Beiträge von Claudia Aureliana Deandra

    Was wünscht man sich von seinem Pater? Dass er gut für die Familie sorgt und sie zusammenhält in guten wie in schweren Zeiten.


    Und was wünscht man sich von einem Mann? Das hängt wiederum davon ab, in welcher Beziehung man zu diesem steht. Tja, ich welcher Beziehung stand ich eigentlich zu Sophus? Er war mein Mädchenschwarm und er hatte einen Platz in meinem Herzen. Lange war dort niemand außer ihm, bis jetzt auch ein anderer Zutritt zu meinem Herzen fand.


    Zwei Männer – so unterschiedlich und beide mochte ich gleichermaßen. Keine leichte Situation....


    „Ich habe fast alles was ich zum Leben brauche und verschwenderisch wollte ich niemals sein. Wenn du mir eine Freude machen willst, dann schenk mir eine Blume. Am liebsten eine mit Wurzeln, welche auf ewig dann in meinem Garten blühen kann und niemals verwelkt.“

    „Du weißt es also“, stellte ich lächelnd fest, während ich Vibullius folgte.


    „Ich spüre eine große Verbundenheit zur Natur – ganz gleich ob es Lebewesen ist oder Pflanze. Oft las ich heimlich als Mädchen die Schriften meines Vaters. Er hätte das nicht gewollt.“


    Ich ließ mich von ihm führen, folgte ohne zu zögern. Plötzlich fielen mir meine Gäste wieder ein. Ich fragte mich, wie viel Zeit wohl schon vergangen war seit meinem Verschwinden. Hoffentlich langweilten sie sich nicht.


    Da Vibullius sowieso schon meine Hand hielt, brauchte es nur einen Schritt und meine Lippen waren auf seinem Mund. Dann begann ich zu rennen und zog ihn diesmal einfach mit.

    Ich kannte grad diese Geschichte noch nicht und lauschte aufmerksam Sophus’ Worten. Als die Stelle mit der Tötung des Sohnes kam und der Vater diesen sogar kochte, riss ich entsetzt die Augen auf. Was für ein Wahnsinn!


    Wie gut, dass die Götter den Sohn wieder zu neuem Leben erweckten. Ich atmete tief durch und lauschte der Erzählung weiter.


    „Das geschieht ihm recht diesem Tantalos. Soll er ruhig unglücklich sein. Ich habe kein Erbarmen!“, sagte ich als Sophus endete.


    Ganz empört klangen meine Worte. Nie würde es mir in den Sinn kommen, jemand aus meiner Familie zu verraten.


    Abrupt war ich einfach stehen geblieben und mein Blick fiel auf eine Therme. Fragend sah ich Sophus an.

    „Ich soll entscheiden? Hast du dir das gut überlegt?“, fragte ich lachend und schob erst einmal die merkwürdige Spannung zwischen uns fort.


    „Ich liebte es schon als kleines Mädchen, wenn wir gemeinsam den Geschichten über die Götter lauschten. Du hast es jetzt so gewollt“, vergnügt blitzte ich Sophus dabei an. „Ich würde gern mit dir durch die Strassen flanieren und dabei deinen Geschichten lauschen.“


    Bittend schaute ich Sophus an. „Eine Geschichte wenigstens“, lenkte ich rücksichtsvoll ein.


    „An dem Platz, wo deine Geschichte endet, schauen wir uns um und finden dort unser nächstes Ziel. Was hältst du davon? Das birgt Überraschung, weil wir selbst nicht vorher wissen was als nächstes kommt.“

    Aufmerksam beobachtete ich meinen Cousin. Seine Gesundheit, an sich immer stabil, machte mir heute große Sorgen. Ich bemerkte, dass er zitterte und Schweiß stand auf seiner Stirn.


    Den Wunsch an seine Stirn zu fassen und nach seiner Temperatur zu fühlen, verdrängte ich schnell. Ich wusste, Männer schätzten solche Gesten nicht allzu sehr.


    Plötzlich dann der Umschwung als Eirene den Raum betrat. Ein völlig anderer Sophus – abgeklärt, kontrolliert und reserviert.


    Hatte er wirklich gesundheitliche Probleme, oder steckte etwas ganz anderes dahinter? Kämpfte er völlig andere Kämpfe? War es Unsicherheit, die er vorhin zeigte, oder bildete ich mir alles nur ein?


