Beiträge von Publius Matinius Sabaco

    So gefiel ihm das. Bald würde das alles noch ganz anders aussehen und aus den (meist) liebenswerten jungen Tirones, von denen einige sich gerade erst vom Rockzipfel der Mutter gelöst hatten, würden Schlächter geworden sein. Manch einfühlsameres Exemplar von Ausbilder erfüllte diese Aussicht mit Wehmut, die meisten betrachteten diese Notwendigkeit mit kühler Berechnung. Doch Sabaco brannte darauf, zu sehen, wie seine Ausbildung blutige Früchte trug und wie seine Tirones Roms Feinde mit ihren Klingen zerfleischten.


    "Tironeeees", brüllte er markerschütternd. "PEEERGIIITEEEE!!!*"


    RE: Großübung der Ausbildungseinheiten von Mogontiacum >>


    Sim-Off:

    *Marsch!

    Sabaco nickte. "Ganz recht, der ist gemeint. Im Wesentlichen sind die Mitglieder eines Contuberniums selbst für ihre Unterkünfte, den gemeinsamen Haushalt und ihre Verpflegung zuständig. Erinnert euch, das Contubernium ist die kleinste taktische Einheit und kann somit autark operieren. Ich als Decurio will also bei so grundlegenden Sachen nicht Kindermädchen spielen müssen. Sprecht euch selbstständig ab, teilt eure Dienste gerecht ein. Den Hut hat der höchste Dienstgrad oder der Stubenälteste auf.


    Zu jedem Contubernium gehört also:


    - 1 Zelt

    - 1-2 Maultiere, manchmal stattdessen auch Ochsen oder Esel

    - 1 Maultierführer, für die Germanen unter euch: den nennen wir hier Mulio

    - alle möglichen Werkzeuge, Eimer und grosse Körbe

    - 1 Handmühle


    Das Maultier schleppt das Zelt samt Zubehör. Aber die schwere Handmühle und das meiste andere lassen wir heute zu Hause. Die Aufgabe des Mulio ist es es nicht nur, für das Füttern und die Pflege des Tiers zu sorgen, sondern auch für den Bau des Zeltes, das bei Marschlagern verwendet wird. Als Muliones werden meist junge Männer in den Provinzen rekrutiert, nicht selten die unehelichen Söhne der Soldaten. Sie haben keinerlei Bewaffnung und tragen eine einfache Tunika. Zudem haben sie beim Marsch eine Ledertasche umgegürtet, in der sie Werkzeuge für den Zeltaufbau tragen. Die Muliones nehmen nicht aktiv an Kriegshandlungen teil und wohnen in Friedenszeiten in den Lagerdörfern. Es sind Zivilisten, ihr werdet sie also außerhalb ihrer Arbeitszeiten nicht in der Castra sehen.


    Eure Muliones habe ich für heute hierher bestellt, sie bereiten momentan mit den Calones eure Maultiere vor. Sie werden heute nicht viel Gepäck tragen, so dass ein Tiro, der ausfällt, ein Stück reiten kann. Notfalls schleppt ein Maultier auch mal zwei, aber ich hoffe nicht, dass es so weit kommt. Wir wollen das Ziel in den 5 Stunden erreichen, komme was da wolle, damit ihrden Marsch nicht wiederholen müsst. Sprich, wer ausfällt, schwingt sich mithilfe seiner Kameraden schnellstmöglich auf das Maultier, damit wir keine Verzögerung haben."


    Am Ende des Exerzierplatzes sah man nun die Muliones, von denen jeder heute zwei Tiere führte, nur für den Fall. Sabaco blickte von einem Ende der Reihe zum anderen. Da sie ihn kannten, konnten sie ahnen, dass es jetzt wieder laut werden würde. Einen Wimpernschlag später brüllte er:


    "Marschbereitschaft herstellen!"


    Wenn die Tirones alles richtig verstanden hatten, würden sie sich nun nach Contubernia geordnet vor ihrem jeweiligen Maultierführer sortieren. Da die Contubernia durchnummeriert waren, sollte es keine Schwierigkeiten bei der Zuordnung geben.

    Das Gesicht des Decurio blieb undurchdringlich, während Iunius Rupa antwortete, und er erwiderte den tiefen Blick. Dahinter barg sich Wissen, auf das manch einer lieber verzichtet hätte. Das galt für sie beide und sie verstanden einander. Er ließ dem Tiro Zeit, zu sprechen, denn das Thema war nicht trivial. Sabaco ging danach ein paar Schritt weiter, stellte sich vor die Truppe und blickte in zufälliger Reihenfolge von einem zum anderen.


