Beiträge von Publius Matinius Sabaco

    Die Plünderer waren diesmal schnell und ohne Blutvergießen vertrieben, kaum bewaffnete Halbstarke, die sich beim Auftauchen der Turma II versprengten und einzeln in die Dunkelheit flüchteten. Sie zu verfolgen war sinnlos. Für den Rest der Nacht blieb ein Wachtrupp an dem betroffenen Gehöft zurück, in den nächsten Tagen würde es verstärkte Kontrollen in der Region geben.


    Mehr konnten sie vorerst nicht tun, das Übel musste an der Wurzel gepackt werden und dazu benötigten sie die Informationen ihres geschrumpften und durchlöcherten Netzwerkes.


    Sabaco hoffte gedanklich auf Rupa, als er mit seinem Teil der Männer heim ritt.

    Der Einsatz hatte die Reiter um ihren Feierabend und um die halbe Nacht ihres Schlafes gebracht, doch immerhin gab es diesmal keine Verletzten.


    Trotzdem fühlte Sabaco sich nicht so fit, wie er sich fühlen sollte. Er streute heilsames Räucherwerk in die Feuerschale. Knisternd kräuselten die Blätter sich in der Glut. Den Gang ins Valetudinarium scheute er, doch er ließ nach Scato schicken mit dem Hinweis auf private Entlohnung. Seine Leistungsfähigkeit durfte nicht noch mehr leiden.

    "Guter Mann. Vale."


    Dann nahm Sabaco die Beine in die Hand. Wenn hier in Mogontiacum die Cornicines durch die Nacht hallten, dann war das selten ein Probealarm. Trotzdem wirkte er zufrieden, wie er da als Letzter aus der Taberna trabte. Rupa hatte ihm etwas zurückgegeben, was er fast verloren hatte: Hoffnung. Wie wichtig der Auftrag nicht nur für die Ala war, sondern für Sabaco persönlich, würde Rupa noch erfahren, wenn sie sich wiedersahen. Sabaco hatte keinen Zweifel. Der Bursche würde sich gut machen.


    Bevor der Herbst kam, würden sie erneut miteinander sprechen.

    Sabaco lächelt unverbindlich. "Die zunehmenden Überfälle in der Provinz auf die römischen Truppen sind bekannt. Details dazu wird niemand erfahren, der nicht Teil der Einheit ist. Was deine Deckung betrifft: Für Rom kann ich nicht sprechen, ich bin Offizier, kein Politiker. Sprich, gedeckt bist du allein durch mich. Mir aber ist es ein ... ein persönliches Anliegen, die Sicherheit wieder herzustellen. Eine Familienangelegenheit. Für dich ist erstmal nur wichtig, dass ich dringend die Namen der Anführer und ihren Aufenthaltsort benötige, und dich dafür fürstlich zu entlohnen bereit bin."


    Das sollte Rupa zeigen, wie ernst Sabaco die Angelegenheit war, dass es hier nicht um irgendetwas ging oder darum, Rupa ins offene Messer laufen zu lassen, sondern um etwas Wichtiges und Großes. Der Decurio nickte. "Und was deinen Karrierewunsch betrifft: Bei deiner Rückkehr werde ich sehen, was ich für dich tun kann. Tüchtige Männer werden stets gesucht. Noch einmal: Ich kann als Decurio weder für Rom noch für die Ala sprechen. Es wäre Augenwischerei, dir irgendwelche Versprechungen zu machen. Aber ich kann ein gutes Wort für dich einlegen. Wenn alles gut geht und wir gemeinsam reiten, wirst du mehr erfahren. Mehr über die Überfälle, mehr über den Rest."


    Sabaco kramte in seiner Gürteltasche. Er blätterte in seinen Gedichten und Zeichnungen, bis er ein freies Blatt fand. Das legte er auf den Tisch. Aus dem Kopf zeichnete er mit einem Kohlestift eine Karte der ihm bekannten Grenzregion. Sie enthielt keine wesentlichen Details, wie sie dem Militär vorlagen, aber ein paar bekannte Landmarken zur Orientierung.


