Beiträge von Publius Matinius Sabaco

    An der Art des Klopfens hörte Sabaco, wer da Einlass begehrte. "Komm rein!" Inzwischen hatte er sich kalt abgewaschen und frische Kleidung angezogen - nicht die braune, dicke Tunika, die Ocella ihm geschenkt hatte. Er trug die Blaue auf dem Leib, die er seinerzeit bei der Classis getragen hatte, ein starker, rauer Stoff, viel unbequemer als die Tunika seines Bruders, doch er wollte es jetzt so. Er blähte die Nüstern wie ein Stier, als er daran dachte und wäre der Gast nicht im Anmarsch gewesen, würde hier irgendwas zu Bruch gegangen sein.

    "Deine Ornatrix? Du hast Humor." Er war im Laufe seines Lebens schon als einiges bezeichnet worden, aber weibliche Attribute hatten bislang nicht dazugehört. Noch männlicher konnte jemand kaum sein. Aber er gäbe jetzt einiges dafür, Iunia Matidia so nahe sein zu können wie ihre Leibsklavin es jeden Tag war. Dass ihre männliche Verwandtschaft sonstwo weilte, kam ihm entgegen. Und Scato würde ihm nicht in die Quere kommen, da war er sicher. "Aber vielleicht beneide ich sie bisweilen. Dieser Augenblick gehört uns."


    Denn Griff in ihr Haar hatte sie nicht abgewehrt. Vielleicht hätte er zärtlich ihre Locken um seine Finger winden sollen ... Süßholzraspeln ... nur konnte er das nicht. Zuneigung zeigte er anders, und in dem Augenblick wusste er, auf welche Weise er um die Hand dieser Frau anhalten würde. Seiner Frau. Zusätzlich zu dem versprochenen Haupt des Übeltäters, das er ihr servieren würde. Aber ja. Sabaco lächelte. Noch einmal spürte er bewusst, wie kräftig sich das gesunde Haarin seinen Fingern anfühlte, als sie ihn in die Seite kniff. Ihre Finger an seiner Flanke, ein angenehmes Gefühl. Ginge es nach seinen Fantasien, konnte sie ihn packen, ihn fest massieren und er war sicher, sie hatte die Kraft, auch wenn sie zart wirkte. Sein Lächeln wurde zu einem Grinsen, dann drückte er ihr die rauen Lippen auf die Stirn. Er fixierte sie nicht und würde sie freigeben, sollte sie weichen. Doch warum sollte sie das tun? In seinen Gedanken kam diese Option nicht vor. Dazu war dieser Moment zu perfekt.


    Die schützenden Geister und Götter der Nacht war mit ihnen beiden und Sabaco war im Bunde mit jener Finsternis. Die Feuer brannte, über ihnen schien der Mond. Die Menschen applaudierten und feierten noch immer, als gelte es ihnen beiden. Die Nacht war jene Zeit, in der sich alle Momente, die er LEBEN nannte, abspielten. Das hier war es: das LEBEN.

    Sabaco hatte es nicht leicht mit seinen Brüdern. Wahrscheinlich hatte Ocella insgeheim gehofft, er würde den Löffel abgeben. Sabaco schnaufte durch die Nase, um seinen Zorn zu unterdrücken, doch es gelang ihm nicht. Die Wand musste einen Fausthieb erleiden, der einem Menschen Kiefer und Wangenknochen gebrochen hätte. Er wäre Ocella am liebsten gefolgt, hätte ihn gegen eine Wand geknallt und ihn zur Rechenschaft gezogen für sein Benehmen. Allein die Aussicht, dass Scato hergerufen wurde, brachte ihn dazu, vor sich hinkochend auf dem Bett sitzen zu bleiben. Er wollte dem Medicus nicht zumuten, die Brüder Matinius streitend zu erleben.

