Beiträge von Claudia Aureliana Deandra

    Ein Lächeln erschien auf meinem Gesicht, als seine Hand meine umschloss. Und ich damit aller Sorgen und Verantwortung ledig war. Auf dem Weg in die ursprüngliche Liegeposition drückte ich vorab noch einen flüchtigen Kuss des Dankes auf jene Stelle, auf die ich wieder den Kopf bettete.


    Vorfreude auf ein einzigartiges Erlebnis ergriff mich, ließ das Lächeln dauerhaft und das Herz weit werden. Erstmalig bedauerte ich massiv das dämmrige Licht, das ich bislang als angenehm empfunden hatte. Bisher zwang es mich, weil der Hauptsinn – das Sehen – erheblich eingeschränkt zur Verfügung stand, alle anderen Sinne, wie das Hören, aber mehr noch das Fühlen, zu schärfen. Nun jedoch wollte ich nicht hauptsächlich hören und spüren, sondern viel lieber sehen und zwar möglichst jede Einzelheit. Zu dumm, dass man nie alles auf einmal haben konnte.


    Ich seufzte lautlos, grübelte aber in der Folge nicht länger über diese Gedanken nach. Das ging auch gar nicht, weil die Hand, die mich führte, ein bedeutend schnelleres Tempo vorlegte, als ich es mir je getraut hätte, und damit meine Aufmerksamkeit band. Einem trockenen Schwamm gleich saugte ich alle Eindrücke auf, derer ich habhaft werden konnte: Seine Atmung, die Form der gewählten Reizung, körperliche Veränderungen.


    Als alle Anzeichen darauf hindeuteten, dass der Endpunkt unmittelbar bevorstand, wuchs meine Anspannung, beschleunigte sich mein ohnehin schneller Herzschlag, musste ich vor Aufregung mehrfach schlucken und hielt immer wieder – sofern das überhaupt bei der hohen Atemfrequenz ging – die Luft an.
    Ein Laut der Lust – vielleicht auch der Erlösung – kündigte erstaunliche Vorgänge an: Unerwartet landete ein Klecks in meinem Haar, ein weiterer unmittelbar vor meinen Augen auf seinem Bauch, weitere Flüssigkeit rann über meine Hand – Momente, die mich stark berührten.


    Bald darauf lockerte sich sein Griff, seine Anspannung ließ nach, der Atem wurde flacher. Noch immer von den Eindrücken gefangen, erhielt ich einen Kuss, wandte aber sogleich wieder den Blick nach unten, bettete erneut den Kopf auf seinem Bauch – diesmal sogar ein Stück weiter unten, berührte flüchtig jenen Klecks, der sich langsam zu einem Rinnsal wandelte und anschickte, seitlich hinabzulaufen.


    Wieder lag ein Dauerlächeln auf meinem Gesicht, als ich ihn mitsamt einem Großteil der Flüssigkeit sanft mit der Hand bedeckte und den erlebten Ereignissen nachsann.
    Es fiel mir schwer, mich loszureißen, aber irgendwann verabschiedete ich mich von dieser lieb gewonnenen Körperregion, rutschte nach oben und kuschelte mich an ihn.

    Zitat

    Original von Marcus Aurelius Corvinus
    (...)


    Ich zuckte auf seine Vermutung hin, etwas über Meridius zu wissen, mit den Schultern. „Bedaure, nein.“ Zu mehr blieb keine Zeit, denn wir waren am Zielort angelangt, die Sänfte wurde zu Boden gesetzt und der Ausstieg freigemacht. Nachdem Corvinus die Sänfte verlassen hatte, rückte ich so weit vor, um mit seiner Hilfe möglichst apart dem Beförderungsmittel zu entsteigen. Anderen mochte es unwichtig sein, welchen Eindruck sie dabei hinterließen, ob die Tunika verrutschte, die Beine gespreizt waren oder gar Grund zur Annahme einer Knochenverformung geben, mir jedenfalls nicht. Ich war nicht pingelig auf Äußeres bedacht, aber sehr wohl auf möglichst fehlerfreies Auftreten in der Öffentlichkeit. Das war reine Erziehungssache. Ein Blick zu Marc sollte besagen, dass ich soweit wäre.


    Der Ausflug begann viel versprechend, weil ich mich köstlich über seine Art gegenüber dem Händler amüsierte. Ich schaute ihn heimlich an, lächelte, weniger wegen der netten Aussage als vielmehr über seine bestimmte Art, und schritt ebenfalls ohne zu verweilen weiter. Soo lange war es gar nicht her, als er aus Griechenland kam. Damals war er gerade den Knabenschuhen entwachsen gewesen, heute war er ein Mann. Er wusste, was er wollte, war erfolgreich und bestimmt in seinen Zielen und seinem Auftreten. Wann genau der Wandel kam, wusste ich nicht mehr zu sagen. Irgendwann war er erwachsen und es fiel nicht mehr ins Gewicht, dass er eigentlich jünger war. Nochmals streifte mein Blick sein Profil, ehe ich wieder nach vorne sah.


    Die Information über den Vinicier quittierte ich mit einem leichten Kopfnicken. Ich wurde auch alsbald von diesem Gedanken abgelenkt, weil wir entgegen meiner Vermutung auf die kaiserliche Loge zusteuerten. Ich schaute Corvinus verwundert an, mehr noch, als er von einer Überraschung sprach, aber ich erhielt keine Antwort. Auch sein Murmeln in diesem Zusammenhang konnte ich nicht so recht einordnen.


    Schließlich hatten wir die Prätorianer erreicht und ich blieb an seiner Seite stehen, während er alles Nötige für uns beide regelte.

