Beiträge von Publius Matinius Sabaco

    Sabaco ließ ein unverschämt lautes Stöhnen vernehmen. "Ravilla. Ja, er kennt mich von einem eurer Familientreffen in Mantua. Und er verabscheut mich. Dein Onkel ist ein Schnösel, ein feiner Pinkel. Er wird mir bei der Operation Sommergewitter keine Hilfe sein. Es ist aussichtslos."


    Die Frustration in seiner Stimme war nicht zu überhören. Er schnaubte und schnuffelte eine Weile vor sich her. Es klang, als würde er mit sich selbst tuscheln, doch das tat er nicht. Er schnuffelte nur. Sein Stress suchte sich ein Ventil in Form dieser unsinnigen Marotte, seit Sabaco kaum noch trank und nicht mehr hurte. Er merkte, wie es ihm von Tag zu Tag schwerer fiel, seine Selbstbeherrschung zu wahren, denn bei aller Selbstzerstörung waren diese Dinge auch Stabilisatoren gewesen in seiner auseinanderbrechenden Welt.


    "Trotzdem danke ... du hast es gut gemeint. Du kannst ja am Ende nichts für diese ... diese Katastrophe. Ich verlange Unmögliches von dir, von mir, von der Ala. Ich wollte deine Familie nicht beleidigen."

    "Kümmere dich um die Pferde", befahl er Alwin. Als sie unter sich waren, beugte Sabaco sich vor. "Sie haben die Turma Prima", sagte er leise, aber sehr deutlich. "Die gesamte verdammte Turma Prima, samt dem hochdotierten Subpraefekten Germanicus Varro! Und", nur mit Mühe behielt er die ruhige Tonlage bei, "mit dem Vexi...llarius ... sie haben meinen kleinen Bruder."


    Ruckartig stand Sabaco auf und ging ein paar Schritte. Fast hätte er dabei die Bank umgerissen. Nicht nach Norden sehen, nicht die Erinnerungen an Ocellas Gesicht zulassen. Handeln, er musste handeln. Er stapfte zurück an den Tisch und setzte sich wieder.


    "Ich weiß, dass du Optio bist, dass deine Möglichkeiten begrenzt sind. Aber wenn da irgendwer ist ... dem du ins Gewissen reden kannst ... sie können mich nicht alle im Stich lassen!


    Die Legio - schweigt!

    Die Prätorianer - anderweitig beschäftigt.

    Die Ala - stirbt.


    Bei wem muss ich vorsprechen, in wessen Taschen Geld fließen lassen, wessen Kopf von den Schultern reißen, damit irgendwer sich bemüßigt fühlt, uns hier draußen zu helfen?!"

    Vom gestrigen Regenschauer merkte man nichts mehr. Der Sand auf dem Campus war vollständig getrocknet, die Sonne brannte erbarmungslos. Eine lächerlich kleine Truppe von Tirones wurde mit Leibesübungen geschunden. Liegestütz, Hockstrecksprung, Liegestütz, Hockstrecksprung ... ihr Schweiß tropfte dunkel auf den trockenen Sand. Er konnte ihr Keuchen bis hierher hören, die Gesichter leuchteten rot. Sabaco war nicht zufrieden. Zu wenige, nicht bissig genug. Germanische Bauernsöhne, die nur das Bürgerrecht wollten. Kein Feuer.


    Bis diese Bübchen in die aktive Abteilung nachrückten, würde es noch dauern. Viel zu langsam schritt die Ausbildung der neuen Rekruten voran. Sie brachen in der Hitze zusammen, verknickten sich die Füße, hielten dem körperlichen und psychischen Druck während der Leistungsmärsche nicht stand. Jammerten wegen Heimweh und Liebeskummer. Sabaco wüsste schon, wie er sie davon heilen würde, doch er war kein Ausbilder mehr, sondern Kommandant. Frustriert verließ er den Ort der Schande.


