Beiträge von Publius Matinius Sabaco

    Fast wäre Sabaco an seinem Brot erstickt und das freie Germanien hätte aufatmen können. Doch er würgte es wieder heraus und der Klumpen fiel in seine Pilzsuppe. Er lebte weiter, der finstere Decurio, bereit, jeden feindlichen Germanen zu geißeln und zu knechten. "Catualda?!" Er lehnte sich zurück und wischte sich mit dem Handrücken Pilzsuppe und Speichel vom Mund. Ein Schluck Met brachte wieder Ordnung in seine Verdauungsabläufe. Was regte er sich so auf, es gab garantiert tausende Catualdas, so wie es auch eine Million mal den Namen Titus gab! "Beschreibe mir den Kerl."

    Exerzieren der Turma II


    Die Turma II blieb heute auf dem Campus, um das Reiten in verschiedenen Formationen zu üben. Die Sonne strahlte auf sie herab und hübsche Schäfchenwolken wanderten über den blauen Himmel. In diesem grauen und verregneten Herbst war das heutige Wetter ein willkommenes Geschenk.


    Eine Gruppe mimte zu Fuß die Gegner, auf welche die Reiter auf verschiedene Art und Weise Druck ausüben mussten. Die "Gegner" trugen authentische germanische Bewaffnung, schrien und trommelten auf die Schilde, um die Pferde und ihre Reiter gegen den Lärm abzuhärten. Für die erfahrenen Soldaten der Turma II war es eine Routineübungen, doch regelmäßige Wiederholungen sorgten dafür, dass sich die Abläufe festigten und im Einsatz alles flüssig vonstatten ging.


    Der Decurio war mit den Fortschritten zufrieden. Zur Belohnung machten sie etwas früher Schluss. In Mogontiacum fand heute ein Fest zu Ehren der Götter statt, das viele der Soldaten besuchen wollten.

    Sabaco legte den Löffel in die halb leere Suppe, um nun das Brot zu verzehren. "Was germanische Seher mir sagen? Ich weiß, dass es sie gibt. Allerdings bin ich Offizier und kein Priester ... mit Weissagungen kann ich nichts anfangen. Dass die Krieger sich zur Abwechslung mal von einem Seher statt einem Kriegshäuptling anstacheln lassen, ist schon eher von Interesse - nützt mir allein aber nichts. Ich brauche Namen und Stammeszugehörigkeiten, Adalwolf. Was Handfestes, mit dem ich arbeiten kann."

    Die Suppe war deftig und gut. Während Ballomar sprach, aß Sabaco die ersten Löffel. Dabei entging ihm nicht, dass der Germane das Fähnchen rasch nach dem Wind gewendet hatte, kaum dass Sabaco ein wenig nachbohrte. Letzten Endes ging es aber nur um einen potenziellen kleinen Spitzel, nicht um jemanden mit Verantwortung, so dass das ein fehlendes Rückgrat des Germanen erstmal kein Ausschlusskriterium war.


    "Nun gut", brummte Sabaco, nachdem Adalwolf seine Motivation dergestalt präzisiert hatte. "Welche Art Informationen kannst du mir bieten und in welchen Intervallen?"

    Die Woche war quälend gewesen. So hatte Sabaco sie mit Arbeit vollgestopft. Als sie vorüber war, stand er vor der Tür - und zwar nicht nur auf den Tag, sondern sogar auf die Stunde genau, was bedeutete, dass es extrem zeitig in der Früh war und noch kalt und finster.


    Sabaco trug etwas unter dem Arm, das er das letzte Mal noch nicht bei sich getragen hatte, ein Geschenk für Iunia Matidia. Er verspürte Nervosität, weil er wollte, dass es ihr gefiel, aber sie noch zu wenig kannte, um sie wirklich einschätzen zu können. Aber ein Allerweltsgeschenk, mit dem man garantiert nicht aneckte, das aber auch keine Seele besaß, wollte er ihr auch nicht machen.


    Seine Hand betätigte entschlossen den Türklopfer, woraufhin der Pfau im Garten ein schauerliches Heulen von sich gab, das wie eine Mischung aus Käuzchen und Taube klang. Sabaco starrte die Tür an, lauschte auf das Betätigen einer Türklinke, auf Stimmen oder Schritte, während sein Herz ungewohnt stark schlug.

    "Dann bedanke ich mich für das schöne Horn. Auerochse? Und der germanische Met ist bekanntlich der beste." Natürlich gab es Nachahmungen, doch Sabaco bevorzugte das Original. Da dachte er ganz pragmatisch. Weder war er ein Germanenhasser noch hatte er etwas gegen die germanische Kultur. In seiner Einheit waren die meisten Soldaten nicht etwa Römer, sondern Angehörige der freien Stämme. Lediglich bei den Offiziersrängen war das römische Bürgerrecht Pflicht. Er hatte allerdings etwas dagegen, wenn germanische Stämme römische Bürger oder deren Verbündete schlachteten.


