Beiträge von Lucius Aelius Quarto

    “Senator Germanicus Avarus mag ein schwieriger Mann sein. Er ist stur, polemisch manchmal und bisweilen auch verletzend. Und er ist ein Mann, der seinen Vorteil sucht. Aber letztlich ist er ein loyaler Diener Roms und ein treuer Gefolgsmann des Hauses Ulpia, daran musste ich niemals zweifeln.
    Es ist kleinlich und töricht, ihm diese lange zurückliegenden Worte bis heute und immer wieder bei jeder sich bietenden Gelegenheit vorzuwerfen. Was er gesagt hat, dass hätte er nicht sagen sollen. Es war eine polemische Äußerung, eine Übertreibung und er ist damals zu weit gegangen. Doch dafür hat er bezahlt und es ist Vergangenheit. Heute müssen wir, die wir das Richtige wollen, in die Zukunft schauen und zusammenstehen. Es ist an der Zeit, diese alten Querelen zu beenden. Ich selbst tue es auch und bin bereit, den alten Zwist mit den Flaviern beizulegen und meinen Frieden mit ihnen zu machen.
    Du, Manius Tiberius, du und Senator Germanicus, ihr solltet diesem Beispiel folgen. Ihr müsst keine Freunde werden. Aber Frieden halten, ja, dass solltet ihr, um der gerechten Sache willen.“


    Quarto hatte lange geschwiegen. Umso eindringlicher redete er jetzt auf seinen Gastgeber ein.

    “Gegen dieses Ziel ist nicht einzuwenden, nein, gar nichts.“


    Er zupfte mit spitzen Fingern an den Falten seiner Toga, während er kurz nachdachte.
    Dann sah er auf und seinen neuen Klienten direkt an.


    “Die Vigiles!“, sagte er unvermittelt. “Die Vigiles von Rom! Dort werden viele Peregrini beschäftigt. Du hättest deshalb bestimmt keine Nachteile, wegen deiner griechischen Herkunft. Und sie suchen immer gediente Männer, die mit der Waffe umgehen und zupacken können. Sie werden von Numerius Scaevius Camerinus angeführt, dem Praefectus Vigilum. Ich kann nichts Schlechtes über ihn sagen. Mit einer Empfehlung von mir sollte er dich wohl nehmen und ich könnte mir denken, dass die Vigiles einem fähigen Mann durchaus gute Aufstiegschancen bieten – wenn er die Nacht nicht fürchtet.
    Mit welchen Rang wurdest du entlassen, sagtest du?“

    “Mmh...“, machte Aelius Quarto da und strich sich in der für ihn so typischen Geste über den Bart.
    “Ich helfe dir natürlich gerne. Dafür ist ein Patron schließlich da. Und auch wenn ich dich noch nicht gut kenne, zweifel ich nicht daran, dass du für diesen Posten geeignet wärst. Ja, bestimmt würdest du deine Sache gut machen.
    Doch leider hat – ein dummer Zufall – genau dieses Amt bereits ein anderer meiner Klienten im Sinn. Und ich habe ihm bereits zugesagt, ich würde mich für ihn einsetzen, dass er berufen wird. Nun kann ich schlecht zwei Männer für ein und dasselbe Amt empfehlen.“

    Er machte ein bedauerndes Gesicht.


    “Aber vielleicht käme noch etwas anderes infrage?“

    Etwas mühsam erhob sich anschließend Aelius Quarto. Er wirkte etwas niedergeschlagen, was kaum verwundern konnte, waren doch alle seine Klienten bei den Wahlen gescheitert. Er empfand dies wohl auch als persönliche Niederlage.


    Kurz angebunden gab er seine Stellungnahme ab:
    “Ich sehe keinen Grund, den neu gewählten Magistraten zu verwehren, was sie als Aufgabe erbeten haben.“


    Mehr sagte er nicht.

    “Und ihr würdet außerdem öffentlich anerkennen, was ohnehin schon rechtskräftig festgestellt wurde? Das nämlich die erzwungene Scheidung Longinas von meinem Onkel Lucius Aelius Lamia ungültig war und deshalb auch ihre Ehe mit dem Mann, dessen Namen wir nach euren Wünschen künftig wieder aussprechen sollen?“

    “Er ist bei seinem Vater in Misenum. Seine Mutter Livilla hält ihn vor der Öffentlichkeit verborgen, weil sie fürchtet, sein Charakter könnte verdorben werden, wenn er zu früh mit der ganzen Last seiner Stellung konfrontiert wird. Er ist ein Knabe, noch kein Mann. Aber gelehrig soll er sein und gesund, ein braver und bescheidener Junge.“, antwortete Quarto auf Durus' Frage.


