Beiträge von Publius Matinius Sabaco

    Von der Ehrung eines Mitgliedes seiner Turma II war Sabaco nicht unterrichtet gewesen. Der Mini-Eques, der sich da in der Anerkennung des Caesars sonnte, besaß anscheinend mehr Mumm, als Sabaco ihm zugetraut hatte, wenn es darauf ankam. Doch im Dienstalltag verbarg er sie zwischen einer Mischung aus kindischer Anhänglichkeit und Besserwisserei. Während er applaudierte, überlegte Sabaco, wie er Fango künftig dazu bringen konnte, mehr aus seinen Fähigkeiten zu machen, die zweifelsohne vorhanden waren. Nur schade, dass er seine Glanzleistung nicht unter dem Banner der Secunda vollbracht hatte, sondern im Schlepptau von Germanicus Varro ...

    "Roma Victrix", knurrte auch Sabaco. Für ihn war die Straße Mittel zum Zweck, um seine Vision von der Operation Sommergewitter umzusetzen. Der Tribun, auch wenn er ihn ganz gut leiden mochte, hatte aus seiner Sicht nur die Drecksarbeit für ihn erledigt. Sabacos Fantasien waren größer, allumfassender und er glaubte zu wissen, was Iulius Caesar einst gespürt hatte.


    Der Decurio zog seinen Grauschimmel herum und ritt an den plaudernden Equites vorbei, die sich nach und nach hinter ihm einreihten. Sein schwarzer Helmkamm wippte bei jedem Schritt seines Hengstes. Die Turma II bewegte sich als Kolonne zurück ins heimatliche Castellum, flankiert von den Kundschaftern, die nur eine Ahnung hinter der Baumgrenze waren. Im Licht der untergehenden Sonne schoben die Reiter lange, grotestk verzerrte Schatten vor sich hier, Vorboten dessen, was über diese Straße auf das freie Germanien zurollen sollte.

    Der dumpfe Hufschlag der beiden Turmae vermischte sich mit dem Klang der Hörner und dem Jubel von den Seiten. Sabacos schwarzer Helmbusch verschluckte das Licht dieses sonnigen Tages. Unter dem Helm lagen seine eisblauen Augen im Schatten. Er sah nicht nach rechts und nicht nach links. Er hielt seinen stechenden Blick nach vorn gerichtet, das Kinn erhoben. Das Fell seines schweren Grauschimmels glänzte niemals, ganz gleich, wie sehr die Stallburschen ihn striegelten, es blieb matt wie Nebel.


    Mit einiger Mühe verkniff der Decurio sich, die Formation seiner Männer hinter sich zu kontrollieren. In seiner Brust schlug das Herz eines Schleifers. Obgleich er kampferfahrene Veteranen hinter sich wusste, fiel es ihm manchmal schwer, ihnen zuzutrauen, selbstständig etwas korrekt auszuführen, abseits seiner Kontrolle. Die Zügel locker zu lassen entsprach nicht seinem Wesen, besonders, wenn es um Formaldienst ging. Dass seine Männer die Turma II zu diesem wichtigen Anlass blamieren könnten, bereitete ihm stärkere Kopfschmerzen als die Gegenwart des launischen Caesars selbst.


    Die Turma I vor ihnen ritt ein und hielt in beneidenswert makelloser Formation. Sabaco sah den Helmbusch des Germanicus Varro. In dessen Nähe wippte auch der Helmbusch von Ocella, der in seiner Hand das Feldzeichen der Prima trug. Als sie hielten, hob auch Sabaco die Faust über die Schulter und die gesamte Turma II kam zum Stehen. Sie wartete mit angemessenem Abstand, ohne den Männern unter dem Kommando von Germanicus Varro die Aufmerksamkeit zu stehlen und ohne ihnen den Rückweg zu versperren. Die Choreografie war im Voraus besprochen worden. Jeder wusste Bescheid.


    Beide Einheiten würde ihren eigenen Moment des Ruhmes und des Glanzes erhalten ...

