Beiträge von Publius Matinius Sabaco

    Sabaco nickte Petronia Octavena respektvoll zu. Er würde nicht mit ihr tauschen wollen, so einen riesigen Hausstand zu verwalten mit allem, was dazu gehörte an Personal, Geschäften und Familienangelegenheiten. Vermutlich war sie den ganzen Tag dabei, Fehler auszumerzen und Leuten zu erklären, wie man es richtig machte, weil die Welt nun einmal fast nur aus Trotteln bestand. Als sie davon sprach, dass ihr Mann der letzte Hausherr gewesen war, sackten Sabacos Mundwinkel ein Stück herab und man sah ihm seine Betroffenheit an. "Das, äh, das tut mir leid. Hast du Kinder, wenn ich fragen darf?" Er mochte es nicht, wenn gute Leute starben. So eine Scheiße, Octavena war in dem jungen Alter schon verwitwet und hatte nun alles allein an der Hacke. Wenn da noch Kinder im Spiel waren, machte das einige Dinge leichter, andere schwerer. Zum Glück half Duccia Valentina, so wie es aussah, nach Kräften.


    Sabaco winkte ab, als Valentina höflich den Verlust seiner Braut bedauerte. "Bei Stilo ist sie in besseren Händen als in meinen. Bevor ich nicht mindestens Centurio bin, steht eine Heirat eh außer Frage." So war das Gesetz. Er hätte seine Braut trotzdem gern schon einmal sicher verwahrt gewusst, so als Reserve, wenn es dann so weit war, vielleicht schon mal ein paar Kinder in die Welt gesetzt. Doch während er Madara besitzen wollte, würde Stilo sie lieben.


    "Diese Freya Mercurioque hört sich an, als ob es viel zu tun gibt. Womit handelt ihr denn, habt ihr euch auf irgendwas spezialisiert oder ist das Querbeet? Auf Skrymir bin ich gespannt. Heute will ich euch nicht mit Arbeit belästigen, aber so die nächsten Tage? Wann habt ihr denn Zeit?"


    Cimber schaute er mit unbestimmtem Blick von der Seite an. "Natürlich bin ich zerknirscht! Siehst du nicht, wie zerknirscht ich bin?" Seine raue Lache bildete in der Kälte eine Dampfwolke vor seinem Mund. Beleidigt war er, immer nur an zweiter Stelle zu kommen! Aber dafür konnte niemand der Anwesenden etwas. "Die Pferde werden mich trösten. Einen Grauschimmel wollte ich schon immer mal haben. Vielleicht ist Skrymir ja zufällig einer. Aber Hauptsache groß und stark, gesund und zuverlässig."

    Sabaco legte die Hände flach auf Neros Bauch und zog vorsichtig die Wunde auseinander. Blut quoll hervor. Noch einmal lutschte er es weg und versuchte, in dem kurzen Moment, in dem die Wunde frei lag, zu erkennen, wie tief sie reichte, ehe sie sich erneut mit rotem Lebenssaft füllte, der überlief. Neros ganzer Bauch war mit einer Blutkruste bedeckt. Sabaco merkte, dass er viel zu lange das offene Fleisch anstarrte, weil er völlig hilflos war und nicht wusste, was zu tun war. Er wollte sich selbst um Nero kümmern, wusste aber nicht, wie. Es konnte doch nicht so schwer sein, eine Wunde zu nähen!


    Er stand auf, ballte die Fäuste und öffnete sie wieder. "Ich muss Eike holen", presste er schließlich hervor, warf die Decke über Neros Unterleib und stürmte durch die Tür. Wenig später kehrte er mit einem klatschnassen Eike zurück, dessen Haut gerötet war und heiß dampfte. Augenscheinlich hatte Sabaco ihn aus den Thermen gerissen. Er hätte auch jemanden aus dem Valetudinarium holen können, aber nein. Das wollte er nicht.


    "Einmal nähen!" Nach dieser Ansage stürmte Sabaco wieder hinaus und knallte die Tür hinter sich zu. Er ging aufgrund seiner fürchterlichen Laune außer Hörweite, während Eike Neros Bauch nähte. Warum dauerte das eigentlich so lange? Was machte dieser Pfuscher mit dem Gubernator?


