Beiträge von Aulus Iunius Tacitus

    Terpanders Antwort zeigte in eine andere Richtung, als ich es erwartet hatte. Doch besser machte es das nicht.


    "Nun, Terpander, um noch einmal auf den Liebhaber zurückzukommen, so bin ich überzeugt, dass wir hiermit unterschiedliches gemeint haben. Allerdings muss ich dich in einigen Dingen korrigieren, zumindest was die Sicht eines Philosophen anbetrifft. Der Beischlaf sollte ausschließlich der Zeugung von Nachkommen dienen, unabhängig davon, ob hierbei Spaß entsteht oder nicht. Spaß jedoch ist etwas, das einem echten Philosophen fremd sein sollte. Ein Philosoph sollte nach Zufriedenheit streben und nach Harmonie in sich selbst, aber auch mit der Welt. Das rechte Maß ist Grundlage jedweder die Erkenntnis fördernder Philosophie."


    Womit ich etlichen philosophische Schulen ihre Eignung zum Erkenntnisgewinn absprach. Das war mir natürlich klar, entsprach aber auch meiner Meinung.


    "Entsprechend gilt, dass Zufriedenheit ein erstrebenswerter Zustand ist, Spaß hingegen als Übermaß an Vergnügen abzulehnen ist. Man sollte stets bedenken, dass jedes Übermaß schädlich ist. Zufriedenheit ist daher vor allem durch Genügsamkeit zu erreichen. Womit, lieber Stilo, wir auch schon bei deiner Bemerkung sind. Denn hier liegst du zumindest teilweise richtig, dass alles im Gleichgewicht sein muss. Jedoch muss ich sagen, dass ich der Inszenierung von epischen Geschichten und historischen Ereignissen stets skeptisch gegenüber stehe, findet diese doch aus der Sicht des Autors eines Bühnenstückes statt, so dass eine subjektive Verzerrung inhärent ist."


    Während wir sprachen, stellte ich meine Skizze des Aquädukts fertig. So schweifte mein Blick über das Flussbett des Vardo. Mir fielen einige größere Steine auf, die auf allen Seiten rund zu sein schienen. Das deutete darauf hin, dass ein Hochwasser solche Steine transportieren konnte. Aus der Größe dieser Steine könnte man sicher die Kraft des Wassers berechnen und daraus wiederum die nötige Widerstandskraft der Pfeiler.

    Ich dachte einen Moment lang nach, musste mir aber eingestehen, dass ich Terpander nicht verstand.


    "Möglicherweise haben wir hier ein Definitionsproblem und meinen unterschiedliche Dinge. Ich sehe starke Emotionen generell kritisch, weil sie unsere Urteilsfähigkeit stark beeinträchtigen. Liebe gehört dazu, so dass ein Liebhaber, rein grammatisch gesehen, ein Mensch ist, der von Liebe geleitet wird. Entsprechend sehe ich hierin eine Gefährdung des effizienten Erkenntnisgewinns. Dabei ist es auch unerheblich, ob man Liebhaber einer Person oder einer Sache ist. Als Ausnahme muss hier die Philosophie als Liebe zur Weisheit gelten, ist doch diese Liebe nicht emotional zu sehen, sondern als eine Liebe, die unmittelbar von der Vernunft ausgeht und nicht von den eher tierischen Instinkten, die uns ebenfalls innewohnen. Natürlich haben die Instinkte auch ihre Berechtigung, sichern sie doch unser Überleben. Insofern ist die Existenz der Instinkte durchaus vernünftig, jedoch sind es instinktgetriebene Handlungen nicht."

    Das musste ich kommentieren und philosophisch einsortieren.


