Beiträge von Claudia Aureliana Deandra

    Das hörte sich alles sehr vielversprechend an. Ich war regelrecht begeistert.


    "Wunderbar, sehr gern. Was habe ich an Auslagen für die Abschriften zu bezahlen? Oder gibt es die umsonst?"


    Jetzt blieb nur noch offen, woher ich die Unterlagen beziehen konnte. Möglichweise brachte diese aber auch ein Scriba vorbei. Abwarten war hier wohl die einfachste Lösung.

    „Hmhm …“ Im Grunde reichten mir diese Auskünfte, weil die weitere Neugier nicht mehr durch Befragungen gestillt werden konnte. Ich überlegte – und die Anstrengung war mir sicherlich anzusehen – wie ich alles weitere bewerkstelligen konnte, um auf meine Kosten zu kommen. Der eine oder andere zusätzliche Weg würde sicherlich anfallen, ebenso manche Geldausgabe. Vielleicht musste ich aber auch gar nicht das Haus verlassen, sondern lud einfach ein.


    Ich erhob mich und schlenderte durch den Raum, Assindius hatte ich vorerst vergessen, weil die Planungen bereits Gestalt annahmen. Auf jeden Fall wollte ich geschickt vorgehen, damit kein schlechtes Licht auf mich oder den Namen der Gens fiel. Sicherlich gab es etliche Klatschweiber, die begierig waren, Neuigkeiten zu verbreiten und am Ende noch falsch auszulegen.


    Hoffentlich würde ich nicht rot werden, wenn ich in öffentlichen Einrichtungen meine Wünsche äußerte. Ich könnte aber auch Assindius schicken. Natürlich! Der Entschluss war gefasst und ich blieb mitten im Zimmer stehen.


    „Wir können gehen“, stellte ich überaus zufrieden fest.

    Das Gespräch verlief entgegen meiner Befürchtungen derart gut, dass ich mich entspannt zurücklehnte, befreit lächelte und sehr interessiert den Ausführungen meines Sklaven folgte. Assindius wirkte sehr glaubwürdig: Er sprach ruhig, brachte nachvollziehbare Erklärungen und antwortete im Gegensatz zu meinem Bruder bereitwillig. Nie erschien es mir, als wolle er etwas beschönigen oder gar weglassen.


    „Hm, wie kann es denn sein, dass manche Frauen es gar nicht wollen und andere sehr oft? Hängt es vielleicht damit zusammen, ob sie den Mann aus Liebe geheiratet haben?“ So musste es sein, dachte ich bei mir und lächelte. Dann aber fielen mir diese lockeren Mädchen zu den letzten Ludi ein und mein Lächeln verschwand. Die konnten ja offensichtlich mit jedem abziehen, egal ob er fett oder hässlich war. Gab es demnach Unterschiede im Erleben bei Frauen? Gespannt harrte ich der Antwort, wenngleich meine Gedanken auch sogleich weiterwanderten.


    „Ich zweifle deine Worte nicht an, es klingt alles glaubhaft, aber … Bist du sicher, dass jeder Mann immer will?“ Vielleicht war das ja nur bei den Germanen oder am Ende bei Assindius so.


    „Schöne Frauen sagst du.“ Ich grübelte über diese Aussage nach. Es gab so viele durchschnittliche Frauen in Rom und mitunter sogar hässliche. Fand ich zumindest. Ob die wohl auf ewig Jungfrau blieben? Ich schüttelte den Kopf. „Das mit der schönen Optik kann aber nicht stimmen, Assindius. Auch hässliche Frauen haben Kinder.
    Ach ja, und Römer tragen keine Hosen.“


    Ich schmunzelte bei den Gedanken an einen ernst zu nehmenden Mann in Hosen.
    Und ... Das Schmunzeln ging in ein breites Grinsen über .. Ganz sicher, würde ich fortan bei jedem Mann und vielerlei Gelegenheit auf jene Stelle schauen, wenn Assindius tatsächlich der Meinung war, es geht immer und es reicht der Anblick einer Frau. Warum war mir diese Funktionsweise denn bloß bisher nicht aufgefallen?! :D

    Was Assindius sagte, leuchtete nicht nur ein, es beruhigte mich auch. Nach und nach entspannte ich mich, was an meiner Körperhaltung ersichtlich war. Anfangs hatte ich schon geglaubt, mein Bruder hätte mir aus Rücksicht nur die halbe Wahrheit erzählt. Nun jedoch konnte ich die neuen Auskünfte beinahe in seine integrieren und es ergab sogar ein stimmiges Bild. Ich nickte meinem Sklaven daher erfreut zu. Seine Beschreibungen waren wider Erwarten sehr kultiviert und für mich verdaulich.