    Als aber Lucianus die Einigkeit des Senats beschwor und den Patrizier fragte, ob man nicht für dieses Ziel die alten Differenzen überwinden könne, die es hier und dort gab, da schaute er ihn erwartungsvoll an.

    “Oh, Griechen und Römer sind doch gleich Brüdern; unterschiedlich in ihrer Natur und doch von verwandter Art. In einer Welt voller Barbaren sind die römische Kultur, und die griechische, wie zwei Flammen, die miteinander verschmelzen, sich ergänzen und gegenseitig anfachen, um die Dunkelheit zu erhellen.“, meinte Quarto freundlich.
    Er hatte seine Jugend in Achaia verbracht, so dass ihm nicht ganz fremd war, wovon er sprach.


    “Ein Wein, ja, wir sollten auf unsere Verbindung anstoßen.“



    Zu einem seiner Sklaven umgewandt: “Bring uns Wein. Den hellen Falerner, den bring uns!“

    “Argos in der Argolis? Du bist also ein echter Grieche reinsten Blutes? Und als solcher hast du unter dem Adler gedient und dir das römische Bürgerrecht verdient?
    Wie ungewöhnlich! Wirklich ungewöhnlich aber auch beeindruckend. Es gibt wohl nicht viele wie dich, oder? Griechen in den römischen Truppen sind eine Seltenheit, es sei denn als Ärzte oder als Bogenschützen, nicht wahr?
    Aber du warst bei den Reitern. Und jetzt bist du Praepositus Stationariorum... mmh.“


    Wieder spitzte Quarto nachdenkend die Lippen. Dann entschied er sich.


    “Also gut, einverstanden! Du wirst mein Klient und ich werde dein Patron sein!“

    Zitat

    Original von Aulus Flavius Piso
    Trotz aller familiären Differenzen schienen sich Piso und Quarto zu verstehen. Er nickte nur, es war klar, dass Quarto verstanden hatte. „Selbstverständlich hoffe ich ebenfalls nicht, dass es zu so einen Fall kommt. Wenn aber jener Mann mehr Macht sucht, als ihm zusteht... das wird ein Debakel. Ich denke, in der Stadt Rom selber hat er wenig Unterstützung... aber in den Provinzen schaut es anders aus...“, gab er zu Bedenken.
    „Es freut mich ganz außerordentlich, das von dir zu hören.“ Piso meinte es ehrlich. Die Aussöhnung der Aelier und der Flavier, ein Ziel, dass er selber schon lange vor Augen gehabt hatte, schien zum Greifen nahe! „Ich könnte mit jenen dreien reden. Sicher hätte sie Zeit, mit dir die Lage zu besprechen, und eine Übereinkunft zu finden. Aber du musst bedenken, dass meine Gens einen lang gehegten Wunsch hat, den du zu erfüllen imstande bist. Die Aufhebung der damnatio memoriae einer Person, die ich weder erwähnen muss noch darf.“ Piso blickte Quarto forschend an. Könnte er dies überhaupt?


    Erwartungsgemäß verfinsterte sich Quartos Blick.
    “Die Aufhebung der damnatio memoriae? Das ist die Bedingung der Flavier für eine Verständigung? Ein hoher Preis! Ein wirklich hoher Preis, den du da verlangst!“

    Aelius Quarto spitzte die Lippen.


    “Ein Neubürger bist du also? Und du hast dir in Germanien das Bürgerrecht verdient? Mmh... gut, gut.“


    Er strich sich nachdenklich und noch etwas zögernd über den Bart. Scheinbar war er durchaus gewillt, sich etwas länger Zeit für Eprius Seleucus zu nehmen.


    “Dein Ansinnen ehrt mich.“, sagte er, fragte dann aber: “Wenn du nicht als Römer geboren wurdest, bitte verzeih mir meine Neugierde, aber von woher stammst du dann?“


    Die griechischen Elemente im Namen seines Gegenüber waren für jeden deutlich erkennbar, aber die griechisch geprägte Welt war groß.

    Hier schüttelte Aelius Quarto energisch den Kopf.