    Ich schüttelte kurz den Kopf. Ich musste mich irren. Nie zuvor ließ Sophus Gefühle erkennen, manchmal zweifelte ich schon an der Existenz eines Herzens in seiner Brust. Ein Herz, dass ich lange einmal zu gewinnen suchte. Erst kürzlich gab ich dieses scheinbar sinnlose Unterfangen resigniert auf.


    „Ich würde mich von dir gern durch Rom führen lassen“, griff ich seinen angedeuteten Vorschlag endlich auf. „Schlag etwas vor, ich bin zu allen Schandtaten bereit“, flachste ich, um die Stimmung wieder herzustellen.

    Plötzlich war die lustige Stimmung verflogen. Sophus ließ mich los und etwas betreten standen wir voreinander. Ich schaute ratlos in sein Gesicht und versuchte darin zu lesen, doch es gelang mir nicht.


    Was war passiert? Hatte ich etwas falsches gesagt, ihn gar verletzt? Ich überlegte angestrengt, doch fiel mir keine Ursache dafür ein.


    „Was ist mit dir?“, fragte ich unsicher?

    Zitat

    Original von Titus Helvetius Geminus
    "Oh, entschuldigt, Patrizier werden natürlich auch standesgemäß um die Ecke gebracht."


    Entsetzt fuhr ich zurück, so als träfe mich schallend eine Ohrfeige mitten ins Gesicht. Was war denn das? Meine Augen starrten Schreckgeweitet auf den Quaestor. Unglaublich was dieser gerade offenbarte. Nun fühlte selbst ich mich als Zuschauer offen angegriffen.


    Sprachlos schluckte ich und sah hilfesuchend zum Imperator.

    Ich freute mich über Helena und schenkte ihr ein warmes Lächeln.


    Dann fiel mein Blick auf Maximus. Wie ich mich ihm gegenüber verhalten sollte, war mir nicht sofort klar. Erst gestern erhielt ich einen Brief von Commodus, in dem er mir Unglaubliches offenbarte. Er wurde von Maximus zur Aufgabe seiner Paterfunktion förmlich genötigt.
    Wie also sollte ich mich einem Menschen mit solch rücksichtslosem Vorgehen gegenüber verhalten? Hoffentlich waren seine Absichten in dieser Verhandlung edlere.


    Etwas zurückhaltend nickte ich ihm daher nur zu und richtete meine Aufmerksamkeit wieder nach vorn.

    Ich rutschte unruhig auf meinem Platz hin und her. Die Veranstaltung gestaltete sich um einiges aufregender als zunächst angenommen. Welch eine Spannung, welch eine Dramatik und welch ein Mut des Angeklagten, solch offene Wort hier zu gebrauchen.


    ‚Doch wenn nicht er, wer dann?’, fragte ich mich und wusste keine Antwort. Kein Hochrangiger würde an seinem eigenem Aste sägen, um die Unzulänglichkeiten aufzudecken.


    Fast zitternd vor Spannung harrte ich der weiteren Ereignisse.

    Zitat

    Original von Titus Helvetius Geminus
    "Ein Gericht hat diese Beleidigung nie anerkannt, auch das Pontificalcollegium nicht, für mich existiert diese Beleidigung, so sie denn je stattfand, einfach nicht."


    ‚Du meine Güte so viel Ignoranz!’, dachte ich. ‚Oder war der Quästor einfach nur schlecht unterrichtet? Oder sollte dieser Prozess gar genau so verlaufen und stand bereits in seinem Ergebnis schon vorher fest?’


    Das wollte ich doch nicht hoffen und erwarte sehnsüchtig die Entscheidung des Iudex Prior in dieser Sache und über den Befangenheitsantrag.

    Hm, nichts geschah. ?(


    Verständnislos blickte ich vom Ankläger zum Angeklagten und zurück. Den ersten Spannungsbogen hatte ich wohl gerade verpasst. Alle warteten gespannt – die Frage war nur worauf.


    Dann folgte ich einfach den Blicken und wurde geradewegs zu Adria Vinicia geleitet, welche hier als Iudex fungierte.


    ‚Ah!’, dachte ich. ‚Nun ist alles klar. Die Vögel pfeifen es von Roms Dächern. Um ihre Person rankte sich eine unglaubliche Geschichte. Diffamierung einer Patrizierfamilie und in letzter Sekunde durch Praetorwechsel dem Ankläger von der Schippe gesprungen. Eine Anklage, die eigentlich schon angenommen war.’


