Beiträge von Titus Umbrenus Nero

    Nero fragte sich, warum Sabaco ausgerechnet jetzt noch trinken musste, während er ihn schleppte. Aber mit dem Wein in der Amphore oder im Bauch, dass machte auch nicht mehr viel Unterschied. Nero wuchtete Sabaco in die Castra und schaute die Wachhabenden derart an, dass jede Nachfrage schon im Keim erstickt wurde. Auf den Kommentar von Sabaco antwortete er nicht. Als ob er verraten würde, dass dieser dichtete. Aber bitte, sollte dieser in dem Glauben bleiben, dann hatte er auch nichts zu befürchten. Sabaco musste ja nicht alles wissen und seinen fiesen Ruf hatte sich Nero nicht umsonst erarbeitet.


    Nero schleppte sich auf sein Zimmer und kippte Sabaco dort fast behutsam auf den Boden ab. Er selbst ließ sich in sein Bett fallen, befreite sich umständlich von seinen Sandalen und war einen Augenblick später eingeschlafen.

    "Erzähle das herum und der Gubernator reitet Dich dafür und zwar in die Scheiße, dass schwöre ich Dir Sabaco. Die Einladung nehme ich an, bei der ganzen Scheiße ist dann wenigstens unser Geschmacksknorpel feucht, wo wir sonst auf dem Trockenen sitzen. Hätte ich gewusst wie viel Du wiegst, wäre ich zweimal gelaufen", lachte Nero leise und wuchtete Sabaco murrend zur Castra.


    Die Rationen mussten scheinbar halbiert werden, wenn die Männer derart viel wogen. Oder es war der Wein, im Grunde schleppte er hier zig Amphoren Fusel die Sabaco schon intus hatte. Nero fragte sich, wer die Castra ans andere der Welt verschoben hatte. So weit weg war ihr Lager doch nicht auf dem Hinweg gewesen. Gefühlt wurden seine Beine immer kürzer, der Weg immer länger und Sabaco immer schwerer. Das konnte heiter werden!

    "Klare Flüsse, dort findest Du die Flussmuschel. Ach und wenn sie keine Perle in sich trägt, sie schmeckt vorzüglich. Das ist wenigstens eine Entschädigung nicht wahr?", grinste Nero und wuchtete sich Sabaco auf die Schultern.


    "Eure Rationen sind zu großzügig bemessen, ich spüre es. Das sollten wir wiederholen, aber dann bitte so, dass Du am Ende selbst in die Castra laufen kannst ohne Verdacht zu erregen oder Schlimmeres. Ja in die Taberna. Wärme, Essen, Getränke und Du kannst Gesprächen lauschen und Dich so fühlen als gehörst Du dazu. Auch wenn es nicht der Fall ist. Ein kleines bisschen Illusion je später der Abend wird. Manchmal braucht man einfach Wärme Sabaco und nicht jeder hat eine derart warme Tunika, dass er frostige Nächte gut übersteht. Gleich wie kalt es draußen ist. Die erste Runde geht auf Dich für diese Schlepperei, dass schwöre ich Dir", murrte Nero und trabte zähneknirschend los.

    "Doch in der Flussperlmuschel gibt es Perlen. Sie werden nicht ganz so groß wie andere und ihre Perlen sind nicht ganz rund. Süßwasserperlen werden sie genannt. Ihre Perlen glänzen auch nicht so wie die aus dem Meer, aber dennoch sind sie wunderschön. Sie brauchen unendliche lange um zu wachsen Sabaco über 20 Jahre, darum findet man sie so selten. Und deshalb findest Du diese Perlen nur in uralten Muscheln. So alt wie kein Mensch werden kann. Und noch eines kommt hinzu, die Flussperlmuschel benötigt absolut sauberes Wasser, Wasser das dem Urgestein entspringt. Sonst überlebt sie nicht. Das heißt die Muschel ist genauso selten wie die Perle.


    Ich schaffe Dich quer über die Schulter hinein, Du stöhnst ein bisschen aber bitte nicht in der falschen Tonlage. Du hast Dir einfach den Fuß verknackst, falls einer fragt und ich habe Dich aufgelesen. Wem sollten sie es petzen? Mir? Ich bin doch dabei, eine kürzere Meldekette hat es wohl nie gegeben", grinste Nero und knuffte Sabaco.