    Ich sann der Aussage zu der Einführung nach und versuchte mir das Ganze bildhaft vorzustellen. Da ja aber die benötigte Stelle der Stute für den Hengst gut erreichbar lag, die für den Mann bei der Frau aber nicht, rätselte ich über die praktische Umsetzung annähernd vergeblich nach.


    „Wie soll das gehen? Der Mann kann meiner Meinung nach vergeblich zielen, ohne je einen Treffer zu landen.“


    Beinahe hatte ich sein Satzende überhört, nun aber kam es mir wieder in den Sinn und ich lächelte.


    „Du meinst wirklich, nur dann, wenn sie will? Wie oft will sie denn so im Durchschnitt?“


    Ich glaubte, daran zu erkennen, ob es ihr Spaß machen könnte oder doch eher nicht.
    Begierig darauf, noch mehr zu erfahren, setzte ich mich nun auf einen entfernten Stuhl, denn meine nächsten Fragen würden diesen Abstand benötigen – zumindest nahm ich das an.


    „Und wie ist das? Ich habe gehört, es gibt ein paar Anreize, die dem Mann seine Lust spüren lassen. Wie oft kann so etwas denn vorkommen und was löst es aus?“

    Ich schaute Assindius verblüfft an.


    „Selten, aber manchmal schon. Ich plane zwar die Verpaarungen, aber für die Durchführung sind die Gestütsleiter zuständig. Willst du damit etwa sagen …“


    Bei der Vorstellung wurden meine Augen groß. So ein Deckakt ging weder besonders gefühlvoll – um nicht zu sagen höchst stürmisch – noch in irgendeiner Form erstrebenswert vor. War die Stute nicht bereit, schlug sie mal eben nach hinten aus, was den Hengst mitunter in erhebliche Gefahr brachte. Der wiederum nahm wenig Rücksicht auf die Wünsche der Stute, sondern handelte zielgerichtet, fast schien es mir gewaltvoll. Und das auch noch ganz abgesehen von dem gigantischen Geschlechtsteil.


    „Bei den Göttern! Warst DU denn schon einmal bei einer solchen Verpaarung dabei?“


    Falls ja, dann musste ich nun annehmen, dass es zwischen Menschen ähnlich kurz, aber vor allem gewaltvoll zuging. Meinen erschreckten Gesichtsausdruck behielt ich daher unbewusst bei.

    "Ich wäre dir verbunden, wenn du ihn ansprechen würdest", erwiderte ich ohne großartig darüber nachzudenken. "Teilst du mir bitte das Ergebnis der Nachfrage auf dem Schriftwege mit? Ich bin am besten in Mantua zu erreichen. Ach, und falls der Bescheid nicht positiv ausfällt, würde ich mich über Abschriften zu dieser Vorlesung freuen. Bildung muss ja nicht zwingend in Form von abgelegten Prüfungen nachweisbar werden, sondern ist ein Gut, das man hat oder eben nicht."


    Ich überlegte flüchtig, ob damit all meine Anliegen abgeklärt waren. Dem war wohl so, also blieb nur noch die Kostenklärung.


    "Für die dir entstehenden Kosten bezüglich der Abschriften komme ich dann selbstverständlich auf. Lass sie mich einfach wissen. Die Kursgebühr für den Fall einer Teilnahme kenne ich ja."

    „Gut“, sagte ich erleichtert und atmete zunächst hörbar aus. Und wieder hing ich fest. Wie fange ich bloß an? Wenn ich Assindius nicht schon so lange kennen und vertrauen würde, dann wäre ein Abbruch des Gespräches nahe liegend gewesen – derart unwohl fühlte ich mich.


    „Es ist so: Ich werde bald eine Ehe eingehen, weiß aber kaum etwas über …“ Ich betrachtete den Fußboden, so als würde dort der weitere Text stehen. Bevor mich mein Sklave jedoch noch auslachen würde, riss ich mich zusammen und rasselte die Erläuterung zum Problem herunter: „Ich wüsste gerne, was in der Hochzeitsnacht passiert. Bestimmt ist das bei deinem Volk nicht viel anders. Und bitte erkläre es mir so, dass ich als Nichtwissende das auch verstehe.“


    Es schien, als wäre ich dabei außer Atem gekommen, was natürlich an der Aufregung und nicht an der schnellen Wortfolge lag. Nunmehr traute ich mich auch, den Blick zu heben und Assindius anzuschauen.

