Beiträge von Claudia Aureliana Deandra

    Ich wusste einfach nicht was ich machen sollte – sein Abwiegeln hinnehmen und damit seinen Wunsch respektieren, nicht über alles mit mir zu sprechen, oder doch weiter in ihn dringen…


    Mir kam es vor, als würde sich an dieser Stelle entscheiden, wie vertraut wir in Zukunft miteinander umgehen würden. Eine oberflächliche Beziehung wollte ich einfach nicht, also würde ich dies hier wohl klarstellen müssen.


    Ich stand auf und ging an das Kopfende der Liege. Sophus lag seitlich auf einen Arm gestützt. Ich raffte meine Tunika etwas hoch, kniete mich hin und stützte mich mit den Ellenbogen auf die Liege.


    Langsam wanderte mein Blick über sein Gesicht, bis er schließlich in seinen Augen hängen blieb. Ich lächelte und sagte mit warmer Stimme:


    „Ich wollte dir mehr schenken als nur meine Liebe und meinen Körper. Ich schenke dir auch meine Seele, wenn du mir deine dafür gibst. Deine Sorgen sollen auch die meinen sein, denn nur so können wir sie uns gegenseitig halbieren. Schließ mich nicht aus all dem aus, was dich bewegt – es träfe mich allzu hart.“

    Ich kaute gedankenverloren auf einem Stückchen Kürbis herum und überlegte, wie ich es am besten anfangen sollte, Parisaa zu uns zu bringen.


    Schließlich kam mir eine ganz praktikable Idee. Ich würde einfach Cadior schicken. Ihm vertraute ich. Er war klug und er würde sich dort zurechtfinden. Außerdem kannte er die Kleine und das Gestüt würde auch eine zeitlang ohne ihn auskommen können. Bei der Anwesenheit von Sophus in Ostia, würde ich wahrlich auf die Hilfe von Cadior verzichten können.


    Ich musste schmunzeln. Ich schätze, mit Sophus wehte dort sogar ein gänzlich anderer Wind.


    „Ich werde Cadior nach Hispania schicken“, teilte ich Sophus sogleich meine Gedanken mit. Zufrieden nippte ich an meinem tönernen Trinkgefäß. Doch betrübt hatte mich in der Tat etwas gänzlich anderes…


    „Ich wünschte du würdest mich mehr an deinen Sorgen teilhaben lassen. Die Art wie du dich gibst, zeigt mir deutlich, dass dich immer mal wieder etwas bewegt. Du täuschst dich auch, wenn du glaubst, dass ich nicht belastbar wäre. Ich bin kein zerbrechliches Püppchen, auch wenn ich vielleicht so aussehe und ich möchte mehr mit dir teilen als nur die Annehmlichkeiten. Ich wollte Frau und Gefährtin von dir werden und nicht nur Gespielin.“

    Lange versuchte ich in dem Gesicht von Sophus zu lesen. Seine Nachdenklichkeit, sein abgewandter Blick… Mir schien es gab Dinge, die er mir nicht sagte und eine gewisse Traurigkeit erfüllte mich.


    Bekümmert blickte ich nun ebenfalls zur Seite. Ein kleiner Seufzer, ich konnte ihn nicht unterdrücken, rutschte mir fast unhörbar raus.


    „Ich werde einen Brief aufsetzen“, sagte ich leise. Dabei war es nicht das was ich wollte. Ich selbst wäre gern nach Hispania für Parisaa gereist.

    Dankbar blickte ich Sophus an.


    „Ich erhielt einen Brief von Commodus. Er richtete eine Bitte an mich.“ Ich machte eine kurze Pause. „Es geht um die kleine Sklavin von seinem Neffen. Er bat mich sie aus Hispania zu holen und weiterhin für sie zu sorgen, jetzt, da er selbst nicht mehr in diesem Hause weilt und Vibullius unter schwerer Anklage steht.“


    Ich suchte nach Worten....


    „Ist es dir recht, wenn wir Parisaa bis auf Weiteres zu uns nehmen?“


    Meine Augen waren eine einzige Bitte.

