Beiträge von Publius Matinius Sabaco

    Der Bolzen von Ansgar durchschlug die Bäuche zweier Germanen auf einmal, die sich genähert hatten. Im hinteren blieb er hängen. Der Anblick, wie sie da wie Spießbraten zu Boden gingen, ging einigen Jüngeren Germanen durch Mark und Bein. Für Sabaco hingegen war er ein Genuss. Oh ja, römische Geschütze hatten es in sich.


    Die Bogensehnen knallten, im Sturm nur hörbar, wenn man genau daneben stand. Der Pfeilhagel verursachte massiven Schaden, auch wenn sie nicht allzu viele Schützen dabei hatten, so ging aus dieser Nähe doch fast jeder Pfeil ins Ziel. Dann folgten noch die Wurfspeere.


    Diese Plünderer sollten nur näher kommen ... denn nun warteten auf sie die Schwerter. "GLADIOOOS STRINGIIIITEEEE!"*


    Sim-Off:

    *Schwerter zieht blank

    Sabaco folgte dem Blick Neros ... und kam sofort auf die Beine. Das jahrelange nachtaktive Leben auf den Straßen von Tarraco hatte ihm eine sehr gute Nachtsicht beschert. Er sah deutlich, was andere nur als vage Bewegungen erkannten. Keine Zeit für Vorsicht und halbe Sachen!


    "Gefechtsbereitschaft herstellen! Verwundete auf die Keto, Schützen in Aufstellung vor das Schiff!", röhrte er. "Marini in Reihe davor!"


    Sofort machte er sich daran, sie anzutreiben, ohne die Schatten aus den Augen zu lassen. Spätestens, wenn seine Männer in Position standen, würden sie verstehen, was ihn zu dieser Gefechtsaufstellung bewog. Sie hatten vollständige Rückendeckung aller Kämpfer durch den Rhenus. Und sie schützten das wertvolle Schiff und die Verwundeten, die darauf in Sicherheit waren, so lange die Kämpfer die Formation hielten.


    Zum Einnehmen der Aufstellung wichen sie in die Schatten zurück, während der Feind in den Feuerschein treten musste, wenn er zu ihnen gelangen wollte. Da die Germanen durch die Dunkelheit geschlichen waren, würde das Licht sie zunächst blenden. In der Dunkelheit aber machten die Römer sich bereit. Wer im Schatten stand, sah seinen Gegner besser, als wer im Licht stand. Aus dem Licht heraus gegen einen Feind in der Dunkelheit anzukämpfen, war nicht gesund.


    Sabaco hoffte, dass die Germanen keine ausgebildeten Krieger waren und sich darauf einließen, den Kampf nach Sabacos Regeln zu führen, ja, er lechzte darauf, dass sie das Zurückweichen als ängstliches Zusammenrücken deuteten und in die Falle gingen.


    "Wurfspeere bereit machen", befahl Sabaco, als die Formation stand. Auch die Schützen sollten sich bereithalten.

    Freilich ging Sabaco davon aus, dass der beschränkte Verstand der Germanin zumindest genügte, zwei Dinge in einer Aufzählung auseinander zu halten und zu begreifen, dass seine Ablehnung von Getreide sich auf die erstgenannte Suppe beschränkte. Er nahm an, dass wenigstens im Gastronomiegewerbe bekannt sei, dass die Soldaten jeden Tag mit einem Getreidebrei namens Puls gefoltert wurden, der den meisten von ihnen nach etlichen Jahren Dienstzeit zum Hals raus hing, wohingegen Brot und Kuchen als willkommene bissfeste Abwechslung galten. Er sprach nur mit seinem Bruder, wenn sie nicht am Tisch stand, es ging sie nichts an, was die beiden zu besprechen hatten und er konnte sie nicht leiden, weil sie sich unprofessionell verhielt, indem sie mit dem einen Bruder flirtete und dem anderen sichtbare Ablehnung entgegenbrachte, obwohl sie ihn überhaupt nicht kannte.


    Dass Ocella so leicht zu kaufen war, kotzte ihn an. So sah sie aus, Ocellas Ehre. Sie reichte nicht weiter als sein Schwanz. Doch Sabaco schluckte all das herunter, ertrug, wollte nicht streiten. Nicht den letzten Rest verlieren, der ihm von seinem Bruder noch geblieben war. Liebe tat weh ... so verdammt weh. Er betrachtete die wulstigen Schnittnarben auf seinen Unterarmen, während er den Krug hielt. Dachte an Nero und fragte sich, wann sie ebenfalls an diesem Punkt angelangt sein würden. Sah wieder auf.


    "Selbstlosigkeit ist nicht mein Ding? Schade, dass du vergessen hast, wer dich großzog, wer dich alles lehrte. Wer dich schützte. Zwei Backenzähne verlor ich, als ich mich für dich in eine Prügelei warf, von der ich wusste, ich würde nicht heil aus ihr herauskommen. Wer dich wärmte und in den Schlaf sang, als wir beide noch jung waren. Aber vielleicht willst du diese Dinge auch mit Absicht vergessen. Am Ende ist alle Selbstlosigkeit für die Katz."


    Er trank einen Schluck, schloss einen Moment die Augen, wartete, bis das Gewünschte gebracht worden war.


    "Es gibt hunderte Götter, vielleicht tausende. Man muss sich nicht auf die Götter der gepflegten Selbstkastration fixieren, dann kannst du auch gleich Christ werden und die andere Wange hinhalten. Chronos ist ein machtvoller Gott und er ist nicht die schlechteste Wahl, aber es gibt noch andere, die Biss haben. Vulcanus zum Beispiel."


