Beiträge von Claudia Aureliana Deandra

    Ich musste schlucken und versuchte gleichzeitig durchzuatmen, was schwer fiel, denn scheinbar lag gerade ein Felsbrocken auf meiner Brust. Ich presste meine Lippen zusammen und blickte zur Seite. Hätte ich doch nur rechtzeitig mit Vater gesprochen, nun war es zu spät. Ich machte mir Vorwürfe, weil sein Bruder mehr über mich wusste als er.


    Reumütig, aber wohl vielmehr verängstigt, blickte ich meinen Vater an.
    "Heißt das jetzt, du hast deine Zustimmung gegeben?"
    War meine dünne Stimme überhaupt zu vernehmen?


    Eines stand fest: Wer auch immer dem Schicksal ins Handwerk pfuschen wollte, er erreichte damit nur eins: Er band mich enger denn je an Sophus.

    "Du hast Recht, hier ist keine Menschenseele - zumindest derzeit nicht, aber denke nicht, dass wir mit der Suche bereits am Ende sind. Hier gibt es noch viele Zimmer. Lass uns in das dort hinten gehen. Es sieht wichtig aus, weil es am Ende des Ganges ist."


    Zügig schritt ich aus und hoffte, mein Sklave würde mithalten können. :D

    Meine Brauen hoben sich merklich, als ich mich setzte. ‚Eine Sache, die mich betrifft?’, wiederholte ich in Gedanken.


    Als dann jedoch die Aufklärung kam, fiel mir schlagartig mein Lachen aus dem Gesicht. Verständnislos blickte ich meinen Vater an - weniger wegen dem bekundeten Interesse, als vielmehr wegen der Tatsache, dass mein Vater angesprochen wurde. Die Verehrer der Vergangenheit hatten wenigstens meinen Vater aus dem Spiel gelassen. Das bedeutete nämlich nun, dass nicht mehr ich über die jeweilige Werbung entscheiden, sondern mein Vater zustimmen oder ablehnen konnte. Hinzukam, dass ich praktisch vogelfrei war - durch nichts sichtbar an Sophus gebunden und wen interessierte es schon, wie es in meinem Herzen aussah?


    „Wa … was hast du … geantwortet?“ Meine Augen hypnotisierten förmlich meinen Vater. Ich kannte diesen Quirinalis nicht einmal. Er war Flavier, ein Patrizier und damit ein ernstzunehmender Kandidat … oje, oje ... Wie üblich bei Aufregung stellten sich Bauchschmerzen ein ...

    Da ich von der geglückten Kandidatur meines Vaters und der damit in Zusammenhang stehenden Reise nach Rom wusste, überraschte mich sein Besuch keineswegs. Ich nahm an, er wollte sich verabschieden, denn zumindest ich würde nicht nach Rom umsiedeln. Zwar war gegen gelegentliche Besuche nichts einzuwenden, aber mein Hauptwohnsitz war Mantua.


    Geschwind folgte ich also der Aufforderung, kam in das Speisezimmer und grüßte meinen Vater. Trotzdem fragte ich den Höflichkeit halber: "Du wolltest mich sprechen?"

    „Ich habe die Dinge auch lange nur in schwarz und weiß, richtig und falsch oder gut und böse geteilt. Inzwischen weiß ich, dass ich manchmal flexibler sein muss. Sicher, an meinen Prinzipien lasse ich nicht rütteln, aber ich schere nicht mehr alles über einen Kamm. Ich habe lange gebraucht, bis ich den Wert Adrias erkannt habe und nun würde ich mich stets für sie einsetzen, so lange sie mich nicht selbst vom Gegenteil überzeugt. Zu dieset Erkenntnis hat mich im Übrigen Curio gebracht.“


    Ich lächelte. Auch die Freundschaft zu Curio musste zunächst wachsen.


