Beiträge von Lucius Aelius Quarto

    Noch einmal erhob Quarto sich etwas mühsam.
    “Ich antworte auf Senator Aurelius Lupus. Beide, Marcus Decimus Aquila und Lucius Tiberius Lepidus haben bei der Befragung ihre Präferenz für die Tresviri capitales erklärt. Sie haben dies mit ihren Interessen und Kenntnissen begründet. Ja, dass haben sie beide, aber Marcus Decimus Aquila hat darüber hinaus noch weitere Argumente genannt. Nicht zuletzt aufgrund deiner wiederholten Nachfrage. Er kann bei den Tresviri capitales beweisen, dass ein Decimer seiner Verantwortung im Strafvollzug gerecht wird. Gerade weil sein Name hier eine so große Rolle zu spielen scheint, glaube ich, dass er uns damit einen besonderen Dienst erweisen würde. Und ich wiederhole mich, wenn ich sage: seine Argumente haben mich überzeugt. Darum bin ich dafür, dass er dort seinen Dienst als Vigintivir antritt und in keinem anderen Gremium.“


    Der alte Consular öffnete die Arme und blickte sich in Plenum um.
    “Aber bisher hat niemand gesagt, oder gar begründet, dass die Tresviri capitales für das kommende Jahr unserer besonderen Aufmerksamkeit bedürfen. Warum soll ich also dafür sein, dass wir gleich zwei der Gewählten zu den Tresviri entsenden, an die ich mich am besten erinnere? Mir erscheint es klüger, diese hoffnungsvollen Männer gleichmäßig zu verteilen. Und zu diesen zähle ich Lucius Tiberius Lepidus.“

    “Ich stimme meinen Vorrednern, dem designierten Consul Marcus Decimus Livianus und dem Senator Titus Duccius Vala zu. Marcus Decimus Aquila soll Rom als Tresvir capitalis dienen! Die Argumente, die dafür sprechen, wurde bereits genannt, von meinen Vorrednern, aber auch von Marcus Decimus Aquila selbst, als wir ihn hier befragt haben. Die Einwände, die bereits bei der Befragung geäußert wurden und jetzt wieder, von den Senatoren Sextus Aurelius Lupus und Lucius Flavius Furianus, diese Bedenken, nein, die teile ich nicht.
    Marcus Iulius Dives hat bei seiner Befragung durch den Senat geäußert, dass er gerne den Decemviri litibus iudicandis zugeordnet werden möchte. Ich sehe keinen Grund, ihm das zu verwehren.“


    Aelius Quarto machte eine kurze Pause, während der er sich demonstrativ an die Nase fasste.


    “Verehrtes Kollegium; in Rom stinkt es! Ihr werdet sagen, dass es seit Menschengedenken nie anders war, und damit habt ihr recht. Doch dieser Tage ist es schlimmer als sonst. Auf meinem Weg, heute, als ich hierher in die Curia Iulia kam, da sah ich sehr viel Unrat auf den Straßen. Exkremente von den nächtlichen Fuhrwerken, Abfall, dessen Herkunft ich lieber nicht genauer ergründen wollte, Schmutz. Ihr werdet sagen, auch dies sei kein ungewöhnlicher Anblick und auch damit habt ihr recht. Doch es ist, wie der Gestank, schlimmer noch als sonst.
    Darum sage ich, dass wir im kommenden Jahr fähige Männer brauchen, die sich dieses Problems mit Fließ und Tatkraft annehmen. Männer wie Lucius Tiberius Lepidus! Als er hier im Senat war, hat er mich für sich eingenommen. Ein guter Mann, wie mir scheinen will, jemand, den ich gerne bei den Quattuorviri viis in urbe purgandis sähe.“

    Sehr lange musste der Kaiser nicht warten. Lucius Aelius Quarto betrat das Arbeitszimmer mit leise schlurfenden Schritten. Kurz blickte er sich um, prüfenden Blickes und mit tief gefurchter Stirn.
    Seit seiner Rückkehr nach Rom hatte er dieses Zusammentreffen erwartet. Doch jetzt, wo es dazu kam, fiel Quartos Begrüßung knapp aus: “Appius Cornelius, salve!“


    Er musterte sein Gegenüber ernst. Sie kannten einander natürlich aus dem Senat. Cornelius Palma war etwas jünger als Quarto, hatte seine Karriere im Cursus Honorum jedoch vor ihm begonnen. Früher als er, wurde er Praetor, dann allerdings erst nach ihm zum ersten mal Consul. Sie gehörten mehr oder minder einer Senatorengeneration an und hatten einige Zeit gemeinsam auf den Bänken der Consulare in der Curia Iulia gesessen. Anders als Quarto war Palma allerdings auch oft und lange aus Rom fort gewesen, als Legat einer Legion, oder mehrfach als Statthalter einer der östlichen Provinzen. Wirklich viel hatten sie nie miteinander zu tun gehabt.


