hatte damit aufgehört, als Stilo mich mit zum Militär nahm. Man hätte mich nicht für tauglich befunden, wären sie frisch gewesen. Das war der einzige Grund." Er unternahm keinen Versuch zu leugnen, dass er selbst sich diese Schnitte zugefügt hatte. "Ich hatte vor einigen Wochen wieder damit angefangen, als das Fieber um sich griff. Die Dinge stehen nicht gut. Meine Männer liegen im Valetudinarium, und man macht mir keine Hoffnung. Kameraden ... Freunde ..."


    Und mehr. Er kniff die Augen zusammen, erzitterte leicht, und öffnete sie wieder, doch sie blickten ins Nichts. "Unser Kampf ist gerecht, unsere Aufgabe groß. Wir wollen die Turma Prima retten ... meinen Bruder, vor allen anderen ihn, und auch Subpraefectus Alae Germanicus Varro und seine übrigen Männer. Aber es scheint, wir ... können es nicht."


    Das Gefühl völliger Nutzlosigkeit und Vergeblichkeit überkam ihn erneut, weil alles schief lief, weil sie starben wie die Fliegen, weil irgendjemand da oben nicht wollte, dass Ocella überlebte oder dass Sabaco glücklich war.


    "Mein Cornicularius und mein Duplicarius liegen in diesem Moment im Sterben. Die Turma Secunda ist ein verstümmelter Rumpf, der nur noch einen einzigen Arm hat. Die Männer fragen mich, wie es weitergehen soll. Ich mache ihnen Mut, führe sie Tag für Tag. Jeden Sonnenaufgang lüge ich ihnen zum Appell ins Gesicht. Es ist nun schon Monate her, seit die Turma Prima davonritt, und wir haben kein Wort von ihnen gehört und keine Spur in Erfahrung gebracht. Der Tod ist durch den Limes gesickert und tötet uns auf unserem Heimatboden, ohne dass die Germanen auch nur die Axt erheben müssen."

    So legte er den Gürtel und die Tunika ab, sogar das Schuhwerk, bis er nichts mehr am Leib trug. Alles legte er ordentlich auf einen Stuhl, die Schuhe schob er parallel darunter. Dann richtete er sich zur vollen Größe auf. Er überragte Scato um einen halben Kopf, war zudem massiger gebaut. Was die körperlichen Voraussetzungen betraf, sollten sie vermutlich tauschen, der Hänfling sollte Reiter werden und der menschgewordene Bulle Prätorianer. Aber das Leben folgte seinen eigenen Gesetzen.


    "Halsweh. Die Augen brennen, und Abends bekomme ich Fieber."


    Nervös zuckten seine Finger, denn es war offensichtlich, dass dies nicht alles war. An seinem Körper fanden sich zahllose Narben, Spuren und Wunden, die nicht dort hin gehörten, und Zweifel an Sabacos geistiger Eignung für seine Position als Decurio wecken könnten. Wie Sabaco bei diesem Gedanken mit erhobenem Kinn auf seinen Gast hinabsah, musste er aufpassen, nicht allzu bedrohlich dreinzublicken. Er wollte nicht, dass Scato das irgendwo ausquatschte, und konnte sich nur mit Mühe verkneifen, das auszusprechen.

    "Komm erstmal rein. Den Decurio kannst du heute stecken lassen, ich habe privat nach dir schicken lassen. Als ob die Ala dienstlich auf die Ärzte der Prätorianer zurückgreifen könnte."


    Er führte seinen Gast durch die angenehm kühle Unterkunft. Alle Fensterläden waren geöffnet, das Licht schien von draußen herein. Blaue Gardinen dienten als Sichtschutz und tauchten die Räume in ein kühles Licht. "Ich weiß nicht, was du für die Untersuchung brauchst", sagte Sabaco über seine Schulter hinweg, ein wenig nervös klang er vielleicht. "Tisch und Stuhl? Eine Liege?! Du musst mich rumkommandieren. Ich glaube, ich habe mir dieses verdammte Fieber eingefangen! Aber ich will nicht erst ins Lazarett, wenn ich nicht mehr kriechen kann. Die Frühzeichen müssen mit allen Mitteln bekämpft werden, ich habe eine Strafexpedition vorzubereiten."


    In seinem Schlafzimmer blieb er schließlich stehen und drehte sich zu Scato. Hier gab es alles, was zuvor aufgezählt worden war - ein Bett, ebenso auch einen Tisch mit zwei Stühlen, sowie eine Waschschüssel mit allem, was dazugehörte, Handtuch, ein Spiegel, Körperöl. In einer kleinen Extratruhe befand sich alles, was Sabaco sonst noch für die Körperpflege brauchte, wie Zupfer, Schaber, ein Toilettenbesteck und so weiter. Aber diese Dinge würden Scato wohl kaum interessieren.