"Nun, ehrenwerter Aemilius, an die Gurgel gehen wir uns ganz sicher nicht. Wir prozessieren lediglich ganz zivilisiert, so wie es sich für die zivilisierteste Gesellschaft in der Geschichte der Menschheit geziemt. Darin sind wir uns, denke, ich, sehr einig. Jedenfalls besteht bei mir nicht der geringste Zweifel, dass du mindestens so zivilisiert bist, wie ich."
Dass man vor Gericht auch durchaus in der Sache hart, jedoch frei von Emotionen diskutieren konnte, hieß ja nicht, dass man nicht zivilisiert wäre. Auch am Museion pflegte man stets eine harte, rationale Diskussion, in der Fakten und Logikfehler durchaus hart für den einzelnen, aber niemals persönlich angreifend, herausgearbeitet wurden. So würde ich es auch hier handhaben. Um zu bestätigen, dass ich nicht feindselig war, lächelte ich kurz höflich.
Die Begründung des Aemilius, das Brechmittel verabreicht zu haben, damit mein Mandant keinen Schaden aus dem Verschlucken der Münzen behielt, hatte sogar etwas Logisches in sich. Naturwissenschaftlich nur schwer haltbar, jedoch wagte ich zu bezweifeln, dass er ebensoviele Jahre mit dem Studium der Naturphilosophie zugebracht hatte, wie ich. Entsprechend wäre ich gewillt gewesen, ihm dieses Argument zuzugestehen, hätte er dann nicht etwas von "krepieren" und "Kadaver" gesagt hätte. Und dann auch noch von einer unwürdigen Entsorgung, an Stelle einer Bestattung. Damit stellte er meinen Mandanten auf die Stufe eines Tieres. Dieser offen zur Schau gestellte Mangel an Humanitas schien mir eines Patriziers unwürdig, jedoch war es nicht meine Aufgabe, dieses zu bewerten. Ganz abgesehen davon, dass mir von meinen Eltern beigebracht wurde, selbst Fremde mit mindestens drei Hand Erde über sich zu bestatten, damit mir die Göttin Tellus nicht zürne. Doch vielleicht war Aemilius ja anders erzogen worden.
Ich überlegte mir deshalb ernsthaft, Einspruch zu erheben. Allerdings war eine Aussage, selbst wenn sie mit Beleidigungen gespickt war, keines Einspruchs würdig, so lange diese nicht am Fall vorbei ginge oder lediglich Hörensagen war. Außerdem hatte mich mein Patron gebeten, Aemilius keinen Schaden zuzufügen und ich hatte das Gefühl, dass jedweder Einspruch zu seiner Aussage den bereits durch Aemilius selbst verursachten Schaden nur weiter vergrößert hätte. So schwieg ich und flüsterte Kyriakos in Koine zu "Ganz gleich, wie sehr er dich beleidigt, lass dich nicht provozieren und bleib ruhig. Wir wollen stets zivilisiert erscheinen. Das nützt uns mehr."
An Aemilius gewandt, sprach ich weiter.
"Ich vermerke also, dass du in guter Absicht gehandelt hast, als du meinem Mandanten ein Brechmittel verabreicht hast. Nur eine Rückfrage dazu habe ich: Hattest du ihn kopfüber aufhängen lassen? Wenn ja, weshalb?"