    "Oh ja, da sagst Du was, eine Handbreit Wasser unter dem Kiel wäre schon nett und das geht nur auf einem Schiff. Cappa ist nicht so schlecht wie Du denkst, aber ein Fisch hat dort wenig Chancen, ein Pferd schon eher. Wer weiß zu was die mich dort machen würden. Wie sagtest Du? Zum Trockenfisch. In die Stadt gehe ich öfter und in die Taberna, beides ganz nett. Du kannst mich gerne begleiten, dann zeihen wir gemeinsam los. Der Seehund und der Hippocampus", gab Nero zurück, stand auf und reichte Sabaco die Hand.


    "Lass uns aufbrechen, sonst wird dass nichts mehr damit, Dich in die Castra zu schleppen".

    Nero schmunzelte über Sabacos Wortwahl.


    "Seehund, Phoca. Dann ist klar warum die See Dich nicht behalten hat Sabaco. Die See kann man nicht belügen und sie kennt Deine Seele und deren Namen. Die Besonderheit von Seehund oder Robbenfell ist, dass es extrem wasserdicht ist. Mit Kleidung aus Robbenfell kann man sogar kurze Zeit im eiskalten Wasser überleben. Weshalb sollte die See Dich also behalten? Du gehörst schon ihr, auch wenn Du auf Deiner Sandbank liegst und Dir die Sonne auf den Pelz scheinen lässt. Niemand kann die See bezwingen, sie ist ewig Sabaco. Sie wird noch existieren, wenn kein Mensch unseren Namen mehr weiß. Sie wird uns nicht vergessen und ihn in die Schaumkronen der Wellen schreiben, wenn sie an uns denkt.


    Richtig wir dienen auf dem selben Schiff auf dem selben Rinnsal. Die Frage nach dem Wasser würdest Du nicht stellen, hättest Du das Meer bereist. Eines Tages wirst Du es vielleicht und dann beantwortet sich Deine Frage von ganz allein. Ich kann Dir nicht erklären, was man selbst erlebt haben muss. Manches Begreifen kann man nicht mit Worte verdeutlichen. Es gehört mehr dazu, als das bloße Wissen. Auf einem Schiff ist das wesentlich mehr, als nur ein paar Eckdaten. In so einem Fall sind es die Geräusche Deines Schiffes, das Tosen des Meeres, die aufgeladende Luft, die sich zusammenbrauenden Wolken und die Blitze die über den Himmel zucken. Es ist ein Gefühl Sabaco, dass nicht in Worte zu fassen ist. Eine Momentaufnahme die es nur in jenem Augenblick gibt, winzig, kurz und dennoch von einer ungeheuren Macht, dass dieser Augenblick Deine Wahrnehmung für immer verändert. Du musst das Meer nicht fürchten, Du solltest aber gehörigen Respekt haben.


    So langsam glaube ich auch dass der Rumpf von unserem Schiff verfault, während wie Dauerankern. Keine Ahnung warum wir die ganze Zeit nur rumliegen. Aber durch Grübeln bekommen wir auch keinen Auftrag. Wer weiß was los ist, oder eben nicht. Perlentauchen, na da ist die Frage wo hast Du denn nach Perlen getaucht? Muscheln gibt es nicht nur im Meer, ich hoffe das weißt Du.


    Was bitteschön sollten sie mit einem Steuermann in Cappadocia wollen? Du hast vielleicht Ideen. Auf der anderen Seite, es haben sich Bürokraten schon so manch anderes Grauen ausgedacht und meinten damit noch Rom zu dienen.


    Die Tradition seinen Namen abzulegen, hat einen gut durchdachten Hintergrund. Und wurde der Seehund jemals von den Vigiles auf dem Trockenen erwischt?", grinste Nero und nahm einen kräftigen Schluck aus der Amphore.