    "Zu alt?" Sabaco glaubte, sich verhört zu haben. "Zu alt gibt es nicht. Hier geht es um Taktik und nicht darum, die Frau deiner Träume zu finden. Je unansehnlicher sie ist, umso leichter sollte dir das fallen." Hunulf war schließlich ein schmucker Bursche. Wenn er sich geschickt anstellte, sollte er die alte Vettel leicht um den Finger wickeln. "Also gut, bleiben wir bei dem, was wir schon haben. Segestes plappert und sein Weib Hertrud ist dir zu Willen. Darauf kann man aufbauen. Welchem Stamm gehört er an und was plappert er?"

    "Du überschätzt meine Möglichkeiten, Hunulf." Da Hunulf nur auf das Wissen der Barbaren zugreifen konnte, erklärte Sabaco ihm die Situation. "Das Imperium Romanum ist in Provinzen untergliedert. Das macht die Verwaltung leichter. Wir befinden uns in der Provinz Germania superior. Die Treverer hocken in der Provinz Belgica. Für das Gebiet bin ich nicht zuständig. Das ist eine andere Kanne Bier. Wir müssen uns auf unsere eigene Provinz beschränken und auf das dazugehörige germanische Grenzgebiet."


    Er ging davon aus, dass Hunulf das verstand. "Mir wäre es also recht, du würdest dich auf die Hermanduren konzentrieren. Sie gegeneinander auszuspielen ist der Plan. Du sagtest, du konntest das Weib eines germanischen Fürsten gewinnen. Das Weib von Dankwart oder Ballomar, hoffe ich?" Alles andere würde Sabaco kaum einen Nutzen bringen, da es diese beiden Fürsten waren, mit denen er sich momentan befassen musste. Die anderen siedelten zu weit abseits vom Einflussbereich des Decurios.

    "Ah, Hunulf. Schön, dich in einem Stück zu sehen." Sabacos Lächeln glich dem eines Haifischs. Einen zuverlässigen Spion gab man ungern wieder her. "Eins nach dem anderen. Was meinst du damit, dass die Treverer aufgetaucht wären? Ihr Stammesgebiet ist seit Caesar Teil des Imperiums. Sie leben vor allem in Belgica. Der Hauptort der gesamten Civitas, Augusta Treverorum, ist nach ihnen benannt. Das liegt auch gar nicht weit von hier, vielleicht vier Tagesritte im Westen von Mogontiacum. Der Stamm ist seit Caesar vollständig unter römischer Administration und seit Vespasian zahnlos und friedlich. Was sollte es also bringen, wenn du ihr Anführer werden würdest?"


    Sabaco wartete auf die Antwort, bevor er weitersprach. Seine Frage war kritisch gestellt, jedoch war er offen für neue Ideen, was ihn von den meisten - oft ziemlich verbohrten - römischen Offizieren unterschied, so dass er Hunulf aufmerksam zuhörte.

    Die Sache klärte sich schneller als erwartet. "Salve", erwiderte Sabaco den Gruß und ließ sein Pferd dicht neben dem von Hunulf halten. Ernst musterte er ihn. "Phoca ist hier. Gibt es Probleme?" Sein Duplicarius organisierte in der Zwischenzeit die Absicherung der wartenden Turma, so dass Sabaco sich auf das Gespräch konzentrieren konnte.

    Ein einzelner Reiter bot keinen Anlass zur Beunruhigung. Die Turma Secunda ritt weiter, wie sie eben gerade ritt, und erwartete, dass er auswich. Beim Näherkommen meinte Sabaco, den Burschen anhand seines Pferdes zu erkennen, der dich eingepackt in ein Bärenfell auf sie zu kam ... bei den Göttern, schwitzte er sich nicht zu Tode? Man würde sehen, ob er sich zu identifizieren gedachte.

    Auf brütende Hitze folgte ein verfrühter Herbsteinbruch. Jeden Nachmittag goss es wie aus Kübeln. Die Soldaten ertrugen die Nässe stoisch. Die Wollmäntel mit Kapuze fingen das meiste ab. So lange es warm war und die Wege wieder trockneten, war alles gut.