    "Du hast völlig Recht, dass ein Bauwerk nicht aus dem Nichts kommt, sondern zunächst eine Person die idéa des Bauwerks erkennen und durchdringen, bevor diese zu Papier gebracht wird und hierdurch zum eídos wird, welches dann in eine physikalische Form, eben das Bauwerk, gebracht wird. Es bedarf hierzu eines Menschen, der zu hoher Erkenntnis befähigt wird. Das mag ein Philosoph sein, aber auch ein philosophisch gebildeter Baumeister, der seinen Geist gut geschult hat, vermag dieses. Wichtig ist es, den Geist zu schulen und Wesentliches von Unwesentlichem und Wahres von Falschem zu trennen. Wobei Falsches auch jene Dinge umfasst, die zwar real sind, aber falsch wahrgenommen werden. Das heißt, Trugbilder der wahren Beschaffenheit. Allzu oft nehmen wir nur Trugbilder wahr, deren wahre Form erst nach philosophischer Erörterung erkannt wird. Deshalb ist es richtig, den Verstand nicht abzulenken. Und hiermit kommen wir zum Theater. Die meisten Stücke sind bloße Unterhaltung und damit Ablenkung. Doch auch jene, die einen bildenden Zweck verfolgen, sind oftmals nicht von reiner Erkenntnis geprägt. Nicht ohne Grund verwirft Platon in seiner Politeia die Dramen und Epen, weil sie eben oft nicht die gewünschte Moral oder Bildung vermitteln. Insofern hast du auch darin Recht, dass Theaterbesuche der Erkenntnis nicht förderlich, mithin sogar schädlich sind. Was allerdings den Hinweis auf die Fähigkeiten als Liebhaber anbetrifft, so sei angemerkt, dass auch dieses eine Ablenkung des Geistes ist, die man möglichst vermeiden sollte."


    Kurz dachte ich nach, bevor ich ergänzte:


    "Andererseits muss natürlich auch berücksichtigt werden, dass ohne sexuellen Kontakt mit dem anderen Geschlecht wir Menschen zwangsläufig zum Untergang verdammt wären. Folglich ist es notwendig, dass Kinder gezeugt werden, vorzugsweise von jenen Menschen, die zur höheren und höchsten Erkenntnis befähigt sind. Womit wir nun zu einem Paradoxon gelangen: Jene, die zur höchsten Erkenntnis befähigt sind, sollten sich nicht ablenken lassen, auch nicht durch Sexualität. Andererseits sollten genau diese Menschen sich vermehren. Man hat also die Wahl zwischen höchster Erkenntnis und Fortbestand und Verbesserung der Menschheit. Jedoch lässt sich dieses Paradoxon auflösen, indem man in der einen Lebensphase enthaltsam lebt und in einer anderen eine Familie gründet. Die Frage ist nur, welche Phase zuerst sein sollte."


    Hier wusste ich in der Tat - noch - keine Antwort.

    Die Reise von Rom nach Ostia, genauer zum Portus Ostiensis Augusti, verlief ohne Zwischenfälle, was nicht weiter verwunderlich war. Doch auch die Überfahrt von Ostia nach Massilia war erstaunlich angenehm gewesen. Dass ich einen eigenen Bereich für Stilo, Terpander, mich und unsere Pferde gemietet hatte, war dem Komfort sicher nicht abträglich gewesen. Doch vor allem die für diese Jahreszeit erstaunlich ruhige See hatte die Fahrt angenehm gemacht.


    So, wie ich es Mercurius versprochen hatte, zeigte ich mich in Massilia sowohl ihm als auch Neptunus gegenüber großzügig. Jedem ließ ich zwei Schweine opfern. Nach einem Tag in Massilia ritten wir weiter, bis wir schließlich in Nemausus ankamen. Das war zwar ein leichter Umweg, aber in der Nähe befand sich ein Ziel, das ich einfach sehen musste. Ich hatte bereits von dem Aquädukt über den Vardo fluvius gelesen, der wohl die gewagteste Konstruktion dieser Art war. Doch wollte ich das Bauwerk mit eigenen Augen sehen. Und so machten wir einen Tagesausflug von Nemausus zum Aquädukt.


    Nach einem längeren Ritt kamen wir am Tal des Vardo fluvius an. Tief hatte sich der Fluss in den Fels geschnitten und floss gute 35 passi unter uns. Und dann kam der Aquädukt in unser Blickfeld. Ich beschloss, den Blick vom Fluss aus zu genießen und führte mein Pferd den Hang hinunter, bis ich schließlich im Flussbett ankam. Dort stieg ich wieder in den Sattel und folgte dem Fluss, bis ich einen Blick auf das gesamte Bauwerk hatte. Stolz erhob sich der Aquädukt hinauf bis zur Talhöhe. Auf fünf Pfeilern, die sechs Bögen trugen, bestand die untere Reihe. Die Bögen schätzte ich auf eine Höhe von 13 oder 14 passi und die Pfeiler standen etwa vier passi auseinander. Darüber fand sich eine weitere Reihe von Bögen, die ich ebenfalls auf gut 13 passi Höhe schätzte. Diese waren etwa 4 2/3 passi breit. Diese zweite Ebene bestand aus elf Bögen. Darüber schließlich erhob sich noch eine dritte Bogenreihe, die die Wasserleitung trug. Diese dritte Reihe bestand aus 35 Bögen, die jeweils zwei passi breit waren und rein mathematisch etwa viereinhalb passi hoch sein mussten.


