Beiträge von Lucius Aelius Quarto

    Während sie durch die Räume gingen und mal hier, mal da ein paar alte Sachen anhoben und darunter schauten, fiel Quarto etwas ein:
    “Sag, hast du jetzt eigentlich eine Anstellung hier in Rom gefunden? Und wo wohnst du zur Zeit, noch immer in diesem Gasthof?“

    “Gaius Scribonius Curio, genau das wäre mein Bestreben, wenn ich gewählt würde. Sollten die Wähler mir ihr Vertrauen schenken und sollten auch nach der Amtszeit der jetzt amtierenden Quaestorin principis noch unbearbeitete Lücken vorhanden sein, dann wäre es mein erklärtes Ziel auch diese zu schließen. Ich weiß sehr wohl, dass dies keine leichte Aufgabe ist, doch ich will mich ihr gerne stellen. Für jede Hilfe, die mir dabei angeboten würde, wäre ich natürlich sehr dankbar.“


    Quarto hörte den Einwurf der gerade erwähnten Quaestorin: “Wie bereits gesagt, kenne ich die Gründe für diese Lücken nicht und ich maße mir da auch kein Urteil an. Ich bin mir sicher, dass du gute Arbeit leisten wirst. Aber jeder hätte Verständnis, wenn die bis heute entstandenen Lücken nicht innerhalb einer Amtszeit gefüllt werden könnten.“


    PORTA


    Das ist die Domus Aeliana, der Stammsitz der Gens Aelia. Der zweigeschossige Gebäudekomplex liegt am west-
    lichen Rand des Palatium Augusti, auf der dem Tiber zugewandten Seite des Palatinus. Besucher sind herzlich
    willkommen. Tretet ein, ihr werdet auf dem Vorhof von einem dienstbeflissenen Sklaven in Empfang genommen.

    Er strich nochmals seine geweißte Toga candida glatt, dann schritt er auf die Rostra und begann mit lauter Stimme zu sprechen:
    “Volk von Rom, hört mich an! Römerinnen und Römer, mein Name ist Lucius Aelius Quarto und ich will euch eine Geschichte erzählen.


    Sie handelt von einem Mann, der hatte einst ein wunderschönes, liebliches Weib. Sie verkörperte all die Tugenden, die man in alter Zeit einer römischen Frau hoch ansah.
    Sie war proba – rechtschaffen. Piissima – gewissenhaft. Pia – fromm. Officiosa – pflichtbewusst und, wie ich bereits sagte, pulcherrima – wunderschön und incomparabilis - unvergleichlich.
    Lange Zeit lebte der Mann mit seiner Frau in glücklicher Zweisamkeit, concorditer – einträchtig, sine fraude – ohne Betrug und sine iracundia – ohne Jähzorn.
    Doch dann vergaß der Mann, welch Geschenk ihm die Götter mit seinem Weib gemacht hatten. Er ehrte sie nicht mehr, wie es geboten gewesen wäre. Er stieg billigen Flittchen nach und gab sich dem Vergnügen hin. Er hortete sein Geld und beschenkte seine Frau nicht mehr, wie er es früher getan hatte. Er wurde selbstsüchtig und ignorant.
    Da geschah es, dass ein Nachbar dessen gewahr wurde. Und weil der Mann sich nicht mehr um sein Weib und seine Ehe kümmerte, stellte der Nachbar der Dame nach. Dreist machte er ihr schöne Augen und sang ihr güldene Liedchen vor. Doch das schöne Weib verwehrte sich ihm.
    Aber dann, eines Tages, durch die Ignoranz des Ehemannes ermutigt, stahl er sie einfach und ging fort mit ihr. Da schrie der Verlassene und drohte und zeterte. Doch es war zu spät. Er sah sein Weib niemals wieder und starb vor Kummer.


    Liebe Mitbürger, warum erzähle ich Euch diese Geschichte? Weil dieses Eheweib ein Gleichnis für Rom ist! Ebenso wie sie, ist das Imperium Romanum wunderschön, unvergleichlich und ein Geschenk der Götter an uns!
    Lange Zeit lebte ich in der Fremde und als ich nach Rom zurückkehrte, da sah ich Vieles was mir gefiel. Gegenüber der Zeit meiner Jugend, hatte sich manches getan und zum Guten verbessert. Die Straßen sind heute verhältnismäßig sicher, der Staat wird gut und nach fest gefügten Gesetzen regiert, es gibt keine Todeslisten und keine Willkür mehr. Wir haben einen gütigen und gerechten Kaiser.