    "Hier, für dich. Wenn du Karten lesen kannst, dann trage die Aufenthaltsorte oder Wohnorte ein. Töten sollst du erstmal niemanden. Bring dich nicht unnötig in Gefahr, schließlich wollen wir sie noch verhören und dich lebend wiedersehen. Abgesehen von Notwehr empfehle ich dir, auf Konfrontationen zu verzichten." Befehlen konnte Sabaco ihm noch nichts. Was Rupa am Ende tun würde, lag in seiner eigenen Hand. Wie er an die Informationen kam, würde niemand nachprüfen, wichtig war nur, dass sie brauchbar waren. Sabaco legte ihm noch zehn Sesterze als Vorkasse dazu.


    "Verwandte hast du sogar mindestens zwei in Mogontiacum! Beide bei den Streitkräften, aber nur einer ist in meiner Einheit. Ich vermittle dir den Kontakt zu beiden, wenn du wiederkehrst. Sind zwei anständige Burschen."


    Plötzlich horchte Sabaco auf. Der Klang eines Horns schallte durch die Nacht. Durchdringend, die Melodie unverwechselbar. Jeder Soldat im Schankraum sprang auf die Füße, auch Sabaco. "Sind wir im Geschäft?", fragte er gehetzt. Hinter ihm rannten die Mitglieder der Ala bereits nach draußen.

    Sabaco nickte dem anderen zu. Das Gespräch entwickelte sich in eine Richtung, die ihm gefiel. "Salve, Iunius. Interessant. Mein Name ist Publius Matinius Sabaco, Decurio der Turma Secunda, Ala I Aquilia Singularium. Ich habe einen deiner Verwandten in meiner Einheit, einen Iunianus Fango. Kennt ihr euch?" Sabaco plauderte leutselig, doch es gab noch etwas anderes, das ihn interessierte.


    Die Informationen des Mannes ließen ihn aufhorchen. "Du kennst dich also gut aus hinter den Grenzen von Rom? Das trifft sich. Mir ist mein Kundschafter abhanden gekommen ... das verdammte Fieber. Für ein paar Detailinformationen würde ich etwas springen lassen. Insofern kann es sich lohnen, seine Nase noch tiefer in gewissen Angelegenheiten zu versenken."


    Er hob vier Finger. "Vierzig Sesterzen, wenn du mir etwas über die Anführer dieser Aufwiegelung berichtest - je Kopf! Damit ich sie ihnen abschneiden kann. Das entspricht dem gesamten Monatslohn eines Eques. Den bekommst du, vielleicht sogar doppelt oder dreifach, wenn du dich noch einmal in die Wälder Germaniens wagst. Ich brauche ihre Namen, ihren Stamm, und wo genau sie wohnen - und alles, was sich nebenbei sonst noch in Erfahrung bringen lässt.


    Und wenn du mich mit deiner Leistung überzeugst", er schwenkte seinen Becher und betrachtete den kreisenden Wein, "habe ich vielleicht danach noch mehr Arbeit für dich."

    Man konnte ihm ja vieles vorwerfen, aber mangelnde Kameradschaft gehörte nicht dazu. Da der Bursche eine Spatha trug, ging Sabaco davon aus, dass er zur Ala gehörte - und wahrscheinlich noch recht neu war. Scheinbar handelte es sich um einen gerade zurückgekehrten Kundschafter. Unter dem Tisch trat Sabaco gegen den freien Stuhl, der schabend über den Steinboden schlitterte und einladend neben dem Fremden stehen blieb. Zeitgleich schnippte Sabaco nach einem zweiten Becher, der auch zügig gebracht wurde. Da ihm nach Gesellschaft war und er auf ein paar Informationen hoffte, war er nicht geizig. Er schenkte dem Fremden vom heißen Wein ein.


    "Salve, setz dich ruhig dazu. Ich warte auf niemanden", schnarrte er. Denn alle, auf die er warten könnte, weilten in großer Ferne oder kämpften Gegen das tückische Fieber, das in ihrer Einheit grassierte. Nein, es würde niemand kommen. Den Blick des anderen vermochte Sabaco richtig zu deuten, er selbst war auch nicht unbedingt ein zartes Blümchen, aber auch Raubeine konnten freundlich sein. "Gibt es Neuigkeiten von jenseits des Rhenus? Deine Einheit?" Er musterte den anderen, konnte aber im Dunkel außer der Spatha nichts Militärisches an ihm entdecken. Oder vielleicht war es ein Zuträger, der in Zivil unterwegs gewesen war.