    Ich machte mir Notizen auf einer Wachstafel, was im Sattel gar nicht so einfach war. Doch inzwischen war ich genug geritten, um etwas sicherer im Sattel zu sitzen, wenngleich mir jeden Abend Beine und Rücken schmerzten. Ich bestand immer darauf, durchzureiten und nur dann eine Pause zu machen, wenn die Pferde eine benötigten. Doch für das Folgende traute ich mir nicht zu, im Sattel sitzen zu bleiben. So stieg ich ab, nahm eine unbeschriebene Wachstafel und begann, im Wachs den Aquädukt zu skizzieren. Ich machte mir so viele Notizen, wie irgend möglich. Schließlich wandte ich mich an meine Begleiter.


    "Ist das nicht großartig? Drei Bogenreihen, um eine stabile Querung des Flusses zu gewährleisten. Ich bin mir nicht sicher, aber ich glaube, dass dies der einzige Aquaeductus ist, der auf drei Ebenen ruht. Ob wohl noch einer der Baumeister lebt? Zu gerne würde ich mich mit denen unterhalten."


    Meine Begeisterung verbarg ich nicht. Wieso sollte ich auch.


    "Vergesst die Tempel und die Theater, das hier," ich deutete auf den Aquädukt, "DAS ist die wahre zivilisatorische Leistung Roms! Frisches, sauberes Wasser. In jeder Stadt. Keine Seuchen, weil das Wasser schlecht ist. Gesundes, klares Wasser!"

    Nachdem Stilo das Geschenk erklärt hatte, signalisierte ich meinen Begleitern, dass wir weiter mussten. Bevor wir losritten, wandte ich mich noch an Germanicus Ferox.


    "Danke. Ich werde deinen Namen nicht vergessen, Nero Germanicus Ferox, und wünsche dir noch einen ruhigen Dienst ohne Zwischenfälle. Vale bene."


    Dann wendete ich mein Pferd in Richtung Ostia und ließ es langsam lostraben.

    Nachdem sich alle zurückgezogen hatten, begab ich mich ebenfalls in mein Cubiculum. Jedoch nicht, ohne vorher Terpander meine Zufriedenheit über die Organisation mitgeteilt zu haben. Ich hoffte, dass die Verbundenheit der Gentes Seia und Iunia, die an diesem Abend zu erkennen war, auch in Zukunft erhalten bliebe und möglicherweise noch vertieft würde.

    "Ein direktes Losungswort gibt es nicht," sagte ich und sprach leise weiter, "aber wenn du von Tacitus und seinen Freunden Aristoteles und Platon grüßt, die aus der Kälte des Nordens grüßen, wird man wissen, wer du bist. Nach deinem ersten Besuch wird man dich ohnehin kennen."


    Etwas lauter sprach ich weiter.


    "Ich danke dir. Und selbstverständlich wird es außerhalb des Dienstes sein müssen. Was den Vorteil hat, dass man dich dann auch bewirten können wird."


    Ich hoffte, dass die Sklaven die entsprechende Gastfreundschaft gewähren würden. Andernfalls sollten ihnen die Götter gnädig sein, denn ich wäre es nicht. Bei Gastfreundschaft und dem erwidern eines Gefallens kannte ich keine Kompromisse.


    Zufrieden betrachtete ich, wie mein Vetter dem Soldaten ein Geschenk überreichte. Es war mir stets wichtig, dass die Soldaten angemessen geehrt wurden. Wofür er das Geschenk gab, verstand ich nicht. Dazu sprach Stilo zu leise. Doch schien es ihm wichtig zu sein und nur das zählte.


    Bevor ich mein Pferd wieder zum Aufbruch wendete, sprach ich den Miles noch einmal an.


    "Noch eine Frage, bevor wir weiterziehen. Wie ist dein Name, Miles? Ich muss ja wissen, wem meine Dankbarkeit gebührt."