    "So etwas bekam ich vor langer Zeit gesagt. Das liegt weit zurück Sabaco, so weit, dass es wie ein anderes Leben oder ein unwirklicher Traum anmutet. Eine Erinnerung die immer mehr verblasst, auch wenn man an ihr festhalten möchte. Tja auch hier ist das Meer ewiglich und wie stets gnadenlos. Ebbe und Flut tragen Stückchen für Stückchen fort was einst gewesen ist. Was blieb? Ein Rinnsal zu bereisen, hoch und runter in endloser Wiederkehr ohne je wieder die offene See zu sehen. Keiner kann behaupten, dass das Schifffahrt ist. Oder hast Du jemals einen tosenden Sturm auf diesem Pissstrahl erlebt? Einen Sturm der den Tag zur Nacht werden lässt und Männer zu Mäusen? Das selbst die Härtesten unter ihnen wissen, dass das Schiff unter ihnen nur eine Nussschale ist und diese Nussschale ist das Einzige was sie vor dem Ersaufen rettet. Wen die See holen will, den holt sie sich Sabaco. Tosende Stürme, mit donnernden Fluten lassen so manchen Mann im Hafen betend und mit der Erkenntnis zurück wie klein er selbst, Rom und die Menschheit wirklich ist.


    Das ist ist Seefahrt, dass heißt es ein Schiff zu navigieren, dass ist die Aufgabe eines Steuermanns. Einen Rinnsal, oder wie andere es nennen, einen Fluss zu bereisen ist keine Kunst. Der Weg ist offensichtlich. Sicher gibt es auch hier Sandbänke, Strudel, Untiefen. Aber sobald Du sie kennst, kannst Du sogar auf Sicht fahren mitten im dicksten Nebel. Du weißt was ich mit dem Scherz meine.


    Nein solche Worte habe ich lange nicht mehr gehört Sabaco, ebenso wenig wie die grollende See oder ihr sanftes Rauschen, wenn sie uns eine spiegelglatte Oberfläche schenkt. Ihr Lächeln und ihre Liebeserklärung. Aber hüte Dich sie darauf festnageln zu wollen. Sie kann umschlagen und sie tut es jederzeit, ohne Vorwarnung, ohne Zögern, ohne Gnade. Aber das ist es, was echte Seemänner schmiedet. Man nimmt es hin und macht das beste daraus, mit Salz auf der Haut und in den Haaren. Das Meer schmeckt wie Milliarden von Tränen Sabaco, es schmeckt salzig.


    Das Rinnsal das wir bereisen, wonach schmeckt das?


    Ein Scherz für den anderen Sabaco, wir sind quitt. Wie man Dich nennt? Vermutlich Wadenbeißer oder falls es ein Fisch ist, der grimmige Stichling", lachte Nero und knuffte Sabaco.

    Auf die Aussage von Sabaco hin, der versuchte ihn zu lesen, schmunzelte Nero und schaute wieder auf die Wellen. Er dachte einen Moment angestrengt nach und zwar derart, dass er die Stirn in Falten zog.


    "Die Natur hält stets den Atem an, wenn ein Jäger dazu ansetzt Beute zu ergreifen. Der Wald, die Wiesen, die Berge, die Täler sie alle hüllen sich in Schweigen, abwartend was nun geschieht. Wem das Schicksal in diesem immerwährenden Kampf gewogen sein mag. Einzig und allein die See, sie kennt keine Stille. Sie schweigt weder für ihre Jäger, noch für ihre Beute.


    Du kannst die See nicht täuschen, die kennt Deine wahre Natur. Ebenso kennt ein echtes Schiff Deine Seele. Du magst Menschen belügen und täuschen können, aber nicht die ewige See und nicht das Schiff.Du kannst die See nicht den Pfützen vergleichen, die wir befahren. Sicher ist es mal auf einem Fluss ungemütlich, oder auf einem großen Teich. Aber sie sind Kinder im Vergleich zur der Macht, welche der See innewohnt.



    Einst schrieb mir jemand folgende Zeilen.


    Wenn man Dich fragt,

    warum Du den weiten Ozean und die See so liebst,

    sag ihnen, dass das Wasser im Gegensatz zu den Menschen,

    niemals Angst hatte Dich zu berühren.


    Selbst dann nicht, als Du Deine schlimmste Verletzung davon getragen hast.

    Selbst dann nicht, als Du daran zerbrochen bist.


    Der Ozean hält und liebt Dich...

    ein Mensch auch... ich.