    << RE: Turma II - Unterkunft des Decurio Publius Matinius Sabaco


    Die meisten Soldaten mussten sich mit Lora begnügen, alkoholarmem Tresterwein, sofern ihre Feldherren ihnen überhaupt den Weingenuss erlaubten. Bei der Ala hatten sie Glück. Sabaco aber war nicht nach dieser Plörre. Er brauchte schweren, süßen und gepfefferten Rebsaft gegen die zunehmenden Schmerzen in seinem Hals, und zwar heiß. Er saß an seinem üblichen Platz am Feuer, in die Flammen starrend, die dampfende Weinkaraffe auf dem Tisch und den Tonbecher in der Hand.


    Wie alle Soldaten trug er das Cingulum militare und den Pugio an der Seite. Vom Legionär unterschied ihn die Schuhtracht, denn bei der Ala trug man keine Sandalen, sondern geschlossenes Schuhwerk. Die grässlichen Hosen, die eigentlich dazugehörten, zog er allerdings, wie die meisten, in seiner Freizeit bei dieser Sommerhitze aus. Dass er zur Ala gehörte, war weithin sichbar, aber die meisten hier kannten den düsteren Gast sowieso bereits. Einen Stilbruch stellte allein die blaue Tunica dar, die sonst bei der Classis üblich war.

    << RE: [Valetudinarium] Die Seuche greift um sich


    Bis in die Nacht saß Sabaco im Vorraum seiner Unterkunft und erledigte den Papierkram, der sonst Nero zugefallen war. Bestellungen, Abrechnungen, Berichte, Korrespondenzen. Er fand seine eigenen Wachstafeln und Holzbrettchen mit Anweisungen und Hinweisen für seinen Cornicularius.


    Irgendwann klopfte es. Ein Capsarius brachte die gewünschte Liste mit dem Krankenstand. Sabaco nahm sie mit ausdrucksloser Miene entgegen. So viel Not und Elend, seine todkranken Männer, gepresst in eine seelenlose Tabelle. Er mochte seit diesem Tag keine Statistiken mehr. Hilflos starrte er darauf, nicht wissend, wie er solch einen Krankenstand noch kompensieren sollte.


    Ob die Hitze hinter seiner Stirn und seine wie Feuer brennenden Augen nur Zeichen seiner Überarbeitung waren oder ob er sich angesteckt hatte, vermochte er nicht zu sagen.


    Sola dosis facit venenum - Die Dosis macht das Gift >>

    Er stützte die Hände auf den Schreibtisch und betrachtete die erschreckend lange Liste. Sein Blick verharrte auf zwei Namen.


    Cornicularius Titus Umbrenus Nero.

    Duplicarius Appius Umbrenus Cimber.


    Seine Unteroffiziere ... und in einem Fall mehr. Sabacos Gesicht zeigte keine Regung, als er sich aufrichtete. "Ich benötige heute noch eine Abschrift dieser Liste. Zudem erwarte ich regelmäßigen Rapport, ohne dass ich dem Valetudinarium dafür hinterherrennen muss. Es geht nicht anders, ich bin Kommandeur, ich kann mich nicht ständig nur dem Zettelkram widmen! Und ich habe keinen Cornicularius mehr, der das für mich erledigt ... werde den Posten auch nicht neu besetzen, bis Umbrenus Nero genesen ist."


    Die Alternative würde er nicht aussprechen, nicht einmal an sie denken. "Du weißt, wo du mich findest. Ich bin Decurio der Turma II. Vale", schrie er den Medicus an und marschierte aus dem Valetudinarium. Draußen empfing ihn, kalt und nass, der erste Regen seit Wochen.


    RE: Turma II - Unterkunft des Decurio Publius Matinius Sabaco >>

    "Ja, ich habe verstanden. Du hast eine lange Reise hinter dir. Musst dein Gepäck abladen, die Sklaven instruieren. Brauchst dann noch etwas Ruhe." Dinge, die er auch brauchen würde, einen Ort, den er zu Hause nennen könnte, ein Privatleben. Vielleicht später wieder ... wenn alles gut ausgegangen war. Nicht weiter denken. Sabaco erhob sich. "Danke für das Gespräch. Es wird geschehen, wie du es vorgeschlagen hast. Bezüglich Tribun Seius Ravilla und bezüglich der Absprache. Ich gebe dir dann Bescheid."