    Die Lethargie von Germania konnte man förmlich in Scheiben schneiden. Dabei war es genau darum gegangen - die sommerliche Hitze auszunutzen, welche die Barbaren lähmte! Doch jetzt, am Ende der senatorischen Amtszeiten, wollte sich scheinbar keiner mehr die Finger schmutzig machen. Mürrisch schritt Sabaco davon. Bald brach eine neue Amtszeit an ... würden neue Tribuni aus Rom kommen. Vielleicht würde sich dann etwas bewegen.

    Eigentlich wollte er sich nicht setzen. Nicht mal eintreten in das Haus von Stilos Neffen. Er war im Dienst, hatte zu tun. Was dachte der sich, ihn einzuladen. Die Operation Sommergewitter musste voranschreiten, die Suche nach Ocella durfte niemals enden, niemals ins Stocken geraten. Es ging um alles, es ging um das Leben seines kleinen Bruders. Jedes Zögern erhöhte die Wahrscheinlichkeit des Scheiterns. Ungeduldig drehte er sich herum, blickte den Weg hinab. Alwin band die Pferde an.


    Vielleicht nur einen kurzen Augenblick der Rast, die er dann in der Castra von seiner regulären Pause abzog ...


    Sabaco trat in die Domus Iunia ein, die Daumen unter den Gürtel gehakt, ein wenig hilflos auf die Sitzgruppe im Garten schauend, dann setzte er sich endlich. Lehnte sich mit schmerzvollem Stöhnen zurück, registrierte, wie seine überanstrengten Muskeln es ihm dankten, sein im Sattel plattgesessener Hintern und sein verdammter Rücken. Sabaco spürte, dass er dringend eine längere Pause bräuchte, einen Urlaub. Doch er würde weder rasten noch ruhen, bis sein kleiner Bruder endlich wieder bei ihm zu Hause sein würde, oder Sabacos Knochen neben denen von Ocella bleichten. Eine dritte Option gab es nicht.


    Müde blickte er Scato an, dieses hibbelige und launische Persönchen, das so gar nicht wie ein Prätorianer wirkte. Scato wirkte guter Dinge, ganz im Gegensatz zu Sabaco. Der griff nach einem Glas, leerte es und knallte es zurück auf die Tischplatte, seine Erschöpfung überspielend. "Du bist Leiter des Lazaretts. Es werden bald zahlreiche Verwundete anfallen", grollte Sabaco in die Stille hinein.


    Auch Alwin nahm neben ihm platz. Die geflochtene Bank bog sich beträchtlich unter den beiden vollgerüsteten Reitern, knackte jedoch nicht. Zisimos versuchte inzwischen, den silberbärtigen Sklaven für ein Gespräch unter vier Augen abzufangen.

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    Ohne einen Zwischenstopp in den Thermen oder der Latrine zu machen, kehrte Sabaco gleich in sein Quartier zurück, wo Nero seine Arbeitsstube hatte. Die Decke, die Sabaco erbeutet hatte, trug er bei sich. "Nero?", fragte er in vertraulicher Manier. Suchend schaute er sich um. Doch niemand antwortete. Auch einiges Warten änderte daran nichts. Enttäuscht legte er die Decke auf den Stuhl, auf dem der Cornicularius sonst gearbeitet hatte. Reine Wolle, in verschiedenen Grautönen kariert, wie die See an einem nebligen Tag. Ein wenig Wärme an kalten Tagen, denn Nero war nicht mehr der Jüngste. Er würde die Botschaft verstehen.

    Für Albwin wurde es ein trauriges Verhör. Sabaco legte in vollendeter Mustergültigkeit alle Widerwärtigkeit an den Tag, die man den Römern in Germanien gern vorwarf. Lange dauerte es nicht, dann hatte der Decurio alles erreicht, was er von Albwin wollte und brauchte. Anschließend bellte er seine üblichen Befehle, als wäre nichts gewesen. Die Turma Secunda brach das Lager ab. Zur Freude der Equites ging es nun endlich wieder zurück in Richtung Castra.


