Beiträge von Publius Matinius Sabaco

    "Gut, keine Kritik. Du bist der Gubernator, wer bin ich, den Gubernator zu kritisieren. Noch bin ich ja kein Tribun, hab noch keinen Sumpf erhalten. Aber wenn ich meine Honesta Missio bekomme, ist Grund und Boden dabei. Dann könnte ich auf meine alten Tage noch mal als Tribun loslegen, falls ich dann noch lebe.


    Nein, ich war noch nie in Cappadocia. Ich habe es mir immer wie Hispania vorgestellt. Meine Heimat. Aber vielleicht liegt das daran, dass Stilo davon als seine Heimat sprach. Ja, es stimmt, was du über ihn sagst. Er ist ein Mensch, an dem ich beim besten Willen nichts Schlechtes finden kann, abgesehen davon, dass er meinen Brief noch nicht beantwortet hat."


    Er schluckte den Rest herunter und schaute Nero zu, wie er hin und her watete. Während Nero weiter fischte, verlor Sabaco die Lust. Also setzte er sich auf die Decke und begann, den bereits erlegten Fisch zu köpfen und auszunehmen, wobei er darauf achtete, die Gallenblase nicht zu beschädigen. Die Innereien warf er ins Wasser.


    "Brauchst du den Kopf? Manche machen ja Suppe daraus." Fragend hielt er ihn hoch und winkte ein wenig damit.

    Sabaco merkte, dass etwas in ihm sich dagegen sträubte, den Blickwinkel der anderen Seite einzunehmen. Es erzeugte in ihm eine tiefe Abwehr, weil er genau wusste, dass er egoistisch mit anderen Menschen umging. Selbst seine Liebe war durch und durch egoistisch. Er wollte nicht wissen, was andere wirklich über ihn und seine Taten dachten, die er selbst vollkommen richtig fand. Es hätte es gekonnt, er hatte die Fähigkeit dazu, die Gegenseite zu verstehen, doch er wollte nicht.


    "Meine Gedanken möchtest du hören? Gut, ich bin dabei. Ein Gedanke von mir - gegen einen von dir. Lass uns tauschen. Ich beginne.


    Der Name Phoca gilt hier nichts, und doch bin ich noch immer Phoca. Er ist ein Teil von mir. Der Seehund sammelt sich in Gruppen und ist dennoch ein Einzelgänger. Er sucht die Nähe anderer und ist doch allein. Die andere Seite meiner Geschichten interessiert mich nicht, Nero. Das ist der Grund, warum ich immer nur meine eigene Perspektive wähle. Ich bin ein grenzenloser Egoist und das ist die Wahrheit über mich. Mir gehört diese Welt, sie ist meine Spielwiese. Ich bin gut zu anderen, wenn sie meine Spielgefährten sind und dazu dienen, mein Leben zu bereichern. Der Rest ist Spielzeug oder Feind."


    Erschrocken über seine Offenheit suchte er den Blick des Gubernators. Sofort bereute Sabaco, dass er ehrlich gewesen war und ging in Richtung des Schreibtisches, wo die Dienstpläne lagen.

    "Das ist sehr ... fantasievoll." Sabaco meinte das nicht abwertend, sondern beim Sinn des Wortes selbst. "Sie sind deine Inspiration, deine Musen", schlussfolgerte er. "Deine Schätze. Finde ich gut. So kommen auch mal gute Geschichten bei raus, auf jeden Fall nicht immer das Gleiche. Ich selbst bin meine einzige Inspirationsquelle und entsprechend sind die Werke: pessimistisch, düster, manchmal blutig und voll Zorn, immer bitter."


    Er legte das Kleinod vorsichtig zurück. Es war Schrott, doch Nero bedeutete es viel und das respektierte Sabaco. Es war wie mit den Tunikas, die Ocella ihm geschenkt hatte. Für andere war eine warme Tunika nichts Besonderes, für Sabaco waren diese Exemplare eine Religion. Eine trug er selbst, die andere trug Nero, wenn es kalt wurde.