    Sabaco floh in seine Unterkunft, lehnte sich mit dem Kopf oberhalb der Stirn gegen die Wand und donnerte einige Male gegen den harten Putz. Er tat das nur an Stellen, wo Haare wuchsen, so dass man die zahlreichen Beulen, die er sich selbst immer wieder verpasste, nicht sah. Er spürte keinen Schmerz und donnerte kräftiger, war es schon viel zu sehr gewohnt. Er brauchte einen neuen Schmerz, einen anderen, aber er konnte sich auch nicht jedes Mal mit der Flamme einer Öllampe verbrennen, weil das schon auffällig geworden war. Auch die Schnittnarben an seinen Armen mussten alt und blass bleiben, wenn er weiter beim Militär Karriere machen wollte. Er brauchte unsichtbaren Schmerz, um wieder klar im Kopf zu werden, oder solchen, der ihn nicht als Irren dastehen ließ. Noch brutaleres Training, eine Schlägerei oder auch mal wieder so richtig hemmungslos ...


    Schritte.


    Sabaco stürmte nach draußen und wie ein durchdrehender Stier an Eike vorbei, der ihm entgegenkam und rasch Platz machte. Sabaco stürzte in Neros Unterkunft hinein, krachte die Tür hinter sich zu und schnauzte:

    "Ich will nichts davon hören!" Die Vorstellung, wie Eikes Grabschfinger am Bauch von Nero herumgefummelt hatten, war unerträglich. Das musste er nicht auch noch in schillernden Details erzählt bekommen, vielleicht noch, dass Eike freundlich und einfühlsam gewesen war. Sie brauchten einen hässlichen, garstigen Capsarius, der seine Patienten hasste. "Wir gehen jetzt in die Therme. Dir ist kalt und mir auch." Er packte Neros Badezeug zusammen.

    "Danke, ich trinke später was." Er schloss die Tür, legte die Capsa ab und trat an Nero heran. "Was den Subpraefectus Germanicus Varro betrifft, so hat das nichts mit dir zu tun. Die Adresse war ich. Er kann mich nicht ausstehen. Das ist eine persönliche Angelegenheit. Als Ocella noch ein süßer hübscher Jüngling war, hat Varro ihn weggelockt, auf sein Gestüt, zu seinen Pferden, ins sonnige Nirgendwo. Ich kannte die Adresse nicht, selbst der Name des Ortes oder der Provinz ist mir bis heute unbekannt." Sabaco sprach voller Verbitterung.


    "Ocella war fort, jahrelang verschwunden. Einfach nicht da und ich hatte keine Chance, ihn zu suchen und zu finden. Weißt du, wie schlimm das war? Ich wusste ja nicht, wie es ihm geht, was dieses Fischgesicht mit ihm anstellt, ob er vernünftig auf ihn aufpasst, ob es ihm gut geht oder ob er nach Hause will und auf mich wartet, damit ich ihn rette. Ich wusste gar nichts! Erst vor gar nicht langer Zeit habe ich Ocella wiedergefunden - und trotzdem ist er nicht mehr da."


    Sabacos Stimme klang dunkel und kalt wie die See. "Es ist, als hätte Varro sein Herz herausgenommen, es aufgefressen und durch ein anderes Herz ersetzt und die Wunde schlecht zugenäht. Ocella ist nicht mehr der selbe, obwohl ich ihn so sehr liebe und alles für ihn geben würde. Du, Stilo und Ocella seid die wichtigsten Menschen in meinem Leben und zwei Drittel davon fehlen einfach, wie abgehackt. Stilo ist weit fort und Varro hat mir meinen Bruder geraubt."


    Sabacos Finger strichen über Neros schmutzigen, kalten Körper. Er musste dann unbedingt ins Warme, zumindest die Füße sollten heiß baden dürfen. Die Wunde sah übel aus. Sabaco verfrachtete Nero aufs Bett. Mit einem Stupser gegen die Brust ließ er Nero sich hinlegen und beugte sich über dessen Bauch. Beim Anblick der Wunde wurde ihm schlecht. Kurz überlegte er, ob er nicht doch lieber Eike rufen sollte. Er untersuchte sie genau, saugte vorsichtig daran, leckte das Blut ab und schaute wieder.


    "Sind deine Organe verletzt oder ist das nur Schwarte? Ich kann das nicht erkennen, hilf mir mal. Vergiss die Tunika, die nähe ich dir auch, ich nähe dir alles, aber wichtiger bist jetzt du."