    Die neue Via Seia sorgte dafür, dass die Patrouillen schnell ins germanische Herzland gelangen konnten, von wo aus sie in alle Richtungen ausschwärmten. Sabaco bildete sich nicht wenig darauf ein, wie sicher und ruhig der Landstrich aktuell war.

    Die Patrouillen fanden regelmäßig statt, ungeachtet der extremen Hitze, die über Germania hing. Es war kein Vergleich zu den Sommern, die Sabaco aus Hispania kannte. Er achtete darauf, dass seine Männer genügend tranken und regelmäßig rasteten, vorzugsweise an Gewässern, wo sie und die Pferde sich abkühlen konnten. Abends badeten sie im Kaltwasserbecken der Thermen oder, wenn man seine Ruhe wollte, manchmal im Rhenus, der zwischen den Weiden und dem Schilf auch einige schöne Sand- oder Kiesufer besaß. So kamen sie gut über die heißen Tage. Wichtig war, die Routinen beizubehalten und keine Zeiten der Schwäche zuzulassen. Es wäre fatal, wüssten die Germanen, dass Rom während der heißen Mittagszeit die Wachsamkeit vernachlässigte und so geschah dies nie, auch um den Preis des einen oder anderen Sonnenstichs. Im Grunde blieben sie rund um die Uhr gleichermaßen einsatzfähig und einsatzbereit.

    Das Kind, als ob Sabaco nichts Besseres zu tun hätte. Für ihn war das Balg ein nutzloser kleiner Spitzel. Ihn nervten diese germanischen Zivilisten, die in seinen Augen genau so Kombattanten waren, weil sie die Krieger unterstützten. Ginge es nach ihm, so würde er nicht unterscheiden, sondern alles, was nicht römisch genug war, gleichermaßen behandeln. Wurde hier eine Strafexpedition vorbereitet oder eine diplomatische Mission?


    Aber er nickte dem Tribun zu, ehe er sich wieder an die Arbeit machte.

    Sabaco wollte den Gruß gerade erwidern, da gab ihm einer seiner Männer ein Stichwort, dass es dringend war. In solchen Fällen hatte der Decurio seine Soldaten ausdrücklich angewiesen, ihn zu unterbrechen, womit auch immer er gerade beschäftigt sei. Was der Tribun davon hielt, war in diesem Moment zweitrangig, da Sabaco hier seiner eigenen Aufgabe, für ihrer aller Sicherheit zu sorgen, Vorrang einräumte.


    "Nuntio", bellte er.


    Alwin kam sofort auf den Punkt. "Unsere Kundschafter haben fünf Meilen von hier entfernt einen germanischen Jungen aufgegriffen, der nach eigenen Angaben versuchte, sich dem Tribun zu nähern."


    Kinder gaben bekanntlich vortreffliche Spitzel ab, weil die meisten sie für harmlos hielten. Nicht so Sabaco. "Na, dann befrage das Balg, was es bei ihm wollte!" Er gedachte nicht, sich persönlich mit einem Kind zu befassen. Ihn interessierten nur die Ergebnisse. So weit kam es noch, dass er sich von einem Germanenbalg von seinen militärischen Pflichten ablenken lassen würde.


    "Das haben unsere Kundschafter bereits. Der Junge bittet um Hilfe für seine kranke Mutter. Um römische Medizin."


    Sabaco hielt das für einen Vorwand, für eine dreiste Lüge, um hier herumschleichen zu können, das Kind gehörte übers Knie gelegt. Der Tribun hatte ihn ja bereits entlassen, deswegen sagte er jetzt zum Abschied: "Tribun, auch dir einen ruhigen Dienst. Ich muss mich jetzt um germanisches Geschnüffel kümmern." Nicht um das Kind, dafür hatte er keine Zeit, sondern um den, der es schickte ...