    In der Zwischenzeit kam eine Schankmaid herein und tischte beiden Gästen eine deftige Pilzsuppe in Holzschalen und mit Holzlöffeln auf, dazu gab es einen Korb ofenwarmes Brot. Sabaco bedankte sich mit einem abwesenden Nicken und schwieg, während er wartete, dass sie die Tür wieder hinter sich schloss. Dann nahm er das Horn entgegen und trank einen großzügigen Schluck.


    "Was deine Vorstellungen eines Schwelgens in Reichtum betrifft, muss ich dich allerdings enttäuschen, Adalwolf. Du bist schließlich kein professionell ausgebildeter Spion, wie unsere Prätorianer oder Frumentarii, sondern bietest dich als Spitzel an. Damit wird keiner reich, nichtmal wohlhabend. Und Grund und Boden, wofür unsere Soldaten zwanzig Jahre dienen müssen, wird man dir auch nicht schenken." Er musterte den Mann.

    Na prima, jetzt sollte er aus dem angesabberten Trinkhorn eines Barbaren trinken, während das Sumpffieber immer noch grassierte ... das war ihm der Spion dann doch nicht wert. "Der germanische Brauch, gemeinsam aus einem Horn zu trinken, ist mir nicht unbekannt. Betrachte es darum bitte nicht als Unhöflichkeit, wenn ich ablehne, aber einmal Sumpffieber reicht mir." Er hob den eigenen Becher zum Gruß und trank einen Schluck. Auf irgendeinen Trinkspruch verzichtete er in dieser Angelegenheit. Vertraut waren sie einander ja nicht und noch war nichts entschieden.


    Der Wein schmeckte süß und würzig, wie Sabaco es mochte, so dass er den Becher nach dem Schluck ein gutes Stück von sich fort schob. "Schade um Hunulf, allerdings erspart mir sein Tod auch die Mühe, ihn eigenhändig um die Last seines Daseins zu erleichtern. Des Kaisers Beutel ist reich gefüllt, aber sein Richtschwert scharf. Loyalität kann am Ende nur einer Seite gelten. Du, Adalwolf, wirkst gut genährt und wer ein Pferd reitet, kann nicht arm sein. Darum frage ich mich, was deine Beweggründe sind und warum du dich bei mir gemeldet hast."

    Die Ohrfeige blieb aus, dafür erntete er eine zarte Rüge. Er sah ihr an, dass er sie verunsichert hatte, und in der Tat war das nicht höflich gewesen. Bereute er es? So wenig, wie er den Brand der Taberna Silva Nigra bereute, der die Nacht zum Tag gemacht hatte. Die Rüge nahm er dennoch mit einer Reduktion seines Grinsens entgegen, ihr zeigend, dass ihre Worte nicht ungehört an seinen Ohren vorbei rauschten. "Nein, das war nicht erlaubt. Gute Nacht, Matidia."


    Er sah ihr nach, in warmen Träumen schwelgend, während sie den Weg zur Tür zurücklegte. Mit jedem zauberhaften Schritt, den sie zurücklegte, festigte sie ohne es zu merken seine Entschlossenheit. Die Sache war klar. Sie wollte mit ihm eine Hochzeitsreise nach Rom unternehmen, das war ein Ja gewesen. Nun musste er nur noch den ihr nahestehendsten männlichen Verwandten überzeugen. In einer Woche würde er herausfinden, wer das war.


    Erst, als Matidia die Tür hinter sich schloss, wandte Sabaco sich zum Gehen.

    Sabaco wies auf das Getränk, nachdem der Germane ihm gegenüber saß. "Bedien dich ruhig, es ist Würzwein aus lokaler Produktion. Eine Empfehlung des Wirts. Wenn du Hunger hast, bestell dir was, die Speisen sind gut und dürften deinem Geschmack entsprechen. Der Wirt ist Germane und geizt nicht mit den Portionen. Aber die germanischen Namen ... Ulf, Hunulf, Gerwolf, Adalwolf, Wolf ... das ist nicht leicht zu merken für einen römischen Kopf. Was ist dem richtigen Hunulf denn widerfahren?"