    Die Antwort überraschte mich, daher trat ich einen Schritt näher. Ein tolles Angebot, wie ich fand, dabei konnte ich es noch gar nicht glauben.


    "Eigentlich bedeutet ja eine Einschräkung, nicht wahr?", erwiderte ich lächelnd. "Würdest du denn einmal eine Ausnahme machen?"
    Weiterfragen wäre ja nach der Antwort immer noch möglich, also hielt ich inne und schaute Aelia erwartungsvoll an.

    Wie bei etwas Verbotenem ertappt, fuhr ich herum, als es an der Tür klopfte. ‚So etwas Dummes’, schalt ich mich. Es war keineswegs verboten, sich in diesem Raum aufzuhalten und den Sklaven zu sich zu bestellen. Ich strich mir entnervt über die Stirn. Als ich meines Sklaven gewahr wurde, entspannte ich mich vollends – zumindest so weit es die Situation zuließ und die war ja nun etwas unüblich.


    „Prima“, erwiderte ich meinem Sklaven, kam ihm entgegen, schaute noch einmal prüfend in den Gang und schloss die Tür. Einmal tief durchatmen, dann wollte ich sogleich starten, doch zunächst suchte ich nach Worten.


    „Assindius, was wir heute besprechen, muss absolut unter uns bleiben. Niemand würde verstehen, was ich mache und doch treibt mich die Neugier dazu.“


    Setzen oder stehen bleiben? Ich war unschlüssig, deswegen ging ich einmal zur Raummitte und wieder zurück. Letztlich entschloss ich mich für eine Befragung im Stehen, aber Assindius sollte sitzen, weil ich mich so sicherer fühlte.


    „Nimm dir den Stuhl dort hinten und setz dich“, forderte ich ihn auf und wartete bis er saß. Währenddessen knetete ich meine Hände, schaute sie auch ab und zu an und dann wieder abwartend zu meinem Sklaven.


    „Assindius … Bist du noch jungfräulich?“, begann ich zaghaft, denn schließlich hing von der Antwort alles Weitere ab.

    „Rhetorik wäre nicht übel oder aber auch juristische Kenntnisse.“ Einen Augenblick dachte ich nach. „Die Naturwissenschaften, ja die würde ich auch noch zweckmäßig finden. Auf jeden Fall nicht diese Einsteigerkurse, CRV und wie sie alle heißen ;) . Über diesen Kenntnisstand verfügt meine Sklavin längst.“


    Abwartend schaute ich Aelia an, machte mir allerdings keine allzu großen Hoffnungen, dass Geld an dieser Stelle behördliche Phlegmatik außer Kraft setzen könnte. Aber man sollte nie zu früh die Hoffnung aufgeben. Das hatte man mich bereits als kleines Mädchen gelehrt.

    „Ah, gut dass du da bist!“ Ich unterbrach abrupt meine Wanderung und trat auf meinen Leibsklaven zu. „Folgendes: Begleite mich in die Villa Aurelia. Dort suchst du als erstes meinen Bruder auf und überbringst die Einladung zu dem geplanten Essen. Er hat etwa eine Stunde Zeit, sich zurechtzumachen. Ich, oder besser wir, werden jedoch nicht gemeinsam mit ihm in die Villa Claudia zurückkehren, weil ich zuvor noch etwas … ja … sagen wir: erledigen muss. Verstanden?“
    Ich vergewisserte mich, ob Assindius einen verständigen Gesichtsausdruck machte oder ihm alles zu schnell ging. Weil ich jedoch innerlich aufgedreht war, sprach ich nach einem Blick zur geschlossenen Tür sogleich, wenn auch gedämpft, weiter.