    "Gern kann ich eine deiner Geschichten festhalten, Nero. Ich schreibe gern und es wäre schade, wenn sie nie in Worte gekleidet werden würden." Er merkte nicht, dass er wieder zum vertraulichen Cognomen gewechselt war. Vermutlich ging das jedoch in Ordnung, sie sprachen gerade nicht dienstlich. "Aber dafür musst du sie mir erzählen. Du schuldest mir auch noch eine andere Geschichte - die des Hippocampus. Erinnerst du dich? Deine Geschichte, Nero."

    "Ja, genau! Du kennst Stilo?", rief Sabaco verblüfft. Klar, logisch ... wenn Nero ein Umbrenus war, dann wusste er, was im Gestüt seiner Sippe vorging! Und dass Stilo seine Kindheit dort verbracht hatte. Sabaco fragte sich, ob es gut oder schlecht war, dass Nero nun um diese Querverbindung wusste. "Aber warum hast du Cappadocia verlassen? Stilo meint, es sei das Elysium auf Erden."


    Als er gelobt wurde, blickte Sabaco zur Seite in Richtung der Forellen, dann wieder auf. "Du hast recht! Ich wäre ein guter Tribun." Da war Sabaco völlig von sich überzeugt, er fand auch, dass er genau der Suboptio war, den die Classis brauchte. "Aber Grund und Boden sind nun mal begrenzt, ein Kamerad wurde zu seiner Honesta Missio mit einem Sumpf in Mösien abgespeist. Es gab ordentlich Gelächter, als er das erzählte, nur er selber fand es nicht lustig. Vermutlich hocken deswegen so viele Legionen an der kappadokischen Grenze, weil sie auf das reiche Land der Parther als Altersruhesitz hoffen.


    Die Einladung nehme ich an, wann? Wo?" Mit einer gewissen Erregung beobachtete Sabaco den auf dem Speer zappelnden Fisch.

    Zu Sabacos Überraschung wurde er für seine Phantom-Dienstpläne auch noch gelobt.


    "Danke, Gubernator. Der Mann hätte sich seinen Urlaub verdient. Aber wir können das nicht entscheiden. Ich wollte, dass du Bescheid weißt, dass vielleicht bald ein anderer Dienstplan gültig ist."


    Gespannt starrte er auf die sich öffnende Truhe und auf das, was der Gubernator daraus zum Vorschein brachte. Ein besonders skurriles Objekt hob Sabaco vorsichtig auf, um es zu untersuchen. "Sieht aus wie ein nautisches Instrument, oder? Aber welches? Es ist völlig kaputt. Du liebst die See und sie spuckt dir solchen Plunder vor die Füße. Andererseits hast du so was zum Tüfteln."


    Neros Vorstellung von den Gegenständen, die in eine Schatztruhe gehörten, gefiel Sabaco. Sie verriet eine Weltsicht, in der Schätze keinen materiellen Wert hatten und materielle Werte keine Schätze waren.

    Sabaco merkte nicht einmal, dass er die Zeche geprellt hatte und Ocella verhinderte, dass er hier Hausverbot erhielt. Er stand schwankend mit sich selbst beschäftigt am Türrahmen, bis sein kleiner Bruder ihn von dort abpflückte und in die Castra geleitete. Die Lichter in den Fenstern kreisten um Sabaco in der ansonsten finsteren Nacht. Als sie die Stadt verließen, glänzte der Mond auf dem feuchten Pflaster und ließ den Nebel in den Wiesen weiß leuchten. Die Castra stand wie ein schwarzer Klotz am stillen Rhenus, die Geräusche des Dientbetriebs hingegen verstummten auch Nachts niemals ganz.


    Dass Sabaco bisher keinen Ärger für seine regelmäßigen Besäufnisse bekommen hatte, grenzte in der Tat an ein Wunder. Bisher hatte ihn immer irgendjemand gedeckt. Auch jetzt half ihm ja Ocella und Sabacos Welt war in Ordnung. Das hatte die Nebenwirkung, dass heute niemand aufs Maul bekommen würde. Zufrieden ließ er sich in Schlängellinien nach Hause führen und verkürzte ihnen den Heimweg mit einem unanständigen Lied, das man noch lange in der Ferne hörte, nachdem man die beiden schon nicht mehr sah.