    Sabaco füllte die Lungen und brüllte markerschütternd nach Zisimos, der sich irgendwo im Gebäude herumdrückte. Während er wartete, musterte er ein letztes Mal Scato, weil er diesem noch etwas Wichtiges sagen musste. "Dein Bruder Fango ist ein guter kleiner Kerl. Völlig falsch bei den Streitkräften, aber ich schleife ihn schon durch. Er wird nicht unter die Räder kommen."


    Damit drehte er sich weg und marschierte in Richtung Ausgang.

    Sabaco ließ ein unverschämt lautes Stöhnen vernehmen. "Ravilla. Ja, er kennt mich von einem eurer Familientreffen in Mantua. Und er verabscheut mich. Dein Onkel ist ein Schnösel, ein feiner Pinkel. Er wird mir bei der Operation Sommergewitter keine Hilfe sein. Es ist aussichtslos."


    Die Frustration in seiner Stimme war nicht zu überhören. Er schnaubte und schnuffelte eine Weile vor sich her. Es klang, als würde er mit sich selbst tuscheln, doch das tat er nicht. Er schnuffelte nur. Sein Stress suchte sich ein Ventil in Form dieser unsinnigen Marotte, seit Sabaco kaum noch trank und nicht mehr hurte. Er merkte, wie es ihm von Tag zu Tag schwerer fiel, seine Selbstbeherrschung zu wahren, denn bei aller Selbstzerstörung waren diese Dinge auch Stabilisatoren gewesen in seiner auseinanderbrechenden Welt.


    "Trotzdem danke ... du hast es gut gemeint. Du kannst ja am Ende nichts für diese ... diese Katastrophe. Ich verlange Unmögliches von dir, von mir, von der Ala. Ich wollte deine Familie nicht beleidigen."

    "Kümmere dich um die Pferde", befahl er Alwin. Als sie unter sich waren, beugte Sabaco sich vor. "Sie haben die Turma Prima", sagte er leise, aber sehr deutlich. "Die gesamte verdammte Turma Prima, samt dem hochdotierten Subpraefekten Germanicus Varro! Und", nur mit Mühe behielt er die ruhige Tonlage bei, "mit dem Vexi...llarius ... sie haben meinen kleinen Bruder."


    Ruckartig stand Sabaco auf und ging ein paar Schritte. Fast hätte er dabei die Bank umgerissen. Nicht nach Norden sehen, nicht die Erinnerungen an Ocellas Gesicht zulassen. Handeln, er musste handeln. Er stapfte zurück an den Tisch und setzte sich wieder.


    "Ich weiß, dass du Optio bist, dass deine Möglichkeiten begrenzt sind. Aber wenn da irgendwer ist ... dem du ins Gewissen reden kannst ... sie können mich nicht alle im Stich lassen!


    Die Legio - schweigt!

    Die Prätorianer - anderweitig beschäftigt.

    Die Ala - stirbt.


    Bei wem muss ich vorsprechen, in wessen Taschen Geld fließen lassen, wessen Kopf von den Schultern reißen, damit irgendwer sich bemüßigt fühlt, uns hier draußen zu helfen?!"

    Vom gestrigen Regenschauer merkte man nichts mehr. Der Sand auf dem Campus war vollständig getrocknet, die Sonne brannte erbarmungslos. Eine lächerlich kleine Truppe von Tirones wurde mit Leibesübungen geschunden. Liegestütz, Hockstrecksprung, Liegestütz, Hockstrecksprung ... ihr Schweiß tropfte dunkel auf den trockenen Sand. Er konnte ihr Keuchen bis hierher hören, die Gesichter leuchteten rot. Sabaco war nicht zufrieden. Zu wenige, nicht bissig genug. Germanische Bauernsöhne, die nur das Bürgerrecht wollten. Kein Feuer.


    Bis diese Bübchen in die aktive Abteilung nachrückten, würde es noch dauern. Viel zu langsam schritt die Ausbildung der neuen Rekruten voran. Sie brachen in der Hitze zusammen, verknickten sich die Füße, hielten dem körperlichen und psychischen Druck während der Leistungsmärsche nicht stand. Jammerten wegen Heimweh und Liebeskummer. Sabaco wüsste schon, wie er sie davon heilen würde, doch er war kein Ausbilder mehr, sondern Kommandant. Frustriert verließ er den Ort der Schande.