    Der Legio leckerer Laticlavius ... so lautete der Spitzname von Seius Ravilla. Wirklich üble Namen wagte man nicht auszusprechen bei einem Offizier dieses Ranges, doch dazu bestand auch kein Anlass. Insbesondere in Gegenwart von Sabaco sollte man es bleiben lassen, das hatte der Decurio deutlich gemacht. Ravilla hatte in den letzten Monaten bewiesen, dass er seine Aufgabe als senatorischer Tribun ernst nahm und gewissenhaft ausfüllte. Ein paar Jahre der Erfahrung und des Schliffes mehr, insbesondere in Sachen Gefechtskommando, und aus Ravilla hätte nicht nur ein guter, sondern ein hervorragender Stabsoffizier werden können. Sabaco bedauerte, dass er sie bald wieder in Richtung Rom verlassen würde. Männer wie ihn konnte Mogontiacum gut gebrauchen. Doch so war das Leben.

    Das Hinterzimmer profitierte von der Abwärme des Kamins nebenan, besaß jedoch selbst kein offenes Feuer, was Sabaco bedauerte.


    Dafür stand hinter der Sitzgruppe ein breites Bett aus Eichenstämmen, einladend duftend mit seiner für den Herbst frisch gestopften Strohmatratze und den langhaarigen Fellen und dicken Wolldecken, die sich darauf stapelten. Das Bett stand dort nicht auf Sabacos Geheiß, sondern weil es zur Ausstattung dieses Hinterzimmers gehörte, doch weil Adalwolf das nicht ahnen konnte, war Sabaco sehr auf dessen Reaktion in Anbetracht des provokativen Möbelstücks gespannt. Wahrscheinlich würde der Germane so tun, als wäre es gar nicht da, vielleicht würde er aber auch fragen, ob Sabaco ihm eine Dirne anzubieten gedachte. Womöglich versuchte Adalwolf gar, sich selbst ein bisschen beliebter zu machen, als er es gegenwärtig war. Und am Ende bestand die Chance, dass er völlig anders reagierte.


    Wie auch immer die Reaktion ausfallen würde, sie war Teil der Charakterstudie, die Sabaco heute gedanklich anfertigte ...


    "Salve, Hunulf", erwiderte er den Gruß, die Hand fest um einen Holzbecher geschlossen. "Ich wünsche dir auch einen guten Abend. Setz dich doch und trink einen Schluck, bevor wir zum Geschäftlichen kommen."


    In dem Krug befand sich normaler Wein in einem angemessenen Mischungsverhältnis und auch am Boden des bereitstehenden Bechers befand sich kein Gift oder dergleichen. Allerdings handelte es sich um einen süßen Gewürzwein, der sich schnell trinken ließ und in ausreichender Menge durchaus anheiterte. Für Sabaco, der einen schweren Kampf gegen seine beginnende Alkoholsucht ausfocht, war das wahrscheinlich gefährlicher als für den Gast, doch auch das konnte dieser nicht wissen.

    Sabaco ließ ihn ziehen, ohne ihn aufzuhalten, hob die Hand und zog sie nach vorn. Die Turma Secunda setzte sich erneut in Bewegung. Wie vierhundertfacher Herzschlag erklangen die dumpfen Hufschläge hinter ihm, ein Tross aus Leben, dessen Sicherheit in seiner Verantwortung lag. Adalwolf war ihm nicht geheuer und Sabaco gedachte, seinen Charakter intensiv auszutesten, bis er sich auf eine Abmachung einließ.


    Adalwolf hatte seine Chance, doch so leicht wie einst Hunulf hatte er es nicht ...

    Nach Rom ... alle wollten nach Rom. Sabaco fand die Erzählungen der Größe von Rom eher einschüchternd. Die Reise würde wohl die erste Bewährungsprobe ihrer Ehe werden. "Die Casa Matinia in Rom liegt am Fuße des Palatin, was eine Adresse für sich ist. Soll ein Nobelschuppen sein, mit Marmor, seltenen Edelrosen im Garten und allem Drum und Dran. Mich selbst hat es noch nie dahin verschlagen." Je länger er darüber nachdachte, umso mehr gefiel ihm die Aussicht. Matinia sollte sehen, dass sie eine gute Partie gemacht hatte, dass Sabaco ihr mehr bieten konnte als ein Provinzleben am eiskalten Weltenarsch. "Rom ist eine gute Wahl. Bis dahin zeige ich dir, was Mogontiacum zu bieten hat. Das ist nicht viel, aber mehr als nichts. Ich werde dich abholen."


    Tarraco konnte warten, Tarraco würde warten. Und er selbst auch. Sabaco hatte schon längere Trennungsphasen ertragen müssen. Er spürte, dass sie in der Kälte fror und er sah es ihr an. Ihm selbst war ziemlich warm. Zum Abschied drückte er ihr einen Kuss auf den Mund, nicht lange, aber auch nicht gerade flüchtig. Danach gab er sie frei, ehe die Wärme wieder zu Hitze hochkochen konnte, mit einem leichten Grinsen auf die verdiente Ohrfeige wartend, während er ihren süßen Geschmack noch auskostete. Manche Dinge hatten ihren Preis. "Bis in einer Woche also. Ich warte noch, bis du reingegangen bist, damit ich weiß, dass du sicher zu Hause bist."