    Ich setzte mich an das Fußende der Liege, auf der Sophus bereits lag und legte meine Hand auf sein Bein.


    Es war die gleiche Villa und ein Morgen wie immer. Es gab ein köstliches Mahl wie üblich und doch war alles anders. Das Brot schien besser zu duften, die Sklaven schienen schneller zu laufen und die Sonne – sie schien wahrhaftig heller.


    Sanft lächelte ich den an, der all das zu bewirken schien. Mit meinen Blicken streichelte ich sein Haar, sein Gesicht und seine Arme.


    „Immer dann, wenn ich dich zukünftig mit Flavius anspreche, wirst du wissen, dass es meine Sehnsucht und eine Verlockung für dich gleichermaßen ausdrückt“, sagte ich leise.


    Eine kleine Weile hielt ich seinen Blick mit dem meinen gefangen, dann nahm ich Eirene den Teller ab, den sie mir gerade reichte. Sie hatte Brot und Obst zusammengestellt. Sie wusste, ich begann den Tag eher bescheiden.


    „Ich möchte dann auch sehr gern noch etwas mit dir besprechen“, begann ich nach ein paar Happen das Gespräch erneut.

    „Das ist wundervoll“, erwiderte ich, räkelte mich noch einmal und stand schnell auf.


    Erst in diesem Moment realisierte ich, dass ich ja nur mit einem hauchfeinen Nachtgewand bekleidet war, welches sanft meinen schlanken Körper umspielte. So sah mich Sophus bisher noch nie.


    Ich lächelte etwas verlegen, schaute kurz zu Boden, ging dann aber doch auf ihn zu. Ich hauchte ihm einen GutenMorgenKuss auf die Wange und strahlte ihn an.


    „Lass uns frühstücken und anschließend nach Ostia fahren. Heute wird ein schöner Tag – ich habe es im Gefühl.“


    Ich schob Sophus kurz zur Tür hinaus, gab ihm noch einen Kuss auf den Mund und sagte: „Ich komme gleich.“


    ‚Nun ja, viel Unterschied bestand nicht zwischen dem völlig nacktem Zustand und meinem edlen, durchscheinenden Nachtkleid, aber etwas Spannung konnte ja auch nicht schaden’, dachte ich schmunzelnd bei mir.


    Eirene half mir anschließend beim Ankleiden und Frisieren. Mit der Welt zufrieden eilte ich leichtfüßig den Gang entlang und betrat das Speisezimmer.


    „Da bin ich.“

    Ich lag auf einer Wiese voller Blumen und beobachtete, wie ein Adler am Himmel seine Kreise zog. Die Luft war lau und duftete nach Oleander. Die hellen Strahlen der Sonne blendeten mich etwas und so schloss ich die Augen…. hörte nur noch das Zwitschern der Vögel und das Surren der Käfer an diesem Sommertag.
    Irgendwo in der Ferne klopfte ein Specht auf der Suche nach Futter ein Loch in einen Baumstamm. Ich lauschte diesem Klopfen, bis eine Stimme zu mir drang.


    ‚Deandra’ hörte ich und plötzlich wurde das Klopfen lauter. Ich blinzelte in die Morgensonne und realisierte nur langsam, dass ich nicht auf einer Blumenwiese sondern in meinem Bett lag.
    ‚Deandra’, hörte ich noch einmal rufen und wurde nun vollends wach.


    Mir der Klarheit der Gedanken kam auch die Erinnerung an den gestrigen Tag wieder und auf mein Gesicht legte sich ein Lächeln.


    „Ja, Schatz? Inzwischen schon“, antworte ich lächelnd. „Die Tür ist auf…“

    „Schlaf gut und träume was Schönes“, erwiderte ich lächelnd und sah Sophus etwas sehnsuchtsvoll hinterher als er ging.


    Doch schnell lenkte mich Eirene mit Neuigkeiten ab. Ein Brief von Commodus war in der Zwischenzeit eingetroffen. Gespannt rollte ich das Pergament aus und las.