    Gegen einen kurzen Plausch hatte ich nichts einzuwenden. Da ich inzwischen bereits in den Sattel gestiegen war, wendete ich mein Pferd und sprach von dessen Rücken zum Miles.


    "Wir gehen die Familie besuchen, in den Nordprovinzen. Hoffentlich ist das Wetter nur halb so furchtbar, wie alle behaupten."


    Ich lächelte kurz. Dann kramte ich in meinem Geldbeutel und zog eine golden glänzende Münze hinaus, die ich kurz betrachtete und schließlich dem Miles reichte. Ein Aureus war ein nicht zu verachtender Betrag.


    "Wenn du es einrichten könntest, hin und wieder nach Dienstschluss bei der Domus Iunia vorbeizuschauen und nach dem Rechten zu sehen, wäre ich dir sehr dankbar."


    Dass ich mich auch nach meiner Rückkehr erkenntlich zeigen würde, sprach ich nicht aus. Das sollte dem Urbaner aber klar sein.

    Während andere in die Stadt hineinkamen, war ich zusammen mit Iunius Stilo und Terpander auf dem Weg aus der Stadt heraus. Jeder von uns war mit einem Pferd ausgestattet, welches wir aber auf Grund der Tageszeit an den Zügeln führten. Während wir das Tor durchschritten, grüßte ich die wachhabenden Soldaten kurz. Nach etwa 20 Passi auf der Via Portuensis blieb ich kurz stehen und drehte mich um. Dafür, dass ich viele Jahre in Alexandria verbracht hatte, verspürte ich dennoch eine starke Verbundenheit zu Rom. Das hier war einfach meine Heimat, man konnte es drehen und wenden wie man wollte. Auf der gegenüberliegenden Seite des Tibers erhob sich der Aventinus. Noch konnte ich umkehren, wenn ich wollte. Doch ich wollte nicht. Ich stieg in den Sattel meines Pferdes und ließ es antraben. Zwar war ich recht unsicher im Sattel, doch hatte ich beschlossen, die Reise, zumindest so lange wir nicht auf See waren, möglichst lange und ohne Pause im Sattel zu verbringen. Nur so konnte ich mich wieder an wenigen Reitlektionen, die ich als Kind hatte, erinnern, meine Fähigkeiten vertiefen und verbessern. Mochten andere ruhig schmunzeln, wenn sie mich im Sattel sitzen sahen. Ich war mir sicher, dass dies anders aussehen würde, sobald wir in Mogontiacum ankommen würden. Doch nun ging es erst einmal in Richtung Seehafen. Der Beschluss war schon lange gefasst. Es gab kein zurück.

    "Ich danke dir für die gute Arbeit, Terpander. Du kannst nun deinen weiteren Pflichten nachgehen."


    Schließlich wollte ich ihn auch nicht unnötig von seiner Arbeit abhalten. Ich wusste, dass er im Hintergrund dafür sorgte, dass alles funktionierte und die anderen Sklaven ihre Pflichten ordentlich erfüllten. Andererseits...


    "Oder falls es deine Pflichten zulassen, kannst du dir den Rest des Tages frei nehmen."

    Der Tag der Abreise war gekommen. Ich hatte mich von meinem Patron verabschiedet und Mercurius ein Opfer dargebracht. Meine Schreibutensilien waren bereits verstaut und nun wurden auch meine restlichen Sachen von Begoas gepackt. Vor allem bei meiner Toga sah ich mit Argusaugen zu, damit sie auch ordentlich gefaltet war. Ersatz-Calcei, zwei Subuculae, zwei wollene Tuniken, dazu noch Socken - man wusste ja nie, wie kalt es in Germanien werden würde. Eine Zinnschüssel, Bronzebesteck und ein bronzener Becher, damit ich unterwegs im Zweifelsfall noch etwas zum Speisen haben würde. Und natürlich einen Kamm und Öl, damit ich mich pflegen konnte. Gekleidet war ich in eine warme Wolltunika, Calcei und eine dicke Paenula.


    Nachdem alles gepackt war, wurde es auf mein Pferd verladen, welches ich mir von einem zufriedenen Mandanten gekauft hatte. Ich hatte darauf bestanden, dass es für Reitanfänger geeignet war, denn ich war kein erfahrener Reiter. Wozu auch? Am Museion war ein Pferd völlig unnütz, in Rom genauso und auf See war es auch nicht allzu hilfreich. Das würde sicher spannend werden, ab Missilia zu reiten. Tatsächlich bevorzugte ich - ziemlich unrömisch - Seereisen. Das war vielleicht der starke griechische Einfluss, den das Museion auf mich hatte. Doch nun gab es kein zurück mehr. Es war Zeit, abzureisen.

