Beiträge von Publius Matinius Sabaco

    Ein Blick zur Seite. Nero konzentrierte sich auf seine eigenen Gegner. Hoffentlich vergaß er nicht zu kommandieren. Sabaco nutzte die kurze Pause, die sein Gegner ihm gönnte, um einen schnellen Blick auf die übrigen Männer zu werfen. Sah so weit gut aus, sie waren erfahren und hielten die Linie von allein. Keiner brach aus und keiner wich zurück. Gute Männer. Der Blick hatte nur eine Sekunde gedauert, dann schaute Sabaco schon wieder nach vorn.


    Im gleichen Moment schlug plötzlich Ansgar mit seinem Schwert zur Seite, so dass Sabaco gezwungen war, mit einem Ausfallschritt nach hinten auszuweichen, wenn er nicht dessen Arm ins Gesicht bekommen wollte. Wieso fuchtelte der so herum, der Gladius war eine Stichwaffe! Zu wenig Drill, zu zu wenig Zucht, von allem zu wenig! Gerade eben war er noch stolz auf die Spacken gewesen, nun bekam er mitten im Kampf fast einen Ellbogen in die Fresse! Aber er sagte keinen Ton, um Ansgar nicht abzulenken, wartete, bis dieser seinen Gegner gefällt hatte, und trat dann sofort wieder neben ihn, wehrte einen auf Ansgar gezielten Hieb mit dem Schild ab und stach auch nach diesem Gegner. Diesmal kam sein Angriff allerdings von der Seite und er traf. Ob der Mann starb, beachtete Sabaco nicht, es genügte, dass er kampfunfähig zusammenbrach.


    Während der Krieger sich krümmte, stieg Sabaco über ihn hinweg, die ganze Reihe rutschte ein Stück nach. Die Römer drängten vor. Langsam wurde der Boden uneben, wenn die Germanen überall ihre Toten herumliegen ließen, doch sie fanden schon noch Raum für die Füße ... wo war der Scheißkerl ... stand da immer noch!


    Sabaco trat hart in den Schlamm, um ihn dem Gegner ins Gesicht zu spritzen, ein brauner Sprühregen übergoss den Germanen. Er hoffte, dass er reflexartig die Augen schloss. In dem Moment, als das geschehen müsste, stach Sabaco über seinen eigenen Schild hinweg nach dessen Hals.

    Ocella starrte. Sabaco guckte zurück.


    "Hrm, Kleiner. So weit, so vollständig, deine Erläuterung. Aber was gedenkst du mir aufzutragen, um meinen Gehorsam auf die Probe zu stellen?"


    Das hatte schon Varro versucht ... und Sabaco damit den Besuch bei seinem Bruder im Valetudinarium versaut. Allein dass er diese ausdruckslose Fischvisage hatte sehen müssen, hatte ihm damals den Tag verdorben, selbst wenn Varro zur Abwechslung einmal nett gewesen wäre.

    "Salve, Duccius Ferox. Suboptio Navalorum Publius Matinius Sabaco. Classis Germanica. Von den Matiniern aus Tarraco. Danke für das Willkommen, schön habt ihr's hier in der Villa Duccia, zumindest im Garten. Den Rest kenne ich ja nicht. Urig. Zur Architektur habe ich eine Frage. Wie viel Prozent davon sind germanisch und wie viel römisch?" Und er nickte in Richtung von dessen Soldatengürtel. "Welche Einheit?"


    Als ihm Cimber vorgestellt wurde, kniff Sabaco die Augen zusammen. "Dich kenne ich! Du bist ein Freund von Stilo."

    Sabaco hatte von der Feierlichkeit gehört, die von der Gens Duccia veranstaltet wurde. Ein Kamerad, der mit irgendwem hier befreundet war, hatte ihn gefragt, ob er mitkommen wolle, war aber schon im Getümmel verschwunden. Hatte irgendeinen Bekannten erspäht, gewinkt und weg war er. Nun war Sabaco allein hier, angetan mit seiner warmen Wolltunika, über welcher er die blaue Diensttunika der Classis und die übrigen Insignien des Soldatenstandes trug und betrachtete etwas hilflos herumschlendernd das Anwesen, das einen rustikalen Charme verströmte.


    Die Gens Duccia war laut dem flüchtigen Kameraden eine ehrbare römische Familie, wenngleich sie ihre germanischen Wurzeln pflegten, was sich auch in der Architektur und anderen Details widerspiegelte, die Sabaco entdeckte. Für ihn war das in Ordnung. Ob die Duccier germanische Wurzeln hatten oder nicht, war ihm persönlich gleich, sie hatten ihren Dienst am Imperium geleistet. Auch die alten Fehden innerhalb der römischen Gentes hier vor Ort, von denen sein Kamerad ihm erzählt hatte, waren ihm schnurz. Die Einflusssphäre der Gens Matinia hatte sich stets im Wesentlichen auf Hispania beschränkt und die alten Konflikte hier gingen ihn somit nichts an.


    Hispania ... als Sabaco durch den Garten ging und ihn das muntere Treiben der Saturnalia umgab, überkam ihn ein Anflug von Heimweh. Er lebte schon so lange in Militärlagern, dass er das Gefühl, dass ein wirkliches zu Hause bot, beinahe vergessen hatte.


    Das Feuer zog ihn magisch an. Er stellte sich dazu, hakte die Daumen in den Gürtel und schnarrte: "Frohes Fest." Das war neutral formuliert, damit sich Römer wie Germanen gleichermaßen bewünscht fühlen konnten.