    "Klar an mich." Sabaco ging auf das kleine Spiel ein. Als sie es tat, fühlte er sich extrem gut. Er schnupperte an ihrem Haar, das nach irgendwas duftete, entweder nach einem betörenden Haaröl, Parfum oder vielleicht war es auch ihr natürlicher Geruch. Zu bestimmten Tagen im Monat dufteten Frauen besonders gut, wobei Sabaco noch nicht hinter das Schema gestiegen war oder wusste, warum das so war. Er genoss den Abend gleich doppelt, wobei Iunia Matidia hier die Hauptrolle spielte, aber auch Paullus war auf seine Weise eine Augenweide.


    Kurzzeitig sah es so aus, als würde der Bär mit seinen Pranken den Gladiator erwischen, doch der erfahrene Gladiator kam unbeschadet aus der brenzligen Situation heraus. Sabaco konnte sich durchaus an Gemetzel in der Arena erfreuen, aber diesem Kämpfer gönnte er seine heile Haut. Auf das Lob von Iunia Matidia her musste er grinsen. Er war vom Bart bis hinab zum kleinen Zeh kahl gezupft, wie es unter Römern üblich war, zumindest unter dem kultivierten Teil. Aber würde er diese Prozedur nicht auf sich nehmen, hätte er mit seinem dichten schwarzen Körperhaar durchaus Ähnlichkeit mit diesem Tier. Davon sah man allerdings zum Glück für ihn heute nichts.


    Er wurde abgelenkt, als das nächste Tier die Arena betrat. Ein Ruf ging durch die Menge. Einen Löwen sah man in diesen Gefilden nicht alle Tage! "Was für ein prächtiges Tier!" Der gefiel ihm noch besser als der Bär, doch das nützte der Raubkatze nichts - sie endete wie alle anderen. Sabaco hielt die Luft an, als es so aussah, als wäre Paullus nun doch hinüber oder schwer verletzt, und stieß sie mit einem bewundernden Pfiff wieder aus, als der Recke sich abermals erhob. Der Applaus war wohlverdient. "Bravo", brummte Sabaco, doch er brüllte nicht, um Iunia Matidias Gehör zu schonen. Klatschen kam ohnehin nicht infrage - eine Hand lag locker auf seinem Bein, die andere spielte mit Iunia Matidias betörend duftendem Haarschopf. Seine Finger griffen fester zu, um die gesunde Kraft ihres Haars zu spüren. Bei den Göttern, was für eine Frau. Sollte sie doch noch irgendeinen Verlobten oder Geliebten offenbaren, würde er den erschlagen.


    Als die Vorführung endgültig zu Ende war verspürte er nicht das Bedürfnis, aufzustehen.


    "Meine beiden Brüder leben hier", erklärte Sabaco. "Der Rest der Verwandtschaft hauptsächlich in Tarraco und Rom." Damit machte er auch klar, dass er ohne Anhang lebte. Er schlang die Decke um sie beide. Er hatte nicht vergessen, dass Iunia Matidia fror. Zudem bot die Decke einen gewissen Sichtschutz. Als sie näher rückte, legte er wieder den Arm um sie. Eine Wolke ihres Duftes stieg in seine Nase, die er zu gern in ihrem Haar vergraben würde, das weich an seinem Arm kitzelte. Er merkte sich, dass sie gern ins Theater ging, besonders zu Gladiatorenkämpfen und Wagenrennen - nur für den Fall, dass sie ihm ein zweites Mal die Möglichkeit bot, sie auszuführen. "Wenn du Gladiatoren magst, wird es dir hier gefallen."


    Zufrieden lächelte er vor sich hin, wie sie da so saßen, als Paullus seine erste Tierhatz durchzog, ein prächtiger Stier, das Wappentier der Gens Matinia, was Sabaco als gutes Zeichen nahm. Ungeachtet seines Alters war der Gladiator was fürs Auge und ein guter Kämpfer.