    Kein Streit ... nur eine Erklärung, wie man die Dinge auch sehen konnte.


    "Die römischen Tugenden erfülle ich so gut wie du, auch wenn ich andere Schwerpunkte setze. Fides sagt mir was, Brüderchen. Wie sieht es bei dir aus? Pietas, Firmitas, nicht einmal Clementia ist mir fremd, aber man muss sie nicht jedem unrömischen Abschaum entgegenbringen. Mit all meinen Fehlern bin ich doch ein guter Römer. Buße ist also nicht notwendig, denn meine Götter mögen mich, so wie ich bin. Trotzdem danke für den Versuch.


    Was unseren mutigen Jugendfreund Armàndos betrifft ..." Sabacos Grinsen wuchs in die Breite, war das eines Raubtieres. "... so geht es ihm ganz hervorragend. In meinen Diensten. Schön, dass du dich an ihn erinnerst, obwohl er nur ein entlaufener Sklave war. Du hast es ja nicht mehr erlebt, aber jemand muss ihn wohl eines Tages verpfiffen haben. Das ging nicht gut aus. Sein Glück, dass zufällig ich vorbeikam, während er da in der hispanischen Sonne am Kreuz hing und ausreichend Geld dabei hatte, um die Wachen davon zu überzeugen, ihn mir herunter zu pflücken. Die Götter gehen manchmal eigenwillige Umwege, doch am Ende fügt sich alles. Und so endete der Traum unseres Helden, als freier Mann zu sterben."


    Dass Sabaco denn hübschen Griechen immer wieder gefragt hatte, ob er nicht das Leben auf der Straße aufgeben und sein Sklave sein wolle, dieser aber jedes Mal beleidigt abgelehnt hatte, war kein Geheimnis.

    Sabaco nahm den noch fast vollen Krug wieder entgegen. Er trank einen großen Schluck, ließ seinen Bruder ausreden. Ehe er antworten konnte, trat die Germanin wieder an den Tisch. Wenigstens war sie jetzt wieder höflich, das Gemache zuvor war ihm ziemlich gegen den Strich gegangen. So blieb auch er höflich.


    "Auf irgendeine Suppe hätte ich Appetit. Nur nichts mit Getreide, das gibt es jeden Tag im Castellum. Was kannst du empfehlen? Meinetwegen auch die Fischsuppe, von der du gerade abgeraten hast, wenn es nichts anderes geben sollte, nur lass den Garum weg. Zum Mitnehmen kannst du mir ein Stofftuch voll gefüllter Brote bringen, wenn ihr was da habt." Die eigneten sich gut als leckerer Marschproviant.


    Dann wandte er sich wieder seinem Bruder zu. "Ich bin viel toleranter, als du glaubst. Wenn ich versuche, dir deine Ideale madig zu reden, dann, weil sie dich in Gefahr bringen. Das ist der ganze Hintergrund. Ansonsten ist es mir schnurz, was jemand für eine Meinung zu irgendwas hat. Manchmal ist es sogar ganz witzig, sich über merkwürdige Ansichten zu unterhalten. Armàndos hat mich früher oft mit seinen sinnlosen, ja teilweise völlig hirnverbrannten Ideen in den Schlaf geredet, ich fand das entspannend."


    Sabaco legte den Kopf schräg, als er seinen Bruder betrachtete, der plötzlich sehr erschöpft wirkte. Wie immer, wenn es dunkel war, wirkte Ocella viel jünger und verletzlicher, als im Tageslicht. "Du hast dir den Dienst unter den Adlern anders vorgestellt, nicht wahr? Ehrenvoller, ein gerechter Krieg. Weniger dreckig."

    "Ich habe Brandolf allein geschickt, damit er leiser, schneller und flexibler ist." Ob die Entscheidung richtig war - keiner konnte es sagen. "Wenn zwei unterwegs sind, hören sie die Geräusche vom Begleiter. Zugegebenermaßen habe ich selbst keine Erfahrung im Kundschaften, die Überlegungen sind theoretischer Natur. Ich würde selbst lieber allein unterwegs sein, wenn ich was auskundschaften müsste, um auf niemanden warten oder Rücksicht nehmen zu müssen. Wenn ich falsch entschieden habe, dann ist jetzt die Gelegenheit, das zu sagen, bevor Brandolf aufgebrochen ist."


    Es krachte mörderisch, als irgendwo ein Blitz einschlug, einen Moment lang war die Szenerie taghell erleuchtet. Der Boden erbebte. Den fast unmittelbar darauf folgenden Donner spürten sie im ganzen Körper. Alles schien zu vibrieren. Je dunkler es wurde, umso ungemütlicher gestaltete sich das Wetter. Sabaco kramte seinen Proviantbeutel raus, in dem noch ein Säckchen Nüsse, ein Apfel und ein mit Bratenfleisch gefülltes Brot lagen. Sabaco lud sich immer reichlich Futter ein, viel mehr, als das Marschgepäck vorsah, hatte auch schon reichlich gegessen und deswegen momentan keinen Appetit.


    "Will einer?" Er hob das Proviantnetz hoch.

    Avianus hatte inzwischen Leute am Nachbartisch entdeckt, die er kannte, und sich zu ihnen gesellt. So war er schon immer gewesen ... nicht greifbar, mehr Geist als Mensch, mehr Fremder als Bruder. So blieben Ocella und Sabaco weiterhin unter sich, wie es schon immer gewesen war und wohl auch immer sein würde.