    Der Lanzenschaft von Ansgar schwebte in der Luft, war also nicht so einfach abzuhacken. Sabaco war daher guter Dinge, dass die Waffe von Ansgar noch funktionsfähig war, sonst musste er sofort zurückweichen und sich Ersatz geben lassen. Ihr Gegner ließ ihm sogar ausreichend Zeit, einen kurzen Blick auf Ansgars Speer zu werfen. Der verdammte Germane wich in die falsche Richtung zurück ... scheute den Kampf oder wollte ihn rauslocken. Wenn Sabaco nachsetzte, würde er die Linie verlassen müssen. Er war ja nicht bescheuert, seine Flanken zu entblößen.


    So wich er stattdessen zischend einen Schritt zurück, sich kurz hinter den Schild duckend, als hätte er sich durch den Schwerthieb erschrocken. Das Bürschlein war jünger, als er zuerst geglaubt hatte ... vielleicht unerfahren genug, um darauf hereinzufallen.

    Ein kurzer Blickkontakt, Sabaco erwiderte das Nicken, sah aus den Augenwinkeln auch Nero angreifen, dann sah er nach vorn. Der Schneeregen schmolz auf seiner Rüstung und tropfte seinen Helm hinab. Schwarz waren der Rosshaarkamm, der lang über seinem Nacken hing, und die beiden Federn. Eine andere Farbe kam für Sabaco nicht infrage.


    Der Krieg war ein grausames Geschäft, das den höchsten Tribut forderte, den ein Mensch geben konnte. Auch, wenn man zu den Überlebenden gehörte, starb man doch bei jedem Gefecht ein Stück. Zuerst verlor Sabaco seine Menschlichkeit, sah in dem Mann gegenüber nur noch einen anonymen Gegner, der jeder hätte sein können. Name, Geschichte, Persönlichkeit spielten keine Rolle. Der Mann stand auf der anderen Seite des Schlachtfelds, das war alles, was zählte. Sabaco war sicher, auch sein Gegner nahm ihn nur als "ein Römer" wahr. Der Germane kannte nicht Sabaco den Suboptio, der für seine Männer Holzkohle organisiert hatte, um die Seuche durch wohlige Wärme einzudämmen, nicht Sabaco den verlorenen Sohn, der seinen Eltern entglitten war, nicht Sabaco den Bruder, der die Tunika von Ocella als ein wollenes Heiligtum am Leib trug, nicht Sabaco den Liebhaber, der eifersüchtig behütete, was ihm gehörte und nicht Sabaco den Vater, dessen kleiner Sohn bei den Germanen lebte und den er aus Feigheit noch nie besucht hatte. Sabaco selbst war all das auch nicht mehr, er war Muskeln und Stahl, beseelt mit dem Willen zu töten. Er oder der andere, eine andere Lösung gab es nicht.


    Fast lässig rammte er den Germanen mit dem schweren Schild in Richtung Gesicht, damit er reflexartig abwehrte, und stach mit der Waffe nur um einen Lidschlag versetzt unter dem Schild hindurch in Richtung Unterleib.

    Sabaco sah Ocella ruhig an, während dieser vor sich hin maulte. Dann nickte er zufrieden. Diese Zukunftspläne ersparten Sabaco ein weiteres schwarzes Kreuz in seiner Biografie. Sein lieber moralischer Bruder ... niedlich. Manchmal etwas trottelig, aber niemand war perfekt und Sbacao war ja hier, um das auszugleichen. Am Ende grinste er vor sich hin und spielte mit dem Krug in seinen Händen.


    "Brauchbare Pläne und gut für dich. Ich muss also tun, was du mir sagst? Was sagst du mir denn ... so als mein vorgesetzter Offizier?" Da war er ja mal gespannt, was der Kleine jetzt für eine Schote reißen würde. "Aber bedenke, dass du meinen Gehorsam dann auch durchsetzen musst, wenn die Worte einmal ausgesprochen sind."

    Sabaco hatte Armàndos nicht nur vom Kreuz holen lassen ... er war derjenige, der ihn überhaupt erst bei den Vigiles verpfiffen hatte. Wie sonst hätte er ihn retten können?


    "Manche Leute muss man zu ihrem Glück zwingen", sprach er im Tonfall eines Weisen. "Davon, den Leuten ihren freien Willen zu lassen, habe ich noch nie viel gehalten. Menschen sind dumm. Sie bedürfen umsichtiger Führung. Wenn kein kluger Kopf sie organisiert, stürzen sie sich selbst ins Verderben." Der kluge Kopf war freilich er selbst. "Eine Armee ist dafür ein gutes Beispiel, aber auch ein Pater familias, mit dessen Umsicht eine Gens steht oder fällt. Wir sind dem Stand nach Equites, Ocella, vergiss das nicht, auch wenn uns der notwendige Grundbesitz fehlt, die entsprechenden Ämter auszufüllen. Menschen zu führen liegt uns im Blut, ist vielmehr sogar unsere göttliche Pflicht. Und ich gedenke, davon großzügig Gebrauch zu machen, anstatt die Dinge ihren Lauf nehmen zu lassen. Armàndos freizukaufen, hat niemandem geschadet, im Gegenteil hatten am Ende alle etwas davon: Die Milites, die ihn bewachten, deren Centurio und vor allem Armàndos selbst. Und ich besitze nun einen guten und sehr loyalen Sklaven, wie ich ihn auf keinem Markt bekommen hätte." Manchmal musste man dem Glück eben nachhelfen. "Armàndos sterben zu lassen, hätte niemandem etwas genützt. So war es für viele Menschen eine gute Tat." Er blinzelte. "Sag bloß, du hast niemals irgendwen erpresst oder bestochen, seit unsere Wege sich trennten? Das wäre in der Tat ... sehr unrömisch."