    Cimber schwärmte von seinem fernen Gestüt und Sabaco trank und futterte derweil. An gesundem Appetit hatte es ihm noch nie gemangelt. Man sah ihm auch an, dass er schwerer gebaut war als die meisten anderen Soldaten, er war groß und bullig, wog seine zwei Zentner.


    "Die Classis* ist es. Ich bin Suboptio navalorum Publius Matinius Sabaco, Classis Germanica, Sectioni Mogontiacum. Von den Matiniern aus Tarraco."


    Die ellenlange Vorstellung floss wie von selbst von seinen vom heißen Rotwein verfärbten Lippen. In der anderen Hand hielt er inzwischen ein mit Bratenfleisch gefülltes Brot. Das Gestüt hörte sich gut an. Jeder, der Pferde hielt, schwärmte scheinbar von ihnen, außer er selbst mit seinem Schwarzbraunen. Der war auch nicht mehr der Jüngste und tausende von Meilen mit Sabaco im Sattel hatten ihm den Rücken und die Beine verbogen.


    "Ich würde mir gern mal bei Gelegenheit eure Pferde ansehen, nachdem Stilo nicht nur meine Braut geraubt, sondern mir obendrein kein Pferd geschenkt hat. Für mich sollte es stabil gebaut sein. Ich suche eins, das schon zugeritten und in den Grundlagen ausgebildet ist, aber dabei nicht zu alt ist, damit ich eine Weile was von ihm habe. Der Feinschliff für die Zwecke des Militärs muss natürlich noch erfolgen."


    Da konnte sicher Ocella mit Rat und Tat helfen, der war auch so ein Pferdenarr, im Gegensatz zu Sabaco, der nur drauf reiten wollte. Nun mochte er gern auch etwas Persönliches von Valentina erfahren. "Du bist hier also die Dame des Hauses?" Verheiratet wohl noch nicht, wenn sie die Schwester vom Duccius Ferox war und noch in dessen Haushalt lebte. "Führst du für die Gens irgendwelche Geschäfte oder so was oder widmest du dich ganz der Familie?"


    Sim-Off:

    *Er wird bald zur Legio wechseln, das weiß er aber zu diesem Zeitpunkt noch nicht.

    Die Keto fuhr in den Militärhafen ein. Mit wenigen gezielten, leichten Ruderschlägen glitt sie um die Kurve, ganz sacht. Ohne anzustoßen hielt sie an und Sabaco befahl, den Anker zu werfen. Er freute sich darüber, wie gut alles funktionierte, obwohl sie in den letzten Stunden Dreck und Blut gefressen hatten. Sabaco ließ die Marini antreten. Eike machte Meldung über die exakte Anzahl der Leichtverletzten, wofür er später auch noch einen detaillierten Bericht anfertigen sollte. Schwerverletzte gab es den Göttern sei dank keine.


    Sabaco hielt eine sehr kurze Abschlussrede, aber er hielt eine, um die Leistung der Männer zu würdigen und weil es einfach dazugehörte. Routinen schufen Sicherheit, Sicherheit beruhigte. Danach entließ er die Männer in den Feierabend. Sie würden noch die Keto in Schuss bringen und ihre Ausrüstung putzen, danach hatten sie Ruhe. Sabaco würde versuchen, einen Tag dienstfrei für morgen einzuschieben, damit sie sich gebührend ausruhen konnten. Die Holzkohle würde von anderen abgeladen werden, das veranlasste er noch.


    Als alle sich vom Acker machten, räumte er sein Beutegut in seine Unterkunft und vergrub den Kopf, damit die Natur ihr Werk vollbrachte und ihm einen schönen Schädel als Andenken bescherte. Die Kopfhaut mit dem langen Haar hatte er jedoch vorher abgezogen, weil er vielleicht daraus etwas basteln wollte. Mal schauen. Danach ging er mit einer geborgten Capsa (nicht der von Eike, der musste seine erstmal wieder reinigen und auffüllen) zu Nero, um nach dessen Wunde zu sehen.


    RE: Officium Gubenator Titus Umbrenus Nero >>

    "Hrrrm, hört sich idyllisch an, dein Elysium, Duccius. Und Cimber hat ganz recht - lieber mit guten Kameraden im Orcus als allein im Elysium."