    Es kam eine kurze Pause. Dann folgte ein Überraschungsprogramm, auf das Sabaco nicht vorbereitet gewesen war. Er schloss kurz die Augen und schickte einen Fluch hinauf zu den Unsterblichen. Kaum ruhte Paullus sich aus, um sich für seinen nächsten Einsatz vorbereiten zu lassen, nutzte irgendein drittklassiger Veranstalter die Pause aus, um sein eigenes Programm dazwischen zu schieben. Sabaco kochte. Er hatte Iunia Matidia den berühmten Paullus präsentieren wollen. Er nutzte die Zeit, um jemanden heranzuwinken und ihnen etwas zu Essen und zu Trinken zu kaufen.


    "Zwei in Honig gebratene Fleischspieße und zwei Becher heißen Wein."


    Jetzt konnten sie sich die Wartezeit auf Paullus mit Essen und Trinken vertreiben. Doch Sabaco wäre nicht Sabaco, würde nicht in seinem Hinterkopf eine Idee Gestalt annehmen, wie er Iunia Matidia im Anschluss für das Zwischenprogramm trösten könnte, das ihre Äuglein beleidigte. Er würde dafür wieder in die Tasche greifen und ein bisschen was organisieren müssen, aber das war es ihm wert. "Wenn du magst, kannst du dich anlehnen", bot er großmütig an. Die vollkommen unergonomischen Sitzmöglichkeiten im Theater, die aufgrund der fehlenden Lehne rasch für Rückenschmerzen sorgten, boten durchaus ihre Vorteile.

    Sabaco brummte, als er gegen das Kissen gelehnt wurde. Eigentlich freute er sich über die Geste, besonders, weil er nicht damit gerechnet hatte. Aber über Ocellas teilnahmslosen Gesichtsausdruck freute er sich weniger. Dabei hatte Ocella ein sehr schönes Lächeln. Sabaco lehnte sich tiefer ins Kissen, versank ein Stück darin. "Was ist denn los", brummte er. "Irgendwelche neuen Horrormeldungen? Und ja, ich habe Hunger."

    Warum Fieberträume immer Alpträume waren, wussten allein die Götter. Vielleicht war es eine Folge der Schmerzen. Seltsamer Weise waren es nicht die Gräuel des Krieges, die ihn heimsuchten, sondern die Grundausbildung mit ihren endlosen Gewaltmärschen und irgendwelchen dienstälteren Kameraden, die einen bei Fragen wie einen Trottel behandelten, weil sie in jedem Neuen einen künftigen Rivalen sahen. Aber da war irgendwann auch Nero, der mit einem Schiff und einer Laterne auf ihn am Ufer des Rhenus wartete. Sabaco zögerte, das Schiff zu betreten, weil er sein Gepäck vergessen hatte. Und wieso wartete Nero überhaupt auf ihn, wohin wollten sie? Sabaco sagte, er müsse das mit seinem Vorgesetzten klären und ging wieder.


    Als Sabaco das erste Mal seit langer Zeit die Augen wieder aufschlug, schien die Frühlingssonne zum Fenster herein. Verwirrt blinzelte er. Draußen zwitscherten die Vögel. War nicht Winter gewesen? Irritiert versuchte er, sich aufzusetzen. Dabei entdeckte er dichten, schwarzen Haarwuchs an seinen Beinen. Ein Griff ins Gesicht offenbarte einen Bart, der ihm wohl kaum über Nacht gewachsen war. Die Unterarme sahen auch nicht besser aus, was für ein barbarischer Pelz, den könnte man abziehen und vor den Kamin legen. Aber neben dem Bett saß Ocella.


    Da saß tatsächlich Ocella. Sabaco wollte grinsen, merkte aber, dass ihm diese kleine Bewegung im Gesicht schwer viel, als hätte er sie verlernt. "Hast du gewartet, bis du mich endlich los bist", krächzte Sabaco seinen ersten schlechten Witz seit vielen Tagen. Ein zweites Mal versuchte er, sich aufzusetzen. Diesmal gelang es.