    Was sie von Albwin zurückließen, hätte jemand mit anderen Moralvorstellungen wahrscheinlich erlöst, doch Sabaco lebte in seiner eigenen Welt. Mit abwesendem Gesichtsausdruck, einen Haufen neue Informationen im Kopf und vorerst befriedigt, ritt er auf seinem Hengst in der Mitte der Formation und niemand wagte, ihn anzusprechen, bis sie die Zivilisation wieder erreichten.


    RE: Vorboten des Sturms - Vorbereitungen auf die Operation Sommergewitter >>

    Sabaco warf Scato einen unbestimmten Blick zu. Sie kannten einander nur flüchtig, sonst hätte Scato daraus lesen können: Lass mich mal machen.


    Und das tat Sabaco. Aus seinem Sattelgepäck, auch wenn es momentan winzig ausfiel, wühlte er einen Z-förmig gebogenen Draht und einen kleinen Eisenstab hervor. Warum er solche - und andere ungewöhnlich anmutende - Dinge stets mit sich führte, verstand man, wenn man seine Biografie kannte. Im Unterweltleben von Tarraco war er während seiner Jugend kein unbeschriebenes Blatt gewesen. Solche Zeiten prägten für den Rest des Lebens.


    Er schob den gebogenen Draht hochkant in den Türspalt und tastete damit. Dann führte er zusätzlich den Stab ins Schlüsselloch ein und tastete dort ebenfalls herum. Sabaco fühlte, lauschte und probierte eine ganze Weile herum. Zwischendurch schnaufte und ächzte er, agierte kraftvoller, nahm nur den Draht oder nur den Stab zur Hilfe, um zu sehen, wie die Tür darauf reagierte. Das hier war ein gutes Schloss, doch für jemanden, der Schlösser zu knacken jahrelang als Mutprobe und Herausforderung zelebriert hatte, war es am Ende doch kein Hindernis. Dafür bräuchte es noch einen Riegel von innen und einen Hund, der bei dem Geklapper loslärmte. Zum Glück fehlte beides. Mit einem finalen Klacken sprang die Tür auf.


    Sabaco starrte Scato erneut ausdruckslos an und wartete auf sein Lob.

    Sabaco gab den Befehl, abzusteigen. Die drei Reiter führten ihre Pferde die Straße hinauf, die mit Laub und Erde bedeckt an einen Waldweg erinnerte. "Wir haben nicht viel Zeit", brummelte er Scato zu. "Sind eigentlich im Dienst." Doch sein Blick war auf die verschlossene Porta gerichtet. "Ich weiß, wie man einsteigt", informierte er. "Soll ich?"


    Im Hintergrund starrte Zisimos derweil den Sklaven ihres Gastgebers in Grund und Boden. Wurde Zeit, dass der Kamerad einfach mal das Maul aufmachte und sagte, was zum Henker los war.

    "Den kenne ich", behauptete Zisimos. Er wurde in seinem Sattel zusehends hibbeliger. "Den kenne ich!"


    "Wir haben`s kapiert", maulte Alwin. "Und?" Mit hochgezogener Braue musterte er seinen griechischen Kameraden.


    Doch Zisimos ließ nicht locker. "Er sollte nicht hier sein. Wie konnte er nur in die Sklaverei geraten? Oder vielleicht ist er gar kein Sklave. Warum ist er in Germania, was macht er hier? Wir müssen dem auf den Grund gehen!"


    "Wen kümmert's", knurrte Sabaco.


    "Mich", schrie Zisimos mit Zornesflecken auf den Wangen. Er schrie seinen Decurio tatsächlich an, das erste Mal.