    "Was ich getan hätte, wenn du eine Geißel geworden wärst? Ich hätte alles getan, dich da rauszuholen. Mit alles meine ich alles. Ohne die Kraft eines Befehlshabers im Rücken auch eigenmächtig. Danach hätte ich mich nicht mehr hier blicken lassen dürfen, aber wen schert es." Er sprach sehr leise, so dass nur Ocella ihn verstehen konnte. "Geld, Informationen, Verrat, den Kopf meines Kommandanten ... mich selbst. Völlig gleich. Sie hätten von mir alles bekommen, was sie wollen für den Preis deines Lebens. Ehre bedeutet mir nichts, Ocella. Du bedeutest mir alles."


    Sabaco schob ihm seinen noch fast vollen Krug hinüber und zog den leeren zu sich heran.


    "In der Classis habe ich ein paar anständige germanische Kameraden und du weißt, dass meine Freunde selten Vorzeigerömer sind. Gegen Germanen habe ich nichts. Aber es liegt mir fern, ihre Lebensweise und ihren Kampf zu romantisieren. Konzepte wie Ruhm und Ehre hören sich ganz wunderbar an, spielen aber unseren Feinden in die Hände, weil sie ihnen selbst fremd sind. Die Germanen würden auf deine Leiche spucken, sie wissen nichts von deinen noblen Absichten, für sie bist du ein Drecksrömer wie jeder andere.


    Falls du meinst, ich würde sie ausrotten wollen, liegst du allerdings falsch. Aber es besteht nicht der geringste Anlass, sie zu schonen. Ich wünsche mir eine Romanisierung des gesamten Barbaricums. Frieden durch Kontrolle, ein bewährtes Konzept seit hunderten von Jahren. Schau dich um in den Auxiliareinheiten, der Ala und der Classis, vergleiche die Germanen dort mit dem zerzausten rechtsrheinischen Pack. Ich wünsche mir, dass wir aus allen Germanen in ein oder zwei Generationen gute Römer machen. Dass es funktioniert, wissen wir, darum erhalten die Kameraden von den Hilfseinheiten zum Lohn für ihren Militärdienst ja auch das Bürgerrecht. Aber wir müssen mit diesem Eiertanz aufhören und die Macht des Imperiums endlich auch durchsetzen."

    Ein Gefühl von Euphorie hatte auch Sabaco gepackt, als sie gegen den stärker werdenden Wind kämpften. Am Anfang wirkte es noch so, als würden sie über die Natur siegen. Dann brach der erste zusammen.


    Der Befehl zum Halten erklang, damit die Ruder sich nicht verhedderten oder gar brachen. Im Eilschritt stapfte Sabaco zu dem im Schneematsch auf den nassen Planken liegenden Soldaten, packte ihn unter den Armen und zerrte ihn nach achtern in das kleine Zelt, wo er schon Nero sicher verpackt hatte. In wenigen Handgriffen war der Soldat seines nassen Mantels entledigt und in mehrere Schichten trockene Notfalldecken eingewickelt. Sabacos Hände tatschten ein oder zwei Sekunden wahllos auf dem Helm und den gepanzerten Schultern herum, was den Soldaten scheinbar beruhigen sollte, ehe er ihn noch weiter einwickelte, so dass nur noch ein kleiner Spalt zum Atmen blieb.


    Dann drehte Sabaco sich herum und brüllte nach Eike, der sich um den malträtierten Kameraden kümmern sollte und stapfte selbst wieder gegen den Wind nach vorn. Der aufziehende Sturm riss ihm die Kapuze vom Helm. "Wir rudern bis zum nächsten geeigneten Ankerplatz, dann schlagen wir das Lager auf, ehe der Sturm richtig loslegt!"


    Einen wirklich geeigneten Ankerplatz gab es allerdings nicht, das Ufer war sumpfig und verkrautet, das Gelände bewaldet. So mussten sie mit einer Bucht zwischen den Stämmen uralter Weiden Vorlieb nehmen, die jetzt im Herbst mit ihrer dunklen Rinde und den knorrigen Formen etwas unheimlich wirkten. Die Späher stapften frierend durch das sumpfige Gelände und suchten nach einem Lagerplatz. Derjenige, den sie fanden, war auch nicht wirklich gut und kaum einer schaffte es, mit trockenen Füßen an Land zu kommen. Immerhin boten die Weiden einen gewissen Sicht- und Windschutz, eine war sogar hol. Die bekam Eike zur Verfügung gestellt, damit er dort die besonders ramponierten Marini behandeln konnte, ohne dass der Wind ihm die Verbände wegwehte.


    "Ansgar, du übernimmst die erste Wache." Würde ihm nicht gefallen, aber hier gefiel niemandem noch irgendwas. "Brandolf - du machst dich zu Fuß auf den Weg nach Mogontiacum und informierst darüber, dass wir es heute nicht mehr ins Castellum schaffen. Leichtes Gepäck. Lass dich nirgends blicken, bis du in Mogontiacum bist, das Gelände ist nicht sicher."