    Mit wachsender Begeisterung, die sich nicht äußerlich, dafür aber - allein für mich - in einem verstärktem Glücksgefühl spürbar machte, genoss ich seinen entspannten Zustand, so lange er anhielt. Durch die Weichheit drängte sich der Eindruck auf, dass diese Stelle sehr empfindsam, sogar verletzbar sein musste. Kein Wunder also, dass ich sie bedecken und sanft umschließen wollte, was jedoch nicht ohne Auswirkung blieb, wie ich mit einem feinen Lächeln registrierte.
    Wie einfach es doch war, selbst ohne Erfahrung herauszufinden, was bei einem intimen Zusammensein möglich und zudem vom anderen als angenehm empfunden wurde oder eben weniger gut war. Man musste nur in sich hineinhorchen und seinen Wünschen Ausdruck verleihen. Es gab zudem unübersehbare und unüberhörbare Hinweise, die nicht nur lenkten, sondern auch inspirierten. Insgeheim schmunzelte ich über mich, weil ich mir im Vorfeld so große Gedanken darüber gemacht hatte. Vielleicht besaß Corvi aber einfach auch Talent, sehr viel ohne Worte auszudrücken, schon möglich, ich hatte ja keinen Vergleich.


    Immer wieder überrascht registrierte ich auch, wie seine Reaktionen unmittelbaren Einfluss auf meinen Körper, meine Empfindungen hatten – fast so, als gäbe es eine von der Sprache und dem Willen unabhängige Kommunikationsfähigkeit zwischen seinem und meinem Körper. Eine Berührung, ein Laut besaß in diesen Momenten eine unfassbare Macht, Gegenreaktionen auszulösen, die wiederum ein Eigenleben besaßen und damit nicht kontrollierbar waren; die zudem den Verstand beherrschten. Sie schalteten ihn in dem Augenblick aus, als sich in beeindruckender Weise seine Atmung wieder beschleunigte und er seine anschmiegsame Verformbarkeit verlor. Der Raum in meiner Hand wurde knapp.


    Und wieder war es relativ leicht herauszufinden, was ihm gefiel. Schnell war klar, dass er nicht nur körperliche Spannung aufbaute. Mir war klar, er beschritt ein Weg zu einem mir noch unbekanntem Ziel, das ich ihn gerne erreichen lassen wollte, auch miterleben wollte, aber jetzt doch unsicher war, wie. Nein, die Unberührtheit stand nicht (mehr) zur Debatte. Es war die doch aufkommende Unsicherheit, weil mir jene Vorgänge vollkommen fremd waren, weil ich sie erstmalig erlebte und mich nun doch die Sorge vor irgendwelchen Fehlern ergriff.


    Ich zögerte lange, entschloss mich und verwarf dann doch wieder den Gedanken, ihn um Hilfe zu bitten, aber letztlich war die Angst vor einem eigenen Fehlverhalten doch zu groß. Ich hielt in der Bewegung inne und bedeckte das liebevoll, was eben unter meinen Handteller passte. Ein Nachteil, wenn man kleine Hände besaß. Einen Lidschlag später hob ich den Kopf, wandte mich ihm zu und hoffte, nicht allzu hilflos zu klingen.


    „Hilfst du mir? … Bitte!“, wisperte ich.



    edit: Rechtschreibg.

    All zu oft wollte ich nicht mehr zwischen Mantua und Rom hin und her reisen, denn das tagelange Geschaukel in diesen unbequemen Reisekutschen verursachte bei mir stets eine blassgrüne Verfärbung der Gesichtshaut, die von dem weißen Puder nur unzureichend überdeckt wurde. Glücklicherweise hatte ich in der Villa Aurelia eine erholsame Nacht und saß nun in einer Sänfte, die von besonders geschulten Sklaven annähernd schwebend durch Roms Straßen befördert wurde, zumindest soweit es die Straßenverhältnisse zuließen.


    Bereits während der Reise grübelte ich darüber nach, warum eigentlich nicht die Factiones an den geplanten Rennen beteiligt waren. Mein erster Gedanke war sogar der, dass erneut eine Meldung versäumt wurde, so wie das bereits im letzten Jahr der Fall gewesen war. Irgendwann wurde mir jedoch klar, dass diese Spiele anders ablaufen sollten, spätestns dann, als Corvi es bestätigte.


    „Hmhm. Nicht nur die Rennen?“, wiederholte ich, um mein Interesse zu zeigen. Die nachfolgenden Informationen waren dann auch erheblich. „Meridius wird abgezogen? Warum? Hat er sich etwas zu schulden kommen lassen oder wird er anders wo gebraucht?“ Die Überraschung war erheblich, hatten wir den Legaten doch erst vor wenigen Monaten besucht. Und da war doch noch eine Information.


    „Ein Vinicier übernimmt das Amt? Weißt du welcher?“

    Es gab tatsächlich Momente, in denen ich trotz mangelnder Erfahrung und Stärke diejenige sein konnte, die Trost spendete, die auffing, womöglich Stabilität gab. Es war aus meiner Sicht legitim, dass auch ein Mann, der sicherlich im öffentlichen Leben Stärke zeigte und Fels in der Brandung war, Momente der Schwäche wie auch Verletzbarkeit erlebte, sie zeigen durfte und ein Anrecht auf Verständnis besaß. Was sich zwischen zwei Menschen abspielte, ging außerdem keinen Dritten etwas an.
    Also legte ich meine Hand auf seinen Kopf, der auf meiner Brust ruhte, drückte einen Kuss in sein Haar und sann darüber nach, was er nicht in Worte kleiden wollte. Vielleicht würde er zu einer anderen Stunde mit mir darüber sprechen, momentan blieb sein Geheimnis unangerührt.