    Du fragst mich ob ich ein Seemann bin? Ich bin mehr als das Sabaco, ich bin etwas dass aufs Meer gehört und versehentlich an Land gespült wurde. Jemand der leichtfüßig über die Decksplanken läuft und dem das Schwanken des Schiffes so vertraut ist, wie die Wiege einer Mutter. Auf dem Festland zu laufen, ist für mich wie ein Landläufer zu laufen. Ich fühle mich plump, ungelenkt, als gehöre ich nicht hierher. Vermutlich ist dem auch so.


    Vielleicht erzähle ich Dir eines Tages, wie es geschah dass eines von Neptuns Pferden an den Strand gespült wurde, ohne den Weg zurück ins Meer zu finden. Aber dafür benötigst Du einen klaren Kopf, denn ich erzähle es nicht zweimal Sabaco", erklärte Nero und schaute Sabaco dabei in die Augen.


    "Du dichtest und notierst Dir meine Worte? Das Geschwätz eines verhärmten, verbitterten, enttäuschten Mannes? Nun wieso nicht, ich hätte da einiges zu sagen. Reicht Deine Tafel? Oh wobei, natürlich, Du schreibst ja so winzig. Spaß beiseite, was schreibst Du denn so? Hältst Du Deine Gedanken fest?", fragte Nero tatsächlich interessiert. Er war kein Mann der Interesse heuchelte, er war ein Mann der Desinteresse vorspielte.


    Oder wie er einst so vortrefflich sagte, sein Lächeln war falsch, seine Tränen waren echt.

    "Die See war schon immer rau Sabaco, weshalb sollte ihre Aussprache da anders sein? Wichser? In Ordnung, wieso und weshalb sind alle Wichser? Ich könnte die Aussage glatt unterschreiben, vermutlich haben wir aber ganz andere Gründe für diese Ansicht. Oder möglicherweise, haben wir sogar die gleichen Ansichten. Wer weiß das schon?", schmunzelte Nero so finster wie die Nacht selbst.


    Nero nahm ebenfalls einen kräftigen Schluck aus seine Amphore und musterte Sabaco einen Augenblick, ehe er wieder auf die Wellen schaute. Nicht nur die See und die Wellen waren unendlich und ewiglich. Manche Dinge schienen ebenso unendlich zu sein, wenn er Sabaco oder sich selbst betrachtete. Auf diesen Gedanken hin, nahm er noch einen Schluck. Kleiner, bewusster und die Wärme genießend, die der Wein in seiner Kehle auslöste.


    Sabaco hatte also ein Geheimnis. Eines? Der Mann hatte mehr Geheimnisse als ihm selbst bewusst war. Als Sabaco behauptete, Nero wäre ein anständiger Kerl, musste er tatsächlich schief grinsen. Anständig und Titus Vorenus Nero war eigentlich nichts, was jemand in einem Satz erwähnte. Aber es war durchaus möglich, dass da etwas dran war. Eines seiner kleinen dunklen Geheimnisse. Frei nach dem Motto, tue niemandem etwas Gutes, dann wiederfährt Dir nichts Schlechtes, so handelte er oft. Trotzdem hockte er hier neben Sabaco, starrte auf die Schiffe und das Wasser und hörte den Wellen wie auch Sabaco zu.


    Ja vielleicht hatte Sabaco Recht. In seinem Officium hatte Sabaco ihn für einen Moment ohne seine Maske gesehen und ihm die wärmende Tunika geschenkt. Nicht aus Mitleid, das war klar, sondern weil er wusste, was diese Geste Nero bedeuten würde. Das machte die Geste noch wertvoller als die Tunika. Nero warf erneut einen Blick auf Sabaco.


    "Ja, ja Du hast Recht. Manchmal heimlich still und leise, bin ich ein anständiger Kerl. Aber verrate es keinem, ich habe einen Ruf zu verlieren genau wie Du. Also was ist Dein Geheimnis Saba? Und wieso befindet es sich in Deiner Tasche? Soll ich mein Glück mal versuchen, ob ich sie öffnen kann?", bot Nero hilfreich an.

    Nero schaut auf Sabaco herab und klopfte ihm auf den Rücken.