    "Ihr hört, das Thema ist komplex und im Kern ist die Antwort nicht falsch. Je nach Situation kann und muss anders entschieden werden und alle genannten Methoden können richtig sein. Ein entscheidender Faktor wird dabei jedoch außer Acht gelassen. Darum fehlt die bestmögliche Lösung in dieser Aufzählung. Mit ein wenig mehr Informationen kommt ihr von selbst drauf. Ich will, dass ihr lernt, wie Soldaten zu denken."


    An dieser Stelle hielt er, damit sie die Antwort herausfinden konnten, etwas Theorie für notwendig, da die theoretische Ausbildung wieder mal äußerst schleppend voran kam.


    "Aufgepasst: Eine Turma, also im Idealfall 32 Mann, untergliedert sich in 4 Contubernia - Zimmergemeinschaften - in denen die Soldaten untergebracht sind. Das gilt auch für die Ausbildungsturma. In jedem Contubernium befinden sich also, je nach Truppenstärke, sechs bis acht Mann. Wir haben das Glück, vollzählig zu sein. Gemeinsam bildet das Contubernium die kleinste organisatorische Einheit innerhalb der römischen Armee. Im Standlager teilt ihr euch eine Stube und im Marschlager ein Zelt. Die Kameraden aus dem Contubernium sind fortan eure Familie. Man kann sie sich nicht aussuchen und doch gehört ihr untrennbar zusammen."


    Die meisten Dinge sollten sie inzwischen aus ihrem Alltag mitbekommen haben, doch manches schien noch unklar zu sein, weshalb Sabaco beschloss, diese Inhalte künftig einfach selbst in der Praxis einzuflechten, um die Lücken zu füllen. Er fuhr fort, nun lauter, denn jetzt kam der wichtige Teil:


    "Für den Marsch sortieren wir uns also ebenfalls nach Contubernia." Er blickte noch einmal zu Faustus Iunius Rupa, denn nun kam der Punkt, auf den er hinaus wollte: "Tiro Iunius. Was gehört, abgesehen von den Kameraden und deren persönlicher Ausrüstung, zu jedem Contubernium dazu?"

    In der Tat genossen die Tirones heute einen Tag, an dem das Wetter schlecht und die Laune des Ausbilders gut war. Kalter Schneeregen setzte sich auf ihren Wollmänteln ab. Sabaco spazierte langsam von einem Ende der Reihe zum anderen, während er sprach.


    "Movemini*, Männer. Um eure wunden Hintern zu schonen, erfolgt heute keine Reitübung, sondern ein Marsch. Wir beginnen ohne Gepäck, zwanzig Meilen** in fünf Stunden. Das ist ein knackiges Tempo, aber wenn ihr das schafft, müsst ihr ihn nicht wiederholen. Das Marschgepäck wird auf den Maultieren mitgeführt, welche die Calones in diesem Moment für euch vorbereiten, so dass ihr euch ganz auf euch selbst konzentrieren könnt."


    Er blieb vor Faustus Iunius Rupa stehen und sah dem Mann in die Augen. "Was machen wir, wenn ein Kamerad einen Krampf im Bein bekommt und nicht mehr laufen kann, Tiro Iunius?" Sabacos Blick hatte etwas Lauerndes.


    Sim-Off:

    *Rührt euch.

    Sim-Off:

    **30 km

    Nun sah Rupa seinen Decurio lächeln, doch es wirkte nur vordergründig freundlich. Es war das Lächeln, das ein Lamm als letztes von einem Wolf zu sehen bekam.


    "Krieg führt man nicht allein physisch. Da spielen noch die politische und wirtschaftliche Ebene mit rein, die ideologische ... Der bewaffnete Konflikt ist nur die Spitze des Eisbergs. Für uns als Frontsoldaten ist es natürlich das, womit wir uns täglich auseinandersetzen. Aber es gibt beim Krieg auch die Komponente der psychologischen Kriegsführung. Das Spiel ist alt, Iunius, sehr alt. Wir präsentieren Dankwart die passende Antwort, sollten deine Worte sich als wahr erweisen.


    Du kannst nun wegtreten und den letzten Aufgaben für heute nachgehen. Auseinandersetzungen findest du in der Lagertherme beim Ringkampf im Sand." Eine der beliebtesten Freizeitbeschäftigungen, gemeinsam mit dem Ballspiel in den Thermen oder dem verbotenen Würfeln. "Denk dran, morgen treffen wir uns hier ohne Pferd. Abite, Tiro."

    Rupa ließ sich von Sabacos bohrenden Fragen nicht aus der Ruhe bringen. Er dachte nach, hinterfragte die Informationen und blieb dabei professionell. Der Decurio ließ sich sein Wohlwollen nicht anmerken, sondern behielt die steinerne Miene bei.


