Sabaco interessierte es nicht, was die Marini von seiner Untersuchung hielten. Sie hatten stillzuhalten und alles über sich ergehen zu lassen, was ihm beliebte. Wäre er auf die Idee gekommen, zu überprüfen, ob sie diese weibischen subligaculi trugen, hätten sie ebenfalls da durch gemusst. Undank kannte er ja schon von seinem Brüderchen zur Genüge und Ansgars zur Schau gestellter Unwillen prallte an ihm ab. Mit kritischem Blick befühlte Sabaco die durchgeweichten Stoffe, die sich in der Tat kalt und klamm anfühlten. Was er sah und fühlte, gefiel Sabaco nicht, Ansgar war in keinem guten Zustand und sie hatten noch ein Viertel der Strecke vor sich.
Gerade wollte er sich mit Eike beraten, der für gesundheitliche Belange zuständig war, und ihm den ramponierten Ansgar zeigen, da rief ihn Nero schon wieder zu sich. Vielleicht kannte der sich ja mit Unterkühlungen, Erfrierungen und dergleichen aus?! Sabaco ließ vom Soldaten ab und stapfte - schon wieder - nach hinten. Der Mittelgang war der einzige Bereich im Schiff, wo sich kein Schneematsch sammeln konnte.
"Gubernator?"
Da quoll ihm ein Schwall von Erklärungen zum Thema Wetter entgegen. Sabaco, der es gewohnt war, Vorgesetzten zuzuhören, wie lange die auch redeten, schaute stoisch und wartete, bis Nero fertig war. Danach versuchte er, die Unmenge an Informationen zu sortieren und in einen sinnvollen Kontext zu bringen. Warum unterbrach Nero seine Inspektion und seinen Prozess der Entscheidungsfindung, um mit ihm über das Wetter zu reden? Jetzt waren sie ja schon mitten drin!
"Gewitter im Spätherbst?", brummelte er skeptisch. "Seit wann gewittert es, wenn es schneit?" Misstrauisch blickte er in den Himmel, seine Augen tränten vom schneidenden Wind. Vom Gewitter war bisher keine Spur zu sehen, aber er vertraute dem erfahrenen Seebären, wenn er eins prophezeite. Sabaco platzte der Kragen. "Es gibt NIE Gewitter im Winter, nur ausgerechnet heute", brüllte er.
Das kotzte ihn jetzt an. Alles ging schief. Die Mannschaft bestand aus prüden Heulsusen und sein Vorgesetzter ließ ihn sehenden Auges in ein Unwetter fahren. Sabaco tat sich selber sehr leid. Am liebsten würde er die verdammte Holzkohle in den Rhenus kippen, damit sie vorankamen, aber sie hatten einen Auftrag, den obendrein er selbst eingefädelt hatte, und der durfte nicht einfach abgebrochen werden, nur weil irgendwer fror oder müde war.
Sabaco schluckte seine Wut so weit herunter, dass man sie ihm nicht mehr ansah. Hier herumzutoben nützte auch nichts, eine Lösung musste her.
Er drehte sich von Nero weg und zu seinen Marini um, brüllte den Befehl, die Keto halten und ankern zu lassen. Die Sichtung musste weitergehen, globaler nun. Er wandte sich von Nero ab und stapfte - einmal mehr - nach vorn, nach rechts und links auf die Marini sehend, die gerade ihre Ruder anhoben und sie einzogen, während der Anker ausgeworfen wurde. Die Keto kam mehr oder weniger zur Ruhe. Sabaco stellte er sich mit dem Gesicht zu ihnen hin und starrte auf sie hinab.
"Ein Viertel der Wegstrecke liegt noch vor uns. Genau wie ein fettes Unwetter laut unserem see- und wettererfahrenen Gubernator! Wenn ihr noch durchhaltet, dann sind wir heute Abend in der Castra, in der warmen Therme und im eigenen Bett. Wenn ihr eine Pause braucht, weil euch sonst die Finger und Zehen abfrieren, bleibt uns nichts übrig, als hier zu rasten und die Nacht bei einem Feuer im Freien zu verbringen. Genug trockenes Brennmaterial haben wir ja an Bord, das geht also auch. Dann schlagen wir an der nächsten geeigneten Stelle ein Lager auf.
Ich brauche für die Entscheidung einen Überblick.
Wer sich den Heimweg noch zutraut, hebt jetzt einen Arm. Wenn ihr lügt, um einen auf dicke Eier zu machen, seid ihr selber Schuld. Falls wir uns für den Heimweg entscheiden, peitsche ich euch notfalls bis nach Mogontiacum durch und dulde kein Gejammer mehr! Überlegt euch realistisch, wie es um eure Kräfte bestellt ist. Also?!"
Kritisch blickte er die Reihen entlang.