Beiträge von Claudia Aureliana Deandra

    Ich musste lächeln. Sophus, den ich so respektierte und auch wegen seines Durchsetzungsvermögens bewunderte, der immer Mut und Stärke in seiner Legio bewies, ließ sich von mir in die Enge treiben?

    „Du hast schon viel in deinem Leben erreicht und auch die Bürde des Pater Familias trägst du erstaunlich gut nach dem Tode deines Vaters, aber im Umgang mit Frauen scheinst du bisher noch sehr unerfahren zu sein“, flüsterte ich ihm ins Ohr und richtete mich wieder auf.


    So schnell hatte sich das Blatt gewendet. Vorhin fühlte ich noch große Verlegenheit, nun offenbar er. Egal was die Zukunft für mich bereithält, er würde immer meine ganz besondere Sympathie besitzen. So viel stand fest.


    „Ich werde mich etwas frisch machen gehen. Die Reise war lang und anstrengend gewesen“, sagte ich schließlich und verließ das Zimmer.

    „Hm, ein Soldat hat wenig Zeit für eine anspruchsvolle Frau“, entgegnete ich lächelnd und kam dennoch nahe an Sophus heran. Ich konnte seinen Atem spüren und er den meinen.


    „Wie würdest du gedenken dieses Problem in den Griff zu bekommen?“, fragte ich und meine Augen wanderten zwischen seinen Augen und seinem Mund hin und her.

    „Wer ist dann im Spiel, Sophus? Verfolgst du mit mir Pläne, von denen ich nichts weiß?“


    Ich war über den etwas versöhnlicheren Tonfall von Sophus sehr erleichtert. Komischerweise machte es mir sehr viel aus, wenn er sich so hart und unzugänglich zeigte.

    „Er war also hier? Ich ahnte es und nun weiß ich auch was er wolte.“ Aufmerksam betrachtete ich Sophus, der wie verwandelt war. Seine Kälte erschreckte mich. Irgendwie konnte ich seine abweisende Haltung nur schlecht ertragen. Automatisch bekam ich Herzklopfen und mein Bauch rebellierte.


    „Du hast ihn also abgewiesen?“, fragte ich zögerlich.

    Ich war dankbar für das Entgegenkommen von Sophus. In dem Zimmer angekommen, entledigte ich mich erst einmal dieses unschönen Wolltuches. Schließlich trug ich ja noch eine Tunika darunter - zwar nur aus einem Hauch, aber immerhin. Wie fange ich an? ‚Am besten gerade heraus’, dachte ich.


    „Als ich in Ostia aufbrach, begleiteten mich einige Befürchtungen und der feste Wille, dir zu trotzen. Deinen Briefen nach zu urteilen, erwartete ich hier einen strengen und kaltherzigen Mann.“ Eine kleine Pause entstand, in der ich kurz Luft holte.


    „Nun, da ich dich erlebe, erkenne ich diesen Menschen nicht. Mehr noch, kaum kann ich den Pater in dir sehen.“ Für einen Moment senkte ich meinen Blick und ein kleines Lächeln huschte über mein Gesicht.


    „Versteh das nicht falsch, ich will und muss heute mit dir über meine Zukunft sprechen. Dennoch… du bist anders als ich es erwartete“, fügte ich leise hinzu.


    „Zuerst einmal: Suchte dich in den letzten Tagen eventuell ein junger Victimarius auf?“ Fragend schaute ich Sophus an.

    Ich stocherte etwas unschlüssig im Essen herum. Natürlich hatte ich Hunger, aber irgendwie wollte ich auch mein Anliegen loswerden und dieses schnürte mir etwas die Kehle zu.


    „Ich möchte nachher gern mit dir in Ruhe reden können“, sagte ich schließlich. „Hier ist es mir einfach zu laut und zu ungestört.“

    Heimlich beobachtete ich Sophus während der Fahrt. Er machte keine schlechte Figur als Wagenlenker. Nicht jeder kam mit vier rassigen Pferden gut zurecht, doch er schaffte das mit Leichtigkeit. Es imponierte mir, wie ich zugeben musste.