    Sabaco starrte ihn ausdruckslos an, dann verstand er. Immerhin hatte er hier einen Griechen vor sich. Sein kalter Blick wurde eine Spur milder. "Hör zu. Der Herr dieses Sklaven ist Iunius Scato, ein Bekannter von mir. Irgendwo in Mogontiacum muss eine Domus Iunia sein, ich habe davon gehört. Dort werden die Sklaven sicher hingehen. Wir werden herausfinden, wo das Gebäude steht. Dann kannst du das mit deinem Spezi klären."


    Mit diesem Wandel hatte Zisimos scheinbar nicht gerechnet. Kurzzeitig sah er aus, als wolle er noch etwas sagen, schluckte es aber herunter und nickte. "Zu Befehl."

    In einiger Entfernung hielten die drei Reiter. Hier wohnte der Iunier also, mitsamt dem sklavischen Anhang, auf den Zisimos so wild war. Er behauptete, den silberbärtigen Sklaven zu kennen und hatte so lange genervt, bis Sabaco sich breitschlagen ließ, Scatos Unterkunft in Erfahrung zu bringen. Auch Alwin war nicht eben begeistert über den Umweg. All das Gemaule, nur damit Zisimos erfuhr, wo der verdammte Sklave wohnte! Nun starrten sie alle drei auf den vollbeladenen Tross, der bislang vergebens auf eine Antwort aus dem Inneren wartete.

    Die Zeiten änderten sich manchmal schneller als einem lieb war. Unheilvoll tauchte der Decurio auf. An der Art, wie die beiden sich begrüßten, erkannte er sofort, dass es sich hier um Brüder handelte, noch bevor er die Personen identifizierte, und der Schmerz in seinem Herzen entflammte erneut. Voll Neid und Trauer beobachtete er die beiden für einen Moment, dann konnte er nicht anders, als die Idylle zu zerschlagen.


    "Du bist im Dienst, Eques", informierte er Fango über das Offensichtliche. Dann fuhr er zu dem Prätorianer herum. "Wir haben hier genug zu tun. Wenn es nichts Dienstliches zu klären gibt, verlagert das Gespräch auf eure Freizeit!"


    An einen Ort, wo er nicht sehen musste, wie Scato seinen kleinen Bruder nach langer Trennung begrüßte, während Sabacos Arme weiterhin leer blieben. Er wandte sich ab und ging, stieg die Treppe hinauf und umrundete die Castra auf dem Wehrgang bis zur Hälfte, starrte nach Osten. Hinter den braunen Fluten des Rhenus blieb Ocellas Schicksal weiterhin im grünen Labyrinth der Wälder vor Sabacos suchenden Augen verborgen. Germania Magna hatte sein Geheimnis noch immer nicht preisgegeben.

    Sie hatten keine Spur von Ocella gefunden.


    Ein grauer Wolkenschleier schützte die heimkehrenden Reiter vor der Sonne. Trotzdem war es extrem heiß, die Luft stand. Die Tuniken unter den Rüstungen klebten ihnen seit Tagen wie nasse Lappen auf der Haut, scheuerte und verursachte Wunden, die nicht heilen konnten. All das gehörte zu den Vorbereitungen dazu, denn bald würden sie noch ganz anderen Widrigkeiten trotzen. Finsternis umwölkte Sabacos Herz gleich schwarzem Rauch.


    Vor ihnen lag das Castellum. Dieser Erkundungsritt hatte deutlich länger gebraucht, als geplant. Sabaco hatte gesehen, wie seine Männer mit der Situation umgingen, auf Planänderungen und auf Nahrungsrationierungen reagierten, wie sie den Dichtestress und die fehlende Erholung aushielten und wo ihre Stärken und Schwächen lagen. Wer jetzt noch in dieser Turma war und nicht von ihm ausgesondert worden war, der passte zur Truppe. Sie waren bereit. Operation Sommergewitter konnte beginnen.


    Die Kameraden an der Porta grüßten und Sabaco erwiderte den Gruß, als sie endlich einritten.