    Korruption beherrschte das Imperium. Posten wurden in allen Bereichen oft nach der Offenheit des Geldbeutels und weniger nach der Eignung vergeben. Man verlor oder gewann Prozesse je nachdem, wen man im welchen Umfang bestach und welchen Advokat man anschleppte - nicht etwa dann, wenn man unschuldig war. Mit genügend Geld konnte man jeden beliebigen Mann juristisch ins Verderben stürzen, man brauchte ihm nicht einmal körperlich etwas antun, es genügte, seinen Ruf und seine Finanzen völlig zu ruinieren. Manche bevorzugen scheinbar trotz dieser Möglichkeiten für ihr Leben den steinigen Weg. Was allerdings nur daran liegen konnte, dass der Kleine sein ganzes Geld versoffen, verspielt und verhurt hatte, so dass er sich keine Gefälligkeiten leisten konnte. Wenn Sabaco mal nicht hinsah ... na ja. Dafür hatte Ocella ja ihn.


    "Ad bestias? Ich bin eine Bestie?" Milde schüttelte er den Kopf. "Ich bin nur ein Spiegel der Zeit, in der wir leben. Harte Zeiten erfordern harte Maßnahmen. Harte Maßnahmen erfordern harte Männer. Ich bin das, wozu das Leben mich gemacht hat, Ocella. Nicht mehr, nicht weniger. Würden wir in elysischen Zuständen leben, wäre ich fett und faul und würde es mir in Tarraco in der Hängematte im Garten gutgehen lassen. Wusstest du, dass viele Bestien liebevolle Eltern sind? Löwen, Wölfe, sogar Krokodile.


    Deine Loyalität bedeutet mir was." Mehr, als auszusprechen angemessen war. Auch wenn Sabaco bislang daran zweifelte, dass ihre Definitionen von Loyalität sich sonderlich weit überschnitten. "Dass du gleichsam immer auf mich zählen kannst, weißt du. Ein Wort genügt und ich führe jeden, der dich plagt, eigenhändig seiner gerechten Strafe zu. Es soll dir gut gehen, Ocella. Das ist einer der wenigen Wünsche, die ich für dieses Leben habe. Wie sieht es mit deinen Wünschen aus? Was sind deine Pläne für die Zukunft?"


    Hoffentlich nicht, irgendeine Germanin zu ehelichen. Das würde Sabaco verbieten, zum Wohle seines kleinen Bruders, notfalls mit unlauteren Mitteln. Er sah sich als Oberhaupt der Familie, da alle anderen entweder nicht daran interessiert waren ... er sah kurz zum großen Bruder zwei Tische weiter ... oder selbst noch Schutz und Führung bedurften und wenn sie noch so sehr behaupteten, allein zurechtzukommen.

    Das Kopfschütteln von Nero warf Sabaco für einen Moment aus der Bahn. Er verstand es nicht, wo lag sein Fehler, was machte er falsch?! Mit aufgerissenen Augen sah er sich um, ein Reflex in der Dunkelheit. Wo lag der Fehler? Seine sonst eisblauen Augen wirkten bei diesen Lichtverhältnissen schwarz, weil die Pupillen sich stark geweitet waren.


    Auf dem Schiff gab es einen kurzen Tumult. Meinte Nero das? Wie war es überhaupt dazu gekommen?!


    Ganz hinten war der Rhenus zur Rückendeckung. Am Ufer ankerte die Keto.

    Davor war ein Freiraum, eine Lichtung. Dort standen seine Männer, eine waffenstarrende Mauer zwischen Feind und Schiff.

    In einigen Metern Sicherheitsabstand zur Keto flackerten im Sturm die Lagerfeuer, so dass sie die Germanen besser sehen sollten als diese sie.

    Ganz außen, um all das herum, standen die Bäume, wo auch das Segel als Witterungsschutz gespannt war. Da kamen die Germanen her.


    Wie zum Geier aber kam ein Germane auf das Schiff, ohne durch das eisige Wasser geschwommen zu sein? Oder hatte er genau das getan? Die Aufstellung ließ eigentlich kein unerkanntes Nahen eines Feindes zu, es sei denn, all seine Leute waren blinde Trottel. Sabaco regte das auf. Er schonte die Gegner nicht, als das Gefecht sich fortsetzte. Zwar griff er selbst kaum in die Kampfhandlungen ein, weil er seine Augen scheinbar überall haben musste, doch so waren eben seine Männer der Arm seiner schlechten Laune.


    Die Götter forderten ihren Tribut ... Mann um Mann gingen zu Boden. Die Marini waren gerüstet, Profis, die Germanen nur ein paar übermütige Jünglinge, wie es schien. Aber der da ... der einzige Germane, der wirklich etwas draufzuhaben schien, das war der Anführer. An dessen Hüfte doch tatsächlich ein Cingulum militare prangte. Rotzfrech. Entweder ein Dieb oder einer, der etwas konnte. Den würde Sabaco sich holen, danach sollte der Rest in wortwörtlich kopflose Zustände verfallen.


    "Gubernator, du übernimmst das Kommando, bis ich mit dem da fertig bin! Wir drängen mit dem linken Flügel ..." Flügel, bei dem winzigen Haufen. "... auf den Gegner ein, die Formation muss halten! BRANDOLF!" Was machte der Sack eigentlich noch hier?! "Ans Geschütz! ANSGAR! Hierher, gib mir Deckung!"


