Für Amytis stand die Welt für einen Herzschlag still. Die Worte klangen in ihren Ohren nach und sie konnte sie nicht fassen, während es um sie herum unruhiger wurde. Frei. Sie hatte mit vielem gerechnet, aber nicht damit. Als wäre sie aus einem schlechten Traum aufgewacht. Doch mit der Freiheit kam auch die Leere: Was nun? Wohin? Und vor allem: Wer würde die Leute hindern, sie erneut in Besitz zu nehmen?
Ihr Blick glitt zu Sporus, der zusammengebrochen war, das Kästchen mit seinem offensichtlich grausamen Inhalt noch in der Nähe. Sie hatte Mitleid, aber gerade auch keine Kraft mehr für ihn, wollte sie sich doch am liebsten ebenfalls auf den Boden setzen. Stattdessen wandte sich Magnus zu.
Ihre Haltung blieb aufrecht, die Schultern gerade, doch in ihren Augen loderte eine kühle Entschlossenheit, die sie sich in den letzten Stunden in der casa iunia erkämpft hatte. Sie senkte den Blick nicht, wie sie es bisher getan hätte, sondern hielt ihn fest auf den Mann gerichtet, der sie eben noch wie ein Stück Vieh beansprucht und sich auch zuvor schon hinter dieser Porta an ihr bedient hatte. Dennoch versuchte sie sich zu beherrschen, war er immerhin einer der wenigen gewesen, die Mitgefühl gezeigt hatten. Sie presste die Hände zu Fäusten, dass ihre Knöchel weiß hervortraten, und mühte sich um Besonnenheit.
„Ich danke für dieses Angebot. Doch ich möchte keine voreiligen Entscheidungen treffen.“ sagte sie mit zusammengebissenen Zähnen.
Dann drehte sie sich leicht zu Yúnzi, immer noch wachsam. „Ich habe eine Frage: Was wird aus uns, den Freigelassenen? Haben wir Anspruch auf etwas aus diesem Haus? Auf Schutz, bis wir unseren Weg finden? Oder müssen wir Rom verlassen?“
Ihr Blick glitt kurz über die Passanten, die Sklaven des Hauses. Perle mit Makeln, dachte sie bei sich. Das würde sie immer bleiben.