    „Hast du ihm diese Nachricht überbracht, erwarte ich dich in diesem abgelegenen Zimmerchen. Du weißt schon, das neben dem kleinen Triclinium zu ebener Erde. Ich habe etwas mit dir zu besprechen, aber trag Sorge dafür, dass dir keiner der Angestellten und schon gar nicht mein Bruder folgt. Das ist wichtig! So, und nun lass uns gehen.“

    Das war vielleicht eine Sache: Seit mir die Angelegenheit mit dem Kinderkriegen und dem Drumherum in den Kopf gekommen war, verging kaum eine Minute, in der ich nicht über das nachdachte, was ich nicht im Ansatz einzuschätzen wusste. Klar war, es ging mir nicht um die Praxis, denn die hatte zu warten, bis ich verheiratet war. Aber ich wollte bis dahin so viel wie nur irgend möglich – vor allem über das, was zuvor stattfand – herausfinden. Irgendwelchen Dichter und Philosophen schenkte ich dabei weniger Vertrauen als den Menschen in meinem Umfeld. Sie würden mir sicherlich unverfälschte Antworten geben. Auf die meines Sklaven war ich im Besonderen gespannt. Ich wusste, er würde niemals lügen. Allerdings stellte ich mich darauf ein, dass die Informationen aus seinem Mund durchaus niederschmetternd, am Ende sogar abschreckend sein konnten.


    Assindius war nicht schwatzhaft, er würde meine Neugier niemals jemandem verraten, da war ich sicher. Es war also keineswegs das schlechte Gewissen, was mich von Minute zu Minute nervöser machte, sondern vielmehr die Ungewissheit, was er mir womöglich offenbaren könnte. Zum Glück konnte ich mir im Nachhinein ja noch immer einreden, dass es bei den Germanen eben anders läuft – für den Fall, er schockierte mich gar zu sehr. Ungeduldig wartete ich auf sein Erscheinen.

    Wieder hörte ich aufmerksam zu. Alles war Neuland und ich fühlte mich wie auf einer Entdeckungsreise, wenngleich diese vorerst nur gedanklich startete. Das war aber aufregend genug, das Wangenrot hielt sich beharrlich.


    Auf ihre Frage antwortete ich mit Bestimmtheit.
    „Auf keinen Fall werde ich warten, bis es soweit ist. In der Theorie möchte ich alles vorher wissen, weil ich mich weder dumm anstellen noch von etwas komplett Unbekanntem überrascht werden will. Jemand fragen, genau das habe ich vor. Zwar hätte mir ein Buch auch fürs Erste gereicht, aber offensichtlich gibt es keine, so wie ich sie mir vorstelle oder in der Aurelia wurden solche nicht angeschafft.“


    Das Schweigen teilte ich mit Epi und ebenso die Feststellung, wir zwei wären unbedarft. Ich nickte voller Überzeugung. Doch dann kam die glorreiche Idee, ich war sofort hellwach.


    „Wirklich??“ Ich grinste Epi in gleichem Maße verschwörerisch zurück. „Dann nichts wie los!“, forderte ich auf und stand auch sogleich auf den Beinen.

    Derweil saß ich vor einem Spiegel und ließ mir die Frisur noch einmal herrichten. Ich betrachtete zwar mein Spiegelbild, war mit den Gedanken aber ganz wo anders. Ich kam einfach nicht mehr von dem gestrigen Thema los, es kreiste beständig in meinen Gedanken.


    „Werd fertig“, mahnte ich die Sklavin, ich hielt es kaum noch auf dem Stuhl aus. Da musste doch noch mehr drin sein als die bisher gewonnenen Erkenntnisse. Die restliche Zeit zappelte ich unruhig herum, sodass ich, weil es mitunter ziepte, das Gesicht schmerzhaft verzog.


    „Na endlich“, stieß ich erleichtert hervor, sprang förmlich vom Stuhl und schickte mit ungeduldigen Handbewegungen die Sklavinnen hinaus.


    „Assindius soll kommen“, rief ich der letzten hinterher, bevor diese die Tür zuzog.


    Alsdann wanderte ich rastlos im Zimmer auf und ab, spielte an einem Seidentuch, dass ich völlig unnütz an einem Zipfel zusammen- und wieder auseinanderrollte und atmete immer wieder heftig durch. Das war aber auch alles eine aufregende Angelegenheit. Warum mir das nur bisher verborgen geblieben war?

    Ich nickte, weil ich Aintzane richtig eingeschätzt hatte.


    „Der Rector“, und ich liebte es, Frauen in Ämtern mit der korrekten Amtsbezeichnung, nämlich der für einen Mann, zu betiteln, „wird sicher Schwierigkeiten machen, weil du keine Bürgerin bist“, raunte ich zurück. „Wir versuchen es trotzdem und wenn es misslingt, werde ich andere Lösungen finden.“


    Damit richtete ich den Kopf wieder zu einer stolzen Haltung auf und sah Aelia an.