    Ich schüttelte noch im Nachhinein den Kopf. Eine ganz außergewöhnliche Geschichte – für war. In Gerichtssälen erlebte man in letzter Zeit die dollsten von allen unglaublichen Ereignissen.


    Zufrieden lehnte ich mich zurück. Ich hatte die Sachlage durchschaut. Plötzlich, ein Ruck ging durch meinen Körper und ich richtete mich wieder auf. Die Frage war, was suchte gerade diese Praetorin hier. War sie doch gerade eben noch in tiefe Zwistigkeiten mit dem Angeklagten verstrickt. Dies war wohl ein Versehen und das fiel dem Iudex Prior, Lucius Ulpius Iulianus gerade auf.


    ‚Ah’, dachte ich. ‚Deswegen diese Stille. Gleich kommt der Verweis auf Befangenheit.’ Zufrieden lehnte ich mich wieder zurück.

    Mit einem weichen Kissen bewaffnet, schlenderte ich zum Gerichtssaal hin. Ich machte mich einerseits auf langwierige Verhandlungen gefasst, welche aber andererseits sicher kurzweilig werden würden. Der Angeklagte, bekannt für seinen scharfen Verstand und seinen Humor, war ein Garant für gute Unterhaltung.


    Die Verhandlung war öffentlich und ich wollte mein Recht nutzen, um dieser beizuwohnen. In Zeiten wie diesen, wo die alten Tugenden der Römer mehr und mehr verblassten, wollte ich vor allem Richter und Ankläger dabei auf die Finger sehen. Mein Vertrauen in diese bestand durchaus, doch sollte man nie den Tag vor dem Abend loben.


    Mich erwartete also eine amüsante Vorstellung, die – so hoffte ich – weder in einem Trauerspiel noch einem Drama für den Angeklagten enden würde. Ich wollte einen glücklichen Ausgang und mehr noch - ein ehrenhaftes Verfahren sehen. So wie man es auch von einer guten Gerichtsbarkeit in diesem Fall erwarten konnte.


    Ich rückte mein Kissen zurecht, nahm Platz und wartete gespannt auf die ersten Wortmeldungen.

    „Du lässt mich ansonsten nie wieder los? Das halte ich außerdem für eine leere Drohung. Willst du mich etwa so bei deiner politischen Arbeit mitschleppen?“


    Meine Augen blitzten vor Vergnügen und ich amüsierte mich über die augenscheinliche Ratlosigkeit meines Cousins.

    Hm, Sophus hatte dazugelernt. Er fiel nicht mehr wie früher auf meine Scheinkapitulationen herein. Wie dumm, jetzt musste ich mir eine neue Taktik überlegen.


    Ich dachte angestrengt nach, während ich lachend einen letzten verzweifelten Ausbruchversuch startete. Erschöpft hielt ich inne, dann kam mir eine Idee.


    „Ich sag’s dir, ich sag’s dir, aber zuerst lass mich los.“


    Mit treuen rehbraunen Augen schaute ich meinen Cousin an und ich wusste, ich konnte mehr als unschuldig blicken.

    „Wer weiß?“, erwiderte ich anstachelnd.


    Was ich auch tat, ich kam einfach nicht gegen ihn an. Kein Wunder, er war um einiges größer als ich geworden und die Zeit in der Legion stählte offenbar seine Muskeln.


    „Du hast gewonnen“; sagte ich schließlich und ergab mich scheinbar in die auswegslose Situation. Der Schalk blitzte mir dabei aus den Augen.

    „Das war hinterhältig!“, rief ich gespielt empört. „Du hast dich kein bisschen verändert. Nie lässt du mich gewinnen.“


    Es kostete mich große Anstrengung beleidigt zu blicken und lange hielt ich das auch nicht durch. Erst kam ein Grinsen, dann ein Lächeln und schließlich lachte ich aus vollem Hals.


    „Lass mich los du Grobian“, scherzte ich und trommelte dabei mit meinen kleinen Händen auf die Schultern meines Cousins. Natürlich fasste er keineswegs grob zu, aber ausreichend fest, damit ich nicht weg konnte.