    "Du weißt wer ich bin, Nero. Dem Mann dem Du eine warme Tunika geschenkt hast. Ich denke Du bist nicht in der Verfassung oder Laune für einen Plausch. Alles was Du zu sagen hast, sagen die schwarzen Wellen Sabaco. Worte sind nicht nötig, ich verstehe Dich und ich deute Deinen Blick. Das hier hat nie stattgefunden, also genieße es. Graut der Morgen kehren wir zurück. Mit dem Weichen der Nacht, weicht auch das hier", antwortete Nero und machte eine alles umfassende Geste.

    Ein weiterer finsterer Leib gesellte sich dazu und zwar der von Titus Vorenus Nero, der auf Sabaco herabschaute. Nero war in die neue warm, weiche Tunika gewandet und war seinem Untergebenen bis hierher gefolgt. Schwer zu verfolgen war Sabaco nicht, man hörte ihn zig Straßen weiter. In der Finsternis klang dessen Gesang auf seltsame Art schauerlich schön. Nun lag er hier, betrunken und starrte auf das Wasser und die Schiffe.


    Nero rollte Sabaco auf die Seite und hockte sich neben ihn. Sein Blick folgte dem seines Untergebenen, der ihm die warme Tunika geschenkt hatte. Wasser so schwarz wie die Nacht selbst und Schiffe die auf den winzigen Wellen tanzten. Nero packte seine eigene kleine Amphore aus, nahm einen Schluck und zog die Beine an. Er legte den Kopf auf den Knien ab und betrachtete das Spiel von Wasser, Wellen und den Schiffen, während er neben Sabaco saß und ihm Beistand leistete.


    Was auch immer Sabaco fehlte, Nero bekam eine düstere Ahnung davon. Sie waren sich ähnlicher als sie dachten.

    Nero wartete ab, bis Sabaco das Officium verlassen hatte. Dann räumte er in Ruhe sein Essen beiseite und untersuchte die Tunika eingehend. Warm und weich war sie. Heute freute er sich auf die Nacht, er würde warm und wohlig schlafen und das seit einer gefühlten Ewigkeit. Wann hatte er das letzte Mal nicht gefroren? Nero konnte sich nicht daran erinnern.

    Nero schaute von der Tunika auf und starrte Sabaco in die Augen. Behalte sie... bis die Worte von seinen Ohren in seinen Verstand gesickert waren und ihre Bedeutung entfalteten, benötige es einen Moment. Neros Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen, in der Hoffnung die Tarnung zurückzugewinnen die er sonst eisern aufrecht hielt. Aber eine verrutschte Maske war genau dass. Saba hatte einen Moment dahinter geschaut und gesehen, dass sich weit mehr hinter dem Kotzbrocken verbarg, den Nero gerne zur Schau trug. Für einen Bruchteil einer Sekunde war Nero geneigt das Angebot abzulehnen. Bis ihm schlagartig dämmerte, wieso Sabaco hinter die Maske geschaut hatte. Der Mann vestand ihn, die Frage wieso erübrigte sich.


    Der Blick von Nero wurde milde.

    "Danke".


    Eine schlichte Antwort, bestehend aus einem einzigen Wort, dass mehr aussagte als ein gesamtes Lexikon in diesem Moment. Kaum ausgesprochen sah Sabaco wie das Gesicht des Gubernators förmlich versteinerte. Die Maske saß wieder an Ort und Stelle.


    "Kümmere Dich sofort darum und korrigiere dabei gleich die Farbe. Pro Mann zwei Stück, sieh zu dass die Bestellung schnellstmöglich aufgegeben wird", befahl Vorenus ernst aber dennoch eine Spur umgänglicher, als üblich.

    Nero bemerkte den kritischen Blick von Sabaco und stimmte ihm stumm zu. So konnte er die Tunika nicht anfassen. Er griff sich dass Tuch, in dem das Brot eingeschlagen gewesen war und reinigte sich gründlich die fettigen Finger. Erst dann nahm er die dargebotene Tunika von Sabaco entgegen. Nero runzelte die Stirn und tastete den Stoff ab. Seine Finger glitten über das Material, die Nähte und schauten derart akribisch, als suchte er nach einem Webfehler. Der Gubernator blinzelte in Zeitlupe.