    „Ich möchte meine Sklavin, die bereits eine außerordentliche Vorbildung hat, schulen lassen, am Geld soll es nicht scheitern. Welche Lösungen kannst du mir anbieten?“

    Ich sprach in Richtung meiner Sklavin und in einem sehr gedämpften Ton.


    „Du bist bereits umfassend vorgebildet, das hat mich bereits vor Tagen auf die Idee gebracht, dich womöglich für anspruchsvollere Tätigkeiten zu nutzen. Ich könnte in absehbarer Zeit jemand brauchen, der über geschultes Wissen verfügt und das vermitteln kann. Traust du dir so etwas zu? Wenn ja, würde ich Geld in dich investieren.“


    Auf ihre Reaktion war ich durchaus gespannt.

    Zitat

    Original von Aelia Adria
    "Man könnte man sich an größere Gestüte wenden, vielleicht würde sich dort so jemand finden."


    Die Antwort war insgesamt wenig ergiebig. Vor allem der letzte Satz ließ meine Augenbrauen für einen Lidschlag zusammenziehen, besaß meine Familie doch das in Italia berühmteste Gestüt. Genau darum ging es ja, ich wollte eine Optimierung der bereits vorhandenen Kenntnisse, um größere Zuchterfolge erzielen zu können.


    "Ja, gut. Das hilft mir jetzt nicht weiter, aber entschuldige mich für einen Moment, es bedarf noch einer Rücksprache."


    Eine wirklich blöde Situation, denn was ich Aintzane zu sagen hatte, ging niemand etwas an, aber noch einmal wiederkommen, wollte ich auch nicht. Ich winkte meine Leibsklavin heran. Sehr nahe an mich heran.

    Das Mustern seiner Gesichtszüge brachte keine Aufklärung über die Gedanken hinter Corvis Stirn. Unklar war, ob er sie für sich behalten wollte oder nicht zu formulieren wusste. Also gab ich dem sanften Druck seiner Hände nach, ließ mich zwar umarmen, lehnte sogar den Kopf bei ihm an, sträubte mich aber, den vollen Körperkontakt einzugehen. Seit heute spürte ich eine ungekannte Zurückhaltung, die Vertrautheit war abhanden gekommen, sie hatte Unsicherheit Platz gemacht. Mir wurde klar, dass der rechtlichen Trennung eine emotionale gefolgt war. Ich hatte einen Bruder verloren, unwiederbringlich, und nichts außer der Freiheit gewonnen, Sophus heiraten zu können – viel wert, aber der Preis war hoch.


    Auch sein Streichen über den Rücken, das sonst stets beruhigend gewirkt hatte, fühlte sich anders an: Es erinnerte mich an Sophus. Nicht weil er ähnliches getan hatte, aber weil das Ergebnis ein vergleichbares war. Vermischten sich jetzt beide Männer zu einer Person? Vielleicht hatte mir einer der claudischen Sklaven eine Art Rauschmittel ins Essen getan. Wie anders sollte ich mir sonst diese merkwürdigen Empfindungen sonst erklären? Eins stand fest: Wollte mich Corvinus gerade beruhigen, gelang ihm das äußerst schlecht, trat doch eher das Gegenteil ein. Ich empfand seine Hände heute vollkommen anders, es würden wohl nie wieder die meines Bruders sein.


    Endlich rang er sich eine Antwort ab, allerdings keine, die wirklich Aufklärung bot. Das jedoch war mir im Moment egal, verlangte es mich doch verstärkt nach Abstand, nach dem Alleinsein, nach ungestörten Gedanken. Das Wenige, was er äußerte, konnte ich aber unterstreichen.


    „Ja, er ist etwas ganz Besonderes.“ ‚So wie du’, fügte ich an, hütete mich aber, diese Worte auszusprechen. Möglicherweise konnte er sie aber in meinen Augen lesen.


    Wieder betrachtete ich sein Gesicht für lange Momente, als er wenig später unmittelbar vor mir stand. Irgendwann senkte ich die Augen, streifte dabei Brust und Bauch, bevor der Blick am Boden haftete. Mit den Worten, „Ich gehe jetzt“, leitete ich meinen Rückzug ein. Ich legte die Hand auf die Klinke, drückte sie, hielt noch einmal kurz inne, um zu ihm zu schauen, und schlüpfte anschließend durch die Tür, die ich hastig hinter mir zuzog.