    Sabaco nickte der Dame zu, die ein Gespräch mit Cimber begonnen hatte. Duccia Valentina, die Schwester vom Lucius Duccius Ferox. Er wusste sich durchaus zu benehmen und eine römische Dame war etwas anderes als das, was er so flachlegte. In seinem ganzen, langen und dunklen Leben hatte er sich bei aller Verdorbenheit nie der Unhöflichkeit gegenüber einer Römerin schuldig gemacht, auch wenn er nicht gerade eine sympathische Gestalt war. An diesem Eindruck konnte auch sein Bemühen um Höflichkeit für die meisten wenig ändern, so als würden sie die Dunkelheit hinter seinen trügerisch hellblauen Augen sehen oder irgendwie spüren, dass vor ihnen ein Beutegreifer stand.


    "Dank auch von mir. Echt lecker das Essen und die Feier kommt gerade recht. Das Wetter ist schlecht und der Dienst anstrengend, die Heimat fern. Ein bisschen Zerstreuung ... freundlich."


    Er würde entsprechend auch, wenn er ging, ein Geldgeschenk dalassen. Wenn er sich schon durchfraß und fremde Sklaven sein Geschirr wuschen, sollte es nicht zulasten der Kasse der Gastgeber gehen.

    "Das Elysium von Stilo sieht sicher völlig anders aus als unseres, Duccius Ferox. Lass doch mal hören ... wie würde dein persönliches Elysium aussehen? Meins wie Tarraco im Sommer. Eine saubere römische Stadt mit einem guten Theater, ein trockener Olivenhain, ein weicher Sandstrand am Meer. Nette Leute zum gemeinsamen Trinken, jemanden zum in die Arme schließen, nicht irgendwen, sondern die große Liebe. Und ein paar Rivalen, die einem das Leben interessant machen."


    Seinetwegen sogar der olle Germanicus, manchmal war der alte Spießer eigentlich ganz witzig, auch wenn Sabaco das nie zugeben würde. Und seinen kleinen Bruder, der ihn wieder mochte ... der ihm wieder der kleine Bruder war. Den hätte er auch gern im Elysium an seiner Seite.

    "Ach was", raunte Sabaco tröstlich, als Nero vor sich hin meckerte. Die Wunde machte dem alten Seebären scheinbar zu schaffen. Sonst war er nicht so bärbeißig, zumindest nicht gegenüber ihm. Sabaco würde jetzt nicht mit dem verletzten Nero diskutieren, wie viele Männer der Germanicus nun ausgelöscht hatte oder nicht und ob sie es das nächste Mal probehalber mit Kadavergehorsam versuchen sollten oder ihrer eigenen Linie folgten. Das waren Themen für andere Tage. Nero war gerade mies drauf und das durfte er auch sein. Das wichtigste war, dass alle mit leichten Blessuren davongekommen waren und sie ihren Auftrag erfüllen konnten. Zumindest hoffte Sabaco, dass die Wunde nur klein war. Er würde sie dann später ansehen, jetzt hatte er sein Schiff zu befehligen.


    Sabaco stand noch mal auf und schickte Eike nach hinten, um Neros Wunde zu versorgen, da Nero ihm allzu verkrampft schien und das Blut durch die Tunika sickerte. Sabaco dachte wieder daran, in welchem Zustand Ocella nach so einer Verletzung gewesen war. Wie er fast gestorben wäre. Nicht Nero, bei den drei mal verfluchten Göttern ... nicht Nero.


    Sabaco riss sich zusammen. Er musste als Kommandeur den Überblick behalten. Eike war gut, Eike kümmerte sich. Langsam schritt Sabaco erneut zwischen den Reihen entlang, auf und ab, während die Keto in Richtung Heimathafen glitt.


    Am späten Vormittag erreichten sie im fahlen Sonnenlicht Mogontiacum.