    < Fest


    "Gehst du gern ins Theater?" Warum er unterwegs noch Decken und was zu Futtern und zu Trinken gekauft hatte, ließ sich nun erahnen. Sie waren bestens ausgerüstet für ein paar angenehme Stunden. Noch hatte Sabaco nicht verraten, welche Art von Schauspiel sie heute beiwohnen würden. Es sollte eine Überraschung werden. Er geleitete Iunia Matidia sicher durch das Gedränge. Plätze zu ergattern, erwies sich nicht als leicht, da eine Berühmtheit nach Mogontiacum angereist war und heute einen seltenen und entsprechend begehrten Auftritt haben würde. Aber ein guter Name und ein paar Münzen extra waren wie so oft von Vorteil. Er ging als Wellenbrecher voran, wobei er Iunia Matidia hinter sich an der Hand hielt, damit sie nicht verlorenging. Seine Körpergröße und sein Erscheinungsbild erwiesen sich hier als Vorteil. Feuerschein erhellte das Theater. Über ihnen funkelten die Sterne.


    Mogontiacum rühmte sich, das größte Bühnentheater nördlich der Alpen zu besitzen. Allein die Bühne war bereits 43 Meter breit. Ganze 116 Meter maß der Zuschauerraum. 10.000 begeisterte Zuschauer fanden darin platz. Geschickt nutzten die römischen Baumeister die natürliche Form des Geländes aus, um Baumaterial zu sparen: Die Sitztreppen des halbrunden Zuschauerraums wurden in einer Einbuchtung am Hang errichtet. Man sagte, die Gewölbe unterhalb des Theaters seien massiv gemauert, um dem feuchten Klima standhalten zu können, doch Sabaco war noch nie da unten gewesen.


    Natürlich führte Sabaco Iunia Matidia nicht einfach zu einer Theatervorführung auf ... oder gar zu einer romantischen Komödie. In der ersten Reihe nahmen sie Platz. Der Abend sollte etwas Besonderes sein. Sabaco breitete eine Decke als Sitzunterlage aus. Die zweite legte er um sie beide.

    "Was auch immer es braucht, um auf dich aufzupassen - wenn ich es nicht habe, besorge ich es." Ein sicheres Haus, Leibwächter, völlig egal. Bei den Göttern, er hatte ganz vergessen, wie teuer eine Frau im Unterhalt war! Es wurde Zeit, dass er seiner Karriere einen Schubs gab. Er brauchte ein paar mehr Prämien, Auszeichnungen, Empfehlungen ...


    Als sie sich so fest an ihn schmiegte, verflogen seine berechnenden Gedanken. Sie schien so facettenreich und launisch zu sein, wie man es den Iuniern nachsagte. Er blieb er stehen, löste den Arm, an den sie sich klammerte, um ihn um ihre kalte Schultern zu legen. Warum sie seine Nähe suchte, vermochte er nicht zu deuten, ob es Angst war, die Suche nach Wärme oder ob sie ihm nahe sein wollte. Nun spürte sie nicht nur seinen Arm, sondern seine ganze Flanke. Damit sie bequem gehen konnte, zog er ihren Arm um seine Taille. Das war nicht sonderlich höflich von ihm, aber es fühlte sich verdammt gut an.


    "Mir gefällt es in Mogontiacum, auch wenn ich oft an Tarraco denke. Die Sommer sind länger in Hispania und so heiß, dass man Mittags eine Pause einlegen muss. Auch die Sklaven haben Ruhe, sie sollen ja nicht umkippen. Das wahre Leben im Sommer beginnt in Tarraco nach Sonnenuntergang." Er blinzelte. "Alte Gewohnheiten wird man nicht so schnell los. Ich bin ein Nachtmensch geblieben. Aber die wichtigsten Dinge im Leben stehen nicht fest an einem Ort, sie laufen herum und reisen manchmal um die halbe Welt. Sie sind nicht in Sesterzen oder Sonnentagen aufzuwiegen. Hier habe ich alles, worauf es ankommt."