    „Weißt du, es ist oft so, dass man Menschen viel zu oberflächlich kennt und glaubt, man könne sie einschätzen. Manch einer besitzt einen viel höheren Wert, als es der erste Eindruck vermittelt. Ebensolche Fehler passieren, wenn man Menschen vertraut, weil sie scheinbar vertrauenswürdig erscheinen. Ich kann dergleichen Enttäuschungen bereits nicht mehr zählen.


    Die wahren Freunde, die edlen Charaktere, zeigen sich uns dann, wenn es gilt, Schwierigkeiten zu meistern. Dabei fallen viele durch und es ist schmerzhaft, wenn einem diese Menschen nahe stehen.
    Es gibt gerade einmal vier in meinem Umfeld, denen ich rückhaltlos vertraue, dabei hat sich von diesen nur ein einziger bereits in guten wie in schlechten Zeiten bewährt. Die anderen hatten noch nicht diese Gelegenheit. Auf wie viele Menschen dieser Art kannst du verweisen? Du scheinst mir recht enttäuscht oder gar verbittert zu sein.“

    "Weißt du, Agri, du bist die vernünftigste Frau außerhalb meiner Gens, die ich je getroffen habe, und ich bin froh, dich zur Freundin zu haben. Ich muss bei dir nie die Sorge haben, dass Müll aus deinem Mund kommt, denn alles, was du sagst, hat einfach Hand und Fuß. Das ist wundervoll!"


    Ich umarmte Agrippina kurz und überlegte dann, für welches Getränk ich mich entscheiden sollte.


    "Ein Glas Wasser wäre mir sehr Recht", entschied ich schließlich und schmunzelte ob der vorangegangenen Gedanken.


    "Andererseits kannst du dich glücklich schätzen, weil in deinem Tempel doch alles wie zu Zeiten unserer Vorfahren läuft. Stell dir mal vor, hier würde neuerdings ein Mann Einlass finden. Diese Vorstellung ist in meinen Augen kein bisschen weniger abstrus, als eine Frau zum Consul einzusetzen."

    Ich schaute Hadrianus unter gekräuselten Brauen an. Nicht alles gefiel mir, was ich hörte.


    „Deine Worte über Adria gefallen mir nicht unbedingt, wenngleich ich dir in einem Punkt Recht geben muss: Es ist Pflicht und Erfüllung einer Ehefrau, Kinder zu gebären. Natürlich ist eine kinderlose Ehe nicht anerkannt, da sie ihren Zweck verfehlt, trotzdem, ich schätze Adria als Mensch.


    Auf Wohlgefallen hingegen stößt deine Aussage, dass es nie einen weiblichen Consul gab, gibt und geben wird. Darin bin ich ganz deiner Meinung!“


    Ich lachte vergnügt.


    „Das ist es ja, was ich vorhin ausdrücken wollte. Tiberia kann sich mit sonst was für männlichen Titeln schmücken, sie bleibt eine Frau und nichts weiter als das. Ihre Ämter, die sie glaubt zu bekleiden, sind in meinen Augen null und nichtig. So denken alle Aurelier, soweit ich weiß.“


    Fragend blickte ich Cicero an, denn bei ihm war ich mir nicht ganz so sicher.

    Ich strich mir sorgenvoll über die Stirn und musste mich aus einem dringenden Bedürfnis heraus nun doch zur Sache äußern.


    „Hadrianus, sag nicht so etwas gegen Adria“, bat ich leise. „Sie ist eine wunderbare Frau. Es ist ein großer Fehler, die beiden Frauen im Senat über einen Kamm zu scheren. Adria wäre sofort bereit, ihre Position und das ganz ohne Entschädigung aufzugeben. Hungaricus hält allerdings dagegen.
    Wer aber das entscheidende Übel in dieser Angelegenheit ist, lässt sich nun an den Fingern abzählen – Tiberia. Sie wehrt sich vehement gegen den Verlust ihrer errungenen Position. Mit keiner Art und Größe an Entschädigung ist sie einverstanden, ihr ist Tradition egal, sie stellt persönliche Interessen über die des Erbes unserer Ahnen. Nun ist sie sogar Consul. Ich bedauere bereits jetzt meinen Vater und bin höchst gespannt, wie er dieser Tatsache aus dem Weg gehen wird, denn dass er es tun wird, steht außer Frage.“

    Aus Mantua traf ein Brief in der Casa ein, der von einem Boten der Gens Aurelia überbracht wurde.