    “Daran will ich nicht denken. Ich bete zu den Göttern, dass der Tag in weiter Ferne liegen möge, da sie meinen Bruder zu sich rufen. Nein, meine Hoffnung ist, dass er sich erholt und noch lange Jahre unser Reich regieren kann.“


    Er sprach sehr entschieden und sein Tonfall änderte sich auch nicht, als er fort fuhr:
    “Doch wenn dieser Tag kommt und der Imperator Caesar Augustus seinen letzten Weg antreten muss, dann gibt es vor dem Gesetz nur einen möglichen Nachfolger, nämlich seinen Sohn Publius Ulpius Maioranus. Ich weiß, er ist noch ein Knabe und deshalb außerstande, das Imperium aus eigener Kraft zu regieren. Doch eines Tages wird er es können.
    Salinator jedoch, nein, er kann niemals auf Valerianus folgen. Er kann es nicht und er darf es nicht. Die Götter mögen es verhüten, aber wenn morgen der Tag wäre, da mein Bruder sterben müsste und der Praefectus Urbi griffe nach der Macht, dann wäre es Raub, nichts weniger als ein schamloser Raub!“


    Er sah seine Gesprächspartner eindringlich an.
    “Da sind wir uns doch einig?“

    “Er vertraut diesem Mann, Manius Tiberius. Er betrachtet ihn als seinen Freund. Was tätest du, wenn jemand etwas schlechtes über einen Freund berichtet und dir sagt, dieser Freund wäre eine Gefahr für dich? Was tätest du, selbst wenn es ein naher Verwandter und Vertrauter wäre, der dir das sagt? Du würdest diesen Freund ohne Zweifel schützen wollen und nach Beweisen verlangen. Die Worte desjenigen, der warnt, würden sich deshalb rasch gegen ihn selbst wenden. Zumindest dann, wenn er nicht belegen kann, was er sagt und handfeste Gründe benennt. Und selbst dann kostet es noch große Überwindung, sich einzugestehen, dass man sich in einem Menschen geirrt hat. Was aber, meinst du, könnte ich dem Kaiser heute über Salinator sagen? Was hat er bisher getan?“

    “Ja.“, antwortete Quarto. “Der Imperator Caesar Augustus hält sich im schönen Misenum auf. Soweit geht es ihm gut. Aber seine Leibärzte haben ihm geraten, dass gesunde Klima Campanias noch etwas länger wirken zu lassen und die frische Luft der See. Natürlich ist es richtig, dass er auf sie hört. Also bleibt er noch für eine Weile. Wann er zurückkehrt, dass vermag ich im Augenblick nicht zu sagen. Aber seine Gedanken sind bei uns in Rom.“

    “Der Senat ist die Seele unseres Staates. Er kann mehr tun, als in den Gesetzen stehen mag, denn er kann symbolische und dennoch machtvolle Zeichen setzen. Und er ist wie das Lot des Maurers, das ihm sagt, ob alles nach Maß und Plan gedeiht, oder krumm zu werde droht. Aber natürlich hast du recht, Manius Tiberius, in dieser Stunde wäre es töricht, würde der Senat sich in offene Opposition zum Praefectus Urbi begeben. Der Mann ist der Stellvertreter des Imperators Caesar Augustus in Rom und der hat ihn persönlich dazu berufen.“


    Er machte eine kurze Pause. Scheinbar war er noch nicht gewillt, die Maske vollständig fallen zu lassen. Sein Gastgeber stand ihm zwar nah wie sonst kaum ein Patrizier, aber wie stand er zu Vescularius Salinator? Und wenn er gegen ihn war, wie entschieden und mit welcher Vehemenz?


    “Weiß er das? Weiß Valerianus wirklich, was in Rom vor sich geht? Man sollte es meinen. Der Praefectus Urbi informiert ihn regelmäßig und holt seine Zustimmung ein, wenn Entscheidungen von großer Tragweite zu treffen sind, die über das Alltägliche hinausgehen. Mann sollte doch annehmen, dass es genau so ist, oder?“
    War da ein ironischer Unterton in seiner Stimme?


    Noch eine Pause.


    Dann, nicht mehr ironisch sondern bitterernst und mit leicht gedämpfter Stimme: “Erwartet nicht, dass der Kaiser bald zurückkehrt. Nicht in dieser Woche, nicht in der kommenden, und auch nicht in der danach. Vielleicht bleibt er sogar den Winter über in Campania. Ich habe ihm geschrieben, es wäre gut, wenn er bald wieder hier wäre. Fast habe ich ihn gedrängt, obwohl, die Götter mögen es mir verzeihen, ich ihn nicht dazu drängen sollte. Nur um des Staates Willen tat ich es.
    Aber er wird nicht kommen, auch weil er glaubt, oder glauben will, hier sei alles in bester Ordnung und Vescularius Salinator der richtige Mann, ihn zu vertreten.“