    Die Keto glitt in die Mitte des Rhenus. Langsam nahm sie ihre Fahrt auf. Bald hatte sie auf normale Reisegeschwindigkeit beschleunigt. Sabaco schritt langsam durch die Reihen seiner rudernden Männer, seine Art der Inspektion. Schaute, wie sie zurechtkamen und was für Gesichter sie zogen. Schaute beiläufig auch, was sie so unter ihren Ruderbänken an Beute eingesammelt hatten, was er wohlwollend zur Kenntnis nahm, aber nichts dazu sagte. Ansgar gehörte zu denen, die sich kein Andenken mitgenommen hatten. Das war allein dessen Sache. Das Plündern war eine freiwillige Angelegenheit gewesen und kein Befehl, ein Geschenk des Suboptios an seine Männer zum Lohn für den guten Kampf. Er sah auch nach den Verletzten, sprach kurz mit Eike, inspizierte die Männer an den Buggeschützen, wanderte wieder zurück zum Heck, die Hände hinter dem Rücken. Alles war zu seiner Zufriedenheit.


    Er ließ sich am Heck neben Nero nieder und verkniff sich, dessen Decke zurecht zu zupfen. Er ging davon aus, dass Nero die Wunde inzwischen, wie angewiesen, mit einem Druckverband gestopft hatte, so dass Sabaco sie daheim im Castellum in Ruhe nähen konnte. Er war, wie sie alle, inzwischen sehr müde, aber so viel Konzentration würde er schon noch zusammenkratzen.


    "Ich denke, wir hätten vor dem Subpraefectus vielleicht noch strammer stehen sollen", überlegte Sabaco. "Zeigen, dass uns das Ganze nix ausgemacht hat, weißt du? Die kochen auch nur mit Wasser und wir hatten eine beschissene Fahrt und ein Gefecht bei Sauwetter hinter uns, die nur einen Spazierritt. Aber mich ärgert, dass man uns angesehen hat, wie fertig wir sind. Das nächste Mal machen wir das anders. Dem Germanicus hätte man durch Perfektion eins reinwürgen müssen, vor jedem einzelnen Satz Subpraefectus Germanicus bellen müssen, dabei wie eine Statue stehen. Machen wir das nächste Mal, aber so richtig. Dann werden wir Zeuge, wie ihm vor lauter Geilheit einer abgeht. Immerhin haben die Equites den Rest der Brut ausgelöscht, so hatte es auch was Gutes. Das waren noch etwa 20 Mann, wenn ich mich nicht verzählt habe. Die machen jetzt keinem mehr Ärger."


    Sabaco blinzelte entspannt. Er rutschte langsam in den Feierabend-Modus und war sogar zu müde, sich über seinen Erzrivalen aufzuregen, fand die unerwartete Begegnung gerade eher unterhaltsam. Ein bisschen mussten sie noch durchhalten. Er grinste Nero an, was seine Augenringe vertiefte. Aber das Mundwerk funktionierte noch. So hielt er sich wach und seine Laune oben.


    "Ich glaub, es hat den Varro gehörig angekotzt, dass er sich nicht traut, bei seinen Leuten auch mal die Zügel frei zu geben. Die liegen vermutlich nachts wie Bretter im Bett, weil sie sogar im Schlaf strammstehen. Plündern gibt es bei dem nicht, nur eiserne Disziplin rund um die Uhr. Nun haben sie aber gesehen, dass es bei uns anders zugeht. Dass unsere Männer auch mal Männer sein dürfen und nicht nur Werkzeuge des Krieges. Den Neid in ihren Augen. Das weiß er, drum sind sie auch so schnell wieder abgedampft, ehe sie allzu viel Blut lecken. Na. Soll er ruhig petzen gehen, dass wir erschöpft sind, wenn es ihn tröstet."

    Das Segel, das als Dach hatte herhalten müssen, wurde wieder am Mast vertäut. Die aufkommende Helligkeit des Tages war wie eine Erlösung. Die Männer waren noch immer sehr müde, doch ein paar Stunden hatten sie geruht, bevor es zum Gefecht gekommen war, und Eike hatte die Verletzten versorgt und jene, die er für zu schwach zum rudern hielt, ausgesondert. Sabaco akzeptierte Eikes Entscheidungen diesbezüglich, sortierte zudem zwei weitere Männer aus, von denen er fand, sie sollten besser ausruhen.