    "Deine Schrottsammlung." Sabaco grinste mit seinen zertrümmerten Zähnen, als er sich an Neros Tisch niederließ. "Dienstpläne können nicht perfekt genug sein. Ein Kamerad hat überlegt, ob er vielleicht Urlaub beantragen möchte. Für den Fall, dass er das tut und der Urlaub bewilligt wird, habe ich einen alternativen Dienstplan erstellt. So haben wir ihn dann sofort griffbereit und müssen nicht umplanen."


    Er tippte auf die oberste Tafel. Darunter waren die anderen Alternativdienstpläne gestapelt, die mit unterschiedlichen Personalmöglichkeiten kalkulierten, beispielsweise was gute oder weniger gute Genesungsfortschritte von Seppi mit seinem Finger betraf, und ganz unten lag der aktuelle Dienstplan, begraben unter einem Stapel von Fiktionen.

    "Was ich davon habe, mich zu ärgern? Nichts. Das ändert trotzdem nichts daran, dass ich keine gute Laune bekommen kann, nur weil ich es mir einrede. Ein Freund von mir hat einen ... Kumpel?!" Es war schwer, Zmertorix eine vernünftige Bezeichnung zu geben. "Der will Galluspriester werden und kann dir erklären, wie schön es ist, sich die Eier abschneiden zu lassen. So ungefähr hört sich deine Erklärung auch an. - Da drüben sind Forellen, aber die sind zu klein." Er wies mit dem Speer ins Wasser.


    "Ich habe mich bei der Legio IX Hispana rekrutieren lassen, zur Classis versetzt wurde ich erst dieses Jahr. Besagter Freund, ein Sisenna Seius Stilo, hat mich damals in Tarraco mit in die Castra genommen. Er meinte, die Legio wäre was für mich." Er zuckte mit den Schultern, die Augen immer noch aufs Wasser gerichtet. "Vermutlich hat er mir in Wahrheit damit das Leben gerettet. Es klingt paradox, das Leben gerettet zu bekommen, indem man zu den Truppen geht, aber die meisten kehren von dort Heim, während die Straße jeden tötet. Er hat mir damit aber noch mehr gerettet - meine, na ja, meine Gesellschaftstauglichkeit. Das, was davon noch übrig war."


    Ohne Folgen verbrachte man seine Kindheit und Jugend nicht auf der Straße. Je länge man solch ein Dasein fristete und sich daran anpasste, umso mehr verlor man die Fähigkeiten, die man für das andere Leben benötigte. Sabaco starrte angestrengt in Richtung der Forellen, auf der Suche nach einem fetten Exemplar unter den Mickerlingen, weil er merkte, dass die Erinnerung an ihm nagte. Er vermisste Stilo mehr, als er zugeben konnte, ohne sich lächerlich zu machen. Nachdem Sabaco sich sein Leben lang um Ocella gekümmert hatte, war er von Stilo das erste Mal selbst umkümmert worden zu einer Zeit, da er es am bittersten nötig gehabt hatte. Nun war Stilo in Cappadocia, Ocella stand auf eigenen Beinen und Sabaco war hier.


    "Stilo war jedenfalls der Grund, warum ich zu den Truppen ging. Weil sein Vater Centurio ist, konnte er sogar organisieren, dass wir im selben Contubernium landen, wo ich der Riesenwelpe wurde. Sie hatten es nicht leicht mit mir. Eigentlich bin ich Mitglied des Ordo Equester, hätte das Tribunat antreten können, aber mir mangelt es an Grund und Boden. Das haben immer andere geerbt. Zum Glück für die Legio, kann man wohl sagen. Ich als Tribun." Er grinste bei dem Gedanken. "Oder hier bei der Classis. Dann wäre ich dein Vorgesetzer. Dass du mir deine Geschichte erst später erzählen willst - ist das eine Einladung, Nero?"

    Sabaco klopfte, grüßte und trat ein. Inzwischen musste Nero auffallen, wie oft Sabaco mit unnötigen Nachfragen bei ihm eintrudelte und ihn blockierte. Auch heute schleppte er einen Stapel Dienstpläne in Gestalt von Wachstafeln mit sich, den er auf Neros Arbeitstisch knallen ließ. Diesen Stapel kannte Nero inzwischen vermutlich auswendig.


    "Ich habe ein paar Fragen zum Feinschliff der Dienstpläne, Gubernator!"