    Sabaco stapfte herum und überwachte den Aufbau des notdürftigen Lagers. Zelte hatten sie keine dabei, stattdessen befahl er, aus dem Segel einen überdachten Windschutz zu bauen. Zelt konnte man das nicht nennen, aber so wurde verhindert, dass die Männer völlig exponiert waren. Die trockene Holzkohle erwies sich nun als Glücksfall. Bei dem Sauwetter sah man ohnehin keinen Rauch. Auch war in bewaldetem Gelände der Feuerschein nicht sichtbar, falls doch, dann sorgte das klatschnasse Segel für sein Übriges. Als die Dunkelheit hereinbrach, brannten zwei prasselnde Feuer, an denen die Männer ihre nassen Hände und Füße wärmen und heißes Wasser zubereiten konnten. Wer sich seine Ration aufgespart hatte, sah sich in der Situation, noch eine Mahlzeit zubereiten zu können.


    Der Suboptio aber wärmte sich nicht und wollte auch nichts essen. Er ging herum, bis er mit allem entsprechend er Umstände zufrieden war. Dann hockte er sich erschöpft und angespannt neben Nero unter das Segel, den Blick auf das Feuer gerichtet, das sich in seinen Augen und auf seiner nassen Rüstung spiegelte. "Schließe ein wenig die Augen", sagte er. "Ich passe schon auf."

    "Jetzt hast du mir schön die Lehrbuchdefinitionen heruntergebetet", stichelte Sabaco. "Jetzt lassen wir das Blabla, das man jedem Offizier auf seinen Wunsch hin herunterrasselt, mal außen vor und werden konkret. Warum ist dir persönlich an Ehre und Ruhm gelegen? Das hast du nämlich fein verschwiegen, hast dich drumherum gemogelt und gemeint, ich merke nicht, dass du mir halbgare Antworten lieferst. Sag mir, warum es dich interessiert, was irgendeiner von dir hält.


    Und warum sollte man überhaupt gegenüber den rechtsrheinischen Germanen ehrenvoll handeln? War Arminius ehrenvoll? Mit schändlichstem Verrat hat er Varus samt dreier Legionen zu Fall gebracht, zuzüglich sechs Auxilliarkohorten und drei Alae. Ich glaube, die Legionsadler zieren immer noch die Hütten irgendwelcher Häuptlinge. Haben sie die Zivilisten im Tross des Varus ehrenvoll geschont?"


    Sabaco grinste dreckig, denn jeder kannte die Antwort.


    "Die Köpfe der Getöteten ließ Arminius dann auf Lanzen an den Wall herantragen, um uns zu demoralisieren. War das ehrenvoll? Und waren die Germanen ehrenvoll, die neulich den Caesar überfielen und den Sohn des Legaten abstachen oder waren es nicht einfach nur Idioten, die so dämlich waren, sich Roms Macht offen entgegenzustellen?"

    Sabaco schnaubte triumphierend durch die Nase wie ein Stier. Die Kälte verwandelte seinen Atem in zwei Wolken. Der Anblick, wie sie da strammstanden, gefiel ihm. Vom Germanen zum Menschen waren sie geworden. Wenn ihre Zeit abgeleistet war, sollten sie zu Recht Römer genannt werden. Er schwelgte, einen Augenblick, zwei, drei ... Sein Werk, er hatte sie so geformt. So entschlossen sollten sie immer aussehen, so furchtlos, so dienstbereit. Aber wenn er wen geißeln wollte, würde er das trotzdem tun, auch ohne Ansgars Erlaubnis.


    Während er sich ergötzte, setzte ihn Nero ihn von der Seite unter Druck. Der Mann konnte ihn nicht einfach mal den Anblick seiner perfekt geschliffenen Mannschaft genießen lassen. Hoffentlich vermerkte er das wenigstens, wenn es um die Beurteilung von Sabacos Leistung als Schleifer ging!


    "Da alle sich noch in der Lage sehen zu rudern, rudern wir", entschied Sabaco.


    Er stand da in soldatischer Haltung und starrte in die Reihen, als er die notwendigen Befehle gab. Zwei Leute begaben sich zum Anker. Einer bediente das schwere Gerät, der zweite hielt Sichtkontakt. Sabaco zeigte mit dem Zeigefinger nach oben und zeichnete eine Drehbewegung, da wegen des Windes seine Stimme auf die Distanz nicht zu verstehen sein würde. Rasselnd zog man die kalte, nasse Kette an Bord und holte den Anker ein. Alle platzierten sich, Ausrüstung klimperte, Holz polterte.


    Dann tauchten erneut die Ruder ins Wasser und die Keto fuhr in den beginnenden Sturm.

    Sabaco interessierte es nicht, was die Marini von seiner Untersuchung hielten. Sie hatten stillzuhalten und alles über sich ergehen zu lassen, was ihm beliebte. Wäre er auf die Idee gekommen, zu überprüfen, ob sie diese weibischen subligaculi trugen, hätten sie ebenfalls da durch gemusst. Undank kannte er ja schon von seinem Brüderchen zur Genüge und Ansgars zur Schau gestellter Unwillen prallte an ihm ab. Mit kritischem Blick befühlte Sabaco die durchgeweichten Stoffe, die sich in der Tat kalt und klamm anfühlten. Was er sah und fühlte, gefiel Sabaco nicht, Ansgar war in keinem guten Zustand und sie hatten noch ein Viertel der Strecke vor sich.


    Gerade wollte er sich mit Eike beraten, der für gesundheitliche Belange zuständig war, und ihm den ramponierten Ansgar zeigen, da rief ihn Nero schon wieder zu sich. Vielleicht kannte der sich ja mit Unterkühlungen, Erfrierungen und dergleichen aus?! Sabaco ließ vom Soldaten ab und stapfte - schon wieder - nach hinten. Der Mittelgang war der einzige Bereich im Schiff, wo sich kein Schneematsch sammeln konnte.