    Die Männer der Ala zogen inzwischen wieder ab. Sabaco hatte den frischgebackenen Subpraefectus nicht aus den Augen gelassen, da er nicht einschätzen konnte, was er vorhatte. Allerdings verstand er die Worte nicht. Bald saßen alle Marini mitsamt ihrer Beute an Bord. In einem Tuch hatte Sabaco möglichst heimlich auch den Kopf mit an Bord geschmuggelt, eingewickelt, damit Nero nicht wieder die Krise bekam. Den Waffengurt, den Militärgürtel und das Schwert des Toten hatte er ebenso bei sich.


    Die Keto war bereit zum Abfahren. Alles wartete auf die Rückkehr von Nero.

    "Dann wurden ja alle Probleme bereits gelöst. Wir waren auf einer Patrouille, haben dabei in Confluentes Holzkohle aufgenommen. Mit der Lieferung begaben wir uns auf den Rückweg zum Castellum. Auf halber Strecke gerieten wir in ein Unwetter und mussten anlanden. Einige Männer waren erschöpft. Bei der Rast wurden wir von diesem Pack da überfallen.


    Ich hatte zu Beginn des Gefechts einen Mann losgeschickt, um im Castellum Bescheid zu geben, da in der Dunkelheit die Zahl der Angreifer und der Ausgang zunächst nicht einschätzbar war. Wir konnten die Angreifer jedoch abwehren. Tote haben wir keine zu verzeichnen, nur ein paar gehfähige Verletzte. Wie viele davon noch rudern können, weiß ich noch nicht, da ich gerade in den Nachbereitungen unterbrochen wurde."

    "Eike! Stopf dem Gubernator die Wunde, Druckverband. Ich nähe sie dann selber." Das konnte Eike jetzt interpretieren wie er wollte, ob als Zweifel an seiner Heilkunst oder als pragmatische Entscheidung, weil man bei der Dunkelheit ohnehin zu wenig zum Nähen sah. Sabaco war es egal. Niemand außer ihm nähte an Nero herum.


    Er wurde in seiner Sorge unterbrochen. Eine verhasste Stimme erklang, zu der eine noch verhasstere Erscheinung gehörte. Die Kackbratze hatte ihm gerade noch gefehlt. Sabaco ließ den Germanenkopf in seiner Hand fallen und trat vor Varro. Dort drosch er sich die Faust auf die Brust.


    "Suboptio navalorum Matinius Sabaco, Classis Germanica! Ich habe hier das Kommando."

    Sabaco gab den Befehl, die toten Germanen auf einen Haufen zu schmeißen und die Keto wieder startklar zu machen. Wer wollte, durfte die Leichen nach lohnenswerten Andenken fleddern. Wegen des hier vergossenen Blutes wollte vermutlich ohnehin keiner der abergläubischen Besatzung hier die Nacht verbringen. Wer schlief schon gut neben einem Berg von Leichen, nicht mal Sabaco tat das. Er selbst machte sich an dem enthaupteten Leichnam des Anführers zu schaffen. Gürtel und Schwert wurden seine Beute. Dass Nero verletzt war, bemerkte er nicht.

    Stilo hatte Sabaco die Braut geklaut? Und Cimber erzählte ihm das brühwarm? Nicht nur Duccius Ferox erlitt eine Gesichtsentgleisung. Während er Gastgeber mit seinem Met herumhustete, starrte Sabaco Cimber an, als würde er jeden Moment über ihn herfallen. Freilich tat er das nicht, sondern starrte nur. "Mein Bruder bei der Ala ist Matinius Ocella, Vexillarius. Ich hoffe, zu dem bist du netter als zu mir." Vor allem, weil Ocella dann Cimbers Vorgesetzter war und genau so ungemütlich wie Sabaco werden konnte, wenn ihm was nicht passte. Der Kleine. Ein verliebter Ausdruck strich über Sabacos Gesicht, als er sich bildhaft vorstellte, wie Ocella den Cimber für sein loses Mundwerk zusammenbrüllte und mit einem Stock triezte und den treulosen Stilo gleich mit. Das Starren löste sich darob auf.


    Als Ferox ihm seine Frage zur Architektur beantwortete und von Cappadocia berichtete, nickte Sabaco anerkennend. "Ja, Cappadocia soll Landschaftlich sehenswert sein. Wenn man Stilo glaubt, ist es das Elysium auf Erden. Ich hätte es mir auch gern mal angesehen. Aber wer weiß, wohin das Schicksal mich noch führt."