    "Erkundungsritte in die Tiefen des Barbaricums haben dieses Jahr zu den Schwerpunkten* unserer Aufgabe gehört, da wir eine größere Expedition vorbereiten. Du siehst, da passt etwas nicht zusammen." Das musste nicht die Schuld von Iunius Rupa sein und war es wahrscheinlich auch nicht. Er gab seine Informationen gewissenhaft weiter, aber irgendwer säte Falschinformationen. "Das mit dem Fluss ist eine wichtige Information. Die werde ich der Classis weiterleiten. Was diesen Dankwart betrifft, so stinkt sein Handeln nach Verrat. Nur an welcher Stelle."


    Er sprach nicht aus, dass sein erster Verdacht auf die römische Classis fiel. Sabaco hatte selbst dort gedient und die verschlagenen Raubeine erlebt, die sich, wie die Ala, zumeist aus Germanen rekrutierte. Die Versorgung über den Fluss konnte nicht an ihren Schiffen vorbei passiert sein. Entweder wurde dort geschlampt ohne Ende, oder der Wind wehte aus einer anderen - sehr viel fataleren - Richtung. Sabaco wurde ein wenig flau im Magen, als ihm das bewusst wurde.


    Er griff in seine Gürteltasche und holte die Karte raus, die Iunius Rupa bekannt vorkommen dürfte. Es war eine Kopie jener, die er während seiner Nachforschungen im germanischen Hinterland angelegt hatte. Er reichte sie dem Tiro samt einem kleinen Kohlestift.


    "Zeichne mir die Stelle ein, außerdem mit Pfeilen die Richtung, aus der die Überfälle kommen." Es war seine Arbeitskopie, die er dann im Officium in Reinform übertragen würde."Über die übrigen Informationen muss ich nachdenken.


    Mit deiner Hilda machst du es mir nicht leicht." Ein merkwürdiger Satz, der nur Sinn ergab, wenn man wusste, dass Sabaco sehr unter der Entfremdung zu seinem kleinen Bruder gelitten hatte, der von einem germanischen Weib aufs Übelste manipuliert worden war. Sabaco misstraute solchen Frauen zutiefst und hielt es für besser, Hilda auf Nutzdistanz zu halten. Er kaute mit seinem Splittergebiss auf der Innenseite seiner Wange herum.


    "Ins Valetudinarium kommt sie mir nicht. Das ist ein Lazarett und kein Lupanar, und mit ihrer Loyalität ist es ja auch noch nicht weit her. Am Ende vergiftet sie uns die Patienten. Nein, das wird nicht geschehen. Wichtig ist, dass sie in Zukunft erkennt, dass es ihr besser mit Rom geht als ohne. Ihre Loyalität muss gefestigt werden. Wenn sie eine gewisse Bildung besitzt, sollte das kein Ding der Unmöglichkeit sein. Ich habe da jemanden an der Hand, der sich für ihr medizinisches Wissen interessieren könnte. Vielleicht kann sie mit dem ins Geschäft kommen, um sich ihr Brot und eine Unterkunft zu verdienen, ohne sich als Schankmaid oder Hure zu verdingen." Was ja meist aufs Selbe hinauslief. "Er wird in zwei Tagen hier vor Ort sein**, dann kann sie sich an der Porta melden, fals sie sich dafür interessiert. Ist ein netter junger Kerl, vor dem muss sie keine Angst haben."


    Sim-Off:

    *Zum Beispiel hier, man beachte insbesondere den ersten Beitrag: Vorboten des Sturms - Vorbereitungen auf die Operation Sommergewitter

    Sim-Off:

    ** Gemeint ist dieser Besuch - Hilda kann sich, wenn sie will, an der Porta des Castellums melden: RE: [Valetudinarium] Die Seuche greift um sich

    Überflüssiger Weise drängte sich auch Sabaco in dieses Treffen und verbreitete Stress, Druck und Hektik.


    "Salve, Optio. Man wird dir sofort den Kräutergarten zeigen und ich habe schon dafür gesorgt, dass man dir Ableger jeder Pflanze mitgeben wird, die du für deine Forschungen benötigst. Die Ala tut alles, damit dieses verdammte Fieber endlich eingedämmt werden kann! Was immer du brauchst, du wirst es erhalten, es darf in dieser Sache keine Geheimnisse geben."


    Natürlich hoffte er, dass der Prätorianer-Arzt seinerseits auch nicht mit Erkenntnissen geizen würde.