    Sein Seufzen und darauf folgendes Abrücken war nachvollziehbar und doch tat es irgendwie weh. Aber wenigstens gab er Gelegenheit für erneute Nähe an seiner Seite, die ich gern wahrnahm, mich an ihn schmiegte, seine Anwesenheit in meinem Zimmer, in meinem Bett, erstmalig in Ruhe registrierte und die Gelegenheit nutzte, seinen Körper mit etwas mehr Gelassenheit zu erforschen. Ich entdeckte weiche Haut - dabei hatte ich mir Männer immer rau oder wenigstens irgendwie kratzig vorgestellt.


    Ich registrierte Haare und prägte mir ihre Ansiedlung ein. Bei denen auf der Brust hielt ich mich nicht lange auf, denn ich wusste um ihre Anwesenheit. Es waren nicht allzu viele und das war gut so. Interessant wurde es am Bauch, wo ich feststellte, dass ihre Verteilung erheblich von meiner abwich. Vom Bauchnabel an zog sich eine Bahn, einem Pfeil gleich, nach unten. Die Götter hatten sich bei seiner Erschaffung also einen Wegweiser ausgedacht, dem ich nun mit sichtlichem Vergnügen folgte. Die Spur verbreiterte sich alsbald, was offensichtlich das Erreichen des Wanderziels ankündigte: Eine Gegend, die ich bereits vor etlichen Minuten erkundet hatte, die sich nun jedoch anders darbot als zu Beginn.


    Seine Worte kamen grade ungelegen – sowohl die Tatsache, dass er damit den Moment zerschnitt als auch der Inhalt, der bei mir ein Stirnrunzeln verursachte. Ich reckte mich nach oben und drückte in der Hoffnung, er möge nun verstummen, einen Kuss auf seine Lippen. Sodann rutschte ich wieder nach unten, legte dieses Mal meinen Kopf auf seinen Bauch und barg das in der Hand, was sich derzeit weich und angenehm anfühlte. Es besaß kein Eigenleben wie vorhin, sondern ich konnte es annähernd komplett umschließen. Es gab kein vergleichbar schönes Gefühl, nichts bisher Erlebtes kam an diese Eindrücke heran.

    Jede Zurückhaltung, meine gute Erziehung, einfach alles war vergessen, als er sich anschickte, das umzusetzen, weswegen wir uns zurückgezogen hatten. Man musste keine Ausbildung mitgemacht, keine Schulung besucht oder Vorerfahrung vorzuweisen haben, um zu wissen, wann genau dieser Zeitpunkt gegeben war: Nähe war kein Ausdruck mehr, Bestimmtheit wurde greifbar, sämtliche körperlichen Anzeichen standen auf Sturm, der Atem flog, die kleinste Berührung der Haut erzeugte Spannungszustände, die manchen Laut oder auffälligen Atemstoß verursachten.


    Bei all der Aufregung, die mich ergriffen hatte, registrierte ich bei zwar eingeschränktem, aber immerhin noch funktionstüchtigem Bewusstsein, wie er sanft meine Beine öffnete, was soweit für mich keine Überraschung war. Doch was mir bereits ausreichend erschien, stellte ihn keineswegs zufrieden. Hände forderten dazu auf, die Beine aufzustellen. Warum, wurde mir umgehend klar, denn während er für Augenblicke in seiner Position verharrte, ermöglichte er mir die Feststellung, dass ich ihm damit einen deutlich besseren Zugang gewährte. Die Nerven flogen, und doch zögerte er weiter den bewussten Moment hinaus.


    Nach meinem Gefühl mussten Minuten verstrichen sein, ehe ich die Augen öffnete, denn irgendetwas stimmte nicht – das sagte mein Instinkt. Er wirkte wie erstarrt und ich wusste nicht wieso. Sorge stellte sich ein, dass ich ungeschickt gewesen war, mich falsch verhalten oder gar etwas Wichtiges ausgelassen hatte. Unsicher suchten meine Augen in seinen zu lesen, aber weder Vorwurf noch Geringschätzung meiner Unerfahrenheit standen darin. Also entspannte ich mich, löste den Blick und wurde mutig. Ich suchte und fand den Weg zu seinem Unterleib, wollte ihn berühren, es erneut genießen, merkte den Unterschied und verstand. Wieder suchte ich den Blickkontakt.


    Ich hätte nie gedacht, wie viel ein Mensch mit mangelhafter Vorbildung in Sachen Liebeskunst an Einfühlung aufweisen kann, zudem wenn nicht ein Wort der Erklärung fällt. Irgendwas war falsch gelaufen; sein Gesichtsausdruck wies darauf hin, dass er alles andere, aber nicht glücklich über die Situation war. Ich streichelte ihn sanft, spürte etwas wie Bedauern, das aber von einer Welle an Mitgefühl hinweggeschwemmt wurde. Schließlich legte ich meine Arme um ihn und versuchte auch mit den Beinen Halt zu geben. Vielleicht fühlte es sich gut an, aber diese Handlung war vor allem symbolisch zu sehen.


    „Ich möchte dir gerne helfen, auch wenn ich annehme, dass es die Götter waren, die uns soeben vor einer Dummheit bewahrt haben.“


    Liebe ohnehin, aber gleichzeitig die Bereitschaft, ihm jeden Gefallen zu tun, stand in meinem Blick, der nun abwartend auf ihn gerichtet war.

    Noch immer unter dem Eindruck besagten Ereignisses stehend, lauschte ich seinen Worten, deren Sinn ich zu ergründen versuchte. Fürchtete ich mich vor etwas? Ich sann flüchtig über diese Frage nach, musste sie jedoch verneinen. Vielmehr trug ich gerade an einer Last, sodass ein tiefes Einatmen das angenehm empfundene Umarmen begleitete. Wenigstens war er lieb und ich fragte mich, ob er es wohl auch bedauerlich fand, dass die Götter dergleichen verboten?