    "Gubernator?"


    Da quoll ihm ein Schwall von Erklärungen zum Thema Wetter entgegen. Sabaco, der es gewohnt war, Vorgesetzten zuzuhören, wie lange die auch redeten, schaute stoisch und wartete, bis Nero fertig war. Danach versuchte er, die Unmenge an Informationen zu sortieren und in einen sinnvollen Kontext zu bringen. Warum unterbrach Nero seine Inspektion und seinen Prozess der Entscheidungsfindung, um mit ihm über das Wetter zu reden? Jetzt waren sie ja schon mitten drin!


    "Gewitter im Spätherbst?", brummelte er skeptisch. "Seit wann gewittert es, wenn es schneit?" Misstrauisch blickte er in den Himmel, seine Augen tränten vom schneidenden Wind. Vom Gewitter war bisher keine Spur zu sehen, aber er vertraute dem erfahrenen Seebären, wenn er eins prophezeite. Sabaco platzte der Kragen. "Es gibt NIE Gewitter im Winter, nur ausgerechnet heute", brüllte er.


    Das kotzte ihn jetzt an. Alles ging schief. Die Mannschaft bestand aus prüden Heulsusen und sein Vorgesetzter ließ ihn sehenden Auges in ein Unwetter fahren. Sabaco tat sich selber sehr leid. Am liebsten würde er die verdammte Holzkohle in den Rhenus kippen, damit sie vorankamen, aber sie hatten einen Auftrag, den obendrein er selbst eingefädelt hatte, und der durfte nicht einfach abgebrochen werden, nur weil irgendwer fror oder müde war.


    Sabaco schluckte seine Wut so weit herunter, dass man sie ihm nicht mehr ansah. Hier herumzutoben nützte auch nichts, eine Lösung musste her.


    Er drehte sich von Nero weg und zu seinen Marini um, brüllte den Befehl, die Keto halten und ankern zu lassen. Die Sichtung musste weitergehen, globaler nun. Er wandte sich von Nero ab und stapfte - einmal mehr - nach vorn, nach rechts und links auf die Marini sehend, die gerade ihre Ruder anhoben und sie einzogen, während der Anker ausgeworfen wurde. Die Keto kam mehr oder weniger zur Ruhe. Sabaco stellte er sich mit dem Gesicht zu ihnen hin und starrte auf sie hinab.


    "Ein Viertel der Wegstrecke liegt noch vor uns. Genau wie ein fettes Unwetter laut unserem see- und wettererfahrenen Gubernator! Wenn ihr noch durchhaltet, dann sind wir heute Abend in der Castra, in der warmen Therme und im eigenen Bett. Wenn ihr eine Pause braucht, weil euch sonst die Finger und Zehen abfrieren, bleibt uns nichts übrig, als hier zu rasten und die Nacht bei einem Feuer im Freien zu verbringen. Genug trockenes Brennmaterial haben wir ja an Bord, das geht also auch. Dann schlagen wir an der nächsten geeigneten Stelle ein Lager auf.


    Ich brauche für die Entscheidung einen Überblick.


    Wer sich den Heimweg noch zutraut, hebt jetzt einen Arm. Wenn ihr lügt, um einen auf dicke Eier zu machen, seid ihr selber Schuld. Falls wir uns für den Heimweg entscheiden, peitsche ich euch notfalls bis nach Mogontiacum durch und dulde kein Gejammer mehr! Überlegt euch realistisch, wie es um eure Kräfte bestellt ist. Also?!"


    Kritisch blickte er die Reihen entlang.

    Das Gespräch zwischen Nero und Sabaco wurde im wörtlichen Sinne abgewürgt, als einer kotzte. Von denen würde heute keiner mehr ein Bier zu würdigen wissen, sie würden nach der Therme mausetot in ihre Betten fallen.


    "Ich denke, das verschieben wir auf einen anderen Tag. Wir kommen wegen des scharfen Gegenwinds verdammt langsam voran und die Männer werden froh sein, wenn sie ihre Ruhe haben."


    Leider vereitelte die Windrichtung die Nutzung des Segels. Besorgt betrachtete er den Himmel. Sie waren wegen des Gegenwindes und der schweren Ladung langsamer vorangekommen als geplant, viel langsamer. Wenn sie sich nicht beeilten, würde es stockfinster sein, lange bevor sie Mogontiacum erreichten, und dann blieb ihnen nur die Übernachtung hier draußen.


    Sabaco stapfte in seiner üblichen Körperhaltung, eine Hand hinter dem Rücken, langsam durch die Reihen, um seine Truppe zu inspizieren. Die Männer waren sichtlich angeschlagen. Warum sie so froren, war ihm schleierhaft, da er befohlen hatte, dass sie sich dick und fett einpacken sollten und sie ja auch alle die Tuniken in der dicken Qualität unter ihrer blauen Diensttunika zu tragen angehalten waren.


    Sabaco machte eine Stichprobe und schaute auf den Ärmel von Ansgar, wie warm er eingepackt war. "Trägst du die dicke Untertunika, so wie ich es angewiesen habe? Und ist da die Helmkappe aus Filz drunter?!", hakte er nach und zeigte auf den Helm, dann gleich auf den Schienenpanzer. "Subarmalis drunter?!" Auch die Beine von Ansgar kontrollierte er mit kritischem Blick auf Vorhandensein von Beinlingen und warmen Socken.