    Sabaco hatte die Nase voll. Er würde diese germanische Sackratte da vorn mit ihrem erbeuteten Militärgürtel eigenhändig enthaupten oder selbst dabei abkratzen, wen kümmerte es! Das Schwein hatte es gewagt, Sabacos Einheit anzugreifen. Seine Einheit, seine Männer! Mit nichts anderes als dem Tod konnte das vergolten werden. Ansgar würde ihm dabei helfen, er hatte sie alle schließlich in diesen erbärmlichen Zustand geritten mit seiner Heldenrede, und sollte Gelegenheit erhalten, seine angeknackste Ehre wieder reinzuwaschen.


    Als der Augenblick günstig war und Ansgar ihm zur Seite stand, griff Sabaco den Anführer der Germanen an.

    Der Bolzen von Ansgar durchschlug die Bäuche zweier Germanen auf einmal, die sich genähert hatten. Im hinteren blieb er hängen. Der Anblick, wie sie da wie Spießbraten zu Boden gingen, ging einigen Jüngeren Germanen durch Mark und Bein. Für Sabaco hingegen war er ein Genuss. Oh ja, römische Geschütze hatten es in sich.


    Die Bogensehnen knallten, im Sturm nur hörbar, wenn man genau daneben stand. Der Pfeilhagel verursachte massiven Schaden, auch wenn sie nicht allzu viele Schützen dabei hatten, so ging aus dieser Nähe doch fast jeder Pfeil ins Ziel. Dann folgten noch die Wurfspeere.


    Diese Plünderer sollten nur näher kommen ... denn nun warteten auf sie die Schwerter. "GLADIOOOS STRINGIIIITEEEE!"*


    Sim-Off:

    *Schwerter zieht blank

    Sabaco folgte dem Blick Neros ... und kam sofort auf die Beine. Das jahrelange nachtaktive Leben auf den Straßen von Tarraco hatte ihm eine sehr gute Nachtsicht beschert. Er sah deutlich, was andere nur als vage Bewegungen erkannten. Keine Zeit für Vorsicht und halbe Sachen!


    "Gefechtsbereitschaft herstellen! Verwundete auf die Keto, Schützen in Aufstellung vor das Schiff!", röhrte er. "Marini in Reihe davor!"


    Sofort machte er sich daran, sie anzutreiben, ohne die Schatten aus den Augen zu lassen. Spätestens, wenn seine Männer in Position standen, würden sie verstehen, was ihn zu dieser Gefechtsaufstellung bewog. Sie hatten vollständige Rückendeckung aller Kämpfer durch den Rhenus. Und sie schützten das wertvolle Schiff und die Verwundeten, die darauf in Sicherheit waren, so lange die Kämpfer die Formation hielten.


    Zum Einnehmen der Aufstellung wichen sie in die Schatten zurück, während der Feind in den Feuerschein treten musste, wenn er zu ihnen gelangen wollte. Da die Germanen durch die Dunkelheit geschlichen waren, würde das Licht sie zunächst blenden. In der Dunkelheit aber machten die Römer sich bereit. Wer im Schatten stand, sah seinen Gegner besser, als wer im Licht stand. Aus dem Licht heraus gegen einen Feind in der Dunkelheit anzukämpfen, war nicht gesund.


    Sabaco hoffte, dass die Germanen keine ausgebildeten Krieger waren und sich darauf einließen, den Kampf nach Sabacos Regeln zu führen, ja, er lechzte darauf, dass sie das Zurückweichen als ängstliches Zusammenrücken deuteten und in die Falle gingen.


    "Wurfspeere bereit machen", befahl Sabaco, als die Formation stand. Auch die Schützen sollten sich bereithalten.

    Freilich ging Sabaco davon aus, dass der beschränkte Verstand der Germanin zumindest genügte, zwei Dinge in einer Aufzählung auseinander zu halten und zu begreifen, dass seine Ablehnung von Getreide sich auf die erstgenannte Suppe beschränkte. Er nahm an, dass wenigstens im Gastronomiegewerbe bekannt sei, dass die Soldaten jeden Tag mit einem Getreidebrei namens Puls gefoltert wurden, der den meisten von ihnen nach etlichen Jahren Dienstzeit zum Hals raus hing, wohingegen Brot und Kuchen als willkommene bissfeste Abwechslung galten. Er sprach nur mit seinem Bruder, wenn sie nicht am Tisch stand, es ging sie nichts an, was die beiden zu besprechen hatten und er konnte sie nicht leiden, weil sie sich unprofessionell verhielt, indem sie mit dem einen Bruder flirtete und dem anderen sichtbare Ablehnung entgegenbrachte, obwohl sie ihn überhaupt nicht kannte.


    Dass Ocella so leicht zu kaufen war, kotzte ihn an. So sah sie aus, Ocellas Ehre. Sie reichte nicht weiter als sein Schwanz. Doch Sabaco schluckte all das herunter, ertrug, wollte nicht streiten. Nicht den letzten Rest verlieren, der ihm von seinem Bruder noch geblieben war. Liebe tat weh ... so verdammt weh. Er betrachtete die wulstigen Schnittnarben auf seinen Unterarmen, während er den Krug hielt. Dachte an Nero und fragte sich, wann sie ebenfalls an diesem Punkt angelangt sein würden. Sah wieder auf.


    "Selbstlosigkeit ist nicht mein Ding? Schade, dass du vergessen hast, wer dich großzog, wer dich alles lehrte. Wer dich schützte. Zwei Backenzähne verlor ich, als ich mich für dich in eine Prügelei warf, von der ich wusste, ich würde nicht heil aus ihr herauskommen. Wer dich wärmte und in den Schlaf sang, als wir beide noch jung waren. Aber vielleicht willst du diese Dinge auch mit Absicht vergessen. Am Ende ist alle Selbstlosigkeit für die Katz."