    Der Wagen kam vor dem Wirtshaus zum Stehen.


    „Versorg die Pferde gut. Sie dürfen nicht so erhitzt stehen bleiben“, wies ich Cadior an. Ich wusste, ich konnte mich auf meinen Haussklaven verlassen. Er war mehr als das.


    Danach schaute ich zu Sophus. Er kannte sich hier aus. Er würde entscheiden und ich würde mich vorerst von ihm führen lassen.

    „Mein Vater? Ich sah und hörte seit Ewigkeiten nichts von ihm. Ich hoffte, du könntest mir von ihm berichten“, erwiderte ich überrascht.
    Immer deutlicher wurde, wie dringlich es war, über die Familie zu sprechen. Die Gens der Aurelier schien zu zerfallen.


    „Ich habe keine Pläne über die Länge meines Aufenthalts gemacht. Du weißt, ich bin spontan, oder weißt du das nicht?“ Ich warf Sophus einen kurzen Blick zu und musste lächeln. Ein Stück meiner Sicherheit kam wieder zurück. Beim Scherzen konnte ich gut meine Verlegenheit überspielen.


    „Das Gespann gehört dir für die Fahrt in das Wirtshaus. Dabei kannst du dich gleich von der Güte der Pferde überzeugen.“ Die Vorfreude auf die Fahrt, auch wenn sie nur kurz sein würde, lag bereits auf meinem Gesicht.


    Cadior trat beiseite und reichte Sophus die Leinen.

    Ich musste schlucken. Das war also Sophus? So hatte ich ihn mir nicht vorgestellt. Er war freundlicher als seine Briefe und außerdem netter anzusehen als erwartet. Mit einem Schlag war er nicht mehr der gestrenge Pater und Vormund, sondern …
    ‚Bloß nicht drüber nachdenken’, dachte ich bei mir. Schließlich kam ich her, um mit ihm über meine Zukunft zu sprechen.


    „Ich muss… äh, ich wollte… also, können wir hier ungestört miteinander sprechen?“, fragte ich ausweichend.
    Nie war der Anfang eines Gespräches so schwierig wie gerade dieses. Meine Güte, was war nur los? Ich kam doch sonst mit jedem noch so frechen Optio zurecht.

    Nun, da der Zeitpunkt, an dem ich Sophus treffen würde, greifbar nahe war, verließ mich viel von meinem Mut. Ich hatte keinerlei Vorstellung davon, wer mir hier entgegen treten würde. Ich redete mir ein, dass es wohl ein gesetzt aussehender Mann sein müsse. So jedenfalls wirkten seine Briefe und schließlich war er ja der Pater Familias.
    Dass Sophus kaum älter als ich war, verdrängte ich so gut es ging. Das hätte nur meine mühsam aufrechterhaltene Fassung zum Einsturz gebracht.

    Eigentlich hatte ich nur mit einem Wachhabenden gerechnet, aber durch das geöffnete Tor schien nach und nach eine ganze Cohorte zu kommen. Sie diskutierten wild durcheinander, lachten und scherzen.


    „Ich wünsche den Optio Flavius Aurelius Sophus zu sprechen“, rief ich ihnen entgegen. Etwas weniger förmlich fügte ich hinzu: „Sagt ihm, Deandra wünscht ihn zu sprechen. Er weiß dann schon Bescheid.“ Ich mochte die hochnäsige Art der meisten Patrizier nicht. Nur Sophus zuliebe versuchte ich immer, dem äußeren Anschein nach wohl erzogen zu sein. Freundlich lächelte ich deswegen die Legionäre an, die sich allerdings nicht von der Stelle bewegten.


    ‚Na toll’, dachte ich bei mir. Auf diese Art ist bald das ganze Lager auf den Beinen. Hilflos blickte ich mich in der Menge um. Ich würde Sophus noch nicht einmal erkennen, wenn er unter ihnen wäre.

    Auf dem Weg nach Norden – Richtung Mantua versuchte ich mir das Kastell der Legion vorzustellen. Nie hatte ich eines betreten. Ich hoffte dieses war bereits gut ausgebaut, denn auf sämtliche Annehmlichkeiten wollte ich nicht verzichten.