    "Eine Strafe muss wehtun, Ocella", murrte Sabaco. "Sonst kann man sie sich auch sparen. Ich sage schon immer, dass man die aufmüpfigen Stämme an der Wurzel packen muss. Unser alter Legatus Aemilius ist viel zu nachsichtig, aber vielleicht ändert sich das jetzt. Sein Sohn ist umgekommen. Ich hoffe, nun wendet sich das Blatt und er lässt die Spielchen und wirft den Barbaren Roms ganze Härte entgegen.


    Meine Idee sieht so aus:


    Warum sich immer wieder mit den Germanen den Schädel einschlagen, wenn wir dadurch auf Dauer doch nur an der Stelle treten? Viel zu teuer, ineffizient. Kleine Trupps, die nach einer Ablenkung durch die Legio ihre Dörfer niedermachen bis auf die Grundmauern, während die Krieger im Feld sind, das wäre mein Ansatz. Marodeure statt Legionäre. Den Fehler, in großen Mengen gegen uns zu ziehen und das Hinterland ungeschützt zurückzulassen, begehen sie nur einmal, wenn sie bei der Heimkehr in Zukunft nur noch die zur Schau gestellten Leichen ihrer Eltern, Weiber und Bälger erwartet. Flächendeckend angewendet, würde mit dieser Strategie in einer Generation Ruhe sein und unsere eigenen Söhne würden bloß noch einen Bruchteil der Gegner auszumerzen haben, weil niemand mehr da ist, der sich noch vermehren kann. Dann wäre Roms Zeit gekommen, Germania Magna zu befrieden."


    Während er diese Dinge erzählte, wirkte er allerdings nicht, als würde er gerade vor Hass überschäumen, den sparte er sich dafür auf, wenn es ans Eingemachte ging. Über diese Dinge hatte er schon längere Zeit gründlich nachgedacht und der Grund dafür saß vor ihm, mit einer schlimmen Narbe am Bauch, die Sabaco weh tat, als wäre es seine eigene, wenn er nur an sie dachte.


    "Ich bin so und ich denke so, weil die Welt mich dazu zwingt", beantwortete Sabaco die Frage, warum er so sei. "Ich habe die Regeln nicht gemacht, ich spiele nur danach. Die Menschen sind von Grund auf verdorben." Manchmal tat es ihm weh, dass Ocella nicht sah, wie sehr Sabaco um ihn kämpfte. Doch er würde es weiter tun. Ocella war und blieb sein kleiner Bruder, ganz gleich, wie erwachsen er sich fühlte.


    Da erschien endlich der große Bruder und Sabaco strahlte wieder. Er kam auf die Beine und bevor Ocella Avianus auf einen Stuhl lotsen konnte, hatte der große Bruder schon Sabaco am Hals hängen, der ihn liebevoll drückte und klopfte, ehe Avianus sich setzen durfte. "Großer, du hast gefehlt. Schön, deine Visage mal wieder zu sehen. Ich wollte Ocella gerade fragen, was er unter Ehre und Ruhm versteht und warum er glaubt, dass diese etwas Gutes seien. Aber du darfst die Frage auch beantworten."


    Sim-Off:

    Pst. Sabaco ist der Einzige Bruder mit blauen Augen, die von Ocella und Avianus sind laut Charakterbogen braun.


    "Wer sagt, das Hass blind macht? Ich sehe sehr klar, Ocella. Die Gesetze der Welt liegen offen vor mir. Ich weiß, wie das Leben funktioniert, denn ich bin noch hier, andere sind es nicht. Hass fokussiert meinen Geist wie einen scharfen Dolch, der beim ersten Stich direkt ins Herz geht. Ich habe schon Germanen verdroschen, da warst du noch klein und süß. Ich habe sie geschlachtet, als meine alte Legio noch in Niedergermanien stationiert war, während du dir in der Ala bei einer gemütlichen Reitausbildung einen Lenz gemacht hast. Ich weiß, worauf es ankommt.


    Ich bin derjenige, den sie vorschicken, wenn es schmutzig wird. Bei jeder einzelnen Strafexpedition war ich damals dabei und habe gehofft, dass Catualda mir vor die Klinge läuft. Ist er nicht, dafür habe ich seine Leute geschlachtet. Für solche Arbeiten braucht es keine Moralapostel, denen der Schwertarm versagt, sobald ein paar große Äuglein sie anschauen und ein paar Tränchen kullern, und die das Pack am Ende dann doch laufen lassen, nur weil es zufällig Frauen und Kinder oder ein paar Tattergreise sind. Da braucht es Männer, deren Herz schwer und schwarz wie Basalt ist. Die Strafexpeditionen, bei denen ich dabei war, haben ihren Namen verdient.


    Und die Kunst, Feuer zu legen, Ocella, die du verabscheust ... die hat Rom dort gute Dienste geleistet."

    Etwa die Hälfte des Heimwegs hatten sie hinter sich gebracht, als Nero nach ihm verlangte. Sabaco kam etwas umständlich auf die Beine. Er war groß und bulliger als die meisten. Das ergab ein ordentliches Gesamtgewicht. Seine Knie waren damit nicht ganz glücklich. Aber Sabaco war nicht der Typ, der eine Diät halten konnte oder wollte. Nachdem er sich hochgewuchtet hatte, stapfte er nach hinten, wo er beim Gubernator wieder in die Hocke ging. Auf der Wollkapuze, die am Wollmantel hing, lagen schmelzende Flocken. Der dicke Stoff war schwer und feucht, hielt aber noch dicht.