    Ein tiefer Atemzug, begleitet von aufgerissenen Augen, war die erste Reaktion, als ich im Gang stand. Worüber ich im Einzelnen entsetzt war, wusste ich nicht zu sagen – vielleicht vor mir, vor seinem wechselhaften Verhalten, seinen Worten, vor der Erkenntnis, dass ich nie wieder die gewohnte Vertrautheit erleben würde …


    Schließlich wurde ich Assindius’ Anwesenheit gewahr und riss mich zusammen.


    „Ich möchte in die Villa Claudia zurückkehren“, murmelte ich. Anschließend setzte ich mich kraftlos in Gang.

    Das ist so eine Sache, wenn man bemüht ist, die Fassung so gut es ging zu wahren, dann aber auch noch getröstet wird. Zumeist öffnete das ungewollt die Schleusen, auch wenn eine Entschuldigung ohne Zweifel immer gut tat. In den letzten beiden Tagen hatte mich Corvinus häufiger verletzt als im ganzen Jahr zuvor. Aber nicht nur unser Verhältnis hatte sich geändert, sondern vieles und wie mir schien, alles zum Schlechten.


    Manchmal jedoch kam noch der alte Corvi zum Vorschein - so wie gerade, als er leise bat, ich solle nicht weinen. Der Versuch gelang sogar, aber es waren traurige Augen, die ihn nachdenklich betrachteten. Die versuchten zu verstehen, was er mir sagen wollte. Ich ließ seine Erklärung nachklingen, wieder und wieder, nur um sicher zu sein, dass ich nicht fehlinterpretierte.


    „Was wäre, wenn es Sophus in meinem Leben nicht gäbe?“, fragte ich zaghaft nach. Sophus – ich hatte so viel mit ihm geteilt: Schöne Stunden und schwierige Zeiten, ich war wegen ihm nach Mantua gezogen, hatte ihn, so lange ich denken konnte, geliebt und häufig, viel zu häufig vermisst. Liebe beginnt zu sterben, wenn sie nicht gepflegt wird. Meine nicht, dachte ich immer. Davon war ich bis zur Stunde überzeugt.


    Warum ging mir all das durch den Kopf, als ich Corvinus betrachtete? Seine Nähe war nichts Ungewöhnliches für mich und doch sah ich ihn zum ersten Mal mit den Augen einer Frau. Lag es an dem zuvor erörterten Thema, dass ich seine Hände intensiver spürte? Oder wurde mir erst durch seine abweisende Art bewusst, wie wichtig er doch für mich war? Nein, Quatsch! Wichtig war er schon immer. Was redete ich mir denn gerade ein? Trotzdem machte mich seine Nähe gerade nervös. Den Herzschlag konnte er zum Glück nicht hören und das beginnende Zittern der Knie merkte er hoffentlich nicht.


    ‚Reiß dich zusammen, Deandra’, sagte ich zu mir selbst. ‚Ein Mann, der wahllos Frauen und Männer begattet, für den die Heirat der Zwang zur Treue ist, nein, da ist Sophus’ distanzierte Art noch tausendmal besser. Warum habe ich nur diese Frage gestellt?! Also bitte, Corvi, schnell eine Antwort, denn dann kann ich gehen.’

    Während ich noch überlegte, ob ich auf Corvis Rat hören und die Dinge auf mich zukommen lassen sollte, wandelte er sich von dem bereitwillig unterstützenden Bruder in einen mir vollkommen fremden Mann. Kalt und abweisend war er heute nicht zum ersten Mal, das Dumme nur: Ich wusste wieder nicht wieso. Ich kam zu dem Schluss, dass Gefühle von Männern stets unzuverlässig waren – gleich ob nun die eines Liebsten oder eines Bruders. Dieses Resümee dämpfte mein soeben noch empfundenes Glücksgefühl erheblich, doch dem nicht genug: Die Antwort auf meine letzte Frage war nicht nur niederschmetternd, sie war auch noch boshaft formuliert. Von dem schneidenden Tonfall einmal ganz abgesehen.


    Plötzlich saß ein Kloß in meinem Hals, den auch das wiederholte Schlucken nicht beseitigen konnte. Mit nahezu entsetzten Augen starrte ich Corvinus so lange an, bis ich mir der aufsteigenden Tränen bewusst wurde. Hastig schlug ich die Augen nieder und stand im nächsten Moment auf.


    „Ich muss jetzt gehen. Danke für die Hilfe“, murmelte ich zum Fußboden und schickte mich an, aus dem Zimmer zu flüchten.