    "Wir sind die gesamte Via Seia abgeritten und konzentrieren uns nun auf die Sicherung der hier arbeitenden Männer. Ein Erkundungstrupp kontrolliert derzeit den Radius von zehn Meilen. Bislang ist alles ruhig, die Materiallieferungen kommen ohne Probleme durch. Aber wie ich inzwischen in Erfahrung gebracht habe, hat die Neuigkeit mittlerweile unter den Stämmen die Runde gemacht. Man weiß jenseits des Limes Bescheid, dass eine Straße von Mogontiacum aus durch Germania Magna gebaut wird. Natürlich murrt man. Die Tölpel begreifen nicht, dass sie zu ihrem Vorteil ist. Ob sie nun mit Rom handeln wollen oder nicht, die Straße kann von allen genutzt werden. Lieber waten sie durch Schlamm! Aber es ist derzeit kein Angriff geplant und keine Sabotage."

    Sabaco hatte die schillernde Figur des senatorischen Tribuns schon längst erspäht. Er ließ seine Reiter eine Linie bilden. Als deren Offizier übernahm er stellvertretend den Gruß. Mit straffer Haltung rief er: "Ave, Tribun Seius Ravilla!" Er drosch die Faust auf sein Herz. 'Ave' war vielleicht etwas hochgegriffen, aber wenn schon, denn schon. Der Tribun schien etwas von ihm zu wollen, doch bei einem Offizier dieser Größenordnung nahm Sabaco es mit dem Protokoll genau und sagte keinen Ton, bis er ihn nicht zum Sprechen aufgefordert wurde.


    Derweil erfreute er sich an dem Anblick. Ravilla war schon ein Leckerchen, auch wenn er sich noch nicht im Feld bewährt hatte, weshalb Sabaco ihn als Kommandanten nur bedingt ernst nahm. Immerhin, er schien sich seiner Verantwortung bewusst zu sein und sauber zu arbeiten. Bilslang gab es keinen Anlass zur Klage. Vor allem war der Tribun der Bruder von Sabacos bestem Freund Stilo, weshalb Sabaco und Ravilla, so unterschiedlich sie waren, sich auch privat kannten. Für Sabaco implizierte das eine besondere Verpflichtung, und so ergab es sich fast von selbst, dass er den schrulligen Tribun mochte und ihn gegen Kritiker verteidigte.

    Nachdem Hunulf sich verabschiedet hatte, gab Sabaco seinen Männern noch etwas Zeit, sich zu erholen, etwas zu essen und zu trinken oder sich die Beine zu vertreten. Dann setzten sie ihre Patrouille entlang des Ufers fort. Der Tag war herrlich und er freute sich auf den Dienstschluss, wo er in den glitzernden Fluten des Rhenus baden wollte.

    Während Scato sprach, zog Sabaco gerade seine blaue Tunika an. Als er wieder oben herausschaute, war Scato gerade dabei, zu gehen. "Warte doch mal." Wie konnte einer nur so viel Unruhe verbreiten?


    Sabaco schlug ein paar Kekse in ein Leinentuch. Dabei versperrte er mit seinem Rücken die Sicht. Unauffällig legte er eine handvoll Silberdenare dazu. Das entsprach ungefähr dem Tageslohn eines Optio valetudinarii - ohne die Abzüge, welche vom Dienstherren für für Waffen, Kleidung und Verpflegung einbehalten oder als Rücklage gutgeschrieben wurden. Durch die Kekse und die feste Schnürung klimperte das Geld hoffentlich nicht, so dass Scato es erst fand, wenn er den Proviantbeutel öffnete. Er verschloss das straffe Päckchen mit zwei Knoten und drückte es dem Optio valetudinarii in die Hand "Marschproviant."


    Dann hielt er ihm galant die Tür auf. Sabaco sah im Gesicht immer noch furchtbar aus, hatte jedoch mittlerweile etwas Farbe bekommen und konnte wieder lächeln.

    Wenigstens eines, das mal ohne Zwischenfälle ablief, ohne Wenn und Aber. Nach dem Ärger mit Ocella hätte Sabaco jetzt kein Nein verkraftet. Auch, wenn er zugeben musste, dass er noch weit vom tatsächlich gesunden Zustand entfernt war, schätzte er sich selbst so ein, dass er wieder führen konnte. Er wollte wieder raus, zu seiner Truppe. "Danke, Scato. Hast was gut bei mir."