    Letztlich verdrängte nackte Haut die trüben Gedanken. Wie angenehm es doch war, sich daran zu schmiegen, seine Wärme und Nähe zu spüren. Aus einem Bedürfnis heraus schlang ich die Arme um ihn und hielt ihn für einen Moment fest, bevor ich zurückgeschoben und zum Niederlassen auf das Bett veranlasst wurde.
    Und wieder stand ich unter einem besonderen Eindruck – diesmal ein angenehmer, als er sich völlig entkleidete. Ich lächelte über mich selbst, weil es mir nicht möglich war, den Blick abzuwenden. Er schien wie festgenagelt zu sein. Aber auch mit gebanntem Blick ist es möglich, die Beine anzuziehen und nach hinten zu rutschen, um ihm die Möglichkeit zu geben, nun seinerseits die Liegefläche aufzusuchen. Ein langer Augenkontakt beendete diese Erkundung, den ein verlegenes Schmunzeln begleitete, das aber bald einer erwartungsvollen Spannung auf meinem Gesicht wich.
    Denn da war seine Hand und sie berührte mich dort, wo mich sonst nur eigene Hände je erkundet hatten. Nur bei ihm fühlte sich alles gänzlich anders an. Allein der Gedanke, das Bewusstsein, es handelte sich um seine Hand, ließ wieder diese Herzklopfen aufkommen, die mächtig genug waren, die vorhin eingenommene Zurückhaltung zu sprengen, ein wiederkehrendes Zittern auszulösen und Luft in tiefen Zügen einzuatmen. Gleichzeitig stellte ich jedoch peinlich berührt fest, wie sich Feuchtigkeit entwickelte, wo sie grade jetzt nach meiner Ansicht nicht hingehörte. Ich bat die Götter in Gedanken darum, ihn das nicht merken zu lassen. Wie konnte ich nur so unangenehm reagieren? Warum und woher kam das bloß?


    Schon atmete ich erleichtert auf, weil er nach meiner Hand griff – den Göttern sei die Situationsentschärfung gedankt, aber Entwarnung war keineswegs angesagt. Beizeiten ahnte ich, wohin er mich führte, verstand nur nicht, warum dies jetzt möglich war, vorhin aber nicht. Oder war es so, dass allein er entschied, wann er berührt werden durfte – niemals ich? Zu einer Antwort kam ich nicht mehr, weil der Verstand den Dienst versagte. Die Eindrücke überschwemmten meine Aufnahmefähigkeit, ich realisierte nicht mehr viel, nur eins: Er fühlte sich wunderschön an – warm, samtig, kräftig. Und da war noch mehr zu entdecken, ich hielt den Atem an.


    Seine Worte, die Eindrücke, das aufkommende Verlangen, entfachten einen Machtkampf zwischen Körper und Verstand. Ich konnte dem eigenen Drängen unmöglich nachgeben und wollte gleichzeitig genau das. Vielleicht würde der Verstand wieder einsetzen, wäre die Hand nicht dort, wo sie gerade war.

    Ich hatte mich auf allerhand eingestellt, wusste ich doch fast nichts über das Zusammensein mit einem Mann, aber damit hatte ich nicht gerechnet: Marc schritt ein, als die erstrebenswerte Stelle ganz nahe war. Er griff nach meinem Handgelenk und unterband den Kontakt.
    Irritiert – wenn dieses Wort es überhaupt zutreffend beschreiben konnte – registrierte ich seine Reaktion, ließ mich ohne Widerstand festhalten und staunte ihn mit geweiteten Augen an. Dieses Handeln war also falsch gewesen, ich musste schlucken.


    Warum aber konnte ich es nicht unter „falsch“ einordnen und einfach abhaken, mich einfach den weiteren aufregenden Geschehnissen zuwenden? Schließlich wurde ich ja gerade von Marc in Richtung Bett geführt. Nein, der Kopf war vollständig mit jener Szene gefüllt, die mich in gewisser Weise betroffen gemacht hatte, und so grübelte ich über diese Angelegenheit nach, war nicht bei der Sache, ließ alles weitere willenlos geschehen.


    Offensichtlich war es nicht erlaubt, einen Mann dort zu berühren. Ich fragte mich, ob mir die Götter dann zürnen würden. Doch das mangelnde Wissen war mir gerade egal, viel mehr belastete mich die aufkeimende Erkenntnis, wie sehr ich dieses Verbot bedauerte. Die Götter waren allgegenwärtig; ich würde sie niemals abschütteln können, was bedeutete, dauerhaft auf eine Berührung verzichten zu müssen – unvorstellbar im jetzigen Moment. Waren bis dahin die geweiteten Augen noch auf Marc gerichtet, senkte ich nun langsam den Blick.

    Der Verstand riet zum Rückzug, die Empfindungen des Körpers preschten jedoch weiter vor. Zu allem Durcheinander kam das Bewusstsein, vollkommen unwissend zu sein; die Befürchtung, vielleicht naiv und unerfahren zu wirken; die Sorge, mich vielleicht ungeschickt anzustellen, mich zu blamieren. Er musste das spüren, da war ich sicher, und deswegen senkte ich flüchtig den Kopf. Aber Marc war einfühlsam, das war er schon immer. Und so war ich erleichtert, als er die Initiative übernahm, indem er meine Hand führte. Warum er kurzzeitig stockte, konnte ich nicht ergründen, aber es war mir auch egal.