    Er drückte mit den Fingern kurz ihre Schulter, dann gingen sie die Straße entlang in Richtung der nächtlichen Stadt.


    Theater >

    (Gute Besserung! Im Gegensatz zu Matidia bin ich sehr geduldig ;) )

    :D :dafuer:


    Ich kann zeitweise wieder am Rechner sitzen. Tempo und Beitragsqualität werden noch keine Glanzleistungen sein, da ich immer noch unter Tonnen von Schmerzmitteln stehe, aber ich fühle mich wieder mehr den Lebenden als den Zombies zugehörig.


    Bitte achickt den Titus mit allen Figuren ins Elysium. Komme beruflich nicht mehr dazu zu posten. Vielen Dank für die schöne Zeit.

    Das Vergnügen war ganz meinerseits, deshalb finde ich die Entscheidung unerfreulich. Ich hoffe, du siehst mir nach, dass ich einen deiner Kadaver für den weiteren Handlungsverlauf wiederverwerte, damit die Todeswelle nicht ganz so trostlos abläuft. Ich hab da schon einen Plan. 8)


    Vielleicht lesen wir uns trotz allem mal wieder, würde mich freuen. Leb wohl und alles Gute.

    Die Eleganz auf Beinen schritt huldvoll in der Morgensonne über den Drillplatz. Sabaco kniff die Augen zusammen, weil Panzer und Helm ihn blendeten. Doch die herausgeputzte Person war nicht Tribun Seius Ravilla von der Legio, sondern Decurio Equitius Calenus, der zu seiner Ablösung gekommen war. Dessen Erscheinungsbild durfte nicht darüber hinwegtäuschen, dass es sich um einen fähigen Offizier handelte.


    Nach der Begrüßung und Übergabe verzog Sabaco sich in seine Unterkunft und kroch auf direktem Wege ins Bett, wo er schlotternd und krampfend auf den Medicus wartete. Er hatte sich nicht einmal Zeit für Ocella genommen, der das Treiben auf dem Campus beobachtete, sondern den Bruder nur kurz im Vorbeigehen gegrüßt, was wohl für sich sprach.


    Während Sabacos Fieber stieg, ahnte er nicht, dass er nicht der Einzige war, der erkrankt war, dass mancher seiner Männer den Tod in der Brust trug und sich die Reihen seiner Tirones gelichtet haben würden, sobald er wiederkehrte.

    An diesem Morgen war Sabaco in grauenvollem Zustand. Allerdings war das keiner durchzechten Nacht geschuldet. Er hatte sich anscheinend mit dem verdammten Sumpffieber infiziert, das ihre Reihen diesen Winter so sehr gelichtet hatte. Seine Bitte um Vertretung war rausgegangen, aber ob man dem stattgeben konnte, hing am verfügbaren Personal.


    Kreideweiß und mit trotz der Kälte schweißnasser Haut hoffte er, man würde ihm jemanden schicken, während er eine reichlich schlappe und uninspirierte Ansprache hielt, bei der er zwei oder drei Mal den Faden verlor.

    Kameraden, ich melde vorerst Status 6 aufgrund einer fetten Covid-Infektion. Ich habe ziemliche Schmerzen und momentan ist an das Schreiben längerer Texte nicht zu denken.


    Wenn ihr es stemmen könnt, wäre ich dankbar, jemand könnte die Ausbildung von Iunius Rupa vertretungsweise übernehmen.


    Ich würde mich weiterhin freuen, wenn mein Liebchen in spe Iunia Matidia die notwendige Geduld aufbringen würde, damit wir den nächtlichen Ausflug fortsetzen können, sobald ich wieder kriechen kann. Vielleicht hast du inzwischen erraten, wohin es gehen soll.