    Er trank einen Schluck, schloss einen Moment die Augen, wartete, bis das Gewünschte gebracht worden war.


    "Es gibt hunderte Götter, vielleicht tausende. Man muss sich nicht auf die Götter der gepflegten Selbstkastration fixieren, dann kannst du auch gleich Christ werden und die andere Wange hinhalten. Chronos ist ein machtvoller Gott und er ist nicht die schlechteste Wahl, aber es gibt noch andere, die Biss haben. Vulcanus zum Beispiel."


    Kein Streit ... nur eine Erklärung, wie man die Dinge auch sehen konnte.


    "Die römischen Tugenden erfülle ich so gut wie du, auch wenn ich andere Schwerpunkte setze. Fides sagt mir was, Brüderchen. Wie sieht es bei dir aus? Pietas, Firmitas, nicht einmal Clementia ist mir fremd, aber man muss sie nicht jedem unrömischen Abschaum entgegenbringen. Mit all meinen Fehlern bin ich doch ein guter Römer. Buße ist also nicht notwendig, denn meine Götter mögen mich, so wie ich bin. Trotzdem danke für den Versuch.


    Was unseren mutigen Jugendfreund Armàndos betrifft ..." Sabacos Grinsen wuchs in die Breite, war das eines Raubtieres. "... so geht es ihm ganz hervorragend. In meinen Diensten. Schön, dass du dich an ihn erinnerst, obwohl er nur ein entlaufener Sklave war. Du hast es ja nicht mehr erlebt, aber jemand muss ihn wohl eines Tages verpfiffen haben. Das ging nicht gut aus. Sein Glück, dass zufällig ich vorbeikam, während er da in der hispanischen Sonne am Kreuz hing und ausreichend Geld dabei hatte, um die Wachen davon zu überzeugen, ihn mir herunter zu pflücken. Die Götter gehen manchmal eigenwillige Umwege, doch am Ende fügt sich alles. Und so endete der Traum unseres Helden, als freier Mann zu sterben."


    Dass Sabaco denn hübschen Griechen immer wieder gefragt hatte, ob er nicht das Leben auf der Straße aufgeben und sein Sklave sein wolle, dieser aber jedes Mal beleidigt abgelehnt hatte, war kein Geheimnis.

    Sabaco nahm den noch fast vollen Krug wieder entgegen. Er trank einen großen Schluck, ließ seinen Bruder ausreden. Ehe er antworten konnte, trat die Germanin wieder an den Tisch. Wenigstens war sie jetzt wieder höflich, das Gemache zuvor war ihm ziemlich gegen den Strich gegangen. So blieb auch er höflich.


    "Auf irgendeine Suppe hätte ich Appetit. Nur nichts mit Getreide, das gibt es jeden Tag im Castellum. Was kannst du empfehlen? Meinetwegen auch die Fischsuppe, von der du gerade abgeraten hast, wenn es nichts anderes geben sollte, nur lass den Garum weg. Zum Mitnehmen kannst du mir ein Stofftuch voll gefüllter Brote bringen, wenn ihr was da habt." Die eigneten sich gut als leckerer Marschproviant.


    Dann wandte er sich wieder seinem Bruder zu. "Ich bin viel toleranter, als du glaubst. Wenn ich versuche, dir deine Ideale madig zu reden, dann, weil sie dich in Gefahr bringen. Das ist der ganze Hintergrund. Ansonsten ist es mir schnurz, was jemand für eine Meinung zu irgendwas hat. Manchmal ist es sogar ganz witzig, sich über merkwürdige Ansichten zu unterhalten. Armàndos hat mich früher oft mit seinen sinnlosen, ja teilweise völlig hirnverbrannten Ideen in den Schlaf geredet, ich fand das entspannend."


    Sabaco legte den Kopf schräg, als er seinen Bruder betrachtete, der plötzlich sehr erschöpft wirkte. Wie immer, wenn es dunkel war, wirkte Ocella viel jünger und verletzlicher, als im Tageslicht. "Du hast dir den Dienst unter den Adlern anders vorgestellt, nicht wahr? Ehrenvoller, ein gerechter Krieg. Weniger dreckig."

    "Ich habe Brandolf allein geschickt, damit er leiser, schneller und flexibler ist." Ob die Entscheidung richtig war - keiner konnte es sagen. "Wenn zwei unterwegs sind, hören sie die Geräusche vom Begleiter. Zugegebenermaßen habe ich selbst keine Erfahrung im Kundschaften, die Überlegungen sind theoretischer Natur. Ich würde selbst lieber allein unterwegs sein, wenn ich was auskundschaften müsste, um auf niemanden warten oder Rücksicht nehmen zu müssen. Wenn ich falsch entschieden habe, dann ist jetzt die Gelegenheit, das zu sagen, bevor Brandolf aufgebrochen ist."


    Es krachte mörderisch, als irgendwo ein Blitz einschlug, einen Moment lang war die Szenerie taghell erleuchtet. Der Boden erbebte. Den fast unmittelbar darauf folgenden Donner spürten sie im ganzen Körper. Alles schien zu vibrieren. Je dunkler es wurde, umso ungemütlicher gestaltete sich das Wetter. Sabaco kramte seinen Proviantbeutel raus, in dem noch ein Säckchen Nüsse, ein Apfel und ein mit Bratenfleisch gefülltes Brot lagen. Sabaco lud sich immer reichlich Futter ein, viel mehr, als das Marschgepäck vorsah, hatte auch schon reichlich gegessen und deswegen momentan keinen Appetit.