    “Ich... ähm... nein, wie bedanken uns für die Einladung. Denn, hier, ich habe meinen Sohn mitgebracht; Gaius Aelius Paetus.“

    Zitat

    Original von Aulus Iunius Avianus
    "Salve, Consular Aelius", wurde kurz höflich gegrüßt.
    Einen kurzen Blick warf die Wache noch auf das Schreiben, in der Hand des Sohnes. Die Einladung war einwandfrei, weshalb sich der Senator nicht länger von den Wachen aufhalten lassen musste, sondern die Erlaubnis bekam zu passieren. "Ihr könnt durch."


    “Danke.“, sagte Quarto zufrieden. Dann begab er sich zur Domus Flaviana, wo man ihn bereits erwartete. Seinem Sohn bedeutete er, ihm zu folgen.

    Vom Bezirk des Circus Flaminius zum Clivus Vestae, der zum Palatin hinauf führte, war es nicht allzu weit. Ein jüngerer Mann hätte den Weg ohne große Beschwernis zu fuss bewältigt. Aber Aelius Quarto war nicht jung, sondern schon ziemlich alt und leichtfüßig ganz und gar nicht mehr. Also ließ er sich in einer Sänfte bis dorthin tragen, wo die Prätorianer den Eingang zum Palatium Augusti bewachten. Bei ihm war, wie immer in letzter Zeit, sein Sohn Gaius.


    Am vorläufigen Ziel angekommen, hielten die Träger an und stellten die Sänfte ab. Der alte Consular stieg etwas umständlich aus, tat ein paar Schritte und sah blinzelnd zum Palastgelände hinauf. Es war ein vertrauter Anblick. Wohl kaum einer kannte diesen Hügel so gut wie er.


    Einen Augenblick verharrte Quarto so, bevor er die letzten Schritte schlurfend tat, um vor einen der Wachhabenden zu treten.


    “Salve! Ich bin Lucius Aelius Quarto!“, sagte er, als müsse das sowieso jeder wissen.
    “Ich habe eine Einladung erhalten.“


    Er wies auf Paetus.
    “Das ist mein Sohn, Gaius Aelius Paetus. Er begleitet mich. Gaius, zeig dem Mann das Schreiben des Primicerius ab epistulis!“

    “Mmh, ein paar namenhafte Fürsprecher sind dir also schon einmal sicher. Aber man wird abwarten müssen, wie immer. Wurden wir nicht häufig bei den Wahlen überrascht?“, meinte Quarto, bevor Livianus die Aufmerksamkeit der Runde auf den den jungen Decimus Aquila lenkte.

    “Ja, natürlich, ich bin dein Patron. Ich unterstütze dich und werde für dich sprechen.“
    Quarto fuhr sich über den Bart.
    “Hast du noch andere, namenhafte Befürworter? Die politische Situation ist unübersichtlich. Ich wüsste momentan nicht zu sagen, welche politischen Lager es überhaupt gibt und wie sie sich voneinander abgrenzen.“

    “Wenn ich zu ihm gehe, dann bestimmt nicht als Bittsteller. Der Bürgerkrieg hat Rom gespalten. Selbst die Gegner des Usurpators zerstreiten sich jetzt, wo er tot ist. Cornelius hat nur dieses Testament. Nur das legitimiert ihn und ich habe vorher nie etwas davon gehört. Mein Bruder hat ihn vor seinem Tod nicht zum Caesar ernannt. Wenn er glaubt, auf unsere Unterstützung verzichten zu können, dann ist er ein leichtsinniger Narr. Nein, mein Kind, wir sind nicht unbedeutend, wir sind relevant!“


    Quarto glaubte daran, auch wenn manch einer ihn dafür vielleicht verspottet hätte, angesichts des Sieges von Palma und den Legionen, die treu hinter ihm standen. Dieser Duccius Vala hatte ihn das deutlich spüren lassen. Aber der alte Consular war von der eigenen Bedeutung nach wie vor überzeugt.

    “Ich werde mit ihr reden und sie fragen, wie sie zu dazu steht, sich wieder neu zu verheiraten... mit dir. Wenn sie es gut aufnimmt, dann werde ich es dich wissen lassen und du kannst um ihre Hand anhalten. So ist es besser. Damit ersparen wir uns unnötige Komplikationen.“

    “Ich habe mich gezeigt, ich habe alte Verbindungen erneuert und neue geknüpft. Es stehen nach wie vor viele namenhafte Männer und manche Familien hinter mir. Appius Cornelius wird nicht an mir vorbei kommen. Er kann es sich nicht leisten, uns noch lange zu ignorieren. Es gibt da einen jungen Senator aus seinem Umfeld. Er heißt Duccius, Duccius Vala. Mit ihm haben wir vereinbart, dass er ein Treffen arrangiert. Dabei wird sich dann hoffentlich zeigen, was wir zu erwarten haben.“

    “Eine gute Antwort, Lucius Tiberius Lepidus. Ich begrüße es ausdrücklich, dass du die Gemeinschaft betonst und von 'Wir' sprichst. Aber mir zeigt der heutige Tag überdeutlich, hier in der Curia Iulia, dass die Krise noch lange nicht überwunden ist. Ich fürchte, dass die aufgerissenen Gräben sehr tief sind. Vielleicht haben wir den Frieden der Götter noch nicht wiedererlangt.“


    Quarto machte ein demonstrativ trauriges Gesicht.