    Dabei schaute Sabaco sich ungeniert im Quartier um auf der Suche nach der Schrottsammlung, die Nero ihm hatte zeigen wollen.

    Sabaco blieb verwirrt im kalten Wasser stehen, das seine Waden umspülte. Was redete der da?!


    "Niemand kann entscheiden, ob es ihm Freude macht, andauernd allein irgendwo rumzuhängen oder allein einen gefangenen Fisch zu fressen. Mir macht es keinen Spaß und das wird sich auch nie ändern, nur weil ich es mir einrede."


    Auf die Schrottsammlung von Nero war gespannt.


    "Mein ... Schwarm an Leuten war unterschiedlich groß, Nero. Das hat dauernd gewechselt, genau wie die Leute. Es gab nur wenige, die dauerhaft blieben. Eigentlich niemanden. Irgendwann geht jeder seinen eigenen Weg. Sei es aus freiem Wunsch oder aus höherem Willen."

    Sabaco hob den blutunterlaufenen Blick. Das Brüderchen war gekommen, um ihm den Spaß zu verderben. Im Grunde wusste er, dass Ocella recht hatte, aber es war nicht schwer, Gründe zu finden, die dafür sprachen, sich trotzdem so zu benehmen, wie er es zu tun pflegte. Doch seinem Bruder würde er jetzt nicht das Leben schwer machen. Sabaco leerte die vollen Becher alle beide - Fremden schenkte er nichts, wenn er nichts dafür zurückbekam - und stemmte sich auf die Beine. Er hatte noch etwas Zeit, bis die zwei Becher Met ihre Wirkung entfalten würde und gedachte sie zu nutzen, um die Entfernung bis zu seinem Bett zurückzulegen.


    "Ich war gerade dabei, mir neue Freunde zu machen", grollte er, dann stand er gerade. Ein letzter Blick auf dem Teller, Bedauern wegen der Soße, die sich schlecht einpacken und mitnehmen ließ, und Sabaco stapfte angetrunken zur Tür. Seine Schritte polterten unregelmäßig auf dem Fußboden, dann erreichte er den Rahmen, an dem er sich abstützen konnte. Der Heimweg würde lustig werden, aber er war ein Tabernaveteran und würde heil in der Castra ankommen.

    So ein Pech. Die Geschichte hatte nämlich eine Wendung genommen, die er lange schweigend mit sich herumgeschleppt hatte. Nun rang er sich endlich durch, sie auszusprechen - und da wollte der kleine Bruder sie zu Sabacos Empörung nicht hören. Er überlegte, ob er Ocella die Information einfach in Kurzfassung aufs Auge drücken sollte, auch wenn Ocella die Augen schon zufielen. Und er entschied sich dafür. So hatte Ocella wenigstens was anderes zum Nachdenken als das verkackte Gefecht.


    "Ich habe das Kind von Gwendolyn einige Jahre später gesehen. Der Junge ist gesund und kommt nach seinem Vater. Der Vater ist aber nicht Catualda, der Vater bin ich. Selbst wenn ich es wollte, könnte ich es nicht leugnen. Du bist Onkel, Ocella, auch wenn es nichts Offizielles ist. Ich dachte, dass solltest du wissen. Jetzt weißt du es und ich lasse dich in Ruhe. Sieh zu, dass du wieder gesund wirst und bleib bis dahin gefälligst im Bett. Wenn ich dich in dem Zustand auf einem Pferd erwische, schleif ich dich an den Eiern zurück ins Valetudinarium. Hab dich lieb, Kleiner."


    Ocella wurde zum Abschied noch einmal getätschelt und sein herausschauender Fuß liebevoll zurück unter die Decke geschoben, dann stapfte Sabaco von dannen. Er hatte noch ein wenig zu tun und beschloss, danach eine Runde Schwimmen zu gehen, um was Konstruktives gegen die Gefühle zu machen, die in ihm tobten. Mit einem Dach über dem Kopf würden sie zu einem Echo werden, das tausendfach zurückgeworfen wurde, doch draußen unter freiem Himmel ging es ihm meist wundersamerweise besser. Der verlockende Ruf der Straße oder der Natur, wer wusste das schon ... doch er würde ihm nicht folgen. Er hatte gewählt. Er würde nur ein wenig daran schnuppern.