    "Hrrrm?"

    Der heilige Varro. Sabaco ging diese Vergötterung so was von auf den Sack, obwohl er genau wusste, dass er kein Deut besser war. Scheinbar brauchten sie beide immer irgendjemanden, den sie gerade anhimmeln konnten. Es nagte sehr an ihm, dass nicht er mehr der Inhalt dieser Apotheose sein durfte.


    "Die Legio ... ich war damals gern in der Neunten. Nun bin ich gern in der Classis. Ich lehre das Germanenpack dort als Ausbilder Zivilisation, gebe ihnen die Gelegenheit, ihren Wert für das Imperium zu beweisen und von Barbaren zu Menschen aufzusteigen. Jedoch, die anderen ... jene, die sich gegen das Imperium stellen ..."


    Seine Nasenflügel weiteten sich, als sein eisiger Blick an Ocella hinabglitt und auf dessen Tunika hängen blieb, an der Stelle, wo sich die schreckliche Wunde befunden hatte.


    "Sie haben dein Blut vergossen. Es wird keine Gnade geben, wenn mir einer von denen vor die Klinge läuft. Meine Aufgaben bei der Classis sind zumeist friedlich, Präsenz zeigen, Transportfahrten, Depeschendienst. Wenn ich dann höre, was immer wieder passiert, fernab meiner Reichweite ... zuweilen nagt es an mir, nichts tun zu können, ich trage Hass in mir, Ocella, viel Hass. Da wäre es doch passend, wenn er die Richtigen trifft."

    "Es ist kein Gerücht, Bruderherz, sondern Fakt. Woher ich das weiß ... Stilo ist in Cappadocia ... ich frage jeden aus, der was über die XV Apollinaris weiß. Und ich weiß deshalb, dass sie auch die XV ausschlachten. Ich hoffe", Sabaco musste wegsehen, weil allzu viel in ihm vorging, "dass sie ihn wieder hierherschicken. Nach Germania." Zu ihm. "Die XXII stocken sie jetzt vermutlich mit erfahrenen Soldaten in den Offiziersrängen und Mannschaften auf wegen der Sache mit dem Caesar. Der Überfall, das kam nicht gut. So was geht nicht, wenn wir im eigenen Land nicht mal den Caesar schützen können."


    Er schaute nun wehmütig.


    "Wäre ich dabei gewesen mit meinen Männern ... es ist ewig her, dass ich wem den Arsch aufgerissen habe. So richtig, meine ich, dass er nie wieder aufsteht. Ich sage schon lange, dass wir mit den Barbaren zu nachsichtig umgehen, es war klar, dass es so kommen musste. Ich bin froh, dass sie reagieren. Und da brauchen sie keine Frischlinge, sondern Altgediente, die wissen, wie man einen Barbarenpelz abzieht."

    Die Belehrung des Gubernators nahm Sabaco wohlwollend zur Kenntnis. Ein Gutmensch war er, der Umbrenus Nero. Ein Offizier des alten Schlages. Glaubte noch an Ehre und irgendwelche alten Werte. Sabaco würde mit ihm nicht darüber diskutieren, jetzt erst recht nicht und später auch nicht. Er mochte diese gute Eigenschaft und wollte sie nicht mit seiner eigenen Verderbtheit kaputtreden. Lieber genoss er schweigend, dass Nero noch nicht so verroht war wie er selbst. Der Offizier, dem Sabaco gern gefolgt wäre, war nicht er selbst, er saß vor ihm, dick eingepackt und beschützt.


    "Jawohl, Gubernator. Ich nehme mir deine Worte zu Herzen und es wird geschehen, wie du sagst."


    Die Bestätigung klang vielleicht etwas sanfter, als man von Sabaco gewohnt war. Er gab sich keine Mühe, zerknirscht zu schauen, das war er nicht, seine gute Laune war völlig regeneriert.


    Nach dem Signal, dass er wegtreten durfte, marschierte er zurück durch den Mittelgang, eine Faust hinter dem Rücken, zufrieden das hässliche Wetter betrachtend. Langsam kroch ein fahleres Grau über die Baumwipfel, doch die Sonne würde heute nicht scheinen. Ach, irgendwie ergriff ihn Nostalgie ... Sehnsucht nach seinen Kameraden von der Legio IX Hispania, Stilo, Speckpansa, Helga. Und doch war er froh, heute hier zu stehen.


    Am Ende wird alles gut. Und wenn es nicht gut ist, so ist es noch nicht das Ende.


    Derlei positive Binsenweisheiten wäre ihm früher nie in den Sinn gekommen. Doch nun war er glücklich. Sabaco war rundum glücklich. Er hatte seinen Platz gefunden. Hier in der Classis Germania, auf dem schlanken hellen Leib der Keto, inmitten seiner Männer, auch wenn er es ihnen nicht leicht machte, ihn zu mögen.


    Gegen Mittag erreichten sie Confluentes. Grau und Kalt blies der Wind von Süden. Die Luft roch nach Frost, die Gesichter glommen rot.