    Zeit bleib ohnehin nicht, um darüber nachzudenken, denn alsbald jagte ein Ereignis das andere: Zuerst Küsse, dann Berührungen, schließlich dieses Aufseufzen vom ihm, dass mich mehr als alles andere berührte. Ich stand augenblicklich unter dem Einfluss abertausender Miniaturschauer, die sich, angefangen von den Schultern, über Arme, Bauch, vor allem den Unterleib bis hinunter in die entlegensten Winkel der Beine ausbreiteten. Und ohne das ich es wollte, kam ein vergleichbarer Laut über meine Lippen, den ich mit Verwunderung registrierte, aber alsbald wieder vergaß, denn meine Tunika wurde inzwischen nur noch von einer Fibel und der Kordel um den Leib gehalten. Der Atem wurde knapp, als mich seine Hand berührte …


    Bei aller Überflutung von Empfindungen und Eindrücken … plötzlich keimte Mut auf – getragen von Neugier, vom Rausch der Situation und wachsendem Verlangen. Meine Bedürfnisse rückten in den Vordergrund. Aber … hatte ich mich je mit Corvis Kleidungsvorlieben beschäftigt? Wusste ich, ob er zu den wenigen Traditionalisten gehörte, dee entgegen der Sitte nichts unter der Toga trugen? Aber egal, ob nun eine Tunika zum Vorschein kam oder nicht, ich musste zunächst irgendwie diese Stoffmengen von ihm bekommen.


    Es war duster im Raum, also musste ich mich im Geist an die Trageweise einer Toga erinnern. Selbstverständlich hatte ich niemals zugesehen, wenn ein Mann eingekleidet wurde und noch viel selbstverständlicher hatte ich im Anlegen solcher Kleidungsstücke keinen blassen Schimmer. Dafür waren die Sklaven da. Also, kurz überlegen … Der unterste Zipfel musste vorn über die Schulter hängen, denn danach ging es ja über den Rücken, um den Stoff anschließend – der rechte Arm war ja immer frei – unter diesem durch und dann über die linke Schulter zu werfen. Also das Ganze rückwärts abspulen …


    Ich legte meine Hand seitlich an seinen Kopf, einem Kuss auf die Lippen folgten weitere, gleichzeitig strich ich über seinen Hals zur Schulter und schob die Toga behutsam zur Seite, bis das Schwergewicht die Stoffmengen erfasste und sie mit erstaunlicher Geschwindigkeit zu Boden rauschten. Allerdings hingen sie jetzt als nutzloser Ballast zwischen ihm und mir, was inakzeptabel war. Ich lächelte, als ich mit der Linken danach griff, sie seitlich wegzog und achtlos wieder losließ. Lange würde sich der verbleibende Stoffrest, der sich noch von der Achselhöhle über Rücken und linke Schulter zog, sicher nicht halten können. Wenn er abrutschte, war er jedenfalls nicht im Weg.


    Es war die blanke Neugier in Megagröße, die mich mit der ungewohnten Situation relativ zielsicher umgehen ließ, die mich nun veranlasste, massiv gegen meine Aufregung vorzugehen, die mich hilfesuchend seine Lippen finden ließ, vielleicht um ihn, um mich abzulenken … abzulenken von der forschenden Hand, die jetzt nichts mehr zurückhalten konnte, die zunächst Kontakt zu seiner Brust aufnahm, aber nur einen Herzschlag lang dort verweilte und nun langsam nach unten strich … den Bauchbereich überquerte, seitlich zur Leiste auswich, um vor dort wieder zur Mitte zurückzukehren … in einen Bereich hinein, der massive Hitze ausströmte und eine nahezu magische Anziehungskraft auf mich ausübte.



    edit: Rechtschreibung

    Während mich Corvi auf die Arme nahm und ich seines Gesichtausdruckes gewahr wurde, kam ich mir unvermittelt wie eine Beute vor – zugegebenermaßen stellte ich ein freiwillig zur Verfügung gestelltes Beutestück dar. Aber nicht dieser Gedanke ließ mich mit den Beinen strampeln, sondern der, dass ich höchst ungern den Boden unter den Füßen verlor – das war schon immer so gewesen, und wenn es Corvi nun vergaß, hing das entweder mit seiner Trunkenheit zusammen, die doch größer als angenommen war, oder mit aussetzendem Verstand. Ich musste nun meinerseits lächeln, als er, aus dem Gleichgewicht gekommen, wieder Halt an der Säule suchte.


    „Ja, da musst du noch erheblich üben“, bestätigte ich lachend, als er mich wieder absetzte. Natürlich wusste ich von diesem Ritual, welches römische Mädchen kannte das nicht? Mit Bedauern stellte ich fest, dass der Rausch dadurch unvermittelt einen Abbruch genommen hatte. Ich störte mich eben doch erheblich daran, wenn jemand nicht Herr seiner Sinne war. Sein Lächeln und der Kuss auf die Hand, auch wenn ich mich damit gerade wie unsere Mutter fühlte :P, ließ mich aber den Gedanken vergessen.
    Ich schob meine Hand in seine, stellte für den Moment fest, dass diese ernorm viel Platz bot, und machte den ersten Schritt Richtung Wohnräume der Villa.

    Auf dem Weg in mein Zimmer hatte uns außer einigen Sklaven offensichtlich niemand gesehen, aber großartig umgeschaut hatte ich mich nicht. Vielmehr beschäftigte mich der Gedanke, was nun auf mich zukam und wie ich die Situation im Griff behalten konnte, ohne auf das Stillen meiner Neugier verzichten zu müssen. Würde ich Corvi überhaupt ausbremsen können? War das eigentlich fair? Irgendwie musste sich alles ergeben. Fest stand, ich wollte jetzt bei ihm sein, seine Nähe und seine Zuneigung spüren, dieses rauschartige Gefühl nochmals erleben und … und … und ich wollte wissen, wie er aussah, wie er sich anfühlte – ja, vor allem das. War er dort warm oder eher kühl? War er weich oder eher rau? Vollkommen behaart oder weniger? Ja, welche Farbe hatten diese Haare überhaupt? Alles so spannend, ich musste schmunzeln, als ich – im Zimmer eingetroffen – mich ihm wieder zuwandte.