    Die Lethargie von Germania konnte man förmlich in Scheiben schneiden. Dabei war es genau darum gegangen - die sommerliche Hitze auszunutzen, welche die Barbaren lähmte! Doch jetzt, am Ende der senatorischen Amtszeiten, wollte sich scheinbar keiner mehr die Finger schmutzig machen. Mürrisch schritt Sabaco davon. Bald brach eine neue Amtszeit an ... würden neue Tribuni aus Rom kommen. Vielleicht würde sich dann etwas bewegen.

    Eigentlich wollte er sich nicht setzen. Nicht mal eintreten in das Haus von Stilos Neffen. Er war im Dienst, hatte zu tun. Was dachte der sich, ihn einzuladen. Die Operation Sommergewitter musste voranschreiten, die Suche nach Ocella durfte niemals enden, niemals ins Stocken geraten. Es ging um alles, es ging um das Leben seines kleinen Bruders. Jedes Zögern erhöhte die Wahrscheinlichkeit des Scheiterns. Ungeduldig drehte er sich herum, blickte den Weg hinab. Alwin band die Pferde an.


    Vielleicht nur einen kurzen Augenblick der Rast, die er dann in der Castra von seiner regulären Pause abzog ...


    Sabaco trat in die Domus Iunia ein, die Daumen unter den Gürtel gehakt, ein wenig hilflos auf die Sitzgruppe im Garten schauend, dann setzte er sich endlich. Lehnte sich mit schmerzvollem Stöhnen zurück, registrierte, wie seine überanstrengten Muskeln es ihm dankten, sein im Sattel plattgesessener Hintern und sein verdammter Rücken. Sabaco spürte, dass er dringend eine längere Pause bräuchte, einen Urlaub. Doch er würde weder rasten noch ruhen, bis sein kleiner Bruder endlich wieder bei ihm zu Hause sein würde, oder Sabacos Knochen neben denen von Ocella bleichten. Eine dritte Option gab es nicht.


    Müde blickte er Scato an, dieses hibbelige und launische Persönchen, das so gar nicht wie ein Prätorianer wirkte. Scato wirkte guter Dinge, ganz im Gegensatz zu Sabaco. Der griff nach einem Glas, leerte es und knallte es zurück auf die Tischplatte, seine Erschöpfung überspielend. "Du bist Leiter des Lazaretts. Es werden bald zahlreiche Verwundete anfallen", grollte Sabaco in die Stille hinein.


    Auch Alwin nahm neben ihm platz. Die geflochtene Bank bog sich beträchtlich unter den beiden vollgerüsteten Reitern, knackte jedoch nicht. Zisimos versuchte inzwischen, den silberbärtigen Sklaven für ein Gespräch unter vier Augen abzufangen.

    << RE: Vorboten des Sturms - Vorbereitungen auf die Operation Sommergewitter


    Ohne einen Zwischenstopp in den Thermen oder der Latrine zu machen, kehrte Sabaco gleich in sein Quartier zurück, wo Nero seine Arbeitsstube hatte. Die Decke, die Sabaco erbeutet hatte, trug er bei sich. "Nero?", fragte er in vertraulicher Manier. Suchend schaute er sich um. Doch niemand antwortete. Auch einiges Warten änderte daran nichts. Enttäuscht legte er die Decke auf den Stuhl, auf dem der Cornicularius sonst gearbeitet hatte. Reine Wolle, in verschiedenen Grautönen kariert, wie die See an einem nebligen Tag. Ein wenig Wärme an kalten Tagen, denn Nero war nicht mehr der Jüngste. Er würde die Botschaft verstehen.

    Für Albwin wurde es ein trauriges Verhör. Sabaco legte in vollendeter Mustergültigkeit alle Widerwärtigkeit an den Tag, die man den Römern in Germanien gern vorwarf. Lange dauerte es nicht, dann hatte der Decurio alles erreicht, was er von Albwin wollte und brauchte. Anschließend bellte er seine üblichen Befehle, als wäre nichts gewesen. Die Turma Secunda brach das Lager ab. Zur Freude der Equites ging es nun endlich wieder zurück in Richtung Castra.


