Im Laufe des Abends stellte ich den Brief an Messalina fertig. Nachdem die Tinte getrocknet war, rollte ich das feine Papier zusammen und legte es samt Feder zur Seite. Mein Blick fiel auf Sophus, der oft sehr widersprüchliche Gefühle in mir wachrief. Er war rätselhaft und gleichzeitig leicht zu durchschauen - eine Mischung aus Extremen, und zwar nur Extreme, nichts an ihm war durchschnittlich.
Schon manches Mal hatte ich den Wunsch verspürte alles hinzuschmeißen, weil sich vieles anders gestaltete, als ich es mir erhofft oder er es versprochen hatte. Stand ich kurz davor, wurde mir jedoch klar, dass ich mit keinem anderen Mann Vergleichbares teilen konnte: Uns verband die Liebe und die Sorge um die Gens. Keine andere Familie würde bei mir je diesen Stellenwert erlangen wie die Aurelia.
Und da war noch etwas, das mich hielt: Ich ahnte, nein ich wusste, er war verletzbar. Seine kalte, oft abweisende oder von Ignoranz geprägte Art, verbarg geschickt ein feinnerviges Wesen - seit Monaten wusste ich das. Vielleicht kannte ich ihn inzwischen besser als er sich selbst.
Ich würde ihn und gleichzeitig mich verletzen, sollte ich gehen. Also blieb ich trotz der schon mit Gewissheit erwarteten weiteren Blessuren, die unvermeidlich kommen mussten, denn ich war sensibel veranlagt und er beharrte darauf, mich in der Bedeutungslosigkeit zu halten, redete es sich, vor allem aber mir ein. Und doch war es mir unmöglich, ihm gegenüber meine Schutzrüstung wieder anzulegen.
Gern hätte ich ihn gefragt, wovor er versuchte, sich zu schützen. Wieso er krampfhaft bemüht war, durch sein enormes Wissen, irgendwelche vorzeigbaren Leistungen, ein volles Tagesprogramm und seine harte Schale Sicherheit zu bewahren. Dort, wo man vertraut, durfte man sich auch einmal schwach zeigen, und was, bitte, war so schlimm daran?
Das alles ging mir durch den Kopf, als ich ihn betrachtete - ein Ausnahmemann, wie ich fand, aber gefangen in sich selbst.