    Tja, aber als ich in seine Augen blickte, schwand der Mut und irgendwie wurden die Knie sogar weich. Ich spürte wieder diesen erbarmungslos lauten und schnellen Herzschlag, der meine Unsicherheit bestimmt verraten würde. Hin und her gerissen zwischen aufkommenden Verlangen, der seit Tagen quälenden Neugier und übergroßer Nervosität, nannte ich ihn erstmals bei seinem Vornamen.


    „Marc?“ Dieses Wort drückte vieles aus: Erstmalige Vertrautheit auf ganz anderer Ebene, Unsicherheit, weil ich so wenig – im Grunde gar nichts über Intimität wusste und es drückte eine bewusste Abgrenzung von der Anrede anderer Familienmitglieder aus. Ich war nie wie andere, wollte es auch niemals sein.

    Nein, ich bemerkte nicht einmal seinen Blick, nahm keine Geräusche vom Festsaal mehr wahr, sah weder Umgebung noch dachte ich über irgendetwas nach. Alles bis auf einen kleinen Kreis war ausgeblendet, alles außer ihm – das, was ich hören und spüren konnte. Da waren Vorgänge, die mich in ihren Bann schlugen. Sein Atem - ich hatte noch nie einen Mann in gleicher Weise atmen gehört. Faszinierend auch die Wirkung dessen auf mich: Es steckte an.


    Und dann waren noch unglaubliche Veränderungen bei seinem Unterleib. Über alle Maßen beeindruckt verfolgte ich, wie er sich veränderte, wie etwas entstand, das zuvor weder in Größe noch in Festigkeit da gewesen war. Ich ahnte instinktiv, dass diese Veränderung mit mir, meiner Nähe zusammenhing. Dieses Wissen ließ ein Lächeln erscheinen, Wärme in das Herz eintreten, Blut in jene Region rauschen, die sich unvermittelt mit einem unbekannten Prickeln bemerkbar machten und mich, um dem etwas entgegenzusetzen, dazu veranlassten, mich nur noch näher an ihn zu drängen. Es bedurfte keiner Ewigkeit, bis ich herausfand, dass ruhiges Stehen die Eindrücke minderte, kleinste Bewegungen sie hingegen für mich verstärkten.


    In diese aufgepeitschten Empfindungen hinein traf heißer Atem meine Halsbeuge, dem eine Reihe kleiner Küsse folgten, die einen Schauer nach dem anderen auslösten. Miniaturhärchen nahmen jede noch so winzige Berührung auf, vervielfachten sie und schickten sie als inflationäre Botschaft meines ohnehin mageren Widerstandes gegen Dinge, die vor einer Heirat niemals stattfinden durften, in den Blut- und Atemkreislauf. Ich wollte etwas, von dem ich nicht einmal wusste, wie es war und wie es ging. Wieso überhaupt regiert nur noch das Gefühl? Warum schaltet sich der Verstand beim Körperkontakt mit einem begehrten Menschen einfach ab?


    Seine Stimme riss mich schließlich aus diesem Kreislauf heraus. Sie klang ungewohnt dunkel, auf ihre Art anregend, wie alles andere auch. Es dauerte daher Momente, bis ich dem Inhalt der Worte folgen konnte.


    „Ja, gehen wir“, raunte ich mit ebenfalls ungewohnter Stimme. JETZT wollte ich ihn gänzlich kennen lernen. Das konnte, das durfte nicht verboten sein, weil ich es so sehr wollte. Ich hoffte zu diesem Zeitpunkt noch, stark genug zu sein, um meine Unberührtheit bewahren zu können – bewahren für eine ganz besondere Nacht.

    Wie gut, dass nicht ich durch den verloren gegangenen Halt an die Säule gedrückt wurde. Harter Hintergrund und Corvis Gewicht abfangen? Also nein. Aber lustig war es allemal und so musste auch ich schmunzeln, als das ungestüme Verhalten seinen Tribut verlangte. Es war zudem schön, unbekümmert lachen, schmusen und scherzen zu können. Bisher war ja alles kompliziert gewesen und ich genoss die Entkrampfung.


    „Ja, also das finde ich auch“, bestätigte ich mit einem Lachen und gleichzeitigem Kopfnicken seine Einschätzung bezüglich der Qualität und Originalität des Antrags. „Ich hätte dir viel mehr zugetraut.“ Meine Augen blitzten verwegen.


    Offensichtlich ließ sich Corvi damit herausfordern, aber nicht etwa zu einem Wortgefecht, sondern vielmehr einem Lippenbekenntnis der anderen Art, zu dem ich mich ohne große Mühe überreden ließ. Und da war sie schon wieder – die direkte Verbindung von den Lippen, über die Schultern, die Arme und den Bauch hinein in Regionen, die bislang ohne jegliche Bedeutung für mich waren. Ich schloss die Augen und lauschte in mich hinein, sofern das überhaupt ging, denn da waren noch seine Hände, die während ihrer Entdeckungstour gleichfalls meine Aufmerksamkeit banden. Wohin konzentriert man sich denn jetzt? Wie mit diesen sich überlagernden Gefühlen umgehen? Dabei dachte ich immer, Liebe nimmt das Herz ein. Weit gefehlt: Sie raste irgendwie durch den gesamten Körper.


    Und jetzt? War nicht jetzt DIE Gelegenheit? War es nicht genau das, was ich seit vielen Tagen wissen wollte? Traute ich mich? Was siegt – Neugier oder Verlegenheit? Die Entscheidung fiel schnell, denn der Gedanke ließ sich nicht einmal mehr gewaltsam aus dem Kopf vertreiben. Mit klopfendem Herzen und durch die fordernden Küsse inspiriert konnte mich nun nichts mehr aufhalten.
    Während meine Hände erstmalig seinen Körper erkundeten, den die Augen schon lange kannten, suchte ich gleichzeitig den Kontakt zu seinem Becken. Flüchtig fragte ich mich, ob das nun schicklich oder eher unschicklich war und was er wohl denken musste, aber schlussendlich war es mir egal.