    "Du kannst auch die Patienten sehen. Man hat für viele von ihnen keinerlei Hoffnung mehr." Er stockte, rang mit sich. "Zum Beispiel mein Cornicularius. Titus Umbrenus Nero, er liegt dort hinter dieser Tür. Merke sie dir, hörst du? Er ist so krank, er spricht nicht, isst nicht, er schwindet wie ein Geist. Er gleitet mir ... uns ... einfach durch die Finger. Bei den Göttern, du musst ihn retten!"


    Im Hintergrund nahte Marcus Oppius Valentinus, der Medicus ordinarius, der Sabaco streng ansah, weil er sich während seiner Abwesenheit aufführte, als hätten all diese Entscheidungen bei ihm selbst gelegen. In Wahrheit standen und fielen diese Dinge mit dem Medicus ordinarius, der die Hoheitgewalt über diese Gemäuer innehatte. Sabaco grüßte ihn, fixierte Scato noch einmal mit festem Blick, und machte sich dann vom Acker.

    "Geht um die Informationen dieser Hilda", begann Sabaco. "Um das, was du zu Beginn des Tages zu berichten hattest. Für mich sind drei Dinge wichtig: Erstens, welchem Stamm gehört Dankwart an? Zweitens, welchem Stamm gehören die Dörfer an, die er überfallen hat? Drittens, wo soll diese Germanenfestung errichtet werden?


    Mich wundert, dass wir trotz unserer regelmäßigen Patrouillen noch nichts bemerkten und auch die Frumentarii sich noch nicht entsprechend gemeldet haben. Tausend Mann sind fast eine Legio. Eine Legio samt Pferden frisst täglich fast zwei Tonnen Getreide. Und die Tausend Krieger haben laut Hilda auch noch Anhang im Schlepptau. Wo Rom diese Berge an Nahrung her nimmt, ist klar, durch aufwändige Logistik, und mit einer riesigen Wirtschaftsmacht im Hintergrund. Aber ein Germane? Das alles kann nicht von Rom Kommen. Das bisschen Geplänkel reicht nicht aus, um eine ganze Stadt zu versorgen und auf unserer Seite des Limes wird nicht geplündert, dafür sorgen unsere Truppen. Folglich muss er die Mengen entweder von anderen Germanen rauben, wobei sich die Frage nach den Transportwegen ergibt, oder Hilda irrt sich, was die Anzahl der Männer betrifft."


    Die Möglichkeit, dass sie log, ließ er unausgesprochen.


    "Wie du Hilda unterbringst, bleibt dir überlassen. Du kannst deinen Sold dafür aufbringen, ihr ein Zimmer zu mieten und sie durchzufüttern, wenn dich nicht stört, dass von deiner harten Arbeit nichts für dich selbst übrig bleibt. Oder, was ich empfehle, sie lernt Latein und kann sich Arbeit suchen, zum Beispiel in der Taverne als Schankmädchen, wenn sie nicht gerade derart hässlich ist, dass einem bei ihrem Anblick der Appetit vergeht."


    Die Ala selbst würde die Frau nicht versorgen, da könnte ja jeder kommen, der irgendwann mal bei den Germanen gelebt hatte, was auf ziemlich viele Leute zutraf.


    "Noch eine letzte Frage. Du meinst, sie mag keine Römer. Du bist ein Römer. Wie passt das zusammen?"

    << RE: [Grundausbildung] Geländeritt


    Sabaco wartete, bis die erschöpften Tirones ihre Reihe gebildet hatten.


    "Für den ersten Geländeritt war das gut. Auch den Stresstest haben die meisten von euch mit ihren Tieren bestanden. Wer noch nicht mit sich zufrieden war, wird noch sehr oft Gelegenheit erhalten, es besser zu machen, ehe der Ernst losgeht. Ich bin zufrieden mit euch. Denkt daran, zuerst eure Pferde zu versorgen und dann eure Ausrüstung einsatzbereit herzustellen, bevor ihr für heute in den Feierabend geht. So muss das fortan jeden Abend ablaufen. Es mag sein, dass Alarm ist und ihr nachts auf einen Einsatz müsst, darum muss alles bereit sein.


    Morgen treffen wir uns zu Fuß und ohne Ausrüstung auf dem Exerzierplatz.


    Tiro Iunius kommt noch einmal kurz zu mir, der Rest kann wegtreten."

    Sabaco erwiderte den Blick des Iuniers mit einem anerkennenden Nicken. Hier war der Tiro schätzungsweise zehn Jahre älter als sein Ausbilder, auch wenn man das optisch kaum bemerkte. Sabacos ungesunder Lebensstil ließ ihn vor der Zeit altern. Er wusste nicht, ob Rupa verstand, dass diese Übung zwar lustig war, aber trotzdem einen ernsten Hintergrund hatte. Es ging darum, dass jeder Tiro lernte, sein Pferd in jeder noch so ungewohnten Situation zu kontrollieren.