    Perlentauchen im Rhenus >>

    Sabaco blickte auf seinen halbvollen Teller. Reichte noch - zumindest für ihn. Mit überheblichem Blick hob er einen tropfenden Bratenstreifen hielt ihn sich vor den Mund und angelte ihn mit der Zunge ins Innere, ehe er sich Finger und Lippen sauberleckte. Dann kaute er zwei Mal und spülte das kaum zerteilte Fleisch mit einem Met herunter.


    "Du bist neu in der Stadt." Sabaco riet ins Blaue herein, weil das Früchtchen irgendwie so aussah. "Mogontiacum ist ein gefährliches Pflaster. Die Taberna Silva Nigra - abgebrannt, weil der Wirt und seine Schlampe dem Falschen dumm kamen. Es ist empfehlenswert, sich Freunde zu machen in Mogo. Manchmal passieren sonst üble Dinge."


    Er schnippte nach der Bedienung und kurz darauf standen zwei neue Becher Met auf dem Tisch. Einen schubste Sabaco zu dem anderen rüber. Der Becher glitt elegant über die polierte Holzplatte und blieb genau vor seinem Gegenüber stehen.

    "Allein zu überleben ist nicht schwer. Aber macht es Spaß? Nein, Nero. Das tut es nicht. Man braucht Freunde und Kameraden, am besten beides in einem, damit sich die ganze Scheiße auch lohnt."


    Als Nero Sabaco betrachtete, konnte er sehen, dass dieser auf Höhe des Herzens eine große Brandnarbe auf seiner Flanke trug. Sein Körper war übersät von kleineren Narben, besonders an den Händen, Knien und im Gesicht, doch keine davon wies auf eine bedrohliche Verletzung hin. Die Muskulatur war sehr gut entwickelt, man durfte annehmen, dass Sabaco zusätzlich trainierte, um nicht nur funktional zu sein, sondern auch eine respekteinflößende Ausstrahlung zu gewährleisten.


    Sabaco blieb entspannt liegen, bis Nero fertig gegafft hatte. Dann folgte er ihm mit dem Speer in der Hand zum Fluss und Sabaco revanchierte sich für die neugierigen Blicke. Nero war ein kompaktes Kraftpaket und Sabaco fragte sich, wie er wohl trainierte. Insbesondere die Flanken sahen bei Nero gut aus, während Sabaco sich vergebens mühte, seine dämliche Taille wegzutrainieren.


    "Du musst mir deine Sammlung wertloser Schätze mal zeigen", fand Sabaco, während er ins klare Wasser der Furt watete, die Augen auf den Grund gerichtet.

    Sabaco schreckte aus dem Schlaf hoch. Er hatte auf dem Tisch geschlafen und seine verschränkten Unterarme als Kissen benutzt. Auf der Suche nach Orientierung blickte er sich um. Das Feuer hatte man herunterbrennen lassen und vom Spießbraten war fast nur noch ein Gerippe übrig. Ocella war nicht zu sehen, entweder war der schon nach Hause gegangen, und Sabaco hatte das im Suff nicht bemerkt, oder er war gerade Wasser wegschaffen. Das gefiel Sabaco nicht, er konnte es nicht leiden, wenn Leute plötzlich verschwanden.


    Sabaco blickte sich argwöhnisch um. Die Hure - oder Wirtin, das war das Selbe - war jedenfalls noch da. Und irgendso ein neuer Spack saß jetzt am Tisch gegenüber. Sabaco streckte sich. Die Taberna war leer, sein Bruder verschwunden und er selbst noch nicht abgewrackt genug, um schon in die Castra zu gehen. Er griff seinen Krug, seinen noch halbvollen Teller und trug beides zum Tisch gegenüber, ohne den anderen Gast zu fragen, ob diesem das überhaupt Recht war.


    "Mahlzeit. Bestell den Braten, der ist gut."


    Sabaco ließ sich auf dem Stuhl nieder wie auf einem Thron.

    "Ich bin hier, um zu bleiben. Wenn ich nicht gehen muss, dann tue ich es auch nicht. Und ich werde alles geben, damit es nicht so weit kommt."


