So ganz konnte ich den Wunsch, in der Vergangenheit zu leben, nicht nachvollziehen. Selbst, wenn es nur für einen Tag wäre. Was gab es da schon? Strohhütten, schlechte Medizin, keine Thermen, keine Foren, keine Straßen, keine Latrinen... In 2000 Jahren würde sicher auch niemand auf die Idee kommen, für ein paar Tage wie ein Römer zu unserer Zeit zu leben. Quasi in einer Art Reconstructio Historica. Wenn sich die Zivilisation so weiterentwickeln würde, wie in den letzten Jahrhunderten, dann würden wir den zukünftigen Römern wahrscheinlich wie üble Barbaren erscheinen.
Das Lob meiner Person traf mich unerwartet, so dass ich beinahe verlegen war.
"Nun, ich danke dir, aber... naja, ich bin ein Philosoph. Ein echter Philosoph, im Wortsinne. Da muss man zwangsläufig die Welt verstehen wollen. Und zugleich erkennen, dass man es nie wird. Du würdest dich dann also auf einen weg voller Frustration begeben."
Diese Warnung hatte ich einfach aussprechen müssen. Inzwischen stand die Sonne auch schon ziemlich tief und tauchte das Forum in ein goldenes Rot. Das ließ mich dann auch ziemlich schnell wieder gedanklich zum Forum zurückkehren.
"Komm, etwas muss ich dir unbedingt noch zeigen, und jetzt ist der Moment perfekt."
Ich ging schnellen Schrittes voran über den zentralen Platz, an der Basilica Aemilia vorbei, während links von uns die Basilica Iulia mit den vor ihr stehenden Säulen majestätisch in der Abendsonne leuchtete. Bis hin zu den heiligen Pflanzen, dem Olivenbaum, dem Feigenbaum und dem Weinstock, die vor den Rostra und der Curia standen. So standen wir nun vor dem Milliarium Aureum, dem goldenen Meilenstein, das eigentlich eine Säule war und den Glanz der Abendsonne perfekt wiedergab.
"Dies ist das Zentrum. Hier, von diesem Punkt aus, werden alle Entfernungen gemessen. Hier ist der Nullpunkt aller römischen Straßen. Alle Wege beginnen hier. Oder, von der anderen Richtung aus betrachtet: Alle Wege führen hierher."