    Die Rast war kurz, genügte gerade zum Pinkeln und Proviant mampfen, während die Kohle eingeladen wurde. Keinesfalls würde es eine Übernachtung geben. Sabaco war kein netter Kerl, aber Leistung bringen und verlangen, das konnte er. Seine Männer mochten ihn zähneknirschend an ihrer Spitze dulden, doch er holte alles aus ihnen heraus, vergeudete kein Potenzial. Sie waren warm eingepackt und er organisierte Kohle, damit sie nicht froren. Wenige würden seine Sorge richtig einordnen können, doch sie war ehrlich.


    Auf dem Rückweg öffnete Germania seine Himmelsschleusen. Der Wind fauchte ihnen ins Gesicht, schleuderte Schneeregen auf sie hinab, den ersten dieses Jahres. Sabaco musste lachen, verkniff sich aber einen weiteren antigermanischen Kommentar. Er machte es sich vorn bei den Bordschützen bequem und genoss die intensive Sinneserfahrung, die ihm alle Sorgen aus dem Geist fegte wie ein reinigender Regen.


    Was für ein Leben!

    Das markerschütternde Gebrüll von Nero riss Sabaco aus seiner guten Laune. Was hatte er denn jetzt schon wieder falsch gemacht. Durch den Mittelgang stapfte Sabaco nach hinten, wo er sich hinhockte, damit er nicht auf seinen Vorgesetzten herunterblickte.


    "Hm?"

    Der Kleine. Hatte nicht mal gemerkt, dass ein Wimpernklimpern gereicht hatte, um ihn zum willigen Werkzeug einer Peregrina mutieren zu lassen. So wenig, wie ihm aufgefallen war, dass die Barbaren in der Turma Prima Kahlschlag betrieben hatten, während sein hochverehrter Decurio einen vor lauter Auszeichnungen blendete, wenn er im falschen Winkel zur Sonne stand. Dabei bekam Varro schon seit Jahren nicht einen Kratzer ab, badete in Ruhm, Ehre und Donativa auf dem Rücken guter Männer wie Ocella, die den alten Fisch anhimmelten.


    Warum sein jüngerer Bruder so anfällig für Marionettenspielern war, wusste er nicht. Von Sabaco hatte er das nicht gelernt, denn der biss sofort zu, wenn jemand versuchte, ihn zu lenken, der kein Vorgesetzter war, und manchmal sogar dann. Die Beobachtung gab ihm recht, seinen kleinen Ocella nicht aus den Augen lassen zu dürfen und ihn zu retten, sollten irgendein Offizier oder irgendein Weibsstück es damit übertreiben, dessen Gutgläubigkeit auszunutzen. Sollte Ocella dafür doch schmollen ... wenn es sein musste, tötete Sabaco für seine Sicherheit und leckte sich danach das Blut von den Fingern.


    Er wünschte, er hätte irgendeinen Beobachter bei der Ala, der ihn rechtzeitig informierte, wenn bei Ocella was im Busche war ...


    "Gut", sagte Sabaco also freundlich. "Keine Ratschläge mehr." Nur noch Taten. Er trank selbst noch einen großzügigen Schluck des heißen Getränks. Danach leckte er sich genüsslich die Lippen. "Wenn die Germanen etwas können, außer ihre Töchter an uns zu vermieten, dann ist es Met brauen. Da soll noch einer sagen, es hätte sich nicht gelohnt, diese Provinz zu sichern."


    Alles, was sich künftig ändern würde, war die Perspektive ... Sabaco würde nicht mehr vor Ocella stehen, um ihm den Weg freizubeißen, sondern in scheinbarer Einsicht beiseitetreten, um ihm fortan zu folgen wie ein Schatten und dann vorzuspringen und zuzupacken, wenn Ocella es am wenigsten erwartete. Sabaco blinzelte sanft. Ocella würde nicht merken, dass Sabaco weiterhin über ihn wachte.


    "Einverstanden. Lass uns Brüder sein."

    Sabaco griff nun auch nach seinem Humpen, um ihn gegen den seines Bruders zu stoßen und einen großen Schluck zu nehmen. Der heiße Alkohol zog scharf an seinen ramponierten Zähnen, doch damit musste Sabaco leben, so lange er noch Zähne besaß. Er würde zu denen gehören, die als vollkommen zahnloser Opa endeten, falls er dieses Alter erreichte, woran er seine Zweifel hatte. Den taxierenden Blick seines Bruders erwiderte er mild.


    "Brüderchen, ich muss niemanden nach einer Beurteilung fragen. Ich beobachte lieber selbst und wer könnte dich besser einschätzen als ich? Du bist zu lieb und zu gut für diese Welt und ich habe mein Mögliches versucht, dir alles beizubringen, damit du trotzdem überleben kannst.


    Wer dich für sich so benimmt, wie die gerade, taugt nichts, oder meinst du, die ist nur zu dir so freundlich? Solche Schankmädchen machen jedem Kunden schöne Augen. Wer sich nett präsentiert, bekommt mehr Trinkgeld und kann vielleicht noch im Hinterzimmer was dazu verdienen. Drum sehen die auch immer gleich aus. Die Zeiten, da ein gemütlicher dicker alter Germane die Kunden bedient und die neuesten Gerüchte herumplaudert, sind in den Städten längst vorbei, ein Schankraum ist nur noch das Vorzimmer zu einem nicht angemeldeten Lupanar.


    Such dir eine anständige Römerin aus gutem Hause, da fallen solche niederen Beweggründe weg, weil sie Geld, Bürgerrecht und Einfluss über ihren Vater schon hat. Begehe bei den Göttern nicht den gleichen Fehler wie ich damals."