    Was sie von Albwin zurückließen, hätte jemand mit anderen Moralvorstellungen wahrscheinlich erlöst, doch Sabaco lebte in seiner eigenen Welt. Mit abwesendem Gesichtsausdruck, einen Haufen neue Informationen im Kopf und vorerst befriedigt, ritt er auf seinem Hengst in der Mitte der Formation und niemand wagte, ihn anzusprechen, bis sie die Zivilisation wieder erreichten.


    RE: Vorboten des Sturms - Vorbereitungen auf die Operation Sommergewitter >>

    Sabaco warf Scato einen unbestimmten Blick zu. Sie kannten einander nur flüchtig, sonst hätte Scato daraus lesen können: Lass mich mal machen.


    Und das tat Sabaco. Aus seinem Sattelgepäck, auch wenn es momentan winzig ausfiel, wühlte er einen Z-förmig gebogenen Draht und einen kleinen Eisenstab hervor. Warum er solche - und andere ungewöhnlich anmutende - Dinge stets mit sich führte, verstand man, wenn man seine Biografie kannte. Im Unterweltleben von Tarraco war er während seiner Jugend kein unbeschriebenes Blatt gewesen. Solche Zeiten prägten für den Rest des Lebens.


    Er schob den gebogenen Draht hochkant in den Türspalt und tastete damit. Dann führte er zusätzlich den Stab ins Schlüsselloch ein und tastete dort ebenfalls herum. Sabaco fühlte, lauschte und probierte eine ganze Weile herum. Zwischendurch schnaufte und ächzte er, agierte kraftvoller, nahm nur den Draht oder nur den Stab zur Hilfe, um zu sehen, wie die Tür darauf reagierte. Das hier war ein gutes Schloss, doch für jemanden, der Schlösser zu knacken jahrelang als Mutprobe und Herausforderung zelebriert hatte, war es am Ende doch kein Hindernis. Dafür bräuchte es noch einen Riegel von innen und einen Hund, der bei dem Geklapper loslärmte. Zum Glück fehlte beides. Mit einem finalen Klacken sprang die Tür auf.


    Sabaco starrte Scato erneut ausdruckslos an und wartete auf sein Lob.

    Sabaco gab den Befehl, abzusteigen. Die drei Reiter führten ihre Pferde die Straße hinauf, die mit Laub und Erde bedeckt an einen Waldweg erinnerte. "Wir haben nicht viel Zeit", brummelte er Scato zu. "Sind eigentlich im Dienst." Doch sein Blick war auf die verschlossene Porta gerichtet. "Ich weiß, wie man einsteigt", informierte er. "Soll ich?"


    Im Hintergrund starrte Zisimos derweil den Sklaven ihres Gastgebers in Grund und Boden. Wurde Zeit, dass der Kamerad einfach mal das Maul aufmachte und sagte, was zum Henker los war.

    "Den kenne ich", behauptete Zisimos. Er wurde in seinem Sattel zusehends hibbeliger. "Den kenne ich!"


    "Wir haben`s kapiert", maulte Alwin. "Und?" Mit hochgezogener Braue musterte er seinen griechischen Kameraden.


    Doch Zisimos ließ nicht locker. "Er sollte nicht hier sein. Wie konnte er nur in die Sklaverei geraten? Oder vielleicht ist er gar kein Sklave. Warum ist er in Germania, was macht er hier? Wir müssen dem auf den Grund gehen!"


    "Wen kümmert's", knurrte Sabaco.


    "Mich", schrie Zisimos mit Zornesflecken auf den Wangen. Er schrie seinen Decurio tatsächlich an, das erste Mal.


    Sabaco starrte ihn ausdruckslos an, dann verstand er. Immerhin hatte er hier einen Griechen vor sich. Sein kalter Blick wurde eine Spur milder. "Hör zu. Der Herr dieses Sklaven ist Iunius Scato, ein Bekannter von mir. Irgendwo in Mogontiacum muss eine Domus Iunia sein, ich habe davon gehört. Dort werden die Sklaven sicher hingehen. Wir werden herausfinden, wo das Gebäude steht. Dann kannst du das mit deinem Spezi klären."


    Mit diesem Wandel hatte Zisimos scheinbar nicht gerechnet. Kurzzeitig sah er aus, als wolle er noch etwas sagen, schluckte es aber herunter und nickte. "Zu Befehl."