    "Will einer?" Er hob das Proviantnetz hoch.

    Avianus hatte inzwischen Leute am Nachbartisch entdeckt, die er kannte, und sich zu ihnen gesellt. So war er schon immer gewesen ... nicht greifbar, mehr Geist als Mensch, mehr Fremder als Bruder. So blieben Ocella und Sabaco weiterhin unter sich, wie es schon immer gewesen war und wohl auch immer sein würde.


    "Was ich getan hätte, wenn du eine Geißel geworden wärst? Ich hätte alles getan, dich da rauszuholen. Mit alles meine ich alles. Ohne die Kraft eines Befehlshabers im Rücken auch eigenmächtig. Danach hätte ich mich nicht mehr hier blicken lassen dürfen, aber wen schert es." Er sprach sehr leise, so dass nur Ocella ihn verstehen konnte. "Geld, Informationen, Verrat, den Kopf meines Kommandanten ... mich selbst. Völlig gleich. Sie hätten von mir alles bekommen, was sie wollen für den Preis deines Lebens. Ehre bedeutet mir nichts, Ocella. Du bedeutest mir alles."


    Sabaco schob ihm seinen noch fast vollen Krug hinüber und zog den leeren zu sich heran.


    "In der Classis habe ich ein paar anständige germanische Kameraden und du weißt, dass meine Freunde selten Vorzeigerömer sind. Gegen Germanen habe ich nichts. Aber es liegt mir fern, ihre Lebensweise und ihren Kampf zu romantisieren. Konzepte wie Ruhm und Ehre hören sich ganz wunderbar an, spielen aber unseren Feinden in die Hände, weil sie ihnen selbst fremd sind. Die Germanen würden auf deine Leiche spucken, sie wissen nichts von deinen noblen Absichten, für sie bist du ein Drecksrömer wie jeder andere.


    Falls du meinst, ich würde sie ausrotten wollen, liegst du allerdings falsch. Aber es besteht nicht der geringste Anlass, sie zu schonen. Ich wünsche mir eine Romanisierung des gesamten Barbaricums. Frieden durch Kontrolle, ein bewährtes Konzept seit hunderten von Jahren. Schau dich um in den Auxiliareinheiten, der Ala und der Classis, vergleiche die Germanen dort mit dem zerzausten rechtsrheinischen Pack. Ich wünsche mir, dass wir aus allen Germanen in ein oder zwei Generationen gute Römer machen. Dass es funktioniert, wissen wir, darum erhalten die Kameraden von den Hilfseinheiten zum Lohn für ihren Militärdienst ja auch das Bürgerrecht. Aber wir müssen mit diesem Eiertanz aufhören und die Macht des Imperiums endlich auch durchsetzen."

    Ein Gefühl von Euphorie hatte auch Sabaco gepackt, als sie gegen den stärker werdenden Wind kämpften. Am Anfang wirkte es noch so, als würden sie über die Natur siegen. Dann brach der erste zusammen.


    Der Befehl zum Halten erklang, damit die Ruder sich nicht verhedderten oder gar brachen. Im Eilschritt stapfte Sabaco zu dem im Schneematsch auf den nassen Planken liegenden Soldaten, packte ihn unter den Armen und zerrte ihn nach achtern in das kleine Zelt, wo er schon Nero sicher verpackt hatte. In wenigen Handgriffen war der Soldat seines nassen Mantels entledigt und in mehrere Schichten trockene Notfalldecken eingewickelt. Sabacos Hände tatschten ein oder zwei Sekunden wahllos auf dem Helm und den gepanzerten Schultern herum, was den Soldaten scheinbar beruhigen sollte, ehe er ihn noch weiter einwickelte, so dass nur noch ein kleiner Spalt zum Atmen blieb.


    Dann drehte Sabaco sich herum und brüllte nach Eike, der sich um den malträtierten Kameraden kümmern sollte und stapfte selbst wieder gegen den Wind nach vorn. Der aufziehende Sturm riss ihm die Kapuze vom Helm. "Wir rudern bis zum nächsten geeigneten Ankerplatz, dann schlagen wir das Lager auf, ehe der Sturm richtig loslegt!"


    Einen wirklich geeigneten Ankerplatz gab es allerdings nicht, das Ufer war sumpfig und verkrautet, das Gelände bewaldet. So mussten sie mit einer Bucht zwischen den Stämmen uralter Weiden Vorlieb nehmen, die jetzt im Herbst mit ihrer dunklen Rinde und den knorrigen Formen etwas unheimlich wirkten. Die Späher stapften frierend durch das sumpfige Gelände und suchten nach einem Lagerplatz. Derjenige, den sie fanden, war auch nicht wirklich gut und kaum einer schaffte es, mit trockenen Füßen an Land zu kommen. Immerhin boten die Weiden einen gewissen Sicht- und Windschutz, eine war sogar hol. Die bekam Eike zur Verfügung gestellt, damit er dort die besonders ramponierten Marini behandeln konnte, ohne dass der Wind ihm die Verbände wegwehte.


    "Ansgar, du übernimmst die erste Wache." Würde ihm nicht gefallen, aber hier gefiel niemandem noch irgendwas. "Brandolf - du machst dich zu Fuß auf den Weg nach Mogontiacum und informierst darüber, dass wir es heute nicht mehr ins Castellum schaffen. Leichtes Gepäck. Lass dich nirgends blicken, bis du in Mogontiacum bist, das Gelände ist nicht sicher."