    "Verdammt! Verdammt ist diese Tunika warm und weich. Wie kommen wir für unsere Truppe an die Tuniken? Und eine Frage, was kostet diese? Nenn mir einen vernünftigen Preis Sabaco", forderte Nero den Mann mit ungläubigem Blick auf.


    Nie wieder eisige Eier, dass musste man sich mal auf der Zunge zergehen lassen. Nun oder besser nur heimlich durch den Kopf.

    Nero nickte knapp auf die Äußerung hin, dass Sabaco an seiner Handschrift arbeiten werde. Vermutlich würde er so lange üben, bis sie so klein war, dass niemand außer er selbst sie lesen konnte. Zuzutrauen war es ihm. Nero wischte den Gedanken beiseite und hörte sich an, was Sabaco über die Tuniken zu sagen hatte. Ohne jeden Zweifel waren die vorhandenen für die Witterung zu dünn. Der Wind pfiff durch alle Ritzen wie man so schön sagte. Einge Kameraden waren sogar dazu übergegangen sich wie Sklaven Lappen um die Lenden zu wickeln. Eine weiche, warme Tunika konnte ein derartig würdeloses Verhalten verhindern.


    "Ich bin gespannt auf die Tuniken, nur zu. Hol ein Muster umgehend her, ich warte auf Dich aber spute Dich", antwortete Nero neugierig.

    "Alles weitere klären wir, sobald Du mit einer der Tuniken zurück bist", fügte er an und nahm wieder sein Brot und Käse zur Hand.

    Nero schaute zu Sabaco auf, nahm noch einen großzügigen Bissen Brot und Käse und spülte alles mit Posca herunter. Sorgsam wischte er seine Finger an seiner Tunika ab, dann griff er in aller Gemütlichkeit nach der gereichten Tabula. Der Blick von Nero senkte sich auf die Schrift und hob sich dann zu Sabacos Gesicht. Die Tabula war riesig, die Schrift winzig. Er sollte diesen Unhold seine Mäuseschrift vorlesen lassen. Grimmig senkte sich der Blick des Gubernators wieder auf die Zeilen. Während er las, sprach er kein Wort, aber Sabaco sah, wie es im Gesicht des Gubenators arbeitete. Eine steile Falte bildete sich auf seiner Stirn und zog sich hinab bis zwischen die Augen. Grimmiger hatte wohl noch niemand eine Tabula angestarrt als Nero. Nachdem er mit der Vorderseite geendet hatte, begann er die Rückseite.


    Bei Neptun, da war die Tabula genauso winzig beschriftet. Nun er wollte schließlich einen vollständigen Bericht und für seine grausige Handschrift, konnte er Sabaco schließlich nicht bestrafen. Als er geendet hatte, warf er die Tabula auf einen seiner Beistelltische, lehnte sich im Stuhl zurück und verschränkte die Hände über seinem nicht vorhandenen Bauch.


    "Gute Arbeit Suboptio, aber Du hast miserabele Handschrift. In Deiner Position solltest Du daran feilen. Stell Dir vor Du erteilst einen schriftlichen Befehl. Ehe dieser gelesen worden ist, hat sich der Grund für den Befehl vermutlich schon in Luft aufgelöst. Zu Deinem Einwand, die Tuniken wären zu dünn, dem kann ich nur zustimmen. Vorschläge zur Abhilfe?", hakte Nero nach und musterte Sabaco stechend. Wer Kritik bei ihm vorbrachte, sollte auch eine Lösung anbieten können.

    Nero saß gerade gut gelaunt an seinem Tisch und ließ sich sein zweites Frühstück aus Trockenfürchten, Brot und Hartkäse schmecken. Ausgerechnet jetzt klopfte es.

    "Reinkommen!", rief er laut dem Besucher entgegen und bis erneut von seinem Brot ab.


    Das konnte heute nur einer sein, Publius Matinius Sabaco, jener Mann der die Lagerbestände kontrollieren durfte. Nero freute sich darauf, was dieser herausgefunden und notiert hatte. Er war neugierig, wie gut der Mann einen Befehl ausgeführt hatte der ihm sichtlich zuwider gewesen war. Nun sie alle mussten Befehle befolgen und manche davon gingen einem gegen den Strich. Nero lehnte sich zurück und wartete ab, bis Sabaco eintrat.