    "Nun, Adalwolf, dann schlage ich vor, dass du dich mir näher vorstellst. Aber nicht hier, wir treffen uns morgen nach Sonnenuntergang in der Taberna Pulcha Patria, wo ich uns einen ruhigen Tisch reservieren werde." Seit dem Vorfall mit dem ehrgeizigen Hunulf war Sabaco vorsichtiger geworden und gedachte, dem Germanen auf den fauligen Zahn zu fühlen. Er betrachtete den Mann aus seinen stechend blauen Augen. "Einverstanden?"

    Sapperlot. Damit hatte Sabaco nicht gerechnet. Es war die erste Auszeichnung für seine Turma seit seinem Dienstantritt. Darüber freute er sich weitaus mehr als über die Auszeichnung für sich selbst. Er ließ all sein Herzblut in die Turma Secunda fließen und engagierte sich sehr. Dass das von so hoher Stelle Würdigung fand, damit hatte er nicht gerechnet.


    "Danke, mein Caesar", sagte er heiser, bevor er zurück in die Reihen seiner Turma trat, wo er erneut aufsaß. Mit einem sehr entschlossenen Gruß verabschiedete er sich stellvertretend für all seine Männer, dann zog er sein Pferd herum. Einer nach dem anderen taten es seine Soldaten ihm gleich und die Reihe verließ den Platz. Die Equites in ihren Sätteln schienen allesamt ein Stück gewachsen zu sein.

    Dass Sabaco nicht berührungsscheu war, hatte Matidia inzwischen vermutlich gemerkt. Das Klopfen gefiel ihm. Und nun, da der Spaziergang ihn etwas abgekühlt hatte, zog er sie doch noch an sich. Er hielt sie fest umschlossen, warm trotz der nächtlichen Kälte, die vom Rhenus her hinaufzog. Wie es ihr dabei ging, musste er erahnen, das weibliche Wesen war ein geheimnisvolles Rätsel, von dem er nur so viel wusste, wie Matidia ihm preisgeben würde, doch er selbst war in diesem Moment so glücklich wie schon seit vielen Monaten nicht mehr.


    "Keine Zweifel. Bammel", gab er zu. "Meine Stadt ist Tarraco. Dafür ist es etwas weit. Das wäre was für eine Hochzeitsreise." Er schmunzelte mit seinem vernarbten Mundwinkel, so dass die Narben sich spannten, aber Matinia sollte sich durchaus mit dem Gedanken vertraut machen, dass es ihm ernst war. Gerade weil sie eine Schönheit war, war das nicht selbstverständlich - die perfide Logik einer verkommenen Menschheit. Sabaco sah sie nicht als Trophäe und nicht als Spielzeug, er sah sie als die stolze und intelligente Frau, als die er sie kennengelernt hatte, mit dem gleichen Funken dunklem Feuer, der auch in ihm selbst schwelte.


    "Einstweilen kann ich dir aber Mogontiacum zeigen. Keine sehr schöne Stadt für meinen Geschmack, weil ich es lieber heiß und trocken mag und das Meer dem Fluss vorziehe, aber sie bietet alles, was man zum Leben benötigt. Du musst mir nur sagen, wann es dir recht ist, dann schaue ich in meinen Dienstplan."


    Oder drehe ein bisschen daran herum, wenn es sich einrichten lässt.

    Da der Reiter beschleunigte, nahm Sabaco an, dass er irgendwas von ihnen wollte. Er blieb aufmerksam, ergriff jedoch keine Initiative, während seine Truppe sich wie gewohnt auf der Straße den Raum nahm, der ihr gebührte, doch am Rand blieb ein Streifen, an dem ein weiterer Reiter hätte vorbeiziehen können. Die Römerstraßen waren ja breit genug, so dass kein Anlass bestand, den Mann über den Haufen zu reiten, abgesehen davon, dass Sabaco gerade in gemütlicher Stimmung und nicht darauf aus war, Zivilisten zu gängeln, wie er es durchaus manchmal tat, wenn sein alter Hass auf die Welt wieder hervortrat.

    Eine Phalera. Winzig, fast lächerlich, aber ein Anfang. Wichtiger war, dass sie ihm aus der Hand des Caesars überreicht wurde und dieser ihm nach seiner Ansprache für einen Moment in die Augen sah. Das war schon eher nach seinem Geschmack. Ein öffentliches Lob. Für Sabacos Pläne konnte es nicht schaden, sich dem Sohn des Kaisers ins Gedächtnis zu brennen. So nahm er die Auszeichnungen mit einem Dank entgegen.