    Sabaco stapfte herum und überwachte den Aufbau des notdürftigen Lagers. Zelte hatten sie keine dabei, stattdessen befahl er, aus dem Segel einen überdachten Windschutz zu bauen. Zelt konnte man das nicht nennen, aber so wurde verhindert, dass die Männer völlig exponiert waren. Die trockene Holzkohle erwies sich nun als Glücksfall. Bei dem Sauwetter sah man ohnehin keinen Rauch. Auch war in bewaldetem Gelände der Feuerschein nicht sichtbar, falls doch, dann sorgte das klatschnasse Segel für sein Übriges. Als die Dunkelheit hereinbrach, brannten zwei prasselnde Feuer, an denen die Männer ihre nassen Hände und Füße wärmen und heißes Wasser zubereiten konnten. Wer sich seine Ration aufgespart hatte, sah sich in der Situation, noch eine Mahlzeit zubereiten zu können.


    Der Suboptio aber wärmte sich nicht und wollte auch nichts essen. Er ging herum, bis er mit allem entsprechend er Umstände zufrieden war. Dann hockte er sich erschöpft und angespannt neben Nero unter das Segel, den Blick auf das Feuer gerichtet, das sich in seinen Augen und auf seiner nassen Rüstung spiegelte. "Schließe ein wenig die Augen", sagte er. "Ich passe schon auf."

    "Jetzt hast du mir schön die Lehrbuchdefinitionen heruntergebetet", stichelte Sabaco. "Jetzt lassen wir das Blabla, das man jedem Offizier auf seinen Wunsch hin herunterrasselt, mal außen vor und werden konkret. Warum ist dir persönlich an Ehre und Ruhm gelegen? Das hast du nämlich fein verschwiegen, hast dich drumherum gemogelt und gemeint, ich merke nicht, dass du mir halbgare Antworten lieferst. Sag mir, warum es dich interessiert, was irgendeiner von dir hält.


    Und warum sollte man überhaupt gegenüber den rechtsrheinischen Germanen ehrenvoll handeln? War Arminius ehrenvoll? Mit schändlichstem Verrat hat er Varus samt dreier Legionen zu Fall gebracht, zuzüglich sechs Auxilliarkohorten und drei Alae. Ich glaube, die Legionsadler zieren immer noch die Hütten irgendwelcher Häuptlinge. Haben sie die Zivilisten im Tross des Varus ehrenvoll geschont?"


    Sabaco grinste dreckig, denn jeder kannte die Antwort.


    "Die Köpfe der Getöteten ließ Arminius dann auf Lanzen an den Wall herantragen, um uns zu demoralisieren. War das ehrenvoll? Und waren die Germanen ehrenvoll, die neulich den Caesar überfielen und den Sohn des Legaten abstachen oder waren es nicht einfach nur Idioten, die so dämlich waren, sich Roms Macht offen entgegenzustellen?"

    Sabaco schnaubte triumphierend durch die Nase wie ein Stier. Die Kälte verwandelte seinen Atem in zwei Wolken. Der Anblick, wie sie da strammstanden, gefiel ihm. Vom Germanen zum Menschen waren sie geworden. Wenn ihre Zeit abgeleistet war, sollten sie zu Recht Römer genannt werden. Er schwelgte, einen Augenblick, zwei, drei ... Sein Werk, er hatte sie so geformt. So entschlossen sollten sie immer aussehen, so furchtlos, so dienstbereit. Aber wenn er wen geißeln wollte, würde er das trotzdem tun, auch ohne Ansgars Erlaubnis.


    Während er sich ergötzte, setzte ihn Nero ihn von der Seite unter Druck. Der Mann konnte ihn nicht einfach mal den Anblick seiner perfekt geschliffenen Mannschaft genießen lassen. Hoffentlich vermerkte er das wenigstens, wenn es um die Beurteilung von Sabacos Leistung als Schleifer ging!


    "Da alle sich noch in der Lage sehen zu rudern, rudern wir", entschied Sabaco.


    Er stand da in soldatischer Haltung und starrte in die Reihen, als er die notwendigen Befehle gab. Zwei Leute begaben sich zum Anker. Einer bediente das schwere Gerät, der zweite hielt Sichtkontakt. Sabaco zeigte mit dem Zeigefinger nach oben und zeichnete eine Drehbewegung, da wegen des Windes seine Stimme auf die Distanz nicht zu verstehen sein würde. Rasselnd zog man die kalte, nasse Kette an Bord und holte den Anker ein. Alle platzierten sich, Ausrüstung klimperte, Holz polterte.


    Dann tauchten erneut die Ruder ins Wasser und die Keto fuhr in den beginnenden Sturm.

    Sabaco interessierte es nicht, was die Marini von seiner Untersuchung hielten. Sie hatten stillzuhalten und alles über sich ergehen zu lassen, was ihm beliebte. Wäre er auf die Idee gekommen, zu überprüfen, ob sie diese weibischen subligaculi trugen, hätten sie ebenfalls da durch gemusst. Undank kannte er ja schon von seinem Brüderchen zur Genüge und Ansgars zur Schau gestellter Unwillen prallte an ihm ab. Mit kritischem Blick befühlte Sabaco die durchgeweichten Stoffe, die sich in der Tat kalt und klamm anfühlten. Was er sah und fühlte, gefiel Sabaco nicht, Ansgar war in keinem guten Zustand und sie hatten noch ein Viertel der Strecke vor sich.


    Gerade wollte er sich mit Eike beraten, der für gesundheitliche Belange zuständig war, und ihm den ramponierten Ansgar zeigen, da rief ihn Nero schon wieder zu sich. Vielleicht kannte der sich ja mit Unterkühlungen, Erfrierungen und dergleichen aus?! Sabaco ließ vom Soldaten ab und stapfte - schon wieder - nach hinten. Der Mittelgang war der einzige Bereich im Schiff, wo sich kein Schneematsch sammeln konnte.