    Als Optio gehörte Sophus zu den Principales und würde vermutlich im Stabsgebäude anzutreffen sein. Principia und Praetorium befand sich immer in der Mitte eines jeden Lagers – so viel wusste ich. Auch sollte ihre Bauweise mir helfen, diese von den Valetudinaria, Horrea und Fabricae unterscheiden zu können. Dennoch war so ein Lager ziemlich groß; ich würde Hilfe benötigen.


    Erst jetzt wurde mir klar, auf welch ungewöhnliches Unterfangen ich mich eingelassen hatte, aber eine Aurelia würde niemals den Rückzug antreten. Entschlossen blickte ich nach vorn – Richtung Mantua.

    Die Quadria verursachte einen kleinen Steinhagel, als sie vor dem Wachturm am Südtor des Lagers zum stehen kam. Die Pferde dampften und stießen bei jedem Atemzug wahre Fontänen in die Winterluft. Sie waren erhitzt, aber außerdem wehte hier ein kühles Lüftchen.


    Fröstelnd zog ich meine Palla enger und streifte sie sogar über den Kopf. Hier in Mantua war es bedeutend kühler als in Rom.


    Die Umwehrung des Lagers war geschlossen und so wartete ich mit meinem Sklaven Cadior im Wagen, bis die Torwache sich melden würde.

    „Spanne vier Pferde an. Nimm nicht die im Training für das Wagenrennen befindlichen, sondern andere. Wir brechen sofort auf. Ich reise nach Mantua.“


    Ich eilte an meinem verdutzt dastehenden Sklaven vorbei und suchte mir eine Palla. Diese wickelte ich mir um die Schultern. Ich konnte unmöglich in zu freizügiger Weise in dem Lager auftauchen. Ich wollte ja nicht die Männer der gesamten Legion sprechen, sondern nur Sophus.


    Unvermittelt huschte mir ein Lachen über das Gesicht. Was für ein Gedanke – ich inmitten eines Lagers dessen Männer vermutlich seit Wochen, vielleicht Monaten keine Frau mehr zu Gesicht bekommen hatten. Da waren also unauffällige Kleidung und große Wolltücher angesagt. Ein wenig erfreulicher Gedanke wie ich fand, aber was soll’s - Sophus kam nicht zu mir, also würde ich zu ihm kommen.


    Eilig verließ ich die Villa und stieg zu Cadior in den Wagen. Der schnalzte kurz mit der Zunge und los ging die Fahrt. Die Pferde waren ausgeruht und standen gut im Futter. Eine ganz bestimmt abenteuerliche Reise begann…


    Eine unerklärliche Unruhe hielt mich heute schon den ganzen Tag gefangen. Rastlos lief ich in meinem Zimmer auf und ab und ebenso ruhelos kreisten meine Gedanken. Ich fragte mich, ob Domitianus wirklich zum Pater Familas der Aurelier wollte und wenn ja, um was es ihm bei diesem Treffen ging. Musste Sophus eine Entscheidung fällen und wenn ja, wie hatte er entschieden?


    Seit Domitianus Mantua erwähnt hatte, ging mir Sophus selbst auch nicht mehr aus dem Kopf. Wie mochte er wohl inzwischen aussehen? Längst war er kein Knabe mehr, aber in meinem Kopf existierte nur dieses eine Bild. Es passte so gar nicht zu den Briefen, die ich von ihm erhielt. Briefe voller Strenge und voller Tadel.


    Von der Ungewissheit geplagt, ging mein Puls immer schneller. Ich beschleunigte unwillkürlich meine Schritte. Der Raum schien nie so klein wie heute zu sein. Kaum begann ich meine Wanderung, war ich bereits am anderen Ende des Zimmers angelangt. So konnte das nicht weiter gehen. Ich musste etwas unternehmen. Abrupt blieb ich stehen, mein Entschluss stand fest.


    „Cadior“, rief ich laut vernehmbar in Richtung der Dienstbotenräume.