    So long

    Sabo

    Als sie ihre Finger in seinen Arm krallte, kam sie nicht sehr tief. Wenn Sabaco seine Muskeln anspannte, schien der Arm zu versteinern, ehe er sich wieder lockerte. Man wollte ja nicht spazieren wie eine Statue. "Wir gehen nach Mogontiacum. Es wird nicht allein in der Villa Duccia gefeiert, sondern in der gesamten Stadt. Ich führe dich aus. Ich hoffe, du hast noch nicht so viel gegessen." Bei Festen, wenn die Straßen wimmelten, war auch staatlicher Seite für die Sicherheit gesorgt. Eine bessere Gelegenheit, gefahrlos vom Nachtleben zu kosten, gab es kaum.


    So hatte auch Sabaco angefangen, damals in Tarraco, als er als Kind mit dem damals noch winzigen Ocella an der Hand versuchte, Süßigkeiten zu ergaunern, die sich die Familie eigentlich problemlos leisten konnte. Daraus war eine handfeste kriminelle Karriere geworden, die die Eltern zur Verzweiflung gebracht hatte, da ständig irgendwer bestochen werden musste, um Opfer zu beruhigen und den Ruf der Familie zu wahren. Für einige Freunde ohne römische Staatsbürgerschaft war es übel ausgegangen. Bis heute konnte Sabaco nicht mit Bestimmtheit sagen, was ihn gelockt hatte, als er trotz aller Annehmlichkeiten immer wieder auf die Straße zurückgekehrt war.


    Aber das war Vergangenheit. Er war nun ein redlicher Bürger, seit anderthalb Jahren, und trug riesengroße Pläne im Gepäck. Er versuchte, nicht zu grinsen, als er mit Iunia Matidia durch das Tor trat. Die Nacht rief und er war nicht allein.

    Sabaco hielt inne. Ihm war entgangen, dass Ocella die Taberna verlassen hatte. Lautlos und ungesehen musste er sich herausgestohlen haben, die Menschen und die Lichtverhältnisse ausnutzend, oder einen Hintereingang. Wenn Sabaco sich bewusst machte, dass der Kleine das von ihm gelernt hatte ... oder zumindest mit ihm, damals, auf den Straßen von Tarraco ... Die gleiche Sorgfalt, die Ocella in seine Worte legte, versuchte Sabaco fürs Zuhören aufzubringen, unterbrach ihn nicht und schaufte und schnaubte auch nicht, spielte nicht mit seinen Fingern oder dem Gürtel. Er wollte Ocella gern verstehen, er wollte es wirklich.


    "Ich glaube, Ocella", begann er, diesmal vorsichtiger und leiser als im Schankraum, "darin liegt unser Problem: dass jeder seinen eigenen Weg geht. Es gibt kein Miteinander mehr. Jeder macht sein Ding, selbst wenn wir am selben Tisch sitzen. Sicher, wir sind erwachsen, da geht man anders miteinander um als früher. Aber müsste nicht trotz unserer Unterschiede noch mehr zwischen uns sein, als das hier?" Er machte eine Geste. Er wollte Ocella nicht wieder zulabern, nicht jammern. Aber wie sollten sie einander verstehen, wenn nur Fetzen hin und her flogen?


    "Halb Mogontiacum habe ich bestochen, um mit der Turma Secunda reiten zu können - um Germania umzukrempeln, bis du sicher wieder daheim bist. Keinen Tropfen Alkohol habe ich getrunken und gelebt wie ein Mönch. Niemandem ein Haar gekrümmt, der es nicht verdiente, und nicht gezündelt, um meiner neuen Position gerecht zu werden und dich am Ende heimzuholen. Es scheint, als habe ich trotzdem wieder alles falsch gemacht. An den falschen Stellrädchen gedreht? Zu wenig? Sag du es mir. Ich will meinen kleinen Bruder nicht verlieren wegen ..." Er zuckte unglücklich mit den Schultern. "Ich weiß nicht, weshalb."