    Liebste Schwester, sicherlich hast du schon von den erzwungenen Exil meines Neffen gehört. Nur so viel, es werden Köpfe rollen. Die Rache wird kommen, aber jetzt noch nicht. Noch nicht! Eigentlich wollte ich dir den letzten Wunsch von Vibi nennen, bevor er ging. Er möchte das du dich um unsere Parisaa kümmerst. Zurzeit ist sie wohl in Hispania, in der Villa Tiberia. Daher bitte ich dich das du dich um sie kümmerst. Für Vibi und mich ist sie so was wie eine kleine Schwester.


    Grüß mir meinen Cousin Sophus!


    dein Lucius


    Nachdenklich blickte ich auf und dachte an Parisaa. Die kleine Sklavin, die Cadior mit dem Gespann angefahren hatte und die mein Herz im Sturm eroberte. Über diese Angelegenheit würde ich morgen unbedingt mit Sophus sprechen müssen.


    Anschließend begab ich mich auf mein Zimmer, kleidete mich aus und sank auch ziemlich erschöpft auf das Bett.


    ‚Was für ein Tag’, dachte ich noch, dann glitt ich sanft in einem schönen Traum.

    „Dabei ist es doch so, dass zuerst der Geist eines jeden Toten in die Unterwelt eintritt und wohl erst danach gelangen einige von ihnen an den Sternenhimmel da oben“, sann ich weiter nach.


    Doch dann fiel mein Blick auf Sophus. Erst jetzt bemerkte ich die Müdigkeit auf seinem Gesicht und in seiner Haltung. Der Tag war vor allem für ihn sehr lang gewesen.
    Es rührte mein Herz, ihn so erschöpft zu sehen. Wäre Umarmen doch möglich gewesen …, aber meine Hände…. Es war schon beängstigend – wie sehr liebte ich diesen Mann.


    „Ja, begeben wir uns zur Ruhe und lass uns am Morgen dann unsere Träume austauschen. Ich bin mir sicher, Cupido schließt dich am heutigen Tage in meine Träume mit ein“, erwiderte ich leise als wir langsam zurück zur Villa gingen.

    „Ein wundervoller Gedanke. Mein Gemüt erreicht jedenfalls das Sternenlicht“, erwiderte ich ganz versunken und blickte ebenfalls nach oben.


    „Ich denke schon, dass auch wir eines Tages dort oben einen Platz finden werden und wenn später nur diejenigen Menschen als Sternenlicht erstrahlen, die ihr Leben lang glücklich sind, dann will ich unser Leben auch nicht mit meiner Sorge beschatten.“


    Was für eine schöne Vorstellung. Nie mehr wieder würde ich ohne diesen Gedanken einen Sternenhimmel betrachten können.


    „Ich hoffe sehr, unserer beiden Sterne liegen dann nah beieinander, damit ich dich auch noch nach dem Tode in meiner Nähe habe.“


    Ich überlegte kurz. „Weißt du ob unser Vorfahre auch eine Erklärung für herabstürzende Sterne hatte?“ Manchmal, in klaren Sommernächten, konnte man solche fallenden Sternen sehen.

    „Du hast daran gedacht?“


    Tief berührten mich seine Worte. Da war so viel Wärme zu spüren, dass mir schon fast wieder Tränen in die Augen stiegen. Ganz ergriffen schaute ich auf die zarte Pflanze in meinen Händen. Eine Schönere konnte es für mich nicht geben.


    Ich kniete mich hin und was ich sonst nie im Leben getan hätte, für dieses Pflänzchen tat ich es. Ich schob mit bloßen Händen die Erde beiseite und setzte es vorsichtig in das Loch. In einer Tonschale holte ich etwas Wasser und gab es dazu. Anschließend füllte ich die Erde wieder auf und drückte sie vorsichtig an.


    Zufrieden betrachtete ich dieses für mich so wertvolle Geschenk.