    Dass Nero einen Neffen namens Cimber hatte, war Sabaco bekannt. Nun standen sie beide hier, Neffe und Onkel. Aber irgendwie missfiel ihm die Verwandtschaft. Eigentlich missfiel ihm gerade vieles, Cimber hatte ihm den Abend verdorben. Na, wenigstens war Nero nun da. "Salve, Gubernator", schnurrte Sabaco. "Dein Neffe hat seine Schwester lieber an Stilo verheiratet als an mich. Was sagt man dazu. Fast wären wir beide Verwandte geworden."

    Sabaco winkte ab. "Praefect und Caesar haben anderes zu tun. Lass die mal machen. Und ich mache meins."


    Wenn Sabaco getrunken hatte, verspürte er keine Müdigkeit. Hinzu kam, dass er in seiner Jugend einen Tag-Nacht-Rhythmus gelebt hatte, bei dem er bis Mittags schlief und nachts herumstrolchte. Und ob irgendein Gastwirt und dessen Gesindel sich den Feierabend herbeisehnten ... wen scherte es. Sabaco bezahlte sie schließlich mit gutem Geld. Und so saß er Stunde um Stunde mit seinem Krug und saugte die Gegenwart von Ocella in sich auf, selbst als es schon längst nichts mehr zu sagen gab. Erst, als er von draußen den Beginn der ersten Tagesgeschäfte vernahm, die auf den baldigen Sonnenaufgang hindeuteten, erhob er sich. Zu Sonnenaufgang begann der Ausbildungsbetrieb und er musste sich vorher wenigstens noch mal waschen und der Latrine einen Besuch abstatten.


    Er überschlug im Kopf, was sie beide verfressen und vertrunken hatten, legte die Münzen mit einem Trinkgeld in die Mitte des Tisches und erhob sich.

    Ocella kam in den Genuss, einem der seltenen Augenblicke beizuwohnen, in denen Sabaco lächelte. Es kam von Herzen, was man daran sah, dass er auf die Tischplatte blickte, als es ihn überkam. So lächelnd konnte er keinen Blickkontakt halten.


    "Ist das so. Dann hier die Auflösung des Rätsels, Ocella. Es gibt keinen Befehl, den ich verweigern würde, wäre ich tatsächlich dein Untergebener. Ich stelle meinen eigenen Bruder nicht bloß. Warum sollte ich das tun? Dich zu sehen, wenn du deinen Mann stehst, erfüllt mich mit Stolz. Ich habe dir alles gegeben, wozu ich fähig war, um dich zu einem Mann zu machen, der seine Gegner erzittern lässt. Und das, Ocella, mache ich dir und mir nicht kaputt. Ich bin dein Bruder, nicht dein Feind. Jedoch", er hob seinen Finger, "habe ich nicht ohne Grund so lange nachgehakt. Ich dachte, du kommst vielleicht von allein darauf. Wir beide stehen in unterschiedlichen Befehlsketten, wir laufen parallel zueinander, nicht in hierarchischer Ordnung. Mein höchster Vorgesetzter ist der Praefectus classis, deiner ist der Praefectus alae. Keiner von uns beiden ist folglich dem anderen weisungsbefugt, es sei denn, er wird dem anderen im Rahmen einer Mission unterstellt.


    Freilich sollte man den Offizieren anderer Einheiten gegenüber dennoch respektvoll auftreten. Das ist eine Frage der Höflichkeit und des Anstands, nicht jedoch der Hierarchie. Würde ein Außenstehender meine Männer sanktionieren, anstatt mit seiner Beschwerde über das Fehlverhalten an mich heranzutreten, könnte der was erleben. Ich habe mir schließlich etwas bei ihrer Erziehung gedacht, Lohn und Strafe sorgsam abgewägt, mit der Grammwaage dosiert sozusagen, um sie perfekt zu schleifen, und kann niemanden gebrauchen, der das mit seinem Herumgepfusche sabotiert."


    Er zögerte kurz, als wäre seine kommende Bemerkung nur eine beiläufige Ergänzung, dabei war sie der Kern der Sache.


    "Außerdem gehören sie mir."