    Dann straffte er sich jedoch, zumindest so weit es ging, und wandte sich erneut dem Kandidaten zu.
    “Du hast mehrfach deine juristischen Kenntnisse betont. Konntest du sie bereits praktisch anwenden, in einem Prozess, als Ankläger oder Verteidiger? Oder beschränken sich deine Kenntnisse bislang auf das Theoretische?“

    “Gaius? Ach, er ist ein sehr kluger Junge. Nur leider ist er manchmal zu ungeduldig und zu vorlaut. Er mischt sich manchmal in die Gespräche der Älteren ein, ohne gefragt zu werden und er kann dabei nicht immer verbergen, dass er meint, es besser zu wissen. Aber, na gut, er ist jung und muss noch lernen sich zu zügeln. Bisher hatte er noch kein Amt inne, konnte und musste sich noch nicht beweisen. Man hat ihn freundlich aufgenommen. Das kommt aber, weil er mein Sohn ist. Er wird sich bemühen müssen, dass man ihn um seiner selbst schätzt. Doch die wirkliche Probe kommt ohnehin erst, wenn er für den Cursus Honorum kandidiert. Der Senat kann eine Schlangengrube sein, in der es ein junger Mann nicht immer leicht hat. Dann wird man sehen. Aber es hat noch ein wenig Zeit.“

    “Mmmmh.“, machte Quarto und war scheinbar noch immer nicht recht zufrieden. Doch dann lenkte er ein, zwar widerwillig und nicht so, dass er den Zweien einfach Recht gab, zumindest nicht direkt, aber immerhin sagte er: “Wir sollten sie zunächst einmal fragen, was? Vielleicht will sie dich ja gar nicht. Aber wenn doch, na, dann werdet ihr zwei meinen Segen haben.“

    Recht bedrohlich runzelte Quarto bei Livianus' Worten die Stirn. Seine Lippen presste er fest zusammen, so dass sein Gesicht ein recht widerwilligen Ausdruck annahm.


    “Ich habe mich an ihre Anwesenheit gewöhnt. Ich gebe sie nicht gerne her.“, sagte er, was keine direkte Antwort war, dazu recht egoistisch und einsilbig, aber zweifellos ehrlich.

    “Ja, ja, den beiden geht es gut. Sie sind bei mir, im Haus der Germanii, wo wir bis auf weiteres untergekommen sind. Und meine Nichte lebt seit dem Tod ihres Gatten das Leben einer sittsamen und ehrbaren Witwe. Sie hat nicht erneut geheiratet. Obwohl sich jeder Mann glücklich schätzen könnte, so wie ich glücklich bin, dass sie sich jetzt um das Wohlergehen ihres alten Onkels kümmert.“


    Quarto war eigennützig genug, seine Nichte nicht unter allen Umständen wieder hergeben zu wollen.

    Aelius Quarto ergriff an dieser Stelle das Wort.


    “Marcus Decimus Aquila, erlaube mir eine Frage. Du sagtest, dass du bei Senator Duccius Vala als Tiro fori tätig warst. Welche Rolle hat er in den vergangenen Jahren gespielt, also was, frage ich, was hat Titus Duccius Vala getan? War er ein Anhänger und Unterstützer des Thronräubers und Mörders Salinator? War er das? Hast du bei ihm gelernt, dass seine Regentschaft... nein: seine Tyrannei... also, hast du an seinem Beispiel, an Senator Duccius' Beispiel erfahren, dass sie richtig und gerecht war?“


    Es war natürlich eine rein rhetorische Frage, denn im nächsten Moment beantwortete er sie selbst:
    “Nein! Natürlich nicht! Titus Duccius Vala gehörte zu jenen, die ihn bekämpft haben, den Usurpator, als Tribunus bei der Legio VIII Augusta. Das wissen wir. Und wir wissen, dass er dir ein Tirocinium fori angeboten hat. Stehst du deshalb im Verdacht, dem Unrechtsregime des Mörders nahe zu stehen? Wohl kaum!“


    Er machte eine kurze Pause. Dann wies er mit der leicht zitternden Rechten auf den Kandidaten.
    “Dieser junge Mann dort, er hat uns versichert erkannt zu haben, was Unrecht ist und zu wissen, dass es Unrecht bleibt, auch wenn man in guter Absicht handelt. Es gibt viele Ältere, die diese Wahrheit niemals sehen können und selbst die größten Dummheiten noch mit honorigen Absichten zu rechtfertigen suchen.“


    Der alte Consular breitete die Arme aus, als wolle er das ganze Plenum umarmen.
    “Wir sollten in die Zukunft schauen, gemeinsam. Wir sollten jungen Männern nicht länger die Vergangenheit vorwerfen. Es gilt ein Haus zu renovieren und in neuer Pracht zu errichten, dass Haus des römischen Staates. Das müssen die Jungen tun, Männer wie Marcus Decimus Aquila. Männer wie er, die in mir die Hoffnung wecken, dass aus guten Absichten auch gute Taten erwachsen. Ich werde ihn wählen!“