    Marcus Octavius Maximus
    Casa Octavia Avitus
    Roma



    Salve, Octavius Maximus,


    wie zugesagt, habe ich Rücksprache mit Sophus gehalten und kann dir bezüglich der noch unklaren Einbeziehung der Familienmitglieder zu der geplanten Ehrungsveranstaltung mitteilen, dass er deinem Wunsch, die gesamte Gens einzuladen, entspricht.


    Gleichsam wäre es mir nun möglich, einen Termin mit dir zu vereinbaren, der aus Sicht der Gens Aurelia im Mai liegen muss. Als Vorschlag ergeht der: ANTE ANTE DIEM IV ID MAI DCCCLVI A.U.C. (12.5.2006/103 n.Chr.). Nach der Bestätigung des Termins würde ich dann die Einladungen an die Factiomitglieder und Weggefährten sowie an meine Familie versenden.


    Vale
    Aurelia Deandra




    edit: Datumkorrektur

    Ich war gespannt, was sich die Männer noch zu sagen hätten, daher lehnte ich mich bequem an und schaute interessiert von einem zum anderen.


    Die Getränke kamen und mit ihnen das eiskalte und kristallklare Wasser. Ich ließ mir einschenken. Hadrianus und mein Onkel würden ganz sicher selbst den Sklaven Anweisungen geben.

    Ich schüttelte den Kopf, obwohl ich das Lachen dabei nicht verbergen konnte.


    „Natürlich existiert der Senat. Wie er aber seine beratende Funktion ausübt, ist doch die Frage. Na ja, und auch wie er an Ansehen bei Traditionalisten durch die Aufnahme von Frauen verloren hat. Du könntest natürlich – wie ich schon sagte – in anspruchsvoller Form ähnlich einer Satire Kritik üben. Dabei ist dir belassen, ob du es in Schriftform publizierst oder in Form anspruchsvoller Konversationen in der Öffentlichkeit.


    Glaub mir, Spott ist wirkungsvoller als emotional geleitete Entgleisungen bzw. Tiefschläge verbaler Art.“

    Ich lächelte gleichsam und tiefgründig.


    "Soll ich dir was sagen? Ich habe mir von Sophus und meinem Vater abgeschaut, eben diese Dinge als nicht existent zu betrachten. Diese Frauen sind einfach Frauen oder besser Traditionsbrecherinnen, deren Amt mich keinen Pfifferling interessiert, weil ich es nicht zur Kenntnis nehme, wohl aber deren Verfehlungen. Diese reibe ich ihnen gar zu gern unter die Nase. Ich weiß, eine anständige römische Frau tut das nicht, aber was soll’s? Ich betrachte diese Frauen kaum als Menschen sondern vielmehr als reparaturbedürftige Dinger."


    Mit einem zufriedenen Schmunzeln lehnte ich mich zurück. Zuhören war eigentlich viel schöner, nur eben bei diesen Themen konnte ich nicht wiederstehen.


    "Du vertrittst gute Ansichten, Hadrianus. Möchtest du sie nicht in anspruchsvoller Form publizieren?

    Ich schaute meinen Onkel an und setzte sogleich meine Gedanken in Worte um.


    "Meinst du wirklich, die Götter lieben es, jene Männer oder noch schlimmer Frauen an der Macht zu sehen, die vor allem Frevel begehen? Vielleicht sind die Götter ja nur viel zu geduldig."