    Damit meine Reise auch sicher verlief, hatte ich mich auf den Weg zum Tempel des Mercurius gemacht. Dort überreichte ich den Priestern eine recht großzügige Spende, um mich dann dem Gebet an den Gott zu widmen. Ich verbrannte eine etwas faustgroße Menge Weihrauch und zog einen Zipfel meiner Toga über meinen Kopf.


    "Mercurius, Schutzgott der Reisenden, der du mich auf meinen Reisen stets geschützt hast, ich bitte dich erneut um deinen Schutz. Wie du weißt, reise ich zwar nicht oft, aber dafür sind meine Reisen lang und gefährlich. Bei meiner ersten Reise haben noch meine Eltern großzügig an meiner statt geopfert, damit ich sicher ans Museion käme. Bei meinem Rückweg hatte ich dir zu Beginn und Ende der Reise reichlich geopfert. Und so will ich es auch diesmal halten. In Kürze werde ich nach Mogontiacum reisen. Die soeben geleistete Spende soll mein Opfer sein, um deine Gunst zu gewinnen. Du wirst auch mit Neptunus reden müssen und ihn überzeugen müssen, das Schiff von Ostia sicher nach Massilia passieren zu lassen. Es wird dir nicht schwer fallen, denn bei meinen letzten Reisen hattest du wesentlich längere Passagen auf See ebenfalls sicher ermöglicht. Du kannst Neptunus gerne ausrichten, dass ich mich erkenntlich zeigen werde, sollte ich eine ruhige Fahrt nach Massilia haben. Und dein Schaden soll es auch nicht sein. Ich bitte dich auch, meine Begleiter auf der Reise ebenfalls unter deinen Schutz zu stellen. Auch deshalb war ich heute bereits sehr freigiebig dir gegenüber. Wenn wir alle sicher in Mogontiacum angekommen sein werden, werde ich dir auch dort noch einmal opfern und das umso großzügiger, je angenehmer die Reise war. Quid pro quo, mein lieber Mercurius. Ich hoffe, dass wir uns handelseinig sind."


    Ich betrachtete die Statue des Gottes kurz, dann drehte ich mich nach rechts und verließ den Tempel. Nachdem ich wieder auf der Straße war, ließ ich mir meine Toga richten und ging meines Weges. Ob der Gott mich erhört hatte oder nicht, wusste ich nicht. Jede Reise war ein Risiko, das gehörte zum Leben dazu.

    Da man bei einer Reise nie wusste, ob man sie überlebte, hatte ich zur Sicherheit mein Testament verfasst und reichte dieses beim Testamentarius ein, wobei ich natürlich hoffte, dass ich noch ein langes Leben haben würde.


    Testament des Aulus Iunius Tacitus


    Ich Aulus Iunius Tacitus, bestimme hiermit, dass im Falle meines Dahinscheidens wie folgt vorzugehen ist.


    I. Sofern mein Tod zweifelsfrei belegt ist, soll gemäß II vorgegangen werden. Zweifelsfrei belegt ist mein Tod, wenn dieser von drei römischen Bürgern bestätigt wird. Sollte diese Bestätigung ausbleiben, so soll mein Vermögen für ein Jahr unangetastet bleiben. Sollte ich mich innerhalb dieses Jahres nicht beim Testamentarius melden, so soll gemäß II vorgegangen werden.


    II. Mein gesamtes Vermögen soll in den Besitz meiner Schwester Iunia Matidia übergehen. Sollte diese zum entsprechenden Zeitpunkt verschollen oder verstorben sein, so soll mein gesamtes Vermögen statt dessen zu gleichen Teilen in den Besitz meiner Verwandten Sextus Iunius Stilo und Sisenna Iunius Scato übergehen. Der Besitz berechtigt zur Verwendung nach eigenem Ermessen, jedoch soll das Erbe möglichst erhalten oder nutzbringend verwendet werden.