    Auch Nero fand sich zur Enterübung ein. Und so gab es schon zwei Anwesende mit blendender Laune. Selbstverständlich konnte Nero seine hinter einem Gesicht wie aus Eis verbergen. Wobei er die Befürchtung hatte, dass man an dem Funkeln seiner Augen dennoch sah, wie sehr er sich auf die Übung freute. Sabaco wirbelte schon fleißig herum, kontrollierte hier und dort, so dass alle Mann in Reih und Glied einen ordentlichen Eindruck machten. Nero beobachtete ihn, genau wie jenen jungen Mann der vor sich hinlächelte. So jung und noch so voller Tatendrang. Hatte er selbst einst auch so ausgesehen? Vermutlich. Und wenn er ehrlich war, er tat es doch immer noch, hinter der eisernen Maske des Vorgesetzten.

    Nero nickte zufrieden und schaute sich Sabaco genau an. Sein Gegenüber fügte sich und schien nachdenklich auszusehen. Nun vielleicht fühlte sich Sabaca auch gerade nur unwohl, bei dem Gedanken dass er Gubernator war und kein Schwarzrock. Schließlich lagen die Dinge nun völlig anders, als Sabaco erwartet hatte. Das sie möglicherweise später erneut anders liegen würden, konnte Sabaco nicht wissen. Aber etwas Ansporn konnte nicht schaden und ein klein wenig Rache war auch ihm vergönnt. Schließlich schadete er damit weder der Moral noch dem Dienst. Im Gegenteil, Sabaco würde einiges über die Ausrüstung lernen, würde eine sehr nützliche Arbeit erledigen und er würde lernen, dass man sich immer zweimal im Leben sah. Oder öfter. Und dass nicht jede Begegnung so endete, wie sie einst anfing. Aber den kleinen Schrecken kostete Nero trotzdem aus.


    Denn eines stand ebenso fest, sie waren im Grunde zur Kameradschaft verpflichtet. Kam es hart auf hart, musste sich jeder Mann auf den anderen verlassen können. Für Kleinkriege war kein Platz in der Legion, nirgendwo und schon gar nicht in der Classis. Ein Schiff konnte ebenso nur gefahren werden, wenn alle Mann Hand in Hand arbeiteten. Sicher kam es mal zu Rangeleien oder blutigen Nasen. Aber das durfte nicht am Zusammenhalt der Truppe oder Mannschaft kratzen. Und das würde auch Sabaco lernen, ob es ihm gefiel oder nicht.


    "Heute so zuvorkommend und gehorsam? Daran könnte ich mich glatt gewöhnen. Nun was machst Du noch hier Sabaco? Du hast eine wichtige Aufgabe erhalten, die keinen Aufschub duldet und soweit ich weiß, schreiben sich weder Listen noch Berichte von allein. Abrücken und Befehl ausführen. Je eher Du anfängst, je eher habe ich den Bericht auf dem Tisch", antwortete Nero gerade zu höflich.

    Sabaco benötigte einen Augenblick um sich zu fassen, dann wich er tatsächlich einen Schritt zurück. Der Mann senkte den Blick, blieb aber ansonsten aufrecht stehen. Nero erkannte den Schneid an, den der Bursche besaß. Beides verlangte Mut, ein Schritt zurück ebenso wie die aufrechte Haltung. Das er darüber kein Wort verlor, war selbstverständlich. Sollte sich Sabaco seine Zukunft ruhig düster ausmalen, etwas Rache stand Nero ebenso zu, wie jedem anderen auch.


    Eines war er jedoch nicht und zwar unfair. Sollte Sabaco sich beweisen, dann würde er dies genauso anerkennen wie bei jedem anderen auch. Der Mann musste seinen Kameraden selbst ein Kamerad sein, dazu musste niemand miteinander befreundet sein. Aber jeder hier musste sich auf den anderen verlassen können, gleich wie sie persönlich zueinander standen. Das hatte auf dem Schlachtfeld nichts verloren. Auch das verriet Nero Sabaco nicht, er würde es früh genug merken.


    "Ganz genau und danach wirst Du mir Bericht erstatten", erklärte Nero und trat wieder nah an Sabaco heran.

    "Der guten alten Zeiten Willen", flüsterte er ihm zu und ging wieder auf Abstand.