    Auch, weil Ocella hier war und sich um Sabaco bemüht hatte. Ihn wollte er nicht enttäuschen. Sabacos Worte waren ehrlich mit all dem Willen, der dahinterstand, aber auch mit all den Lücken, die dieses Versprechen enthielt, denn er leugnete nicht die Andeutung. Es gab Dinge, die er manchmal tun musste und dann half keine Vernunft mehr. Um sich selbst hatte er noch nie Angst gehabt, er fürchtete keine Konsequenzen, weder Tod noch Züchtigung. Doch als Ocella die Hand auf seine Schulter legte und ihm sagte, wie er zu ihm stand, wurde Sabacos Blick weich. Was keine Erklärung der Welt vermocht hätte, schaffte eine Geste der Zuneigung.


    "Ich liebe dich auch, Kleiner. Mach dir keine Sorgen wegen Varro. Irgendwann werde ich mich daran gewöhnen, dass zwei Leben heißt, auch zwei Wege zu gehen, die bestenfalls parallel verlaufen, aber trotzdem zwei Wege sind und nicht ein breiter."


    Er wusste, dass er das nicht konnte. Aber er wollte Ocella nun etwas Positives sagen und nicht länger streiten. Er war hierher gekommen, um nach seinem Bruder zu sehen und nicht, um diesem noch mehr Sorgen zu bereiten. Vorsichtig half er Ocella, sich wieder hinzulegen, damit der nicht länger seine Bauchmuskeln anspannen musste.


    "Gwendolyn hat überlebt. Die Vigiles und einige Milites von der Legio IX Hispana haben sich gemeinsam um den Brand gekümmert. Möchtest du den Rest hören oder benötigst du eine Pause? Dann erzähle ich ihn dir ein andermal, wenn es dir besser geht."

    Keine Konkurrenten? Das konnte auch in der Weise verstehen, dass Varro dermaßen über Sabaco erhaben war, dass der gar nicht mehr ins Gewicht fiel. Sabaco betrachtete den schwerverletzten Ocella und der Anblick tat ihm körperlich weh. Das war sein kleiner Bruder, viele Jahre der Mensch, auf den er das einzige Gute fokussiert hatte, was in ihm steckte. Man konnte Sabaco vieles vorwerfen, doch er hatte sich aus ganzem Herzen um ihn gekümmert. Und Sabaco hielt Varro sehr wohl vor, was dieser verzapft hatte.


    "Ich habe nicht vor, zu gehen", grummelte er. "Du zweifelst an mir, aber ich bin gern bei der Classis. Und wäre ich nicht gern da, müsste ich trotzdem bleiben. Ich habe einen Eid geschworen."


    Und falls ihn doch irgendwann einmal etwas fortrief, dann würde er vermutlich nicht in Germania bleiben, sondern Stilo suchen. Interessant wäre die Frage allerdings, wie Ocella sich entscheiden würde, wenn Varro ihm befahl seine Treue zu beweisen und die Jagd aufzunehmen. Würde er seinen eigenen Bruder niederstrecken? Sabacos Gesicht nahm einen düsteren Ausdruck an, als dieser Gedanke durch seinen Geist waberte wie ein schwarzes Miasma.


    "Das Haus von Gwendolyns Familie stand an jenem Tag in Flammen", sagte er unvermittelt. "Es war nicht das größte Feuer, was Tarraco bis dahin gesehen hat, aber es war das Schönste. Und ich stand diesmal nicht irgendwo am Rand, sondern mitten drin, während um mich herum der Orcus auf Erden brannte. Dieses Nest gehörte mir und es würde meines bleiben mit allem, was darin je gelebt hatte. Ich bin nicht dafür bekannt, zu teilen. Und ich wich nicht einen Schritt, als die Flammen sich schlossen."

    "Ich sehe fast nichts im Rhenus unter Wasser. Die Strömung wirbelt alles durcheinander und am Ufer ist so viel Schlamm, dass das Wasser trübt, sobald man den Grund berührt. Man muss vermutlich am Ufer langgehen und so suchen", überlegte er laut, während er sich in der Sonne fläzte. "Was hat dir das Meer denn alles Schönes vor die Füße gespült? Irgendwas von Wert? Ich fand Muscheln, Steine und Feuerquallen. Schon mal eine ins Gesicht bekommen?"