    III. Die Usucapio gemäß Tabula VI, Lex XII Tabularum, soll sich ohne Einschränkung auf alle Vermögensgegenstände in meinem Erbe beziehen. Das bedeutet, dass nach einem Jahr sämtliche beweglichen Vermögensgegenstände des Erbes, die in den Besitz meiner Erben nach II übergegangen sind, in deren Eigentum übergehen. Sollte ich immobilen Besitz vererben, so beträgt die Frist für den Eigentumsübergang abweichend zu Tabula VI, Lex XII Tabularum ebenfalls ein Jahr. Allerdings soll die Veräußerung von immobilem Besitz aus meinem Erbe für ein weiteres Jahr untersagt sein.


    IV. Alle weiteren Regelungen unterliegen den jeweils geltenden Gesetzen des Imperium Romanum.


    Verfasst in Roma, ANTE DIEM XVII KAL IAN DCCCLXXIII A.U.C. (16.12.2023/120 n.Chr.)


    Siegel Aulus Iunius Tacitus Advocatus

    Das Jahr neigte sich dem Ende und endlich war die Reise nach Germanien greifbar nahe. Ich hatte Dicon angeordnet, mein Schreibzeug ordentlich zu verpacken, so dass ich auf meiner Reise Bücher verfassen konnte. Das hatte zunächst Priorität. Meine anderen Sachen würden am Tag der Abreise durch Begoas gepackt werden. Als Dicon mir das verpackte Schreibzeug brachte, ordnete ich an, dass er Terpander mitteilen sollte, dass dieser mich begleiten sollte. Für einen kurzen Augenblick erschien es mir so, als würde ich so etwas wie Erleichterung in Dicons Gesicht erkennen. Daher ermahnte ich ihn, dass die Abwesenheit des Maiordomus ihn nicht zum Faulenzen verleiten sollte. Und um auf Nummer sicher zu gehen, ordnete ich an, dass ich Monatsberichte von Dicon erwartete. Außerdem ließ ich ihn wissen, dass ich diese durchaus auf ihren Wahrheitsgehalt überprüfen würde. Dann ließ ich ihn Terpander informieren.

    "Danke sehr. Und übrigens auch noch einmal danke für deinen Tipp bezüglich dem Tempel der Venus Verticordia bei der letzten Salutatio. Wobei ich jedoch leider mitteilen musste, dass ich diesen noch nicht aufgesucht habe. Dieses erschien mir dann doch zu früh, zumal ich nicht weiß, wie lange ich in Germanien verweilen werde. In der Zeit kann viel passieren. Nach der Reise ist der richtige Zeitpunkt, denke ich. Dann sind meine familiären Angelegenheiten geklärt und mein Buch verfasst. Danach kann ich mir dann auch die Ablenkung einer eigenen Familie leisten."


    Gab es noch etwas von meiner Seite? Ich dachte kurz nach.


    "Sollte ich für dich etwas in Germanien erledigen können, werde ich das gerne machen."

    "Ein allgemeines Schreiben, das sowohl für den Caesar, als auch für den Legatus Augusti geeignet wäre, könnte möglicherweise sinnvoll sein."


    Natürlich könnte das von den entsprechenden Personen als zu unpersönlich angesehen werden.


    "Oder, wenn es dir nicht zu viel Mühe macht, jeweils ein Schreiben für jeden der beiden. Wobei ich dich auch nicht über Gebühr beanspruchen möchte."


    Immerhin ging es hier 'nur' um ein Buch. Wobei dieses Buch mich über die Juristen und die Philosophen erheben könnte, indem ich damit beide Disziplinen verknüpfte. Wozu mir das Buch wirklich gut gelingen musste.

    Ich dachte einen Moment über die Antwort meines Patrons nach. Schließlich modifizierte ich meine Idee.


    "Nun, es muss ja kein offizielles Tirocinium sein. Aber vielleicht könnte ich ihn als juristischer Berater begleiten? Sicher, er kann jeden Juristen berufen und es gibt hunderte, die bekannter sind als ich. Jedoch, angenommen, du würdest mir ein Empfehlungsschreiben ausstellen, meinst du, ich könnte zumindest als, nunja, Consultus junior für ihn arbeiten und so Einsichten gewinnen? Oder ganz ohne Beratungsfunktion einfach nur den Caesar begleiten und dabei lernen?"

