"Ja, am Museion lernte ich zeichnen. Man kann kein brauchbarer Naturphilosoph werden, ohne zeichnen zu können. Man benötigt es zur Veranschaulichung von Geometrie und Versuchsaufbauten. Abgesehen davon hilft es, Eindrücke für längere Zeit zu konservieren."
Wobei ich meine Zeichnungen möglichst präzise erstellte und somit der Begriff des Eindrucks von allem Abstrakten befreit war. Die weiteren Fragen Terpanders ließen mich an seiner Bildung zweifeln, nicht aber an seinem Verstand. Jedoch ließ ich mir davon nichts anmerken. Als ernsthaften Beitrag nahm ich sie dennoch an.
"Zwei der Philosophen, aus deren Lehren ich meine Erkenntnis zog, lehrten zumindest in Athen, wobei der erste wohl auch dort geboren war, der andere jedoch auf Chalkidiki. Schlechte Lehrer waren sie nicht, wurde doch der zweite vom ersten Philosophen unterrichtet und war selbst wiederum der Lehrer Alexanders des Großen, der besser etwas enthaltsamer gelebt hätte. Dann wäre er wohl auch nicht so früh verstorben."
Ob Terpander nun wusste, welche Philosophen das waren? Doch fiel mir etwas auf...
"Welch interessanter Sachverhalt, dass ich in Sichtweite Alexanders studierte. So schließt sich der Kreis. Das ist mir noch nie aufgefallen. Doch kommen wir zum dritten Philosophen, dessen Lehren mich beeinflusst haben. Dieser stammt aus dem fernen Indien und ich habe kein direktes Werk von ihm gelesen, wohl aber Werke über dessen Philosophie. Er hieß wohl Siddharta oder so ähnlich. Und die Schule der Stoa ist ebenfalls prägend gewesen. Allen gemein ist, dass Begehren als schädlich für Eudaimonía betrachtet wird. Eudaimonía aber hängt stark mit Erkenntnisgewinn zusammen, denn ohne diese kann man sich jenem nicht widmen. Der Inder ist am strengsten in dieser Hinsicht, jedoch warnt er zugleich davor, vom einen Extrem ins andere zu fallen. Völlige Enthaltsamkeit ist also auch nicht richtig. Jedoch stelle ich fest, dass etwas, das große Freude bewirkt, zu Begehren führen kann. Dies gilt es aber zu vermeiden. Wie auch immer... ich denke, dass wir vielleicht auch eine unterschiedliche Definition von Zufriedenheit haben könnten. Doch denke ich, dass wir nun erst einmal genug philosophiert haben, denn die Sonne ist schon über den Zenit hinaus gelaufen und wir müssen noch zurück nach Nemausus. Allerdings werde ich über deine Frage weiter nachdenken, denn ich habe noch keine Antwort."
So packte ich die Schreibutensilien weg und signalisierte, dass es Zeit zum Aufbruch war. Jedoch hoffte ich, dass wir bei anderer Gelegenheit wieder Zeit für einen philosophischen Austausch finden würden. Die andere Lebenswirklichkeit Terpanders eröffnete mir durch dessen Meinung und Fragen neue Sichtweisen, was wiederum zu neuen Erkenntnissen führen konnte.