    Sabaco lachte bei der Erinnerung daran, wie er bei einer Quallenschlacht jemandem eine davon ins Gesicht gedrückt hatte. Dass ihm die Hand vernesselt worden war, war ihm die Untat wert gewesen.


    "Was ist an Brandungsangeln so gut? Was macht es besser als normal zu angeln? Ein sonderlich guter Angler bin ich nicht - selbst gebaute Angeln sind nicht sonderlich effektiv, aber es genügt, um nicht verhungern zu müssen. Mein größter Fisch war ein Rochen - er hat mir die Angel aus der Hand gerissen und ist damit abgedampft. Ich bin der Angel noch hinterher gerannt, aber der Rochen flüchtete ins Tiefe und weg war er, samt meiner Angel."


    Er rollte sich auf die Seite, während Nero schon nach dem Speer griff. Sabaco griff träge nach seinem, aber machte noch keine Anstalten, aufzustehen. Nach dem Schwimmen immer so wunderbar faul, sobald er sich einmal hingelegt hatte. Am liebsten würde er schlafen, aber gemeinsam Fische zu jagen - dafür würde er den Schlaf sausen lassen. Er musste nur in die Gänge kommen, was eine Willenssache war.


    "Landläufer ist ein interessanter Name für das ganze Gesocks. Wobei ich mich frage, ob es auf einem Schiff besser ist, oder ob dort genau so viele Idioten leben. Verrate du es mir."

    "Die Muscheln vergraben sich? Dann kann ich ja ewig suchen. Zum Fischen musst du da drüben schauen, hier ist das Wasser zu tief." Er wies flussabwärts in die Richtung, wo eine Fuhrt lag. Das von ihr aufgestaute Wasser verursachte den tiefen Bereich, in dem Sabaco tauchen war. Erfreut registrierte er die zwei Speere. Nero hatte vor, ein Weilchen zu bleiben.


    Dass der Gubernator es sich nun seinerseits auf Sabacos Schlafstatt gemütlich machte, fand er amüsant. Es erinnerte ihn an jene Zeiten, als das Bett von seinen Freunden genauso selbstverständlich okkupiert wurde wie ein Stuhl. Zufrieden legte sich Sabaco neben Nero. Nachdem er sich eine Mulde im Sand zurechtgerückt hatte, blinzelte er entspannt in die Sonne.


    "Am Ufersaum liegt der Anfang aller guten Dinge. Erinnerst du dich an eine schlechte Begebenheit am Strand? Ich nicht, nur an viel Gutes. Vielleicht zieht es mich darum immer wieder an Strände, weil ich dort die Dinge suche, die ich früher dort fand und in meiner Zeit auf dem Inland wieder verloren habe. Du scheinst dich mit dem Fischen auszukennen? Was war dein größter Fisch?"

    Sabaco glitt über den Grund. Die Strömung wirbelte Sedimente auf und drückte Millionen winziger Luftblasen unter die Wellen, die als weiße Schleier die Sicht behinderten. Der Suchradius war entsprechend nicht groß. Sabaco blieb in Ufernähe, denn er kannte die Strömung des Flusses noch unzureichend. Er war ein guter Schwimmer, doch Flüssen war mit Misstrauen zu begegnen, denn auch wenn ihre Oberfläche glatt und träge wirkte, konnten tückische Strömungen einen nach unten ziehen und dort halten. Im Tulcis westlich von Tarraco waren bei Hochwasser jedes Jahr Menschen ertrunken.


    6er Würfel: Publius Matinius Sabaco hat eine 1 gewürfelt.


    Als er wieder auftauchte, waren seine Hände leer. Dafür entdeckte er, dass es sich jemand sich auf seiner Decke bequem gemacht hatte. Sabaco schwamm zurück und watete ans Ufer, um zu schauen, wer dort lag. Amüsiert erkannte er den Gubernator. Nackt salutierte es sich so unwürdig. Sabaco tat es trotzdem, nachdem er an Land gewatet war.


    "Salve, Gubernator! Ich hoffe, du liegst bequem. Melde: Kein Muschelfund beim ersten Tauchgang."


    Sim-Off:

    Ich lasse Fortuna entscheiden, ob ich eine Muschel finde (6) und ob in dieser eine Perle liegt (1).