    „Außerdem war das keineswegs detailliert genug, um meine Neugier zufrieden zu stellen. Daher kann ich dir ebenfalls nur eine nebelige Antwort geben.“


    Geheimnisvoll blickte ich ihn an, beugte mich vor und flüsterte in sein Ohr. „Ich traf schon mehrere Verehrer auf meinem Gestüt.“

    „Wandschränke? Davon musst du mir mehr erzählen!“


    Ich stand gebeugt hinter dem Tisch und erwartete den Angriff von Sophus. Laut quiekte ich, als er mich fast erwischte. In letzter Sekunde konnte ich mich hinter eine Statue retten. Dort lugte ich nun hervor und konnte mich kaum halten vor lachen.


    „Erzähl mir von deinen Abenteuern in Wandschränken, dann erzähle ich dir von meinem Liebsten.“

    Ich nickte zu seinen Worten. Ein Treffen würde der Familie gut tun. Kaum kannte ich noch die Ansichten und Einstellungen von meinem Bruder Iustus und von Scippio, geschweige denn deren Zukunftspläne.


    Ganz bewusst strich ich aber diese Gedanken aus meinem Kopf. Ich beugte mich vor und blinzelte Sophus verschmitzt an.


    „Womit vertreiben wir uns noch die Zeit an diesem besonderen Tag deiner Rückkehr? Oder willst du mir vielleicht etwas über dein Liebesleben erzählen?“


    Ich spitzte meine Lippen und schickte einen Kuss in die Luft so wie ich es schon als kleines Mädchen getan hatte, wenn ich ihn ärgern wollte. Schnell sprang ich auf, um seiner „Rache“ zu entgehen. Ich brachte mich in Sicherheit und lachte ihn aus sicherer Entfernung an.

    Ich versuchte in dem Gesicht von Sophus zu lesen, als er so lange schwieg. Nichts hätte mich mehr getroffen, als wenn er nun erzürnt gewesen wäre. Ich mochte meinen Cousin sehr. Bis vor kurzem war er der absolut wichtigste Mensch in meinem Leben gewesen.


    Erleichtert atmete ich auf, als er anfing zu reden und meine Sorgen verstand.


    „Wäre es nicht möglich, dass sich die Familie einmal zusammensetzt? Schon hin und wieder ein Treffen kann die Bande zwischen uns stärken.“


    Ich hoffte mein Vorschlag war umsetzbar, denn obwohl Iustus in meiner Villa in Ostia lebte, traf selbst ich ihn kaum.


    „Ich weiß, ein Gefühl der Bindung und der Zuneigung kann man nicht erzwingen, aber wenn du die beiden an Familie und Tradition erinnern würdest, wer weiß was sich alles ändern könnte.“


    Ich wollte die Hoffnung nicht aufgeben, obwohl mir bewusst war, ein enges Band der Zuneigung kaum nicht von heute auf morgen. Es musste wachsen. So wie meines zu Sophus in all den Jahren gewachsen war.


    Nachdenklich blickte ich ihn an. Etwas schien ihn verändert zu haben seit meinem Besuch in Mantua. Wenn ich nur wüsste was in ihm vorging…

    Ich blickte Sophus an und versuchte mir die Worte passend zu Recht zu legen. Es war nicht ganz einfach was ich zu sagen hatte und ich wollte ihm keineswegs verletzen oder ihm irgendetwas vorschreiben.

    „Es geht um deinen Bruder und auch um den meinen. Du sprachst ihn eben selber an.“


    Ich machte eine Pause. Hoffentlich fand ich die richtigen Worte.


    „Ich habe so gar keinen Kontakt zu den beiden. Sie wohnen in Ostia, sind meine Verwandte und dennoch kommen sie mir wie Fremde vor.“


    Hilfe suchend blickte ich Sophus an. In dem Moment empfand ich es als schön, dass er meine Hand hielt. Das gab mir Sicherheit und Halt.


    „Du bist im Grunde der einzige, zu dem ich eine enge Bindung spüre. Ansonsten habe ich das Gefühl, in unserer Familie herrscht keinerlei Zusammenhalt. Versteh mich nicht falsch, du warst lange nicht hier. Ich möchte dir keinerlei Vorwurf machen.“ Bittend schaute ich meinen Cousin an.


    „Jetzt wo du wieder hier bist … ist es da vielleicht möglich, dass du als Pater etwas eingreifen kannst?“