Sabaco wartete, bis der Soll-Zustand wieder hergestellt war. Erneut standen alle Vorderhufe in einer Reihe, alle Blicke gingen geradeaus und es herrschte Schweigen auf dem Campus. Diesen Augenblick ließ Sabaco eine Weile wirken, in der sie die vollständige Stille und das Ruhigsein ertragen mussten.
"Und so, Tirones, will ich euch künftig bei jedem Appell erleben." Der Decurio hatte aufgehört zu brüllen und seine Gesichtsfarbe begann sich zu normalisieren. "Denkt immer daran: Der beste Schutz für eure Familien da draußen seid ihr. Nicht als Horde nackter Wilder, sondern zu einer Turma vereint, in Eisen gerüstet und mit der Macht Roms im Rücken."
Ruhig fuhr er fort:
"Noch mal für alle: Wer etwas zu sagen hat, macht das mit einem langem Blickkontakt deutlich. Wenn ich den Blickkontakt erwidere, heißt das, ich habe euch bemerkt und ihr könnt aufhöre, mich anzustarren. Zu gegebener Zeit werde ich euch die Aufforderung zum Sprechen erteilen. In Notfällen ruft ihr: 'Decurio!' Sei es, weil ein Kamerad vom Pferd gestürzt ist oder ein bewaffneter Barbar im Gebüsch auftaucht. Solche Sachen, die ein sofortiges Handeln erfordern."
Sein Blick strich über die Reihe. Er war gezwungen, noch weiter auszuholen.
"Was das Liebchen von Kamerad Iunius betrifft, so will ich nicht erleben, dass ihr mir nun alle mit euren Liebesgeschichten in den Ohren liegt! Wir sprechen hier von Einzelfallentscheidungen, die taktische Gründe haben. Ihr werdet euch mit dem Ausgang bis zum Ende der Grundausbildung gedulden. Ihr seid hier, weil ihr etwas für die Sicherheit eurer Stämme bewegen wollt. Mögen die Götter jenen gnädig sein, die mir wegen der besonderen Geschichte von Tiro Iunius Rupa mit ihrem Liebeskummer in den Ohren liegen, denn von mir haben sie keine Gnade zu erwarten.
Und jetzt, Tirones, reiten wird. Heute steht ein Ritt durchs Gelände an, wie ihr ihn später bei den Patrouillen erleben werdet. Vorher ein wenig Theorie."
Die Konzentration der Tirones war gefordert, denn die Erklärung benötigte ihren Raum: "Im Gegensatz zur Legio arbeiten wir bei der ALA weniger mit Sprachbefehlen. Diese werden in der Regel nur bei Paraden oder Appellen oder im Lärm eines Gefechts benutzt", begann er. "Deshalb ist es wichtig euch die Handzeichen einzuprägen. Das hier", er stieß die geballte Faust in die Luft, "bedeutet Achtung. Es erfordert eure unbedingte Aufmerksamkeit. Es ist eines der wichtigsten Zeichen."
Er sah die Linie entlang und fuhr fort: "Eine Turma reitet grundsätzlich in Zweierformation, außer in einer Siedlung oder einem Militärlager, oder wenn es im Gelände die Situation erfordert." Wieder sah er die Linie entlang. "Das heißt, ihr müsst immer auf euren Vordermann achten, denn schon das dritte Paar sieht die Handzeichen der Führung nicht mehr. Deshalb werden die Handzeichen grundsätzlich vom rechten Eques wiederholt." Sein Blick fixierte Iunius Rupa. "Jeder Eques auf der rechten Seite gibt sofort das Zeichen weiter, um auch die hinteren Equites zu informieren. Das erfordert absolute Aufmerksamkeit, nicht nur darauf, das Marschtempo zu halten und die Umgebung im Blick zu haben, sondern auch, jederzeit mitzudenken und seine Kameraden dadurch zu schützen." Wieder glitt sein Blick langsam die Linie entlang. "Wenn wir in Linie, also Einerformation reiten, gibt jeder zweite das Handzeichen weiter."
Das war wohl üblicherweise zunächst der Ansatz. Er erläuterte noch die Handzeichen für Schritt, Trab und Galopp, für das Anreiten und das Anhalten. Zum Abschluß kam noch eine Einführung in das Losreiten an sich:
"Der Truppführen reitet los und wenn er den vorderen Eques passiert, wendet dieser sein Pferd in Marschrichtung, um dem Truppführer in dessen Tempo zu folgen. Dann erst der nächste, bis zum letzten. Erst, wenn der Nebenmann sein Pferd gewendet hat und losreitet, wendet der Nächste." Er nickte. "Ausführung!"
Und zog seinen Grauschimmel in Richtung Porta.