    RE: Officium Cornicularius Titus Umbrenus Nero >>

    Da ritten sie ein, die Lieblinge des Caesars. Die Zeit würde zeigen, ob sie ihrem Ruf auch hier im Norden gerecht werden konnten. Sabaco ritt mit seinen beiden Begleitern etwas an den Rand, weit genug, um ausreichend Platz zu schaffen, damit man aneinander vorbeikam, wenig genug, um deutlich zu machen, dass die Ala nicht vorhatte, vor den Prätorianern zu kuschen.


    Er staunte nicht schlecht als er einen weiteren Neffen von Stilo in der Truppe entdeckte. Onkel und Neffe dienten ja beide bei den Cohortes Praetoriae. Erstaunt zügelte er sein Pferd, um zu gaffen. Doch leider hatte Stilo offenbar keinen Befehl erhalten, Scato zu begleiten. Er sah nur den Kleinen, der mittlerweile ein recht stattliches Mannsbild abgab. Stilo entdeckte er nirgends.


    Zisimos schien an dem voll bepackten Sklaventross der Offiziere Gefallen zu finden. Die Schwarzgepanzerten hingegen waren ihm egal, er begaffte nur das Gefolge.

    Das Zimmer war zum Tempel geworden. Wenn Sabaco in der Castra war, kam er täglich hierher, wechselte Brot und Wein und entfachte ein Licht. So viele Götter hatte er angerufen ... Opfer gebracht. Aber noch immer war der Bruder nicht heimgekehrt. Ihm brannten die Augen vom Staub des Sommers. Die Ala verhielt sich träge und von der Legio hörte man kaum etwas. Nur einer wünschte keine Sommerpause, fand nicht Rast noch Ruh. Auch jetzt, körperlich erschöpft von den Pflichten des Tages, brachte er seinen Geist nicht unter Kontrolle, ging er langsam im Kreis, nicht bereit, die völlige Hilflosigkeit zu akzeptieren. Vielleicht brauchte es ein größeres Opfer.

    Die Beschreibung des Grauschimmels sprach Sabacos verborgenen Hang zur Poesie an, für den er sich schämte und von dem er niemandem wissen ließ. Seine Gedichte verbrannte er meist, damit niemand sie finden konnte, von einer Sammlung besonders gelungener Werke abgesehen, von denen er sich nicht trennen mochte. Er blickte kurz weg, da er fürchtete, man könnte womöglich in seinem Gesicht lesen, dass ihm die Worte gefallen hatten.


    "Gymir also."


    Sabaco näherte sich dem Tier nicht sonderlich einfühlsam. Der Grund lag nicht in seiner natürlichen Grobheit, sondern er wollte die Nervenstärke des Tiers testen. Er trampelte um es herum, begrabschte es von allen Seiten, griff in die Nüstern und Ohren, strich über die Augen und sah sich die Zähne an. Der Hengst zeigte sein Unwohlsein, aber machte keine übermäßigen Abwehrbewegungen.


    Da Sabaco angeboten worden war, das Tier probezureiten, wuchtete er sich drauf. Fest und breit war der Rücken des Pferdes, der Hals und die Schultern muskulös. So musste ein Hengst aussehen, den Sabaco mit seinen fast zwei Zentnern reiten konnte. Der Decurio ließ sich den Zügel geben und trieb das Tier an. Zunächst ruhig, um zu spüren, wie es lief.

    "In einem anderen Zustand? Diese Wunde kann kein Heiler verschließen, man kann den Arm schließlich nicht von innen nähen. Und falls der Germane nicht verbluten sollte, sobald man den Dolch herauszieht, verbrennt ihn in zwei Tagen der Wundbrand, bis er eines Morgens kalt und steif in seinem Lager liegt. Alles schon erlebt. Der Bursche ist todgeweiht."


    Die Information kam so trocken wie der Rest.