    Irgendwann würde ich gerne einfach so in seinen Armen liegen wollen, die Welt aus sicherer Position betrachten, von allem Leid sehr fern zu sein, das Glück und die Zufriedenheit gepachtet zu haben, aber jetzt, JETZT ging es eben gerade nicht. Zu viel Wissbegier - oder war da noch mehr? - brannte in mir und wollte gestillt sein. Dieser Gedanke ließ keine Ablenkung mehr zu, daher lösten sich meine Lippen von seinen, ich legte die Stirn an seine Wange, bekämpfte erfolglos das heftige Atmen, bestand einzig noch aus dem Gespür für diese geheimnisvolle Gegend, dachte somit nur noch an eins ...

    Worte sind wichtig, ich wollte sie hören, aber Handlungen waren mitunter noch aussagefähiger. Corvis Handlungen zählten zu dieser Kategorie, obwohl weder meine Sinne noch mein Gedächtnis seinen trunkenen Zustand ausblenden konnten. Und doch steckte so viel Überzeugungskraft in der Art seiner Berührung, seinem Kuss, dass ich nach den Augenblicken der Überraschung die steife Zurückhaltung aufgab und anschmiegsam wurde.


    Zunächst zögerlich, aber mit den aufkommenden Herzklopfen mutiger, erwiderte ich den Kuss – fast drängend, was mich selbst einen Lidschlag lang verwunderte, bevor ich konsequent sämtliche Gedanken in dieser Hinsicht abschaltete. Während ich die Arme um seinen Körper schlang, entstand ein Gefühl, das schwer zu beschreiben war. Es beinhaltete Gelassenheit gegenüber der uns anhaftenden Problematik, es war mit Ruhe und Sicherheit, besser noch mit Selbstverständlichkeit zu umschreiben, es zauberte ein Dauerlächeln auf das Gesicht, produzierte Unmengen von berauschenden Wirkstoffen, die das Blut schneller kreisen ließen, den Atem beschleunigten und über die Haut ganze Armeen imaginärer Krabbeltiere jagte, die in lockerer Folge Schauer über die verschiedensten Körperregionen verteilten.


    Völlig klar, ich wollte ihn, mehr als alles andere. Und natürlich musste er keine Antwort mehr geben, von seiner Seite war alles gesagt. Aber meine Antwort stand vielleicht noch aus – trotz der ebenfalls eindeutigen Handlungsweise. Ich ließ die Nähe seiner Haut noch einmal auf mich wirken, bevor ich mich in Richtung Ohr reckte. Laut reden war mir nicht möglich und es erschien mir auch nicht angemessen.


    „Wir haben die gleichen Träume und ich werde mit dir um ihre Verwirklichung kämpfen.“


    Und wieder weilte die Wange nur einen Hauch von ihm entfernt.

    Er machte es tatsächlich. Ich konnte es kaum fassen und blickte ihm mit überraschtem Gesichtsausdruck hinterher. Mit einiger Verzögerung, von durcheinander stürzenden Gedanken begleitet, folgte ich ihm zu diesem Becken, fing den vorwurfsvollen Blick ab, fühlte mich durchaus schuldig, aber nur etwas, und beobachtete wie er eintauchte.
    Er tat es also wirklich … ruinierte den Sitz seiner Toga, riskierte nicht nur ein körperliches Schockgefühl, sondern auch die Belustigung anderer.


    ‚Das macht doch kein normaler Mensch!’, dachte ich und grübelte angestrengt. So was riskiert man doch nicht zum Spaß, nicht mal wenn man betrunken ist. Gut, vielleicht, wenn man betrunken ist, aber Corvi war bestenfalls angetrunken. ‚Was, wenn ich seine Aussage von eben doch ernst nehmen kann?’
    Dann tat sich jedoch die nächste Frage auf: 'Warum will er um mich werben?' Jaaa, klar. Man wirbt, weil man den anderen gewinnen will. Aber so war die Überlegung ja auch nicht gemeint. Viel interessanter war herauszufinden, warum er mich gewinnen wollte … falls ich mit meiner Einschätzung richtig lag. Einen Prestigegewinn bedeutete es jedenfalls nicht, seine ehemalige Schwester als Frau besitzen zu wollen. Es erhöhte nicht das Ansehen, brachte keineswegs finanzielle oder politische Vorteile, schuf keine Brücke zur anderen Familie, die nicht ohnehin bereits da war. Im Gegenteil – es konnte Ärger bedeuten. Wer wusste schon, wie Vesuvianus, die Claudier insgesamt, dazu stehen würden?


    Den Grund, mich aus Besitzdenken nicht verlieren zu wollen, schob ich ganz schnell beiseite, denn er erschien mir zu banal, um sein Handeln zu rechtfertigen. Was als einzig vernünftige Erklärung übrig blieb, waren tiefere Gefühle. Konnte ich daran glauben? ‚Möglich wär’s’, gab ich mir selbst zur Antwort. ‚Er wirkte ziemlich zerrissen, als er mich vor Tagen aufgesucht hatte.’ Zu weiteren Überlegungen kam ich nicht, denn soeben tauchte sein Kopf wieder auf.


    Bereits beim Zusehen hatte es mich gefröstelt, denn es war Winter und das Wasser dementsprechend kalt. Ich hatte längst die Schultern hochgezogen und die Arme um den Leib geschlungen, um mir wenigstens die Einbildung eines Wärmeschutzes zu gönnen. Den jedoch verlor ich just in diesem Augenblick, weil mir Corvi kurz entschlossen die Palla von den Schultern zog. Recht so, wird er gedacht haben. Wenn sie solch abwegige Handlungen von mir verlangte, werde ich mich entsprechend revangieren. Der Vorwurf in seiner Stimme war nicht zu überhören und ich vermochte es nicht, deswegen meinerseits vorwurfsvoll zu blicken. Anschließend wiederholte er tatsächlich seinen Wunsch, den ich mir erst dreimal im Geist wiederholen musste, ehe ich eine Antwort fand.