    „Ich werde gut für dieses Pflänzchen sorgen. Ich selbst und niemand sonst.“


    Mit völlig schmutzigen Händen und auch die Tunika etwas befleckt, stand ich vor Sophus. Ich war tief gerührt und noch so viele Worte hätte doch nicht ausdrücken können, was ich gerade in diesem Moment empfand.


    „Du bist mein Leben. Ich wusste das schon immer, aber nie spürte ich es so stark wie jetzt. Und weil das Glück gerade so groß ist, fühle ich auch die Angst, dass es uns wieder verlässt.“

    „Cadior brachte mir eine Nachricht über Vibullius. Er wäre in das Exil gegangen so sagte er mir. Vibullius stand vor Gericht“, erklärte ich Sophus, der das nicht wissen konnte. Schließlich traf er erst vor Stunden hier in Rom ein. Stunden, in denen so viel passierte, wie sonst in Wochen oder gar Jahren.


    „Ich schickte ihm einen Brief nach Ostia indem ich ihm mitteilte, …“
    Ich brach mitten im Satz ab. Ich machte mir Vorwürfe. Gut möglich, dass meine Entscheidung für Sophus mit ein Grund für den Entschluss Vibullius' war. Traurig blickte ich Sophus an. Ich konnte es nun nicht mehr ändern und selbst wenn ich die Zeit zurückdrehen könnte, meine Entscheidung bliebe die Gleiche.


    „Können wir den Abend noch mit etwas Angenehmeren ausklingen lassen?“
    Irgendwie war mir plötzlich der Hunger vergangen und ich wünschte mir nur etwas Ablenkung und Trost.

    Verständnislos schaute ich Sophus an und ließ auch den Blick nicht von ihm, als ich längst den Brief in den Händen hielt. Dieser Tag würde in die Annalen der Familie eingehen. So viel stand fest.


    Während ich las, schüttelte ich mehrmals ungläubig den Kopf.


    „Commodus – ich traf ihn doch gerade erst als Pater der Tiberier. Genau der Commodus ist jetzt mein Bruder?“
    Ich suchte in Sophus’ Gesicht zu lesen, so als ob dort meine Antwort stand.


    „Ja gut, er war mir mehr als sympathisch von Anfang an, aber solche Erklärung für meine Sympathie hätte ich nimmer erwartet.“
    Meine Hand sank mit dem Brief nach unten.


    „...und doch ist es eher eine gute Nachricht. Die meine hingegen – von Cadior überbracht – war eine schlechte.“


    Ich stockte kurz und überlegte, ob wohl Sophus den Kopf frei für meine Sorgen hatte. Er wirkte etwas abgespannt.

    „Wenn das in unserem Leben so aufregend weiter geht, brauchen wir gute Nerven“, sagte ich mit einer Art Galgenhumor, nachdem ich mich etwas beruhigt hatte.


    Ich ließ mich einfach auf die Liege fallen und saß kurze Zeit völlig apathisch da. Dann schaute ich zu Sophus.


    „Wie lauten deine Nachrichten?“, fragte ich vorsichtig.


    Mein lieber Vibullius!


    Ich habe versucht dich zu erreichen, doch es gelang mir nicht. Sehr wohl weiß ich, dass du einen schweren Prozess zu überstehen hast und umso furchtbarer muss dich mein heutiges Anliegen treffen.


    In der Kürze der letzten Tage ist so viel vorgefallen, wie sonst nicht im Laufe von Jahren. Ich schenkte dir mein Herz und ich schenkte es dir mit Freuden. Doch heute, einen Tag nur später, muss ich es dir wieder entreißen.


    Du weißt, ich weilte heute in Rom, um die Ankunft meines Paters zu erwarten. Mit seinem Erscheinen änderte sich nun mein ganzes Leben. Er öffnete mir erstmalig sein Herz und auch mein Herz gehörte ihm seit langem.


    Ich bin so unglücklich darüber, dass ich dir nun so unsagbar wehtun muss. Bitte verzeih mir! Ich kann nicht anders handeln.

    Leb wohl!
    Deandra


    edit: Ich kann Schreibfehler nicht gut leiden ;)