    "Gubernator?"


    Da quoll ihm ein Schwall von Erklärungen zum Thema Wetter entgegen. Sabaco, der es gewohnt war, Vorgesetzten zuzuhören, wie lange die auch redeten, schaute stoisch und wartete, bis Nero fertig war. Danach versuchte er, die Unmenge an Informationen zu sortieren und in einen sinnvollen Kontext zu bringen. Warum unterbrach Nero seine Inspektion und seinen Prozess der Entscheidungsfindung, um mit ihm über das Wetter zu reden? Jetzt waren sie ja schon mitten drin!


    "Gewitter im Spätherbst?", brummelte er skeptisch. "Seit wann gewittert es, wenn es schneit?" Misstrauisch blickte er in den Himmel, seine Augen tränten vom schneidenden Wind. Vom Gewitter war bisher keine Spur zu sehen, aber er vertraute dem erfahrenen Seebären, wenn er eins prophezeite. Sabaco platzte der Kragen. "Es gibt NIE Gewitter im Winter, nur ausgerechnet heute", brüllte er.


    Das kotzte ihn jetzt an. Alles ging schief. Die Mannschaft bestand aus prüden Heulsusen und sein Vorgesetzter ließ ihn sehenden Auges in ein Unwetter fahren. Sabaco tat sich selber sehr leid. Am liebsten würde er die verdammte Holzkohle in den Rhenus kippen, damit sie vorankamen, aber sie hatten einen Auftrag, den obendrein er selbst eingefädelt hatte, und der durfte nicht einfach abgebrochen werden, nur weil irgendwer fror oder müde war.


    Sabaco schluckte seine Wut so weit herunter, dass man sie ihm nicht mehr ansah. Hier herumzutoben nützte auch nichts, eine Lösung musste her.


    Er drehte sich von Nero weg und zu seinen Marini um, brüllte den Befehl, die Keto halten und ankern zu lassen. Die Sichtung musste weitergehen, globaler nun. Er wandte sich von Nero ab und stapfte - einmal mehr - nach vorn, nach rechts und links auf die Marini sehend, die gerade ihre Ruder anhoben und sie einzogen, während der Anker ausgeworfen wurde. Die Keto kam mehr oder weniger zur Ruhe. Sabaco stellte er sich mit dem Gesicht zu ihnen hin und starrte auf sie hinab.


    "Ein Viertel der Wegstrecke liegt noch vor uns. Genau wie ein fettes Unwetter laut unserem see- und wettererfahrenen Gubernator! Wenn ihr noch durchhaltet, dann sind wir heute Abend in der Castra, in der warmen Therme und im eigenen Bett. Wenn ihr eine Pause braucht, weil euch sonst die Finger und Zehen abfrieren, bleibt uns nichts übrig, als hier zu rasten und die Nacht bei einem Feuer im Freien zu verbringen. Genug trockenes Brennmaterial haben wir ja an Bord, das geht also auch. Dann schlagen wir an der nächsten geeigneten Stelle ein Lager auf.


    Ich brauche für die Entscheidung einen Überblick.


    Wer sich den Heimweg noch zutraut, hebt jetzt einen Arm. Wenn ihr lügt, um einen auf dicke Eier zu machen, seid ihr selber Schuld. Falls wir uns für den Heimweg entscheiden, peitsche ich euch notfalls bis nach Mogontiacum durch und dulde kein Gejammer mehr! Überlegt euch realistisch, wie es um eure Kräfte bestellt ist. Also?!"


    Kritisch blickte er die Reihen entlang.

    Das Gespräch zwischen Nero und Sabaco wurde im wörtlichen Sinne abgewürgt, als einer kotzte. Von denen würde heute keiner mehr ein Bier zu würdigen wissen, sie würden nach der Therme mausetot in ihre Betten fallen.


    "Ich denke, das verschieben wir auf einen anderen Tag. Wir kommen wegen des scharfen Gegenwinds verdammt langsam voran und die Männer werden froh sein, wenn sie ihre Ruhe haben."


    Leider vereitelte die Windrichtung die Nutzung des Segels. Besorgt betrachtete er den Himmel. Sie waren wegen des Gegenwindes und der schweren Ladung langsamer vorangekommen als geplant, viel langsamer. Wenn sie sich nicht beeilten, würde es stockfinster sein, lange bevor sie Mogontiacum erreichten, und dann blieb ihnen nur die Übernachtung hier draußen.


    Sabaco stapfte in seiner üblichen Körperhaltung, eine Hand hinter dem Rücken, langsam durch die Reihen, um seine Truppe zu inspizieren. Die Männer waren sichtlich angeschlagen. Warum sie so froren, war ihm schleierhaft, da er befohlen hatte, dass sie sich dick und fett einpacken sollten und sie ja auch alle die Tuniken in der dicken Qualität unter ihrer blauen Diensttunika zu tragen angehalten waren.


    Sabaco machte eine Stichprobe und schaute auf den Ärmel von Ansgar, wie warm er eingepackt war. "Trägst du die dicke Untertunika, so wie ich es angewiesen habe? Und ist da die Helmkappe aus Filz drunter?!", hakte er nach und zeigte auf den Helm, dann gleich auf den Schienenpanzer. "Subarmalis drunter?!" Auch die Beine von Ansgar kontrollierte er mit kritischem Blick auf Vorhandensein von Beinlingen und warmen Socken.