    Was noch lebte, war geflohen. Sabaco blickte sich um, gründlich. Aber er schickte niemanden hinterher, er war ja nicht blöd. Das war das Dümmste, was eine römische Einheit machen konnte, ihre Formation aufzulösen, für die sie ausgebildet und auf die sie spezialisiert war. Wenn einer Flüchtige verfolgte, dann waren es Reiter und die gab es hier und heute nicht. Er erachtete es auch nicht notwendig in dem Fall. Diese Germanen müssten irre sein, mit den wenigen Überlebenden noch einmal zurückzukehren, nachdem sie dahingeschlachtet worden waren.


    Sabaco packte den Germanen am Haarschopf. Ein grauenvolles Geräusch erklang, als er ihm den Kopf vom Rumpf trennte. An den Haaren hob er ihn empor, so hoch wie er konnte, drehte sich um und zeigte ihn seinen Männern, auf die er überhaupt nicht mehr wütend war. Sie hatten gesiegt, ganz gleich wie. Sie hatten die Einheit, die Keto und die Ladung verteidigt und ihre Stellung gehalten. Die Euphorie des Überlebenden packte ihn, wie er das nach Gefechten schon oft erlebt hatte.


    "ROMA VICTRIX!", tönte Sabacos heiserer Siegesschrei und er reckte den Arm mit dem Kopf des Anführers noch höher in die Luft, als in der Ferne zeitgleich ein mustergültiges Donnern erklang. Das Gewitter zog weiter, der Schneeregen war abgeklungen und die Germanen besiegt ... die Prüfung der Götter war bestanden.

    Sabacos Mund wurde ein schmaler Strich. Für einen eifersüchtigen Menschen war es nicht leicht verdaulich, wenn derjenige, den er als besten Freund betrachtete, dann noch einen anderen Freund hatte, der ihn gleich mal Bruder nannte. Wie viele "beste Freunde" und "Brüder" besaß Stilo eigentlich da draußen?


    "Kann sein, dass er mal erwähnt hat, in irgendeinem Gestüt mit irgendwem aufgewachsen zu sein", brummelte Sabaco, beschloss aber trotz des Stichs, den er in seinen Eingeweiden spürte, Cimber im Laufe des Abends etwas auszuhorchen zu den Gegebenheiten in Cappadocia und bei der Ala. So drückte er ihm mit verkniffenem Gesicht einen Becher heißen Met von den Essensständen in die Hand. Danach fühlte er sich irgendwie erleichtert, so als ob nun ein Bündnis geschlossen sei. "Danke für die ausgerichteten Grüße, ich kann ihn leider nicht sinnvoll erwidern. Ich hoffe, die Reise war gut und das Wetter ist hier nicht schlechter als in Cappadocia?! Die Männer sind es jedenfalls nicht." Er nahm sich einen Teller und bediente sich. Obwohl er Fleisch liebte, nahm er heute lieber Oliven und ein paar lecker aussehende Teigbällchen. "Ich habe einen kleinen Bruder bei der Ala ..."


    Der Gastgeber entpuppte sich als Centurio. Zum Glück rannte der im Gegensatz zu Sabaco nicht in vollständiger Uniform herum, so dass es nicht dramatisch war, dass er nicht mit formellem Salut gegrüßt worden war. Man grüßte niemanden, der gerade offensichtlich in Zivilkleidung unterwegs war mit militärischem Gruß. Während Ferox erzählte, wie das Haus aufgebaut war, ließ Sabaco den Blick darüber schweifen und nickte anerkennend.


    "So muss das sein", urteilte Sabaco kraft der Überzeugung, dass sein Urteil für die Welt relevant sei. "Diese Ungezwungenheit gefällt mir. Man nimmt sich von beiden einfach Kulturen das Beste, wenn man schon in zwei überlappenden Kulturkreisen wohnt, und vermischt sie, bis einem das Resultat gefällt. Wie wir das beim Militär zum Beispiel mit den feminalia gemacht haben." Er klopfte auf seine warm eingepackten Beine. "Anstatt uns in römischer Manier den Arsch abzufrieren." Wobei der Arsch genau genommen nicht von den feminalia bedeckt wurde und daher immer noch fror. "Ich bin auch ein großer Freund germanischen Mets. Wenn Römer versuchen, den nachzubrauen, schmeckt er zum Speien. Dafür ist der römische Wein um Längen besser, besonders der von den sonnigen Hängen Hispanias. War Cappadocia für dich ein Kulturschock, nachdem du hier aufgewachsen bist?"