    Sabaco wechselte ein paar Worte mit dem Offizier der Legio, bedankte sich für die Unterstützung bei der Übung und dann gingen beide Einheiten ihrer Wege. Die Legio kehrte zu Fuß zurück und die Ala wendete nach dem langen Ritt endlich die Pferde. Auch der Rückweg wurde noch einmal fordernd, aber technisch nicht mehr so anspruchsvoll wie der Hinweg. Die Pferde wurden durch seichtes Wasser gelenkt und durch einen holprigen Waldweg. Die Sonne ging schon unter, als die Castra in Sicht kam.


    Sabaco ließ die Tirones noch einmal kurz zu Pferd auf dem Exerzierplatz antreten.


    RE: [Grundausbildung] Tiro Faustus Iunius Rupa >>

    Jene, die das Reiten gewohnt waren, hielten sich wacker. Auch Iunius Rupa sah man an, dass er regelmäßig längere Zeit im Sattel saß. Andere rieben sich einen scharlachroten Wolf, der sie noch Tage, Wochen und nicht selten Monate quälen würde, da sie bei der Ala keine körperliche Schonung einlegen konnten. Es dauerte, bis sich der Körper daran gewöhnte und die Muskulatur so kräftig war, dass man das schonende Sitzen für die Dauer vieler Stunden bewusst steuern konnte. Manch einer würde heute schamvoll zum Medicus kriechen und um eine lindernde Salbe betteln.


    Sabaco grinste genüsslich in sich hinein. Den fehlenden Ausgang würde in dieser Zeit wohl niemand vermissen. Gut so. Sie würden ihr Zivilleben in die zweite Reihe verbannen, ohne es bewusst zu merken. Zu müde, zu schmerzvoll, zu gestresst, keine Lust. Der eigene Stamm und das zivile Lotterleben verblassten. Die meisten Tirones fielen am Ende des Tages halbtot ins Bett. All das war kein Nebeneffekt, sondern Absicht. Ihr Leben für Rom.


    "Der Schmerz von heute ist eure Stärke von morgen", verkündete Sabaco eine seiner Weisheiten. Seine Augen aber musterten die Böschung ...


    Plötzlich riss er die Faust zum Halten auf Schulterhöhe. Zeitgleich sprangen aus dem Unterholz zu beiden Seiten der Straße Gestalten, die brüllend auf ihre Schilde trommelten.

    << RE: [Grundausbildung] Tiro Faustus Iunius Rupa


    Sie ließen die Castra hinter sich zurück und ritten dem Rhenus folgend nach Süden in Richtung Borbetomagus. Die Straße lag breit und ebenmäßig vor ihnen, ein Teil des endlosen steinernen Netzes, die Pulsadern des Imperiums. Erste Schneeflocken setzten sich auf den Rüstungen der Männer und den Mähnen der Pferde nieder. Bei jedem Atemzug stießen Mensch und Tier eine Dampfwolke aus.


    Ihnen kamen Reisende und Händler entgegen. Die Ala wich nicht, sondern machte sich unverschämt breit auf der Straße. Diese bot durchaus genügend Platz, um den Reitern Roms auszuweichen, so dass niemand im Graben landen musste, und wenn hätte das Sabaco auch nicht geschert. Er war nicht Germanicus Varro, der für seinen Edelmut bekannt war, sondern verkörperte eine dunklere Seite von Roms Macht, die er als Ausbilder an seine Tirones weiterreichte. Ihm war wichtig, seine Tirones zu lehren, wie sie sich in jeder Situation bedingungslos Respekt verschufen. Höflichkeit gegenüber Zivilisten ließ einen nur schwach wirken. Er wusste, dass die meisten seiner Tirones nach der Grundausbildung einem Feind entgegentreten mussten, der zu Gräueln fähig war, die sie in ihrer gegenwärtigen Unschuld noch nicht einmal erahnen konnten. Die Männer mussten nicht nur ihre Körper, sondern auch ihre Herzen in Eisen panzern.


    Momentan war alles entspannt. Sabaco übte mir ihnen ab und zu das plötzliche Anhalten oder Wenden, indem die Reihe der Ausbildungsturma sich an sich selbst vorbeischlängeln musste. Der Decurio blickte regelmäßig über seine Schulter zurück. Bisher sah alles gut aus. Die Tirones mussten ein Gefühl für ihre Pferde entwickeln und die Pferde sich ihrerseits an ihre neuen Reiter gewöhnen.