    „Du meinst es ernst, oder?“, fragte ich mit zaghafter Stimme. Zu dumm, dass ich keine Gedanken lesen konnte.

    Ich nickte zunächst, um ihn zu beruhigen. Gleichzeitig wollte ich mich damit selber ruhig stellen, wobei ich mir gar nicht erst die Mühe machte, seine Worte in ihrer Konsequenz großartig zu überdenken. Das Hin und Her und Auf und Ab der Gefühle der letzten Tage hatte mir mehr als gereicht. Also lächelte ich ihn an, fasste zunächst mit der Rechten sein linkes Handgelenk, um mich alsbald in Etappen aus seinem Griff zu befreien. Nur flüchtig hielt ich seine Hände fest, suchte seinen Blick und deutete mit einer Kopfbewegung und den Augen in Richtung Garten.


    „Du siehst doch das Regenbecken dort“, vergewisserte ich mich mit einem kurzen Blick in seine Augen. „Wenn du darin kopfüber untergetaucht bist, höre ich mir gern deine Worte noch einmal an.“


    Ich stand bereit, um ihn zum Becken zu begleiten, rechnete aber nicht wirklich damit, dass er es umsetzte. Ich hatte mir abgewöhnt, die Worte Angetrunkener ernst zu nehmen. Daher fiel die Erwartung entsprechend kleiner aus als sie es sonst gewesen wäre. Nicht auszudenken, dachte ich flüchtig bei mir, wenn er diese Worte bei klarem Verstand geäußert hätte. Der Situation ergeben, versuchte ich das Beste daraus zu machen, nahm sie in Teilen mit Humor und lächelte ihn weiterhin tapfer an.

    Hatte ich ihn etwa getroffen? Überraschend wechselte der Ausdruck auf seinem Gesicht und mit ihm meine Grundhaltung. Gespannt wartete ich auf weitere Veränderungen, aber die blieben erst einmal aus. Irritiert schaute ich zu Boden, hob dann den Blick, um den Garten zu betrachten, als stünde dort sonst nie ein Busch oder Stamm, kehrte aber alsbald wieder auf sein Antlitz zurück.
    Was sollte ich nun denken? Nahm er an, ich konnte Gedanken lesen? Sicher nicht.


    Als er sich schließlich rührte und mir mit gerunzelten Brauen über die Wange strich, kam aber auch keine weitere Erkenntnis. Wie passt denn solches Verhalten zusammen? Streicheln hat etwas mit Zärtlichkeit zu tun, da runzelt man doch nicht die Brauen. Und ein düsterer Blick drückt Ärger aus, dazu passt dann ja wohl kein Streicheln. Aber vielleicht konnte man ja mit Alkohol im Blut diese Handlungen dekodieren und ich als Saftliebhaber stand außen vor. Sein Pegel war jedenfalls nicht zu missdeuten, viel zu schwanger war sein Atem und die Zunge offensichtlich viel zu schwer. Ich seufzte.


    Wusste ich, dass er mich gemeint hatte? Ich dachte kurz nach und nickte innerlich. Ja, im Grunde hatte ich es gewusst.
    Ich bedauerte, dass er nicht bei klarem Verstand war, denn das schmälerte die Aussagekraft seiner Worte, behinderte den bedeutungsvollen Gedankenaustausch und eröffnete bestenfalls die Aussicht auf ein die Langeweile des Abends milderndes Gespräch. Und leicht würde nicht einmal das werden, denn wieder wusste ich mit dem Wortfragment nicht allzu viel anzufangen.


    „Blind wofür?“ Nein, Gedankenlesen klappte heute wirklich nicht.

    Dass mich jemand bei den unschicklichen Handlungen beobachten würde, hatte ich weder erwartet noch fand ich es besonders gut. Über mich selbst verärgert zog ich die Stirn kraus, noch bevor ich einordnen konnte, wer der unerwartete Beobachter überhaupt war. Dabei hätte ich ihn umgehend erkennen müssen, schließlich kannte ich ihn ja mehr als genau: Corvi.


    Im nächsten Augenblick stand mir unsere letzte Begegnung vor Augen: Er hatte vor Tagen auf mich wie ein Wechselbad gewirkt. In munterer Folge änderte er damals sein Verhalten, ständig musste ich die Gefühle wechseln und die Abschlussdusche war extrem kalt. Erneut schauderte es mich bei dem Gedanken daran. Ich war im Stolz verletzt zurückgeblieben, hatte etwas wie Verachtung ihm gegenüber gespürt, weil er unentschlossen, fast handlungsunfähig auf mich gewirkt hatte. Und nun stand er hier und lallte mich an. Ich wollte ihm nachhaltig böse sei, merkte aber, wie unzureichend mir das gelang. Es gab offensichtlich zu viele gute Seiten an ihm, um diese verachtenswerte jetzt ausreichend hochspielen zu können. Aber egal, das musste er ja nicht unbedingt merken.


    Ich legte den Kopf ein wenig schief, betrachtete ihn – soweit das wegen der Körpergröße überhaupt ging – von oben herab und entgegnete: „Welche deiner Bettgefährtinnen spukt dir denn gerade durch den Kopf?“


    Die schnippische Antwort kam überzeugend, denn ich schob noch leichten Groll vor mir her. Außerdem war er ohnehin nicht mehr ganz klar und diesen Zustand quittierte ich bei Männern stets mit Missfallen.