    Ad

    Procurator a cognitionibus

    Paullus Germanicus Aculeo

    Administratio Imperatoris

    Palatium Augusti


    Salve, Procurator Germanicus,


    Anbei findest du meinen Entwurf zum Edikt zur Münzreform. Zwar wollten ich dir ursprünglich nur Stichworte zukommen lassen, jedoch werde ich in Kürze nach Mogontiacum in Germania Superior aufbrechen, um mich einer dringenden familiären Angelegenheit zu widmen. Deshalb habe ich den Entwurf bereits vollständig ausformuliert.


    Um dir eine angemessene Argumentation zu ermöglichen, teile ich dir hiermit auch die Erwägungen mit, die ich gemeinsam mit der Münzprägeanstalt in Rom entwickelt habe.


    Die Provinzialprägungen sollen abgeschafft werden (§ 1), um es durch ein einheitliches Aussehen der Münzen den Menschen leichter zu machen, Fälschungen zu erkennen. Aktuell kann fast kein Bürger sagen, ob eine Münze, die angeblich aus Britannien stammt, wirklich eine offizielle Münze ist oder eine Fälschung. Die Falschmünzerei sollte daher durch eine einheitliche Prägung der Münzen im gesamten Imperium Romanum deutlich erschwert werden.


    Die Einführung einer neuen Silbermünze (§ 2) mit festgelegtem Gewicht soll dafür sorgen, dass das Vertrauen der Bürger in die Stabilität der Währung wieder gewonnen wird. Die ständige Verminderung von Gewicht und Silberanteil im Denarius in den letzten hundert Jahren haben das Vertrauen der Bürger erodiert.


    Die Prägezeichen (§ 3) sollen eine weitere Sicherheit schaffen und dadurch einerseits Vertrauen wiedergewinnen und andererseits Fälschungen erschweren.


    Die Ausgabe neuer Münzen (§ 4) enthält einen Strafmechanismus, der die Kooperation der Statthalter und des Senats erzwingen soll. Eventuell müsste die Strafe noch etwas angepasst werden.


    Der Einzug alter Münzen (§ 5) enthält eine zunehmende Entwertung alter Münzen, um so die Bürger zu zwingen, alte Münzen zügig umzutauschen.


    Final wurde noch geregelt, dass die eingezogenen Münzen zu vernichten sind (§ 6).


    Dieses Edikt sollte alle notwendigen Regelungen enthalten, um die Münzreform erfolgreich durchzuführen. Falls du noch Fragen hast oder Änderungen wünschst, kannst du mich per Brief im Domus Iunia in Mogontiacum, Provinz Germania Superior, erreichen.


    Vale bene


    Siegel Aulus Iunius Tacitus Advocatus



    In den Brief eingerollte fand sich der Entwurf des Edikts:


    ENTWURF


    Edictum Imperatoris

    zur Bekämpfung der Falschmünzerei

    und zur Bekämpfung des Wertverfalls der Münzen


    § 1 Abschaffung der Provinzialprägungen


    (1) Die Prägungen werden im gesamten Imperium Romanum einheitlich sein. Die Provinzen haben kein Recht, andere Motive und Bezeichnungen zu verwenden, als die Münzprägestätte der Stadt Rom unter Aufsicht der Tresviri aere argento auro flando ferunde.


    (2) Ausschließlich der Imperator Caesar Augustus und die Tresviri aere argento auro flando ferunde haben das Recht, das Aussehen der Münzen festzulegen.



    § 2 Nennwerte, Material und Gewicht der Münzen


    (1) Die Einteilung der Münzen, ihre Nennwerte, Materialien und Gewichte werden beibehalten.


    (2) Zusätzlich wird eine neue Münze aus 4 1/2 Skrupel reinem Silber eingeführt, deren Benennung durch die Tresviri aere argento auro flando ferunde abschließend zu bestimmen ist. Diese Münze soll den Denarius als Referenzmünze ablösen.



    § 3 Kenntlichmachung von Münzprägestätte und Münzprägedatum


    (1) Jede Münze ist mit einem eindeutigen Kennzeichen zu versehen, aus dem die Münzprägestätte, der ausführende Prägemeister und der Zeitpunkt der Prägung eindeutig erkennbar sind. Die lokale Münzprägestätte hat Bücher über alle geprägten und ausgegebenen Münzen zu führen und muss diese jederzeit auf Verlangen der Tresviri aere argento auro flando ferunde in Kopie an die Münzprägestätte in Rom übermitteln.