    Als ihre Augen sich weiten, lächelte er aufmunternd. "Die Hausherrin läuft nicht davon. Für ernsthafte Gespräche ist ein kleinerer Anlass besser, in ein paar Tagen vielleicht." Der Vorschlag troff vor Egoismus. Sabaco war nicht gewillt, Iunia Matidia jetzt für eine Plauderrunde wieder hergeben zu müssen, wo sie gerade angefangen hatten, sich zu verstehen.


    Sabaco betrachtete den Mann abschätzend, der für ihre Sicherheit zuständig war. Sicher wehrhaft, aber er wirkte nicht wie ein tumber Schläger. Mit dem würde sich reden lassen. "Sich davonzustehlen fällt nicht schwer, Matidia. Aber dann schlägt dein Begleiter Alarm, weil er glaubt, dir wäre was geschehen. Da er dich zuletzt hier sah, würde das auf die Duccier zurückfallen, die unsere Gastgeber sind. Wir machen das anders."


    Mit Iunia Matidia am Arm flanierte Sabaco über das Festgelände, ein Angeber vor den Göttern. Er fühlte sich ziemlich gut dabei, sie an seiner Seite zu wissen, geerdet. Vor dem Aufpasser bleib er stehen und gab diesem Zeit, seine Rangabzeichen zu betrachten. Er war ein anständiger Mann ... wenn ihm das entgegenkam. Man konnte mit ihm reden und seine Vereinbarungen pflegte er einzuhalten.


    "Salve. Decurio Publius Matinius Sabaco, Ala I Aquiliae Singularium." Die Auflistung kam wie von der Balliste geschossen. Ohne Übergang reichte er dem Burschen eine großzügige handvoll Münzen. Er ließ sie rieseln und der Haufen in der Handfläche wurde schnell immer größer und schwerer, während er sprach. "Der Wein da hinten ist gut. Trink was, gönn dir ein Mädchen. Du hast für den Rest des Abends frei, ich passe auf Iunia Matidia auf. Am Ende der Nacht bringe ich sie persönlich nach Hause zur Domus Iunia, wohlbehalten und unversehrt."

    "Ich bin all die Jahre immer der Gleiche gewesen, Ocella. Aber dein Geist ist so", er deutete mit den Händen Scheuklappen neben seinen Augen an, "und meiner so." Er breitete die Arme weit aus, ehe er sie wieder auf die Tischplatte fallen ließ. "Du folgst deinen Prinzipien und ich meinem Ziel. Mag sein, dass ich ein Opportunist bin. Warum auch nicht? Du stemmst dich störrisch gegen den Sturm, ich reite ihn und nehme mit, was er mir anbietet. Wir werden sehen, wer von uns am Ende Erfolg haben wird. Ein Spiegel macht mir keine Angst - ich muss keine Reue fürchten, kein Gewissen. Diese Gabe teilst du mit mir, nicht wahr? Alles hat seine Richtigkeit. Und keine Sorge: Ich reite auch ein zweites Mal um die Welt, um dich an den Haaren aus der Scheiße zu ziehen."


    Selbstgefällig polierte er seine Nägel, indem er die Faust an seiner Brust rieb. Genau genommen hatte er Ocella nicht gerettet und die Turma Prima nicht gefunden, aber er hätte es, war kurz davor gewesen. Er grinste, so dass Ocella die Zahnlücken auf seiner linken Seite sah, wo in harter Fausthieb Sabacos Gesicht getroffen hatte. Diese Zähne hatte er für ihn gelassen ...