    Ich schaute fragend, doch wer konnte darauf schon eine sichere Antwort geben? In Folgenden lehnte ich mich zufrieden zurück, um dem Gespräch der Männer zu lauschen. Es gefiel mir ausgesprochen gut, Zuhörer zu sein, aber nur bei solchen Menschen, wo ich sicher sein konnte, dass sinnreiche Worte den Mund verließen. Eben solchen Männern, die über Intelligenz verfügten, denn es gab wenig, das für mich so befriedigend war wie die Neuaufnahme von Wissen.


    Als jedoch die Rede auf die Pferdezucht kam, warf ich zwei Sätze dazwischen.


    "Obwohl mich deine Aussage stolz macht, habe ich zu Beginn deines Satzes angenommen, du meinst, die Aurelier sind dafür bekannt, politisch tätige Frauen zu ächten. Ich zumindest kenne keine zweite Gens, die derart homogene Ansichten vertritt und dann auch noch diese." :)

    Sim-Off:

    Oh, was dichtet ihr mir denn an? 8o ;)


    Bevor ich auf Hadrianus eingehen konnte, machte sich mein Onkel bemerkbar. Bildete ich mir merkwürdige Gedankengänge der beiden Männer ein oder war dem so? Fragend blickte ich von einem zum anderen. Schließlich - der Anstand gebot es - machte ich die Männer miteinander bekannt.


    „Darf ich vorstellen, Onkel? Das ist Hadrianus aus dem Hause Aelia. Er gehört in das konservative Lager innerhalb des Reiches, verfügt über einen großen Wissensschatz, manchmal allerdings auch über eine spitze Zunge und nicht immer das rechte Taktgefühl, seine klugen Ansichten am richtigen Ort zur rechten Zeit zu platzieren. Ich habe dir von ihm erzählt, als du deine Gesprächsabende mit gescheiten Köpfen geplant hast.“


    Ich schaute den Aelier an. „Hadrianus, das ist mein Onkel Cicero. Er ist in Mantua Magistratus und er vertritt, wie jeder in meiner Familie, Ansichten, die den Göttern gefallen.“ :)


    Ich lächelte und beobachte fortan die Begrüßung der Männer.

    Während der Fahrt und selbst beim Suchen nach dem passenden Schlüssel überlegte ich, wie es zu managen war, dass Hadrianus nun sogleich auf meine Anfrage hin mitgereist war. Das erste Treffen lag ja – wenn überhaupt – erst in zwei Wochen an. Die ganze zeit beruhigte ich mich damit, dass er ja in unserem beschaulichen Mantua auch Urlaub mache könnte. Außerdem konnte er meinem Onkel bei der Planung zur Hand gehen, vielleicht sogar das Thema für das Ersttreffen bestimmen. Dann gab es noch das fest der Flora ... Ach, mir würde schon was einfallen.


    Mit einem großen Grinsen blickte ich Hadranus an. Schließlich hatte ich auch den Schlüssel zur Hand.


    „Ah, da ist er ja. Lass uns eintreten und sehen, wer zu Hause ist.“
    Ich ging voran und lugte neugierig in die Eingangshalle. Hm, niemand zu sehen. Ich winkte eine Sklavin herbei.


    „Gib meinem Onkel Titus Bescheid, dass wir Besuch haben und bring in das Atrium Getränke und eine leichte Mahlzeit.“
    Schwungvoll landete meine Palla über der Schulter der Sklavin, bevor ich mich zu Hadrianus umdrehte.


    „Gehen wir ins Atrium."

    Nach einem prüfenden Blick auf die Anpflanzungen, die mir längst noch nicht zusagten, nahm ich Platz.


    „Bitte, setz dich doch“, forderte ich Hadrianus auf. „Bist du zum ersten Mal in Mantua?“, fragte ich nebenbei, weil bereits die Getränke eintrafen.


    „Was darf ich dir anbieten?“