    Der entspannte Ausritt barg jedoch seine eigene Art der Herausforderung - die Langeweile, die sich nach einigen Stunden einstellte, die beginnenden Schmerzen und das monotone, enervierende Hufgeklapper zu ertragen. Manch einem schwante, dass der Ritt lang werden würde, denn den Rückweg hatten sie, als die Sonne den Zenit überschritt, noch immer nicht angetreten.

    Sabaco wartete, bis der Soll-Zustand wieder hergestellt war. Erneut standen alle Vorderhufe in einer Reihe, alle Blicke gingen geradeaus und es herrschte Schweigen auf dem Campus. Diesen Augenblick ließ Sabaco eine Weile wirken, in der sie die vollständige Stille und das Ruhigsein ertragen mussten.


    "Und so, Tirones, will ich euch künftig bei jedem Appell erleben." Der Decurio hatte aufgehört zu brüllen und seine Gesichtsfarbe begann sich zu normalisieren. "Denkt immer daran: Der beste Schutz für eure Familien da draußen seid ihr. Nicht als Horde nackter Wilder, sondern zu einer Turma vereint, in Eisen gerüstet und mit der Macht Roms im Rücken."


    Ruhig fuhr er fort:


    "Noch mal für alle: Wer etwas zu sagen hat, macht das mit einem langem Blickkontakt deutlich. Wenn ich den Blickkontakt erwidere, heißt das, ich habe euch bemerkt und ihr könnt aufhöre, mich anzustarren. Zu gegebener Zeit werde ich euch die Aufforderung zum Sprechen erteilen. In Notfällen ruft ihr: 'Decurio!' Sei es, weil ein Kamerad vom Pferd gestürzt ist oder ein bewaffneter Barbar im Gebüsch auftaucht. Solche Sachen, die ein sofortiges Handeln erfordern."


    Sein Blick strich über die Reihe. Er war gezwungen, noch weiter auszuholen.


    "Was das Liebchen von Kamerad Iunius betrifft, so will ich nicht erleben, dass ihr mir nun alle mit euren Liebesgeschichten in den Ohren liegt! Wir sprechen hier von Einzelfallentscheidungen, die taktische Gründe haben. Ihr werdet euch mit dem Ausgang bis zum Ende der Grundausbildung gedulden. Ihr seid hier, weil ihr etwas für die Sicherheit eurer Stämme bewegen wollt. Mögen die Götter jenen gnädig sein, die mir wegen der besonderen Geschichte von Tiro Iunius Rupa mit ihrem Liebeskummer in den Ohren liegen, denn von mir haben sie keine Gnade zu erwarten.


    Und jetzt, Tirones, reiten wird. Heute steht ein Ritt durchs Gelände an, wie ihr ihn später bei den Patrouillen erleben werdet. Vorher ein wenig Theorie."


    Die Konzentration der Tirones war gefordert, denn die Erklärung benötigte ihren Raum: "Im Gegensatz zur Legio arbeiten wir bei der ALA weniger mit Sprachbefehlen. Diese werden in der Regel nur bei Paraden oder Appellen oder im Lärm eines Gefechts benutzt", begann er. "Deshalb ist es wichtig euch die Handzeichen einzuprägen. Das hier", er stieß die geballte Faust in die Luft, "bedeutet Achtung. Es erfordert eure unbedingte Aufmerksamkeit. Es ist eines der wichtigsten Zeichen."


    Er sah die Linie entlang und fuhr fort: "Eine Turma reitet grundsätzlich in Zweierformation, außer in einer Siedlung oder einem Militärlager, oder wenn es im Gelände die Situation erfordert." Wieder sah er die Linie entlang. "Das heißt, ihr müsst immer auf euren Vordermann achten, denn schon das dritte Paar sieht die Handzeichen der Führung nicht mehr. Deshalb werden die Handzeichen grundsätzlich vom rechten Eques wiederholt." Sein Blick fixierte Iunius Rupa. "Jeder Eques auf der rechten Seite gibt sofort das Zeichen weiter, um auch die hinteren Equites zu informieren. Das erfordert absolute Aufmerksamkeit, nicht nur darauf, das Marschtempo zu halten und die Umgebung im Blick zu haben, sondern auch, jederzeit mitzudenken und seine Kameraden dadurch zu schützen." Wieder glitt sein Blick langsam die Linie entlang. "Wenn wir in Linie, also Einerformation reiten, gibt jeder zweite das Handzeichen weiter."