    Als Ocella aufstand, erhob sich auch Sabaco. Hier sitzen gelassen zu werden kam nicht in die Tüte. Er sah dem Kleinen nach, wie er davontorkelte. Übers Knie sollte man ihn legen. Oder ein paar Maulschellen rechts und links verpassen, bis er wieder normal war. Der verletzte Stolz brannte tief und irgendwo spürte Sabaco die tiefe Sehnsucht, dass zwischen ihnen alles sein möge wie früher, dass der Kleine wieder zu ihm aufsah. Doch der sah nur noch den fischäuigen Germanicus. Sabacos Blick wirkte einen Moment abwesend, als er sich vorstellte, wie Varros Genick in seinen Händen brach.


    "Die Klamotten sind nicht für mich, Bruder" , murmelte er, obwohl Ocella ihn nicht mehr hören konnte. Er legte die Münzen auf den Tisch, ohne viel gegessen oder getrunken zu haben. Vollkommen nüchtern kehrte er zurück in die Nacht.

    Ocella leierte eine Litanei herunter, wie man sie einem Offizier geben würde, der sich nach der Motivation seines Soldaten erkundigte. Nur gab er sie seinem Bruder, was diesen ärgerte. Phrasen statt Antworten. Sabaco ließ Ocella das durch einen Blick wissen. "Du missverstehst mich mit Absicht. Ich zweifle nicht daran, dass in deiner Brust das Herz eines Soldaten schlägt. Aber wenn ich dich reden höre, frage ich mich bisweilen, ob es auch das Herz eines Römers ist." Sabaco wusste genau, dass Ocella absichtlich unterhalb seines Potenzials blieb. Dienst nach Vorschrift, um ja nicht befördert zu werden - um keinesfalls aus dem Schatten des Germanicers heraustreten zu müssen.


    "Krämerseele trifft es schon eher. Deine Ziele sind deines Namens unwürdig." In einem Atemzug zu erwähnen, gleichzeitig eine Familie und ein Lupanar gründen zu wollen, das war schon ein starkes Stück. Damit würde Ocella nicht nur den Namen der Gens Matinia beflecken, die ihrerzeit Senatoren und Consulare hervorgebracht hatte, sondern auch den seiner künftigen Angetrauten. Wie Kinder in so einem Umfeld großwerden sollten, war auch noch mal die Frage. Sabaco hoffte, dass Ocella bloß provozieren wollte, weil er seinem großen Bruder aus irgendeinem Grund gern ans Pein pinkelte.


    "Ich brauche keine Tunika, ich brauche einen Schneider. Keinen Stoffzusammennhäher, die haben wir auch bei der Ala, sondern einen Meister seines Fachs!" Den immer bestens gekleideten Decurio Equitus Calenus hatte er schon gefragt, aber dessen Schneider hockte beim Wohnsitz seiner Familie am Arsch der Welt. "Notfalls tut es auch ein Händler, der hervorragende Fertigware verkauft."

    Was für eine Frau. Als sie den Kopf des Unholds verlangte, wusste Sabaco, dass er den richtigen Riecher gehabt hatte. Auf den Gedanken, dass sie das nur im Scherz gesagt haben könnte, kam er nicht. Er spürte ihre Worte als ein sanftes Ziehen in seinen Lenden und es wurde Zeit zu gehen, bevor sie es bemerkte. Er wollte sich verabschieden, da legte sich ein zartes Fingerchen auf seine muskulöse Brust und blieb dort keck. Sabaco folgte mit seinem Blick dem Arm zu ihrer wohlgeformten Schulter in einer Intensität, als würde er gedanklich mit seiner Hand entlangstreichen. Der nackte Arm erinnerte ihn daran, wie ausgehungert er innerlich war, doch dann sah er wieder nach oben.


    "Die Stadt zeigen? Jetzt? Du bist also nicht von der ängstlichen Sorte. Na, dann komm. Warst du nachts schon mal draußen?" Er bot ihr seinen linken Arm, wobei sich einladend der Bizeps spannte. Dass es dieser Arm war, hatte taktische Gründe, denn mit dem rechten wollte er den Dolch ziehen können. Er ging nicht davon aus, dass das notwendig werden würde, aber er würde nicht von dieser Gewohnheit lassen.