    Doch vielleicht hat uns dies auch träge gemacht. Vielleicht wissen wir Rom und was es uns gibt, nicht mehr zu schätzen. Vielleicht vernachlässigen wir seine Werte und ergehen uns in kleinlichem Gezänk und haben viel zu sehr das persönliche Wohl im Blick.
    Mag sein, dass wir unachtsam waren und selbstsüchtig, so wie der Mann, von dem ich Euch erzählt habe. Sollte das die räudigen Hunde aus ihren Löchern hervorgelockt haben, die nun an unserer Porta kratzen und uns unser Weib, unser Rom stehlen wollen?
    Kann es sein das sich die Götter von uns abgewandt haben, weil wir ihnen zuwenig Beachtung entgegenbrachten und ihre Riten vernachlässigtem? Zürnen sie uns?


    All das haben schon vor mir ehrbare Frauen und Männer auf dieser Rostra vorgetragen. Sie haben uns zu Einigkeit und Pflichtbewusstsein aufgerufen. Sie haben uns gemahnt, die Götter wieder mehr zu achten und sie zu ehren und in unserem Leben einen wichtigen Platz einnehmen zu lassen.
    Was sage ich daraufhin?
    Ich sage: Ja, genau das sollten wir tun! Wir müssen zusammenstehen und einig den gemeinsamen Feind vor unserer Tür vertreiben. Unser Rom stiehlt uns kein Laeca und kein Sertorius. Wir werden wachsam sein!


    Aber wie soll man sich der alten Werte erinnern? Wie soll man wissen, was Rom ausmacht? Wie können wir erkennen, was unsere ruhmreichen Vorväter an unserer Stelle getan hätten?
    Dafür haben wir die CHRONICUSA ROMANA, die Niederschrift all dessen was war, wie und warum unser Imperium zu dem wurde, was es heute ist.
    Aber die Chronik, die eine Seele unseres Reiches darstellt, die uns jetzt Halt und Rat geben könnte, diese Schrift ist in einem erbärmlichen Zustand!
    Weite Teile liegen brach. Vieles wurde vergessen und manches niemals niedergeschrieben. Sie ist lückenhaft geworden und sie wurde seit langer Zeit nicht mehr auf den neuesten Stand gebracht.


    Warum das so ist, wie es dazu kam? Ich vermag es nicht zu sagen. Es wird Gründe geben, Ursachen, die ich weder ergründen noch werten will. Ich sehe nur was ist, und es macht mich traurig.
    Hoffnung macht mir jedoch unsere junge Quaestorin Principis, Sinona Vesuvia. Sie wird sich sicher dieser Sache annehmen und die Lücken schließen. Sie wird die Aufzeichnungen fortführen und gute Arbeit leisten.
    Doch diese Arbeit muss auch danach fortgeführt werden. Jemand muss sich dieser Aufgabe erneut stellen.


    Ich möchte diese Arbeit tun. Darum kandidiere ich hiermit für die Quaestur und strebe für das kommende Jahr das Amt des Quaestor Principis an.“

    Quarto nippte nachdenklich an seinem Wein. Dann riss er sich aus seinen Gedanken los.
    “Ja, vielleicht sollten wir in der Tat über andere Dinge sprechen.
    Zum Beispiel über den nächsten Gang. Hadrianus, mit was überraschst du uns als nächstes?“

    “Man soll für selbstständig halten, dass unterschieden wird zwischen Patriziern erster und zweiter Klasse? Nun, ich kann mir vorstellen das dieses Thema vielen Plebejern herzlich egal sein wird…“
    Er stellte seinen frisch gefüllten Becher ab.
    “…doch möchte ich mir gar nicht den Aufschrei ausmalen, der sich innerhalb der Patrizier erhebt, wenn eine Familie von ihnen den anderen vorgezogen würde.“
    Er nahm einen Schluck und überlegte.
    “Aber wenn du bereits mehrfach derlei gehört hast, dann scheint mehr an der Sache zu sein, als ich zunächst vermutet habe. Sehr interessant.“