    Das war wohl üblicherweise zunächst der Ansatz. Er erläuterte noch die Handzeichen für Schritt, Trab und Galopp, für das Anreiten und das Anhalten. Zum Abschluß kam noch eine Einführung in das Losreiten an sich:


    "Der Truppführen reitet los und wenn er den vorderen Eques passiert, wendet dieser sein Pferd in Marschrichtung, um dem Truppführer in dessen Tempo zu folgen. Dann erst der nächste, bis zum letzten. Erst, wenn der Nebenmann sein Pferd gewendet hat und losreitet, wendet der Nächste." Er nickte. "Ausführung!"


    Und zog seinen Grauschimmel in Richtung Porta.

    Die Männer hatten mit den Hufen ihrer Pferde eine Reihe gebildet, die nur ein Mal hatte korrigiert werden müssen, weil die äußeren Enden einen leichten Halbkreis formten. Sie hatten danach dagestanden, in voller Rüstung, erhobenen Hauptes, eine Ahnung der Krieger, die sie bald sein würden, ein Blick in die Zukunft. Das Morgenlicht hatte auf den Rüstungen geglänzt und sich in den feurigen Augen der Männer gespiegelt. Der Decurio war stolz auf die Tirones gewesen.


    Dann kam Rupa.


    Er ritt ein wie ein Bulle im Verkaufsraum eines Töpfers. Der Iunier wartete nicht auf die Aufforderung zu sprechen. Unaufhaltsam ließ er eine Litanei vom Stapel, die sich zu einer Horrorbotschaft auswuchs. Die Männer, zum Großteil Germanen, gerieten in Unruhe. Ihre Familien waren da draußen, scheinbar unter größter Bedrohung! Sie wollten helfen! So, wie Rupa sprach, stand der Stammesführer scheinbar direkt vor ihren Dörfern. Die Reihe kam durcheinander, Rufe wurden laut, als sie den Namen Dankwart hörten. Sabaco platzte der Kragen.


    Als erstes bekam Iunius Rupa eine mit dem Stab übergebraten, genau auf den Helm, durch den der Schlag sich auf den Schädel übertrug. Dann brüllte Sabaco los, dass den Männern auf dem Campus die Ohren klingelten. "Niemand spricht ohne meine Aufforderung! Du machst mich künftig mit einem Blick auf dich aufmerksam. Und wenn ich geruhe, deine Visage anzusehen, bittest du um die Erlaubnis, sprechen zu dürfen!"


    Doch das Losplappern war nicht das Schlimmste gewesen. Die Sehnen und Adern an Sabacos Hals traten hervor, als es ans Eingemachte ging.


    "Du, ein frischgebackener Tiro, untergräbst hier die Moral deiner Kameraden, raubst ihnen den Mut? Ein verfluchter Tiro demoralisiert die Truppe? Ich dachte, bei der Musterung hätte man sich der Existenz deiner Eier vergewissert! Ist es das, was die Gens Iunia heutzutage an Soldaten hervorbringt?! Deine Vorfahren rotieren im Mausoleum! Es ist deine verdammte Pflicht, dem Feind standzuhalten und nicht winselnd den Schwanz einzukneifen!"


    Als Sabaco derart laut wurde, sah man seine zersplitterten Zähne, die an das Maul eines Hais erinnerten. Doch er war noch lange nicht fertig und seine Stimme wurde immer lauter.


    "Du hattest einen Sonderauftrag und die Details bleiben gefälligst unter uns! Nichts, aber auch nichts davon, geht irgendjemanden außer uns beide etwas an, bis ich anderes entscheide!" Rupa musste noch einen weiteren, noch härteren Hieb über sich ergehen lassen, ehe der wutschnaubende Decurio ihn zurück zu den anderen schickte. So einen Hals hatte Sabaco lange nicht gehabt.


    "IN ACIEM VEEENITEEE!!!"* Sabacos Bariton röhrte über den Campus.


    In gefährlicher Ruhe beobachtete er die Männer. Manch einer ahnte, dass vielleicht noch etwas kommen würde.


    Sim-Off:

    *In Linie antreten!

    Ein neuer Tag brach an, für die Ausbildungsturma eine neue Ausbildungseinheit. Sabaco hatte sich am Vortag überzeugt, dass alle sicher im Sattel saßen und die Grundlagen des Reitens beherrschten.


    Heute traten sie erstmalig zu Pferd an und mussten sich in voller Montur im Sattel sitzend in einer Linie ausrichten. Geduldig wartete der Decurio. Er wirkte entspannt, verbreitete weder Stress noch Hektik, ließ ihnen die Zeit, die sie benötigten. Wie er da auf seinem Grauschimmel saß, könnte man meinen, er sei ein in sich ruhender und geduldiger Mensch. Er würde ihnen alles auf den Weg geben, damit sie dem Ansturm eines entfesselten Barbarenhaufens standhielten und am Ende lebend und siegreich das Schlachtfeld verließen.