    "Nein, ich habe kein Verständnis dafür, wenn jemand sich ohne Meldung vom Lager entfernt, besonders kein Unteroffizier. Du hast deinen Posten verlassen und wir sind hier mitten im Feindesland. Deine Männer verlassen sich auf dich. Ich verlasse mich auf dich. Du hast eine Vorbildfunktion. Das darf nie wieder geschehen. Hörst du? Ich will zu jedem Zeitpunkt den Aufenthaltsort jedes einzelnen Mitglieds der Turma Secunda kennen und niemand kackt und pinkelt abseits des Donnerbalkens! Mach das den Männern klar, wenn du einen erwischst!"


    Er vermutete, dass Fango deshalb so weit entfernt gewesen war.


    "Daheim im Lager wirst du dich an unseren Vexillarius wenden, Umbrenus. Für die Dauer dieses Einsatzes gerechnet sollst du die Hälfte deines Soldes in die Gruppenkasse unserer Turma geben."


    Im Grunde bedeutete die Pecunaria multa, die Geldstrafe, dass das Ansehen des Unteroffiziers gewahrt blieb. Trotz des vernichtenden Tonfalls handelte es sich um eine milde Strafe, denn Sabaco hätte ihn genau so gut körperlich züchtigen oder den Donnerbalken pflegen lassen können. Eine Würdigung des Umstandes, dass er den Giftzwerg gerettet hatte.


    "Jetzt begleite mich mit diesem Germanen. Er bedarf keiner Schonung, falls er Ärger macht. Und Eques Iunianus kann wegtreten. Er wird für den Rest des Einsatzes auf halbe Ration gesetzt."


    Sabaco starrte Stilos Sohn hinterher, als wolle er ihn auffressen und seine Gedanken waren auch gar nicht so weit davon entfernt. Dann fuhr er herum und bedeutete dem Gefangenen, dass er mitkommen sollte. Für das Verhör würden sie sich ein gemütliches Plätzchen suchen ... im Herzen des Lagers, von wo es kein Entrinnen gab. Dort fackelte Sabaco nicht lange.


    "Sprichst du Latein? Dein Name?"

    Sabaco hatte genau bemerkt, das zwei fehlten. Natürlich hatte er das. Während er in der Sonne trocknete, wobei er nicht etwa lag, sondern herumstand und mit seinen kalten Raubtieraugen über das Lager blickte, nahm er sich vor, das anzusprechen. Er mochte nicht leiden, wenn sich jemand seiner unmittelbaren Kontrolle entzog, seit dem Verschwinden seines kleinen Bruders noch weniger als zuvor.


    Als Cimber und Fango endlich eintrafen, war der Decurio wieder angezogen und in voller Rüstung, die Miene besonders eisig. Doch die Rüge entfiel vorerst - sie hatten da etwas Interessantes im Schlepptau.


    "Nuntio", bellte er. Sein Stimme klang wie ein brechender Gletscher. Er blickte Cimber an.

    Das Fenster und die Tür waren verschlossen, sperrten die Außenwelt aus. Dunkelheit und Stille. Sabaco war allein mit seinen Erinnerungen an Ocella. Jemand hatte in dem Quartier gelüftet und Staub gewischt, doch Sabaco wünschte, es wäre nicht so. Er wollte diese sterile Sauberkeit und Ordnung nicht. Er wollte, dass die Decke zerwühlt war, dass ein paar Schuhe kreuz und quer herumlagen, ein halbvoller Teller auf dem Tisch stand und ein Krug mit einem Becher dazu. Auf dem kleinen Wandschrein entzündete Sabaco eine Öllampe, blickte in die ruhige Flamme.


    Komm zurück nach Hause.


    Er dachte fest an seinen kleinen Bruder. Eine uralte Emotion aus den frühesten Tagen seiner Kindheit bahnte sich ihren Weg, blieb in Sabacos Hals stecken. Er erinnerte sich dumpf, was das war.


    Doch er durfte nicht.


    Er durfte nicht.