    (2) Die entsprechenden Zeichen werden durch die Tresviri aere argento auro flando ferunde festgelegt und den Münzprägestätten mitgeteilt. Die Zeichen sollen kurz sein und keinen übermäßigen Platz auf den Mümnzen einnehmen. Entsprechend können auch Monogramme oder andere Symbole verwendet werden. Diese sind in der Münzprägestätte in Rom zu dokumentieren und zusätzlich im Kanzleiarchiv zu archivieren.



    § 4 Ausgabe neuer Münzen


    (1) Die neuen Münzen sind durch die Münzprägestätten in Rom und in den Provinzen nach Bekanntgabe dieses Edikts unverzüglich in ausreichender Zahl zu prägen.


    (2) Spätestens nach drei Monaten ab Bekanntmachung dieses Edikts sind die neuen Münzen auszugeben.


    (3) Ab Bekanntmachung dieses Edikts dürfen alte Münzen nur noch geprägt werden, wenn der prägenden Münzprägestätte noch keine Zeichen nach § 3 zur Verfügung stehen. Spätestens nach drei Monaten ab Bekanntmachung dieses Edikts dürfen keine Münzen mehr geprägt werden, die nicht konform mit diesem Edikt sind.


    (4) Bei willentlicher Nichterfüllung der Verpflichtung aus Absatz 1 kann der Senat die Statthalter der Provinzen, in denen sich die willentlich nichterfüllenden Münzprägestätten befinden, mit einer Strafzahlung von bis zu einem Zehntel des jährlichen Steueraufkommens der jeweiligen Provinz für jede angefangenen 3 Monate ab dem Ablauf der Frist aus Absatz 2 belegen. Die Strafe ist aus dem persönlichen Vermögen der jeweiligen Statthalter zu entrichten. Wird im direkten Verantwortungsbereich der Münzprägestätte in Rom eine willentliche Nichterfüllung festgestellt, so bemisst sich die Strafe analog aus dem Steueraufkommen Italias und wird kollektiv auf die Senatoren verteilt.



    § 5 Einzug alter Münzen


    (1) Die Münzprägestätten sind verpflichtet, alte Münzen einzuziehen und 1:1 nach Nennwert in neue Münzen zu tauschen, sobald neue, mit diesem Edikt konforme, Münzen, in ausreichender Zahl verfügbar sind.


    (2) Alle Bürger sind verpflichtet, alte Münzen gegen mit diesem Edikt konforme Münzen einzutauschen.


    (3) Nach dem Ablauf einer Frist von 15 Monaten ab Bekanntmachung dieses Edikts werden alte Münzen nur noch zu einem Wechselkurs von 2:1 in neue Münzen umgetauscht. Nach weiteren 12 Monaten nur noch zu einem Wechselkurs von 4:1 und nach insgesamt 36 Monaten ab Bekanntmachung dieses Edikts verlieren alle alten Münzen ihren Wert.



    § 6 Vernichtung alter Münzen


    Die eingezogenen Münzen werden durch die Münzprägestätten zu Barren eingeschmolzen. Aus den Barren können neue Münzen gefertigt werden.

    Ich betrachtete alles genau, wobei ich mir keine Gefühlsregung anmerken ließ. Die bleihaltige Tinte war eine sehr gute Wahl. Überhaupt war alles von herausragender Qualität. Ich nahm die Stangen und betrachtete sie kurz. Schließlich nickte ich.


    "Sehr gute Arbeit, Terpander. Ich bin ausgesprochen zufrieden. Doch sei eins angemerkt: Es gibt keine Kleckse, wenn ich schreibe."


    Das war tatsächlich so. Mein Vater hatte penibel darauf geachtet und es hatte jedes Mal eine ordentliche Ohrfeige gegeben, wenn ich gekleckst hatte. Doch noch penibler waren mein Lehrer am Museion, Alexios, gewesen. Bei ihm hatte ich ständig das Gefühl, dass er einen Kalligraphen aus mir machen wollte. Dagegen sprach aber, dass die Schönheit der Schrift für ihn nie wichtig war. Er konnte nur keine Kleckse und keine unleserliche Schrift leiden.


    Den abwaschbaren Papyrus kannte ich noch nicht. Ich musterte diesen skeptisch.


    "Abwaschbar sagst du? Und die Tinte hält dennoch? Du bist dir sicher, dass das funktioniert?"