    Noch immer wartete er, für den Augenblick im Reinen mit sich und der Welt.

    Die Tirones machten sich gut. Das Gegockel nahm mit der Zeit ab und man half einander. Ein guter Weg, den der Decurio durchaus registrierte. Hier und da rief er Tipps oder gesellte sich zu jenen, die sich mit ihrem Pferd noch abplagten und noch keinen Anschluss an die Kameraden gefunden hatten, um sie zu schulen. So verging die Zeit.


    Als es schon in Richtung Feierabend ging, kam Iunius Rupa mit einem Anliegen zu ihm. Sabaco wäre nicht Sabaco, würde er nicht auf Regeln pfeifen, sobald etwas anderes zielführender erschien. Tiro hin oder her, Rupa hatte eine Fährte. "Du hast meine Erlaubnis zum Ausgang. Nenne es an der Porta einen Sonderauftrag. Lasse dir die Zeit, die du brauchst, aber bedenke, dass du morgen früh dienstbereit sein musst."


    Damit hatte Rupa einen Freifahrtsschein erhalten, die Zeit mit seinem Liebchen etwas ausgiebiger zu nutzen und theoretisch die ganze Nacht fortzubleiben. Wenn er sich nur mit ihr traf, um sie auszuhorchen, mochte es sein, dass sie das Interesse an dem schmucken Römer bald verlor und diese wichtige Informationsquelle versiegte. Mit einer Einheimischen anzubändeln war eine bewährte Taktik und sie musste nicht zwangsläufig zum Schaden der Gespielin sein. Es musste nicht jedes Mal so enden wie mit Gwendolyn, die nun allein in der Fremde entehrt und enttäuscht einen kleinen Römerbastard großziehen musste. Wie viele Jahre war das nun her? Zwölf oder dreizehn?


    "Morgen gib mir einen Rapport, Iunius. Mach dir auch Notizen, damit nichts an Wissen verloren geht."

    Sabaco ritt nur langsam, meist ließ er sein Pferd stehen, weil er die Tirones beobachtete. Der Iunier bildete mit seinem Pferd eine Einheit, gut so weit. Irgendwann würden die Männer so weit sein, dass sie auch untereinander spürten, dass sie Kameraden waren und mit ihrem Leben für das des anderen einstanden. Die Zweifel und kleinlichen Animositäten würden in den Hintergrund rücken. Sie würden nicht nur eine Truppe werden, sondern eine Einheit sein.


    Es wurden nun auf einer Hälfte des Exerzierplatzes Hindernisse in Form von Strohballen aufgebaut, an denen die erfahreneren Reiter ihr Können demonstrieren konnten. Sie konnten darüber springen, im Slalom reiten, was auch immer, um sich noch besser an ihre Pferde zu gewöhnen.


    Ganz außen wurde das Stroh in Brand gesteckt. Wer es sich mit seinem Pferd zutraute, konnte dort durchreiten. Alle Pferde waren darauf geschult, es kam jedoch darauf an, sie auch dazu zu überzeugen. Heute waren diese Hindernisse noch keine Pflicht, aber den fortgeschrittenen Reitern sollte die Möglichkeit geboten werden, sich weiterzuentwickeln.

    Sabaco fand immer neue Vorwände, um die Domus herumzuschleichen. Er war krank und brauchte einen Arzt, aber nicht den verdammten Feldscher, er brauchte Scato, der einen nicht gleich fortschickte, wenn man nicht aus allen Venen gleichzeitig blutete oder das Bein nur noch an einem Faden hing. Der Optio valetudinarii wusste, dass es auch Krankeiten gab, die niemand sehen konnte. Sabaco hätte ihn gern in der Ala gehabt, was sollte er bei den Prätorianern, er gehörte zu ihnen, weil er zu Stilo gehörte. Die Welt war falsch, alles umsortiert, Sabaco würde sie korrekt zusammenfügen, wenn man ihn nur lassen würde.


    Doch seine Schritte stockten. Da war noch mehr besuch, ein schmucker Jüngling, den Sabaco ziemlich lecker fand. Was wollte der hier? Ah ja ... ließ sich herzen von Iunianus Fango. Auf den Gedanken, dass es sich hier um einen Verwandtschaftsbesuch handeln könnte, kam Sabaco nicht, stattdessen fand er den Anblick interessant, zog sich aber erstmal zurück. Er würde an einem anderen Tag noch einmal Scato besuchen, wenn sie mehr Ruhe hatten.